JudikaturOLG Linz

10Bs122/25z – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
06. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Maßnahmenvollzugssache A* wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde der Untergebrachten gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 6. Mai 2025, BE1*-11, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. November 2022 (rechtskräftig am 10. Mai 2023), Hv1*, wurde A* in eine (vormals) Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil sie unter dem Einfluss ihrer Erkrankung Taten begangen hat, die ihr, wäre sie zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und das Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1, Abs 2 Z 1 und 2 und Abs 3 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wären.

Konkret hat sie in ** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung

I./ am 8. Juli 2022 B* und C* gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem sie 35 Sprachnachrichten auf dem Mobiltelefon des Letztgenannten hinterließ, in denen sie unter anderem äußerte

1./ „Wenn ich die (gemeint B* ) noch einmal sehe, dann steige ich so aufs Gas, dass sie in der Hausmauer pickt. Dann steige ich aus, hole mir eine Axt und hacke ihr den Schädel ab. Sie ist eine Hure, eine verlogene, intrigante, dreckige scheiß Nutte. Ich wünsche

ihr, dass sie noch einmal in ihrem Leben so leidet, dass sie schreit vor Schmerzen. Wenn ich die noch einmal sehe und ich werde sie sehen, weil du Trottel sie als Zeugin bei Gericht angegeben hast, dann ist die einen Kopf kleiner.“ und

2./ „Ich bring dich um, ich schwör dir, ich drehe dir den Hals um!“ (an C* gerichtet)

II./ eine längere Zeit hindurch fortgesetzt, nämlich im Zeitraum von zumindest April 2019 bis 8. Juli 2022, somit in einem Tatzeitraum, der ein Jahr übersteigt, C* in einer Weise, die geeignet war, ihn in seiner Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem sie regelmäßig in Hunderten von Angriffen im Wege einer Telekommunikation und unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels Kontakt zu ihm herstellte, indem sie ihn über elf verschiedene Mobiltelefonnummern und zumindest drei Facebook-Accounts telefonisch privat und auf seiner Dienststelle, per WhatsApp und Facebook Messenger kontaktierte, durch Vermittlung über Kollegen und Freunde versuchte, Kontakt mit ihm aufzunehmen, und zig Male auch an seiner Wohnadresse und Dienststelle auftauchte, somit seine räumliche Nähe aufsuchte.

Die Betroffene befindet sich seit 21. November 2023 im forensisch-therapeutischen Zentrum D*.

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Vollzugsgericht nach Einholung einer Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 12. Februar 2025 (ON 4) und Anhörung der Betroffenen am 6. Mai 2025 (ON 10) die Notwendigkeit der weiteren strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 1 StGB fest.

Die dagegen unmittelbar nach Beschlussverkündung - sohin fristgerecht - angemeldete (AS 3 in ON 10) und auch schriftlich ausgeführte (ON 12) Beschwerde der Betroffenen ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorbeugende Maßnahmen sind gemäß § 25 Abs 1 StGB auf unbestimmte Zeit anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erfordert. Der Vollzug der Maßnahme dient dazu, dass sich die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegende Gefährlichkeit nicht realisiert, die Prognose sich demnach nicht erfüllt. Zu diesem Zweck wird der Rechtsbrecher angehalten und bei dieser Gelegenheit behandelt ( Ratz in WK² StGB § 47 Rz 6). Das Vollzugsgericht hat die Frage, ob der Zweck des Maßnahmenvollzugs erreicht wurde, die Gefährlichkeit also noch besteht, gemäß § 47 Abs 2 StGB nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen zu beurteilen.

Das Erstgericht hat in seiner Entscheidung den bisherigen Verfahrensablauf aktenkonform dargestellt, sodass auf die zutreffende Begründung dieses Beschlusses identifizierend verwiesen wird (RIS-Justiz RS0115236 [T 1], RS0124017 [insb T2]). Insbesondere kam es rechtsrichtig zum Schluss, dass die Notwendigkeit der weiteren strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 1 StGB noch vorliegt.

Dem Gutachten der neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen DDr. is E* vom 21. Mai 2024 (ON 8 in BE2* des Landesgerichts Steyr) zufolge leidet A* an einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung (anhaltend wahnhaften Störung [F22.0 ICD-10] DD, Kombinierte Persönlichkeitsstörung [histrionisch, narzisstisch, emotional instabil] [F61 ICD-10]). Die Gutachterin kam weiters zum Schluss, dass nach ihrer Person, nach ihrem Zustand und nach Art der die Unterbringung begründenden Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten steht, dass die Betroffene bei Wegfall des Settings der strafrechtlichen Unterbringung unter dem maßgeblichen Einfluss ihrer psychischen Störung erneut mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werde, wobei als Prognosetaten qualifizierte Drohungen mit dem Tode, aber auch (an sich) schwere Körperverletzungen im Rahmen von affektiven Entgleisungen zu nennen sind (AS 19 in ON 8 in BE2* des Landesgerichts Steyr).

