JudikaturOLG Linz

7Bs66/25t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Grosser in der Strafvollzugssache der A* wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde der Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 9. Mai 2025, BE1*-7, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die am ** geborene A* verbüßt seit 19. April 2024 Strafen und Strafteile im Gesamtausmaß von 21 Monaten im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests (ON 4, 7 ff) in der Justizanstalt **. Dem liegen Urteile des Landesgerichts Steyr vom 3. März 2022, Hv1*-9, wegen eines schweren (Darlehens-)Betrugs unter Verwendung falscher Daten (zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, von der sechs Monate unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurden), des Bezirksgerichts Perg vom 16. Juni 2023, U*-17, wegen Betrugs im Zusammenhang mit einem Angebot auf einer Onlineplattform für ein gebrauchtes Unterhaltungsgerät (zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe), des Landesgerichts Linz vom 22. Mai 2024, Hv2*-20, wegen gewerbsmäßigen (Warenbezugs-)Betrugs (zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten) und erneut des Landesgerichts Linz vom 10. Juni 2024, Hv3*-17, wegen Veruntreuung (eines Leasing-Pkws) und schweren (Darlehens-)Betrugs (zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von vier Monaten) zugrunde.

Die Hälfte der Strafzeit war am 3. März 2025 vollzogen, zwei Drittel werden am 18. Juni 2025 erreicht sein (ON 2, 4). Strafende aus derzeitiger Sicht ist der 19. Jänner 2026 (ON 2, 3).

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht eine bedingte Entlassung der Strafgefangenen nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit aus spezialpräventiven Überlegungen ab.

Dagegen richtet sich die im Anschluss an die Anhörung vom 9. Mai 2025 zu Protokoll gegebene (ON 6, 2) und in weiterer Folge fristgerecht (§ 152a Abs 3 StVG, § 84 Abs 2 letzter Satz StPO [iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG]) ausgeführte (ON 8) Beschwerde der Strafgefangenen, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht geäußert hat.

Rechtliche Beurteilung

Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 46 Abs 1 und 2 StGB).

Während also bis zum Vollzug von zwei Dritteln der Strafzeit auch generalpräventive Bedürfnisse zu berücksichtigen sind (die sich allerdings aus der Schwere der Tat ergeben müssen), können danach allein Aspekte der Spezialprävention einer bedingten Entlassung (die nach dem Willen des Gesetzgebers zu diesem Zeitpunkt der Regelfall sein soll [vgl Jerabek/Ropper in WK-StGB² § 46 Rz 17]) entgegenstehen ( Tipold in Leukauf/Steininger , StGB 4 § 46 Rz 10). Die dabei anzustellende Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch die Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben und ob allfällige negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 15/1). Erfahrungsgemäß wächst die Gefahr der Begehung weiterer strafbarer Handlungen mit zunehmender Zahl von Vorverurteilungen; je mehr Vorstrafen der Verurteilte hat und je gravierender sie sind, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens, so dass der Verurteilte in diesem Fall doch eher durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird als durch die bedingte Entlassung selbst in Verbindung mit entsprechenden Maßnahmen ( Tipold aaO § 46 Rz 7). Die Spezialprognose kann demnach im Einzelfall negativ sein, wenn der Rechtsbrecher zahlreiche einschlägige Vorverurteilungen aufweist, der Vollzug auch empfindlicher Freiheitsstrafen offensichtlich wirkungslos geblieben ist und oftmaliger und zuletzt auch rascher Rückfall vorliegt oder wenn er sonst einen Hang zu strafbaren Handlungen erkennen lässt ( Tipold aaO § 46 Rz 11).

Die Strafgefangene wurde seit 2005 bereits dreizehnmal gerichtlich verurteilt, wobei mit einer Ausnahme stets Vermögensdelikte den Anlass dafür boten. Erstmals war sie im Jahr 2009 in Haft, wobei sie am 24. Dezember 2009 unter Anordnung von Bewährungshilfe bedingt entlassen wurde (Pos 03 in ON 3). Dessen ungeachtet verübte sie nur zwei Monate später am 23. Februar 2010 erneut einen Diebstahl, wofür mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 17. Juni 2010 zu U2* eine Geldstrafe verhängt wurde (Pos 04 in ON 3). Davon offenbar wenig beeindruckt beging sie ihren nächsten (Einmiet-)Betrug bloß vier Tage danach am 21. Juni 2010. Für diese und weitere (Betrugs-)Taten wurde sie mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 30. August 2011 zu Hv4* zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollzug unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde, und einer (unbedingten) Geldstrafe verurteilt. Begleitend wurde ihr die Weisung zu einer psychotherapeutischen Behandlung auferlegt (Pos 05 in ON 3). Nichtsdestotrotz begann sie ab 25. Februar 2012 abermals im raschen Rückfall mit wiederholten Betrügereien, die letztlich dem Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB subsumiert wurden, für welches sie gemeinsam mit weiteren strafbaren Handlungen mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. Oktober 2013 zu Hv5* zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (Pos 07 in ON 3). Aus deren und dem Vollzug mehrerer Ersatzfreiheitsstrafen wurde sie nach einer Strafzeit von zwei Jahren und 120 Tagen zum 30. September 2015 mit einem Strafrest von 90 Tagen bedingt entlassen. Flankierend wurden Bewährungshilfe angeordnet und ihr abermals die Weisung zu einer psychotherapeutischen Behandlung erteilt (BE2* des Landesgerichts Wiener Neustadt).

