JudikaturOLG Linz

7Bs49/25t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, die Richterin Dr. Ganglberger-Roitinger und den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* B* wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 und 4 zweiter Fall StGB über die Berufungen der Staatsanwaltschaft Wels und der Angeklagten jeweils wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 8. November 2024, Hv*-45, nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwalts Mag. Winkler, LLM, der Angeklagten und ihres Verteidigers Dr. Fuchs durchgeführten Berufungsverhandlung am 5. Juni 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die ** geborene Angeklagte A* B* – in Abweichung von der Anklageschrift ON 20 – des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 (zu ergänzen: Abs 3 und) Abs 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Nach dem Schuldspruch hat sie am 6. August 2023 in ** dadurch ihre neugeborene Tochter C* B* grob fahrlässig (§ 6 [richtig] Abs 3 StGB) am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, indem sie am 3. August 2023 entgegen jeglichen ärztlichen Rates, insbesondere trotz der auch bereits am 1. August 2023 erfolgten dringenden ärztlichen Empfehlung der sofortigen Geburtseinleitung im Krankenhaus aufgrund der vorliegenden Geburtsrisiken infolge volatiler Kindslage und der hohen Wahrscheinlichkeit, dass das Kind neuerlich in Beckenendlage abweichen werde, das D* Klinikum gegen Revers verlassen hat, weshalb sie am 6. August 2023 ihr Kind im Zuge einer Hausgeburt ohne ärztliche Hilfe zur Welt brachte, wobei es infolge der volatilen Kindslage zu erheblichen Komplikationen, insbesondere zu einer massiven Sauerstoffunterversorgung (peripartale Ashyxie) der Neugeborenen kam und die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der C* B* zur Folge hatte, nämlich: schwerste Defizite im Bereich der Grobmotorik (verzögerte Meilensteine, kein altersadäquater Lagewechsel, keine adäquate Kopfkontrolle, keine selbständige Fortbewegung); schwerste Defizite im Bereich der Feinmotorik (Greifen, Halten, selektive Bewegung); schwerste Defizite des Bewusstseins, der Aufmerksamkeit, Körperwahrnehmung, Praxie sowie der Koordination; Epilepsie unter antikonvulsiver Therapie; Defizite im Bereich der visuell-räumlichen Wahrnehmung, mangelndes Fixieren, zerebrale Sehbehinderung; Defizite im Bereich der auditiven Wahrnehmungsverarbeitung; Defizite im Bereich des somatosensorischen Wahrnehmungsbereichs; Defizite im Bereich der Kommunikation sowie der Interaktionsfähigkeit und des Sozialverhaltens; Schluckstörung und Beeinträchtigung der Nahrungszufuhr; Neuroorthopädische Auffälligkeiten im Bereich der Extremitäten.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen wegen Strafe der Staatsanwaltschaft, welche eine höhere Freiheitsstrafe, in eventu unter teilweiser oder gänzlicher Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht anstrebt, sowie der Angeklagten, welche auf eine mildere Strafe abzielt.

Die Berufungen sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten, erschwerend demgegenüber die bei C* B* eingetretene schwere Dauerfolge. Damit wurde der erstgerichtliche Strafzumessungskatalog richtig und vollständig zur Darstellung gebracht.

Zusätzliche mildernde Umstände werden von der Angeklagten nicht aufgezeigt.

Die Staatsanwaltschaft spricht in ihrem Rechtsmittel ausschließlich spezial- und generalpräventive Aspekte für eine Straferhöhung an. Derartige Überlegungen sind zwar durchaus (schon) bei der Auswahl der Strafart und Festsetzung der Strafhöhe (Strafzumessung im engeren Sinn, vgl dagegen RIS-Justiz RS0113407) mitzuberücksichtigen ( Riffel in WK 2 StGB § 32 Rz 23); allerdings nur innerhalb jenes Spielraums, der nach unten durch die schon schuldangemessene und nach oben durch die noch schuldangemessene Strafe begrenzt wird (RIS-Justiz RS0090592, RS0090600).

Ausgehend von der vorliegenden Strafzumessungslage und der gegebenen Strafdrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe (§ 88 Abs 4 zweiter Fall StGB) erweist sich aber die vom Erstgericht verhängte sechsmonatige Freiheitsstrafe - und damit ohnehin ein Viertel des Möglichen - auch eingedenk ihrer persönlichen Betroffenheit als Mutter des schwer beeinträchtigen Opfers als tat- und schuldangemessen und damit weder einer Erhöhung noch einer Herabsetzung zugänglich.

Zutreffend hat das Erstgericht zudem erwogen, dass der bisher ordentliche Lebenswandel der Angeklagten die Annahme rechtfertigt, dass es (selbst wenn man von einer kritischen Haltung zur Schulmedizin ausginge) der Vollziehung der Freiheitsstrafe nicht bedarf, um sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Aber auch generalpräventive Gründe stehen einer gänzlich bedingten Nachsicht der Strafe nicht entgegen. Dies zumal spezialpräventiven Erwägungen, die für den Vollzugsverzicht sprechen, in der Regel mehr Gewicht beizumessen ist, als einem generalpräventiv begründeten Interesse am Vollzug, weil der Verbrechensprävention durch Einwirkung auf den Täter selbst Vorrang zukommt ( Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 43 Rz 18). Allerdings ist die Bestimmung der Probezeit im gesetzlich höchstzulässigen Ausmaß von drei Jahren angezeigt, um einen ausreichenden Bewährungszeitraum zu ermöglichen.

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