4R68/25k – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Einzelrichter (§ 8a JN) in der Rechtssache der Klägerin A*, FN **, ** **, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof Dr. Damian GmbH in Wien, gegen den Beklagten Mag. B*, Rechtsanwalt, **straße **, **, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der C* GmbH, FN **, zu S* des Landesgerichtes Linz, wegen EUR 211.180,50 s.A., über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 25. März 2025, Cg*-58, beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen die C* GmbH für nicht ordnungsgemäß durchgeführte Arbeiten beim Bauvorhaben „**“.
Der aus dem Fachgebiet für Möbeltischlerarbeiten bestellte Sachverständige Ing. Mag. D* übermittelte am 11. Juni 2024 sein Gutachten samt Honorarnote. Für diese Leistung verzeichnete er Gebühren in Höhe von EUR 20.934,95 (ON 29).
Auf Antrag der Beklagten wurde der Sachverständige mit der schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens beauftragt. Diese langte am 2. August 2024 mit einer Gebührennote in Höhe von EUR 1.997,00 bei Gericht ein (ON 35).
Nachdem über die (damals) Beklagte das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wurde das Verfahren mit Beschluss vom 27. Februar 2025 unterbrochen (ON 51).
Am 4. März 2025 legte der Sachverständige eine weitere Honorarnote in Höhe von EUR 1.267,50, dies mit Gebühren zur Vorbereitung auf die (dann abberaumte) Gutachtenserörterung (ON 53).
Mit seinen Gebührennoten vom 11. Juni 2024, 2. August 2024 und 4. März 2025 beantragte der Sachverständige jeweils gemäß § 42 Abs 1 GebAG die gemäß § 39 Abs 2 GebAG aufgerundeten verzeichneten Gebühren vor Rechtskraft des Beschlusses. Zudem verzichtete er ausdrücklich nicht auf die Auszahlung aus Amtsgeldern.
Nur gegen die Gebührennote vom 4. März 2025 erhob die Klägerin „Einwendungen“, mit denen sie die gesetzmäßige Bestimmung der Sachverständigengebühren nach dem GebAG beantragte (ON 55).
Mit Beschluss vom 11. März 2025 wurde der Klägerin aufgetragen, die Einwendungen binnen 10 Tagen dahingehend zu verbessern, dass substantiierte Einwendungen erhoben werden (ON 56).
Binnen offener Frist langten keine verbesserten Einwendungen der Klägerin ein.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen mit insgesamt EUR 24.200,00.
Rechtlich führte es aus, dass es gemäß § 39 Abs 2 GebAG zur Begründung des Gebührenbeschlusses auf die den Parteien zugestellten Gebührenantrag verweisen könne, da keine substantiierten Einwendungen gegen die antragsmäßige Bestimmung der Gebühr erhoben worden seien. Unsubstantiierte Einwendungen ohne nähere Ausführungen würden die fingierte Zustimmung nach § 39 GebAG nicht hindern, weshalb die Zustimmung zum Gebührenantrag anzunehmen gewesen sei (§ 39 Abs 3 Z 2 GebAG 1975 idF ZVN 2009).
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Gebühren des Sachverständigen mit EUR 19.360,00 bestimmt werden, verbunden mit der Anweisung an die Buchhaltungsagentur, diesen Betrag an den Sachverständigen zu überweisen und die restlichen Kostenvorschüsse in Höhe von EUR 5.575,00 an die Klägerin, zu Handen des Klagevertreters, zurückzuüberweisen.
