10Bs134/25i – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie Mag. Kuranda in der Maßnahmenvollzugssache gegen A* wegen Verlängerung der Anhaltung in Einzelhaft iSd § 125 StVG über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 20. Mai 2025, Ns*-9, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Der am ** geborene A* ist seit seiner Einweisung gemäß § 21 Abs 1 StGB wegen §§ 15 Abs 1, 75 StGB (Landesgericht Linz, zu Hv1*) im Jahr 2014 durchgehend im Maßnahmenvollzug angehalten (ON 5; ON 6). Es folgten – neben zwei bezirksgerichtlichen Verurteilungen jeweils wegen § 83 Abs 1 StGB – zwei weitere Einweisungen, und zwar im Jahr 2020 gemäß § 21 Abs 1 StGB wegen § 84 Abs 4 StGB (Landesgericht Steyr, zu Hv2*) und im Jahr 2024 gemäß § 21 Abs 2 StGB wegen §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB sowie §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 3. Fall StGB (Landesgericht für Strafsachen Wien, zu Hv3*; ON 6).
Seit dem 4. Februar 2025 wird der Untergebrachte im forensisch-therapeutischen Zentrum B* angehalten (ON 5). Seit dem 27. März 2025, 09:00 Uhr, wird er gemäß § 125 StVG gegen seinen Willen in Einzelhaft angehalten. Mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 24. April 2025, Ns* (ON 4), wurde (unter anderem) die Verlängerung der Anhaltung des Untergebrachten in Einzelhaft vom 24. April 2025 bis (einschließlich) 22. Mai 2025 gerichtlich bewilligt.
Mit Eingabe vom 12. Mai 2025 (ON 2) beantragte die Leitung des forensisch-therapeutischen Zentrums B* die Verlängerung der Einzelhaft des Untergebrachten um weitere 6 Wochen. Der Untergebrachte sprach sich dagegen aus (ON 3).
Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 20. Mai 2025, Ns* (ON 9) wurde die Verlängerung der Anhaltung des Untergebrachten in Einzelhaft über den 22. Mai 2025 hinaus bis (einschließlich) 22. Juni 2025 gerichtlich bewilligt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass eine für die zumindest vorübergehende Anhaltung des Untergebrachten in Gemeinschaft ausreichende Stabilität seines psychischen Zustandes noch nicht eingetreten ist, die Aufrechterhaltung der Einzelhaft insbesondere zum Schutz und im Interesse der anderen Untergebrachten und des Personals notwendig ist und der Fremdgefährlichkeit derzeit durch keine gelinderen Mittel begegnet werden kann.
Der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde des Untergebrachten (ON 11) kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 125 StVG können Strafgefangene – sowie auch Untergebrachte ( Pieber in Höpfel/Ratz , WK 2 StVG § 125 Rz 1) – bei Tag und bei Nacht durchgehend einzeln angehalten bzw untergebracht werden (Einzelhaft). Während § 125 StVG lediglich eine die Durchführung (Besuche, Gerichtszuständigkeit, Zustimmungserfordernisse) regelnde Vorschrift darstellt und nicht auch materielle Grundlage dafür bietet, einen Insassen in Einzelhaft anzuhalten, normiert § 124 Abs 3 StVG die entsprechenden inhaltlichen Voraussetzungen für eine solche Unterbringung (vgl Drexler/Weger , StVG 5 § 125 Rz 1). Demnach ist von einer Gemeinschaftsunterbringung auch bei Tag nur – dann aber zwingend – abzusehen, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen oder sonst zur Erreichung der Zwecke des Strafvollzugs (§ 20 StVG) im Interesse des Strafgefangenen oder der Mitgefangenen notwendig ist. Letzterer Fall liegt dann vor, wenn vom Verurteilten, etwa aufgrund besonderen Aggressionspotenzials oder unberechenbarer Gewaltbereitschaft, gravierende Gefahren gegen ihre individuellen Rechtsgüter oder die Sicherheit der Anstalt ausgehen ( Pieber , aaO § 125 Rz 3). Das Gebot der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist den §§ 124 f StVG dabei zwar nicht explizit zu entnehmen, allerdings normiert § 124 Abs 3 StVG, dass die Einzelhaft aus den dort aufgezählten Gründen notwendig sein muss, was gewisse Rückschlüsse auf die nötige Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zulässt. Auch alle Arten von besonderen Sicherheitsmaßnahmen unterliegen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der zentral in § 103 Abs 5 StVG zum Ausdruck kommt. Da auch die besondere Sicherheitsmaßnahme nach § 103 Abs 2 Z 1a StVG eine in der Auswirkung mildere Form der Einzelhaft darstellt (mindestens zwei Stunden Gemeinschaft pro Tag), die Maßnahme nach § 125 StVG sohin größere Einschränkungen im Sinne einer stärkeren Rechtsgutbeeinträchtigung mit sich bringt als jene nach § 103 Abs 2 Z 1a StVG, haben die dort geltenden Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bei der Anordnung der Einzelhaft nach § 124 Abs 3 iVm § 125 StVG erst recht vorzuliegen.