Nach der forensischen Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 12. Februar 2025 (ON 4) nehme die Betroffene nur nach Aufsuchen oder expliziter Aufforderung an den ärztlichen Visiten teil und präsentiere im Verlauf eines Gesprächs über Erkrankung bzw. über das Delikt weiterhin ihre Wahnsymptomatik. Sie sei weder krankheits- noch delikteinsichtig und wünsche dementsprechend keine psychopharmakologische Medikation. Es seien mehrere Ordnungswidrigkeiten aktenkundig, wobei die Betroffene zuletzt am 14. Jänner 2025 die Harnabgabe für einen Drogenharntest verweigert habe. Die Betroffene habe zwischenzeitig gänzlich die Zusammenarbeit mit dem psychologischen Dienst beendet. Weiters komme es immer wieder zu Beschuldigungen gegenüber dem Personal und gegenüber Mituntergebrachten, sodass aktuell Kontakte zur Untergebrachten ausschließlich zu zweit stattfänden. Die Betroffene zeige Schwierigkeiten bei der Einhaltung von Regeln und Strukturen. Im aktuellen Beobachtungszeitraum sei die Betroffene aufgrund von Konflikten mit anderen Untergebrachten mehrmals im Gruppensystem abgestuft worden. Bis dato habe keine begleitete Außenorientierung stattgefunden. Aufgrund des bisherigen Verlaufs seien aktuell auch keine Vollzugslockerungen geplant.

In Anbetracht der erstellten Diagnose einer wahnhaften Störung (F22.0 ICD-10) DD Kombinierte Persönlichkeitsstörung (histrionisch/narzisstisch/emotional instabil) (F61 ICD-10), der erst im Mai 2024 geäußerten Beurteilung der Sachverständigen DDr. is E* zur Gefährlichkeit, der unbedenklichen forensischen Stellungnahme des forensisch-therapeutischen Zentrums D* vom 12. Februar 2025 (ON 4) und der in der Anhörung geäußerten Darlegungen der Expertin des Fachdienstes F*, Msc, wonach die Untergebrachte Therapieformen – mit Ausnahme von Psychotherapie - ablehne und es zu keinem nennenswerten Abbau der Gefährlichkeit gekommen sei (AS 2 in ON 10), ist die Einschätzung des Erstgerichts (dieses konnte sich zudem einen persönlichen Eindruck von der Untergebrachten verschaffen), wonach mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten stehe, dass die Betroffene - insbesondere außerhalb von forensisch-therapeutischen Institutionen - unter dem maßgeblichen Einfluss ihrer psychischen Störung in absehbarer Zeit (vgl zur konkreten Ausgestaltung dieses Erfordernisses Haslwanter in Höpfel/Ratz, WK2 StGB Vor §§ 21–25 Rz 4/1) Taten gegen Leib und Leben - wie etwa Aggressionsdurchbrüche gegen dritte Personen – begehen könnte, die wiederum (an sich) schwere Körperverletzungen zur Folge haben, nicht zu beanstanden.

Eine Alternative zur strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum (etwa in Form einer gesicherten Therapie und Wohnmöglichkeit in einer betreuten Einrichtung) ist nach der Aktenlage noch nicht existent und scheitert aktuell am ungenügenden Behandlungserfolg, weiters aber auch an den Vorbehalten der Betroffenen gegenüber einer therapeutischen Auseinandersetzung.

Dass - wie die Beschwerde ausführt – eine Fortsetzung der strafrechtlichen Unterbringung alleine deshalb unstatthaft sei, weil zwischenzeitig ein (weiterer) gegen die Betroffene eingebrachter Antrag der Staatsanwaltschaft auf strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 1 StGB vom Landesgericht Steyr abgewiesen worden sei (Hv2*), erschließt sich nicht, können doch aus diesem (neuen) Verfahren (die Abweisung des Antrags nach § 21 Abs 1 StGB erfolgte mangels Nachweises der Begehung einer Anlasstat [ON 38 in Hv2* des Landesgerichts Steyr]) keinerlei Rückschlüsse auf das hier vorgelagerte strafrechtliche Unterbringungverfahren gezogen werden. Das nunmehr durchgeführte (abweislich beschiedene) strafrechtliche Unterbringungsverfahren hatte nämlich einen gänzlich anderen Sachverhalt zum Inhalt als jenen, den das Landesgericht für Strafsachen Wien damals zu beurteilen hatte. Daran vermag auch die vorliegende Personenidentität eines der jeweils vorkommenden Opfer nichts zu ändern. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass die neurologisch-psychiatrische Sachverständigen DDr. E* am 21. Mai 2024 (nach einer persönlichen Exploration mit der Betroffenen am 4. April 2024, einer eigenen psychiatrischen und neurologischen Untersuchung sowie einer umfassenden Beurteilung [unter anderem] anhand von forensischen Stellungnahmen) - unabhängig von dem durch die Beschwerde in Kritik gezogenen Einweisungsgutachten des Univ. Doz. Dr. G* - die (eigenständige) Diagnose einer wahnhaften Störung (F22.0 ICD-10) DD Kombinierte Persönlichkeitsstörung (histrionisch/narzisstisch/emotional instabil) (F61 ICD-10) erstellte, ihre Einschätzung zur vorliegenden Gefährlichkeit darlegte und zudem feststellen konnte, dass sich die im Gutachten von Dr. G* beschriebene Wahnsymptomatik bereits in Richtung Juxtaposition begebe (AS 18 in ON 8 in BE2* des Landesgerichts Steyr). Damit geht aber auch die Argumentation, DDr. E* hätte ihre Erkenntnisse alleine aus dem Vorgutachten übernommen, ins Leere.

Zu Recht hat das Erstgericht somit festgestellt, dass im vorliegenden Fall nach der Person der Beschwerdeführerin, ihrer Entwicklung und ihrem Gesundheitszustand die Voraussetzungen für eine (weitere) strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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