JudikaturOLG Linz

6R58/25d – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Dr. Karin Gusenleitner-Helm in der Rechtssache des Klägers A* , geb. **, **, **, vertreten durch die Rechtsanwälte Estermann Partner OG in Mattighofen, gegen den Beklagten B* , geb. **, **straße ** /Top 14, **, verteten durch die Ferner Hornung Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 15.200,-- sA , über die Berufung des Beklagten gegen das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 26. Februar 2025, Cg*-4, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 1.542,36 (darin enthalten EUR 257,06 an USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Rekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Aufhebung des zwischen ihm und dem Beklagten am 06.05.2023 abgeschlossenen Kaufvertrages über einen Campingbus wegen Irrtum und Verkürzung über die Hälfte sowie die Rückzahlung des Kaufpreises von EUR 15.200,00 sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Campingbusses. Der Beklagte habe dem Kläger anlässlich des Verkaufsgespräches wahrheitswidrig vorgetäuscht, dass sich das Fahrzeug in einem mangelfreien und einwandfreien Zustand befinde. Tatsächlich habe am Fahrzeug schon im Übergabezeitpunkt ein Totalschaden vorgelegen. Das Fahrzeug sei nicht einmal die Hälfte des bezahlten Kaufpreises wert.

Mit Beschluss vom 22. Jänner 2025 verfügte das Erstgericht die Zustellung der Klage an den Beklagten und trug ihm die Klagebeantwortung binnen vier Wochen auf (ON 2).

Nach der Aktenlage wurde dem Beklagten die Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung durch Hinterlegung am 28. Jänner 2025 zugestellt (ON 2.1.).

Am 21. Februar 2025 langte das Dokument mit dem Vermerk „nicht behoben“ wieder beim Erstgericht ein (ON 2.2).

Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2025 beantragte der Kläger die Erlassung eines Versäumungsurteils (ON 3).

Am 26. Februar 2025 erlies das Erstgericht das Versäumungsurteil (ON 4).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung des Beklagten wegen Nichtigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Versäumungsurteil und das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig aufzuheben; eventualiter beantragt der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Frist zur Erstattung der Klagebeantwortung und erhebt Widerspruch gegen das Versäumungsurteil.

Mit seiner Berufungsbeantwortung strebt der Kläger die Bestätigung des Ersturteils an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Mit ihren Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung sind die Streitteile darauf zu verweisen, dass der Berufungssenat gemäß § 473 Abs 1 ZPO in den Fällen des § 471 ZPO (hier § 471 Z 4 und Z 5 ZPO [vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3 1 V/1 § 471 ZPO Rz 20]) über die Berufung in nicht öffentlicher Sitzung und ohne vorhergehende mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet.

2. Zur Überprüfung des Zustellvorganges hat das Erstgericht bereits aus eigenem den Zusteller des Dokuments ausgeforscht und diesen sowie den Kläger zur Zustellung einvernommen (ON 20 und ON 21). Im Berufungsverfahren wurde den Streitteilen die Möglichkeit eingeräumt, zu diesen Erhebungsergebnissen des Erstgerichts Stellung zu nehmen, von welcher Möglichkeit beide Parteien Gebrauch gemacht haben (ON 3 und ON 4 im Akt des Berufungsgerichtes). Auch vor diesem Hintergrund erübrigte sich die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (vgl Pimmer aaO § 473 ZPO Rz 5 mwN).

3. Aufgrund dieser Erhebungsergebnisse und der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:

Der Zusteller hat die Verständigung von der Hinterlegung des Dokuments, beinhaltend die Klage samt Auftrag zur Klagebeantwortung je vom 22. Jänner 2025 (ON 1 und ON 2), bei der Post-Geschäftsstelle C* zur Abholung ab 28. Jänner 2025 (Rücklaufkuvert ON 2.2; Zustellnachweis ON 2.1) in den Briefkasten des Beklagten eingelegt (ZV D* ON 21; Zustellnachweis ON 2.1).

4. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen ergeben sich aus den jeweils in Klammer angeführten unbedenklichen Urkunden sowie der glaubhaften Zeugenaussage des Zustellers und folgender dazu angestellter Überlegungen:

Der Beklagte argumentiert, aus der Aussage des Zustellers, er könne sich an den konkreten Zustellvorgang nicht mehr erinnern, sei abzuleiten, dass er überhaupt nicht sagen könne, ob er dem Beklagten das Dokument tatsächlich zugestellt hat. Dabei übersieht der Beklagte allerdings, dass der Zusteller auch angegeben hat, er sei sich sicher, dass es nie vorgekommen sei, dass er keine solche Benachrichtigung in den Postkasten geworfen hätte.

Nicht nur der Umstand, dass der Zusteller unumwunden zugestanden hat, dass er sich an den konkreten Zustellvorgang nicht mehr erinnern kann, sondern auch, dass er von sich aus angegeben hat, es habe einmal eine Beschwerde gegeben, weil er vergessen habe, ein Werbeprospekt in den Postkasten zu werfen, spricht für die Glaubwürdigkeit des Zeugen.

Der Beklagte behauptet, aufgrund der kurzen Tätigkeit des Zeugen als Zusteller von Oktober 2024 bis Februar 2025 könne aus seiner Behauptung, dass ihm seit Beginn seiner Beschäftigung (richtig: was Hinterlegungsanzeigen anlangt) nie ein Fehler unterlaufen wäre, überhaupt kein sinnvoller Schluss gezogen werden, weil Zustellfehler naturgemäß stets mit einiger Verspätung zutage treten würde.

Dabei übergeht er, dass zwischen dem Zeitpunkt des Beginns der Tätigkeit des Zeugen als Zusteller und seiner Einvernahme vor dem Erstgericht bereits ein Zeitraum von über sechs Monaten verstrichen war. Im hier vorliegenden Fall beanstandet der Beklagte die Zustellung durch Hinterlegung, die bereits gegen Ende der Tätigkeit des Zeugen als Zusteller vorgenommen wurde, keine zwei Monate nach dem Zustellvorgang. Hätte der Zeuge während seiner Tätigkeit als Zusteller Zustellungen durch Hinterlegung tatsächlich nicht ordnungsgemäß vorgenommen, wäre er bei lebensnaher Betrachtung infolge der mittlerweile verstrichenen Zeit von mehr als einem halben Jahr im Zeitpunkt seiner Einvernahme vor dem Erstgericht gewiss schon mit mehreren Beschwerden dieser Art konfrontiert gewesen. Davon hätte er – wie auch in diesem Fall – auch nach seinem Arbeitsplatzwechsel Kenntnis erlangt, weil dies im Regelfall (wie auch hier) zur Einvernahme des Zustellers zum Zustellvorgang führt. Da der Zeuge anlässlich seiner Einvernahme (von sich aus!) aber nur von einer Beschwerde im Zusammenhang mit der Zustellung von Werbeprospekten berichten konnte, spricht dies dafür, dass er Zustellungen durch Hinterlegung stets ordnungsgemäß durchgeführte.

Richtig ist zwar, dass allein aus dem Umstand, dass der Zusteller (gemeint wohl) die Zustellung durch Hinterlegung auf dem von ihm mitgeführten Gerät elektronisch erfasst hat, (streng genommen) weder abgleitet werden kann, ob der Zusteller die Hinterlegungsanzeige überhaupt in einen Briefkasten, noch ob er diese in den Briefkasten des Empfängers eingelegt hat.

Es scheint allerdings nicht lebensnah, eine Zustellung durch Hinterlegung zwar aktiv elektronisch zu erfassen, die Hinterlegungsanzeige dann aber überhaupt nicht in einen Briefkasten einzulegen; vielmehr bedürfte es für ein solches (amtsmissbräuchliches) Vorgehen eines Zustellers eines behördlichen Schriftstückes bereits einiges an krimineller Energie.