Nach dem Akteninhalt leidet der Untergebrachte an einer paranoiden Schizophrenie und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und impulsiven Anteilen sowie psychischer Störung und Verhaltensstörung bei multiplem Substanzabusus (AS 1 in ON 4 mit Verweis auf S 6 des Einweisungsurteils vom 3. Oktober 2024 [Landesgericht für Strafsachen Wien, zu Hv3*]). Die ohnedies schon stark ausgeprägten dissozialen Anteile seiner Persönlichkeit werden durch die psychotische Komponente weiter verstärkt. Der Untergebrachte ist derzeit medikamentös nicht ausreichend und korrekt eingestellt, insbesondere weil sein Verhalten – allen voran die regelmäßige Verweigerung der Blutabnahmen und der oralen Medikamenteneinnahme (siehe etwa AS 19 ff in ON 7) – eine korrekte, wirksame Einstellung erschwert (AS 1 in ON 8). Infolge dessen ist der Untergebrachte zurzeit äußerst impulsiv, rasch aufbrausend, aggressiv und – aufgrund seiner kaum vorhandenen Hemmschwelle – unberechenbar, sodass bereits kleinste Frustrationserlebnisse – etwa bei unbeliebten Vorgaben des Personals – oder Sticheleien anderer Untergebrachter bei gemeinschaftlicher Anhaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu aggressiven körperlichen Übergriffen des Untergebrachten mit Verletzungsfolgen Anderer führen würden. Dabei sind nicht nur schwere Körperverletzungen sehr wahrscheinlich, sondern auch Körperverletzungen mit Todesfolge nicht auszuschließen, zumal der Untergebrachte Gewalt auch als Mittel zur Machtausübung einsetzen würde. Hinzukommt, dass ein Impulsdurchbruch bei ihm plötzlich und unvorhersehbar auftritt, sodass den Justizwachebeamten bei gemeinschaftlicher Anhaltung nicht genügend Zeit bleiben würde, im Falle von körperlichen Übergriffen des Untergebrachten (rechtzeitig) zu intervenieren und andere Untergebrachte vor ihm zu schützen. Eine Anhaltung in Gemeinschaft ist erst denkbar, wenn die medikamentöse Behandlung beim Untergebrachten ihre Wirkung entfaltet und die Impulsivität sowie die psychotischen Symptome zurückgehen, wobei derzeit nicht absehbar ist, wie lange die Stabilisierungsphase noch andauern wird (AS 2 in ON 8).
Vor dem Hintergrund seiner instabilen psychischen Verfassung, seiner mangelnden Bereitschaft an der Mitwirkung am Maßnahmenvollzug (in Bezug auf die Verweigerung der Blutabnahmen und der oralen Medikamenteneinnahme) und seines enorm hohen Aggressionspotenzials zeigt sich, dass die Anhaltung des Untergebrachten in Gemeinschaft zurzeit wegen erheblicher Fremdgefährdung nicht möglich ist. Die weitere Anhaltung des Untergebrachten in Einzelhaft gemäß § 124 Abs 3 iVm § 125 StVG erscheint auch unter Berücksichtigung seiner Unberechenbarkeit sowie der Art seiner psychischen Störung (bei unzureichender medikamentöser Behandlungs- und Krankheitseinsicht) vor dem Hintergrund der von ihm begangenen Anlasstaten nicht unverhältnismäßig.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.