Weder der Beklagte noch der Sachverständige erstattete eine Rekursbeantwortung.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurswerberin wirft dem Erstgericht vor, die Gebühren des Sachverständigen seien zu hoch bestimmt worden. Auch wenn sie der Ansicht sei, dass der von ihm verzeichnete Stundensatz von EUR 195,00 für Mühewaltung aufgrund der erwiesenen und herausragenden Fachkenntnis zustehen würde, hätte er aufgrund seines Verzichts auf die Auszahlung aus Amtsgeldern hiervon im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit einen Abschlag von 20 % vornehmen müssen. Da der Sachverständige nicht einmal behauptet habe, den 20%-igen Abschlag vorgenommen zu haben, müsse man davon ausgehen, dass dies auch nicht erfolgt sei. Dem Sachverständigen sei daher nur ein um 20% reduzierter Stundensatz von EUR 156,00 zuzuerkennen. Daran ändere auch die Äußerungsobliegenheit des § 39 Abs 1 GebAG nichts, die nur dazu diene, vor der Gebührenbestimmung strittige, relevante Tatsachen klären zu können. Auch wenn § 39 Abs 3 GebAG bestimme, dass das Unterbleiben von Einwendungen auch als fingierte Zustimmung zu den im Gebührenbestimmungsverfahren nicht kritisierten Gebührenpositionen zu verstehen sei, gelte dies nur für in den Tatsachenbereich fallende disponible Gebührenpositionen (etwa die Höhe des Stundensatzes nach § 34 GebAG). Sie habe daher auftragsgemäß innerhalb offener Frist Einwendungen dahingehend erhoben, dass eine gesetzesgemäße Bestimmung der Gebühren des Gerichtssachverständigen verlangt werde, was nicht in den Tatsachenbereich falle, sondern eine Rechtsfrage darstelle.
Nach § 34 Abs 1 GebAG ist die Gebühr nach richterlichem Ermessen nach der aufgewendeten Zeit und Mühe und unter Berücksichtigung des vollen außergerichtlichen Erwerbseinkommens für die gleiche oder ähnliche Tätigkeit des Sachverständigen zu bestimmen. Die Ermittlung der außergerichtlichen Einkünfte des Sachverständigen orientiert sich an den Honoraren einer außergerichtlichen Gutachtertätigkeit des Sachverständigen bzw. an einem für eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit bezogenen selbständigen oder unselbständigen Erwerbseinkommen ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler , SDG-GebAG 4 § 34 GebAG Anm 3). Das „Nachweisen“ der außergerichtlichen Einkünfte in § 34 GebAG ist nicht im Sinne eines förmlichen Beweises zu verstehen. Es ist eine bloße Glaubhaftmachung (Bescheinigung) zu verlangen, also die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Tatsache. Bei Fehlen entsprechender Nachweise ist der Sachverständige nach § 39 GebAG aufzufordern, seine außergerichtlichen Einkünfte durch Vorlage entsprechender Nachweise, wie etwa Honorarnoten zu bescheinigen ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler , aaO, § 34 GebAG E 58 bis 66). Relevant ist der Stundensatz, den der konkrete Sachverständige bei einer gleichen oder ähnlichen außergerichtlichen Erwerbstätigkeit, damit primär bei der Privatgutachtertätigkeit, regelmäßig tatsächlich ins Verdienen bringt. Dieser ist jedenfalls bei Zweifeln des Gerichts oder Einwendungen der Parteien zu bescheinigen, vorzugsweise durch Vorlage von drei Honorarnoten samt Zahlungsbelegen ( Krammer/Guggenbichler/Mann-Kommenda, SDG- GebAG 4 , § 34 GebAG Anm 3). Gemäß § 34 Abs 2 GebAG ist bei Leistungen, soweit diese nicht nach Tarif zu entlohnen sind, bei der Bemessung der Gebühr nach Abs 1 im Hinblick auf die öffentliche Aufgabe der Rechtspflege zum Wohl der Allgemeinheit ein Abschlag von 20% vorzunehmen.
Gemäß § 39 Abs 1a GebAG ist den Parteien des Verfahrens Gelegenheit zur Äußerung zum Gebührenantrag des Sachverständigen zu geben. Werden gegen die antragsgemäße Bestimmung der Gebühr keine Einwendungen erhoben oder verzichten die nach § 39 Abs 1a GebAG zu verständigenden Parteien auf Einwendungen, so kann das Gericht, wenn es keine Bedenken gegen die Höhe der Gebühr hegt, 1. ohne Beschlussfassung die Auszahlung der verzeichneten Gebühren anordnen oder 2. bei Beschlussfassung in antragsgemäßer Höhe zur Begründung des Beschlusses auf den diesen Parteien zugestellten Gebührenantrag verweisen (§ 39 Abs 3 GebAG).
Die Entscheidung über den zivilrechtlichen Anspruch des Sachverständigen soll nach Möglichkeit – unter Verkürzung allfälliger überflüssiger Rechtsmittelverfahren – in die erste Instanz verlagert werden. Die Partei hat demnach bereits im erstinstanzlichen Verfahren ihre Einwendungen gegen den Gebührenanspruch zu erheben. Ein „Nachtrag“ von Ansprüchen und Einwendungen im Rechtsmittelverfahren ist nicht statthaft. Das Rechtsmittelverfahren dient ausschließlich der Kontrolle des erstgerichtlichen Verfahrens ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, aaO, § 39 GebAG E 68 bis 70).