Danach vergingen immerhin zweieinhalb Jahre, bis die Strafgefangene ab 1. April 2018 neuerlich und wiederholt mit Betrug und betrügerischem Datenverarbeitungsmissbrauch straffällig wurde. Dafür verhängte das Bezirksgericht Traun mit (zueinander im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehenden) Urteilen vom 12. Februar 2020 (Pos 08 in ON 3) und 10. Dezember 2020 (Pos 09 in ON 3) jeweils Geldstrafen, wobei die zuletzt genannte Entscheidung erst mit dem Berufungsurteil des Landesgerichts Linz vom 28. April 2021 rechtskräftig wurde. Dessen ungeachtet verübte sie weniger als zwei Monate später am 17. Juni 2021 ihren nächsten Betrug, für den sie am 3. März 2022 vom Landesgericht Steyr zu Hv1* zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt wurde, wobei ein Strafteil von sechs Monaten bedingt nachgesehen und Bewährungshilfe angeordnet wurde (Pos 10 in ON 3; dabei handelt es sich um die erste Verurteilung, die diesem Vollzug zugrunde liegt). Im Anschluss an die Urteilsverkündung wurde ihr Strafaufschub bis 17. April 2023 gewährt (vgl Hv1*-9 des Landesgerichts Steyr), den sie allerdings nicht wie vorgesehen zur Schadensgutmachung nutzte, sondern zur Begehung weiterer und fortgesetzter Vermögensdelikte beginnend ab 20. Dezember 2022 (Pos 11 und 13 in ON 3). Auch die (vorerst nicht rechtskräftige) Verurteilung vom 16. Juni 2023 zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe (Pos 11 in ON 3) hinderte sie nicht daran, während anhängigem Rechtsmittelverfahren und im Anschluss daran in raschem Rückfall zur Rechtsmittelentscheidung noch bis 19. Dezember 2023 straffällig zu werden (Pos 12 in ON 3), bevor sie am 19. April 2024 den nunmehrigen Strafvollzug antrat.

Mit Blick auf diese Vorgeschichte, die geprägt ist von wiederholten auch raschen Rückfällen bei offenen Probezeiten teils trotz Bewährungsauflagen, zuletzt im Strafaufschub und während anhängiger Strafverfahren, und die bereits zweimalig gewährten bedingten Entlassungen, die nicht zu einer nachhaltigen Resozialisierung der Strafgefangenen führen konnten, geht das Erstgericht zu Recht davon aus, dass der weitere Vollzug geboten ist, um sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und eine bedingte Entlassung diesbezüglich jedenfalls weniger wirksam wäre.

Dem kann auch die Beschwerde nichts Substanzielles entgegensetzen. Die Existenz ihrer nunmehr elfjährige Tochter hat die Rechtsmittelwerberin schon im Jahr 2018 nicht daran gehindert, straffällig zu werden. Ebenso wenig konnte sie in der Vergangenheit die wiederholt angebotene Betreuung durch die Bewährungshilfe oder auch die – nunmehr von ihr erneut ins Spiel gebrachte – Psychotherapie für sich nutzen. Auch die vorgebrachte Regulierung ihrer Verbindlichkeiten ändert nichts an dem von ihrem massiv getrübten Vorleben gekennzeichneten negativen spezialprognostischen Ausblick. Das durch den Vollzug bedingte seelische Leid der Tochter hinwieder kann für sich genommen keinen Einfluss auf die Entscheidung über die bedingte Entlassung nehmen (vgl [zu Strafzumessungsfragen] RIS-Justiz RS0090905).

Der Beschwerde ist demgemäß ein Erfolg zu versagen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG, § 89 Abs 6 StPO).

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