Gegen die Annahme, der Zusteller hätte die Verständigung von der Hinterlegung in einen anderen Briefkasten als jenen des Beklagten eingelegt, spricht zunächst, dass die hier in Rede stehende Zustellung zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurde, als der Zeuge bereits fast vier Monate lang als Zusteller tätig war und damit seinen Rayon schon kannte. Das dies auch tatsächlich so war, ist durch den Umstand belegt, dass dem Zeuge auch noch anlässlich seiner Einvernahme vor dem Erstgericht der Name des Beklagten geläufig war, und er auch angeben konnte, dass an dieser Adresse die Postkästen „heraußen“ am Haus angebracht sind. Schließlich spricht auch die eigene Aussage des Beklagten dafür, dass dem Zusteller auch am Tag der hier in Rede stehende Zustellung durch Hinterlegung nicht nur der Briefkasten des Beklagten bekannt war, sondern auch, dass er die Verständigung von der Hinterlegung korrekt in diesen eingelegt hat. Denn nach den Angaben des Beklagten hatte dieser bei der Zustellung von Briefen noch nie das Problem, dass ein Brief gefehlt hätte (ON 20).

Aufgrund dieser Überlegungen ist der Berufungssenat davon überzeugt, dass der Zusteller die Verständigung von der Hinterlegung auch tatsächlich in den Briefkasten des Beklagten eingelegt hat. Der Aussage des Zustellers steht letztlich nur die bloße Behauptung des Beklagten entgegen, er habe die Hinterlegungsanzeige nicht erhalten. Weder mit dieser, noch – wie oben aufgezeigt – seinen in seiner Äußerung vorgetragenen Argumenten, vermochte der Beklagte Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zustellers zu erwecken.

5. Rechtliche Beurteilung

5.1. Der Beklagte behauptet in seiner Berufung, ihm sei durch einen ungesetzlichen Vorgang, nämlich durch die Unterlassung der Zustellung der Klage samt Klagebeantwortung, die Möglichkeit vor Gericht zu verhandeln entzogen worden. Er sei von einer Hinterlegung des behördlichen Schriftstückes nicht verständigt worden. In seinem Postfach habe sich zu keinem Zeitpunkt eine Hinterlegungsanzeige über die Möglichkeit zur Abholung der Klage befunden. Es liege daher eine Nichtigkeit des Verfahrens im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO vor.

5.2. Da nach den durchgeführten Erhebungen jedoch feststeht, dass dem Beklagten die Klage sowie der Auftrag zur Klagebeantwortung am 28. Jänner 2025 ordnungsgemäß durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustellG zugestellt wurde, liegt auch die behauptete Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht vor. Demgemäß war die Nichtigkeitsberufung des Beklagten zu verwerfen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Trotz des vom Beklagten erhobenen Widerspruchs war gemäß § 52 Abs 1 Satz 1 ZPO bereits endgültig über die Verpflichtung zum Kostenersatz im Berufungsverfahren zu entscheiden (vgl RS0035984). Für eine Beantwortung einer reinen Nichtigkeitsberufung – wie hier – gebührt allerdings nur der einfache Einheitssatz (Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.467 mwN; 5 Ob 275/08i; OLG Linz 11 R 24/23p). Der Kläger hat seine Äußerung vom 4. Juni 2025 nach der TP 3A RATG verzeichnet. Dieser Schriftsatz fällt allerdings unter die „sonstigen Schriftsätze“ im Sinne der TP 2 I. Z 1 lit e) RATG, sodass auch nur eine Honorierung nach dieser Gesetzesstelle gebührt.

7. Der Ausspruch über den Rechtsmittelausschluss stützt sich auf § 519 ZPO (vgl Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 § 519 ZPO Rz 2; Klauser/Kodek ZPO 18 § 519 ZPO E 16; RS0043405).

Rückverweise