Gemäß § 39 Abs 1a GebAG ist den Parteien Gelegenheit zur Äußerung zum Gebührenantrag zu geben. Werden gegen die antragsgemäße Bestimmung der Gebühr keine Einwendungen erhoben und hat das Gericht keine Bedenken gegen die Höhe der Gebühren, so bietet § 39 Abs 3 GebAG dem Gericht eine Begründungserleichterung. Die Äußerungsobliegenheit des § 39 Abs 1 GebAG dient dazu, vor der Gebührenbestimmung strittige, relevante Tatsachen klären zu können. Ein Stundensatz ist als unbestritten und somit als bescheinigt anzusehen, wenn seine Höhe weder von den Parteien noch vom Revisor im erstinstanzlichen Verfahren als unrichtig, überhöht oder auch nur als nicht bescheinigt relativiert und auch vom Erstgericht im angefochtenen Beschluss nicht angezweifelt wurde. Das Unterbleiben einer Äußerung der Parteien des Verfahrens hat eine qualifizierte Bedeutung. War die Gebührenverzeichnung des Sachverständigen schlüssig und verstößt die Bestimmung der beanspruchten Gebühr nicht gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen, müssen die Parteien mit einer antragsgemäßen und abschließenden Gebührenbestimmung rechnen ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, aaO, § 39 GebAG E 83ff).
Der Klägerin wurde vom Erstgericht aufgetragen, ihre Einwendungen gegen die Gebührennoten dahingehend zu verbessern, dass substantiierte Einwendungen erhoben werden. Der als „Einwendungen“ betitelte Schriftsatz beinhaltete nämlich lediglich den Antrag auf gesetzmäßige Gebührenbestimmung, ohne den verzeichneten Stundensatz für Mühewaltung explizit zu kritisieren.
Die Rekurswerberin geht in ihrem Rekurs unrichtigerweise davon aus, die Frage, ob ein Abschlag von 20% abgezogen worden sei, sei eine reine Rechtsfrage. Bei Fragen zur Höhe des Stundensatzes – wie die Klägerin auch zugesteht – handelt es sich allerdings grundsätzlich um Tatsachenfragen ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, aaO, § 39 GebAG E 84ff). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass aus den Gebührennoten nicht erkennbar ist, ob der Sachverständige einen 20%-igen Abzug iSd obigen Ausführungen vorgenommen hat oder nicht. Soweit argumentiert wird, dass bei einem Stundensatz von EUR 195,00 der geforderte Abschlag noch nicht vorgenommen worden sein konnte, weil der Basiswert sonst EUR 243,75 sein müsste, handelt es sich um bloße Spekulation. Mangels Einwendungen zur Höhe des Stundensatzes für Mühewaltung blieb es dem Sachverständigen verwehrt, seine außergerichtlichen Einkünfte durch Vorlage entsprechender Nachweise zu belegen.
Zusammengefasst wäre die Klägerin daher hinsichtlich der Höhe des Stundensatzes für Mühewaltung einwendungspflichtig gewesen und hat das Erstgericht zu Recht gemäß § 39 Abs 3 GebAG die fingierte Zustimmung zum Gebührenantrag angenommen.
Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass die Rekurswerberin die Reduktion der Gesamtkosten von EUR 24.200,00 um 20%, sohin EUR 4.840,00, begehrt. Hierbei übersieht sie, dass der Sachverständige in seinen Honorarnoten nicht nur Gebühren für Mühewaltung nach § 34 GebAG verzeichnete, sondern auch Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften (§ 30 GebAG), Sonstige Kosten (§ 31 GebAG), Zeitversäumnis (§ 33 GebAG), Gebühren für Aktenstudium (§ 36 GebAG) sowie Fahrtkosten (§ 38 GebAG). Der gemäß § 34 Abs 2 GebAG allenfalls vorzunehmende Abschlag von 20% betrifft aber nur die Gebühr für Mühewaltung.
Insgesamt musste dem Rekurs aus all diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
Die Klägerin hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen, weil im Gebührenbestimmungsverfahren gemäß § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG unabhängig vom Rechtsmittelerfolg kein Kostenersatz stattfindet.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 5 ZPO.