12Rs52/25s – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende sowie Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*-B* , geboren am **, ohne Beschäftigung, **, **, vertreten durch C* B*, **, **, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch ihre Angestellte Mag. D*, Landesstelle **, wegen Pflegegeld (hier wegen Verfahrenshilfe), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. März 2025, Cgs*-8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom 10. Mai 2024 gewährte die Pensionsversicherungsanstalt dem Kläger Pflegegeld der Stufe 2 ab 1. Jänner 2023. Aus der Begründung ergibt sich, dass dieser Entscheidung ein Pflegebedarf von 115 Stunden monatlich zugrunde liegt. Im Anschluss an die Begründung findet sich der Hinweis, dass für April 2025 ein Termin für die Wiederbegutachtung zur Prüfung des Pflegebedarfs vorgemerkt ist und vom Ergebnis der Wiederbegutachtung eine gesonderte Information ergehen wird.
Zur Erhebung einer Klage gegen den Ausspruch über die Wiederbegutachtung begehrte der Kläger die Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit c, f sowie Z 3 ZPO. Das Erstgericht wies den Antrag unter Hinweis darauf ab, dass bloße Mitteilungen ohne Bescheidcharakter nicht mit Klage bekämpft werden könnten, sodass eine Klagsführung aussichtslos sei (Nc*). Das Oberlandesgericht Linz bestätigte zu 12 Rs 76/24v diese Entscheidung.
Daraufhin brachte der Kläger die Bescheidklage ein und das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Mangels Bescheidcharakters der unter „Hinweise“ erfolgten Mitteilung, dass für April 2025 ein Termin für die Wiederbegutachtung zur Prüfung des Pflegebedarfs vorgemerkt sei, sei deren Bekämpfung im Wege des Sozialgerichtsverfahrens nicht möglich.
Zur Erhebung eines Rekurses gegen diese Entscheidung beantragte der Kläger erneut die Gewährung der Verfahrenshilfe , dieses Mal im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a d, f, Z 2 sowie Z 3 ZPO. Es sei noch immer ungeklärt, warum die Beklagte befugt sein solle, die Wiederbegutachtung vorzumerken. Eine Herabsetzung setze eine wesentliche Änderung des Pflegebedarfs voraus, es gebe aber – im Unterschied zum Rehabilitationsgeld – keine Bestimmung über eine jährliche Nachuntersuchung. Das Verhalten der Pensionsversicherungsanstalt sei daher gesetzlich nicht gedeckt.
Das Erstgericht wies den Verfahrenshilfeantrag wiederum mit der Begründung ab, eine Klage gegen die Vormerkung der Wiederbegutachtung sei aussichtslos, sodass die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 63 ZPO nicht vorlägen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung in eine Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rekurses.
Die Beklagte und der Revisor erstatteten keine Rekursbeantwortung.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 ZPO ist Verfahrenshilfe einer Partei so weit zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
1.2 Offenbar aussichtslos ist eine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Abwehrmittel als erfolglos erkannt werden kann. Um die Verfahrenshilfe bewilligen zu können, muss der Erfolg zwar nicht gewiss sein, aber nach der sofort erkennbaren Lage eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ein besonders strenger Maßstab ist bei der Annahme der Aussichtslosigkeit zwar nicht angebracht, damit nicht durch die Verfahrenshilfeentscheidung bereits die Sachentscheidung vorweggenommen wird. Allerdings ist jedenfalls eine mutwillige Prozessführung anzunehmen, wenn ein Prozesserfolg so unwahrscheinlich ist, dass eine nicht Verfahrenshilfe genießende Partei von der Führung des Verfahrens aufgrund des Kostenrisikos absehen würde (vgl M. Bydlinski in Fasching/ Konecny 3 § 63 ZPO Rz 19 f; vgl Fucik in Rechberger/Klicka 5 § 63 Rz 5 f; vgl Schindler in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 63 ZPO [Stand 9.10.2023, rdb.at] Rz 11, 13).
2.1 Wird eine Klage nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG über einen Anspruch des Versicherten erhoben, obwohl „darüber“ kein Bescheid vorliegt, ist sie gemäß § 73 ZPO in jeder Lage des Verfahrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0085867).
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Bescheid anzunehmen, wenn der zu beurteilende Akt von einer Behörde stammt, die Bescheide erlassen darf, und wenn sich aus seinem Inhalt der Wille der Behörde ergibt, eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber einer bestimmten Person normativ zu regeln, dh bindende Rechtsverhältnisse zu gestalten oder festzustellen (RIS-Justiz RS0085681). Maßgeblich für den Bescheidcharakter ist demnach der Bescheidwille bzw das „autoritative Wollen“. Fehlt der Bescheidwille, ist eine bloße Verständigung oder Mitteilung anzunehmen (RIS-Justiz RS0085557).
2.2 Die Aufforderung der Österreichischen Gesundheitskasse zur Krankenstandskontrolle stellt ebenso wenig einen Bescheid dar (OGH 10 ObS 56/22s) wie die (unabhängig von einem Pensionsantrag erfolgte) Ablehnung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation durch die Pensionsversicherungsanstalt (OGH 10 ObS 78/16t) oder ein Informationsschreiben über die voraussichtliche Pensionshöhe (OGH 10 ObS 114/19s, 10 ObS 146/15s). Auch die Mitteilung des Sozialversicherungsträgers, dass nach den Ergebnissen der Wiederbegutachtung Pflegebedürftigkeit in unverändertem Ausmaß vorliege, hat keinen Bescheidcharakter (OGH 10 ObS 156/15m).
3.1 Wie das Erstgericht bereits unter Hinweis auf die Entscheidung 12 Rs 76/24v des Rekursgerichts ausgeführt hat, stellt der bloße Hinweis im Anschluss an die Begründung des Pflegegeldbescheids, dass für April 2025 ein Termin für die Wiederbegutachtung vorgemerkt ist, keinen bescheidmäßigen und dem entsprechend mit Klage bekämpfbaren Ausspruch der Pensionsversicherungsanstalt dar. Eine Nachuntersuchung zu einem bestimmten Termin ist noch nicht einmal angeordnet worden.
Ausgehend von dieser eindeutigen und – wie die vorstehend zitierten Vorentscheidungen zeigen – mehrfach vom Obersten Gerichtshof bestätigten Rechtslage ist die Führung des im Wege der Verfahrenshilfe angestrebten Rechtsmittelverfahrens aussichtslos.
3.2 Auf die im Rekurs angeführten Argumente, warum die Ankündigung bzw Anordnung einer Nachuntersuchung nicht rechtens sein könne, kommt es nicht an. Wenn kein Bescheid vorliegt, ist der Rechtsweg unzulässig und somit kann eine Überprüfung durch das Gericht im Rahmen der sukzessiven Kompetenz nicht erfolgen.
4 Daraus folgt, dass das Erstgericht zu Recht die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rekurses abgelehnt hat.
5 Der Revisonsrekurs ist in Verfahrenshilfesachen gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig.