6R74/25g – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache der Kläger 1. A* B* jun. , geboren am **, Invaliditätspensionist, 2. C* B* , geboren am **, und 3. A* B* sen. , geboren am **, Pensionist, alle **, **, vertreten durch die Ferner Hornung Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die Beklagten 1. D* , geboren am **, Angestellter, **, **, und 2. E* AG , FN **, **straße **, **, beide vertreten durch Dr. Roland Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen (zuletzt) hinsichtlich des Erstklägers EUR 259.646,66 sA, Rentenbegehren und Feststellung sowie hinsichtlich der Zweitklägerin und des Drittklägers jeweils EUR 12.500,00 sA, über den Kostenrekurs des Erstklägers (Rekursinteresse EUR 2.916,00) gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 23. April 2025, Cg*-126, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Erstkläger hat den Beklagten EUR 370,19 (darin EUR 61,70 USt) an Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Erstkläger begehrte von den Beklagten aus einem Verkehrsunfall Schmerzengeld, eine Verunstaltungsentschädigung, den Ersatz seines Verdienstentgangs, diverse Sachschäden, Ersatzfahrzeugkosten sowie Haushaltshilfe- und Pflegekosten. Weiters begehrte er die Leistung monatlicher Renten für zukünftigen Verdienstentgang ab Jänner 2020 und für Pflege- und Haushaltshilfeleistungen ab April 2020 sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden.
Die Zweitklägerin und der Drittkläger begehrten den Ersatz eines erlittenen Schockschadens.
Letztendlich erhielt der Erstkläger nach zwei Rechtsgängen mit zahlreichen Klagsausdehnungen und Klagseinschränkungen und unter Berücksichtigung von Teilzahlungen EUR 320.000,00 an Schmerzengeld, EUR 15.000,00 an Verunstaltungsentschädigung, EUR 77.860,00 an Verdienstentgang für die „Vergangenheit“, EUR 23.380,50 an diversen Sachschäden, EUR 89.646,66 an Haushalts- und Pflegekosten für die „Vergangenheit“ sowie eine monatliche Verdienstentgangsrente von EUR 2.697,00 ab Jänner 2020, eine monatliche Pflegerente von EUR 1.630,34 ab Juli 2024 und eine monatliche Haushaltshilferente von EUR 530,00 ab Juli 2024 zuerkannt; weiters wurde die Haftung für künftige Schäden festgestellt.
Während der Zweitklägerin EUR 10.000,00 zuerkannt wurden, wurde das Klagebegehren des Drittklägers zur Gänze abgewiesen. Das Erstgericht behielt sich die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Hauptsache vor.
Nach rechtskräftiger Erledigung in der Hauptsache verpflichtete das Erstgericht mit der nunmehr angefochtenen Kostenentscheidung die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von
1. EUR 92.643,53 (darin EUR 13.513,64 USt und EUR 41.894,76 Barauslagen) an den Erstkläger und
2. von EUR 1.360,83 (darin EUR 180,12 USt und EUR 760,98 Barauslagen) an die Zweitklägerin.
Der Drittkläger wurde schuldig erkannt, den Beklagten die mit EUR 799,28 (darin EUR 133,21 USt und EUR 46,20 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.
Die überaus komplexe, acht Verfahrensabschnitte unterscheidende Kostenentscheidung gründete das Erstgericht auf § 43 Abs 2 ZPO. Im Rekursverfahren strittig sind lediglich die verzeichneten Kosten „F*/Barauslagen ustpflichtig“ von EUR 2.430,00 zuzüglich 20% USt, gesamt EUR 2.916,00. Das Erstgericht verneinte eine Ersatzfähigkeit dieser Kosten, da Privatgutachten zwar bei komplexen Problemen der Prozessvorbereitung und der Sammlung des Prozessstoffes sowie bei Bewertungsfragen, die über die übliche Sachkenntnis von Parteien und ihren Vertretern hinausgehen würden, zweckmäßig und ersatzfähig seien. Hier sei allerdings bereits vor Klagseinbringung absehbar gewesen, dass zur Berechnung des Verdienstentgangs ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich des Rechnungswesens einzuholen sein werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Kostenrekurs des Erstklägers mit dem Abänderungsantrag, ihm insgesamt einen Kostenersatz von EUR 95.559,53 zuzusprechen.
Die Beklagten beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Kostenrekurs keine Folge zu geben.
Der Kostenrekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Erstkläger meint, die in Anspruch genommene Expertise der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-Kanzlei F* habe der Ermittlung des Verdienstentgangs gedient. Es habe sich um eine komplexe Berechnung gehandelt, die Fachkenntnis vorausgesetzt habe. Die Beiziehung eines Privatsachverständigen sei für die Vorbereitung des Prozesses unabdingbar, zumindest aber zweckmäßig gewesen.
Die zur Beweissammlung und Prozessvorbereitung dienlichen vorprozessualen Kosten sind als Prozesskosten iSd § 41 ZPO anzusehen. Grundgedanke des § 41 Abs 1 ZPO ist, dass ein Ersatzanspruch nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten besteht (RS0035774 [T1]). Daher kann eine Partei, wenn es möglich ist, mit kostensparenderen Handlungen das gleiche Ergebnis zu erzielen, nur jene Kosten beanspruchen, die den gleichen Zweck mit geringerem Aufwand erreicht hätten (RS0035774). Da die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit von vorprozessualen Kosten, anders als bei durch die Prozessführung selbst verursachten Kosten, nicht schon anhand des Gerichtsaktes beurteilt werden kann, muss sie umfassend bescheinigt werden (OLG Wien 12 R 143/23m; vgl Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.392 mwN).
Zu den vorprozessualen Kosten zählen nach Lehre und Rechtsprechung jene, die zum Zweck der Prozessführung (Vorbereitung eines Prozesses) schon vor dessen Einleitung – „konkret prozessbezogen“ – aufgewendet wurden (Fucik in Rechberger/Klicka 5 Vor § 40 ZPO Rz 5; Obermaier aaO Rz 1.382, 1.420; RS0035826; RS0035770). Dazu können auch die Kosten eines vorprozessualen Privatgutachtens zählen (Obermaier aaO Rz 1.382, 1.418ff). Bei einem vor dem Prozess eingeholten Privatgutachten ist auf die ganz konkrete Prozessbezogenheit als Abgrenzungskriterium für die Eigenschaft als vorprozessuale Kosten zu achten. Die Kosten derartiger Gutachten sind nach der Rechtsprechung in vorprozessualen Zwangslagen als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuzusprechen, wenn etwa der Aufwand geeignet ist, die eigentlichen Prozesskosten zu vermindern, oder bei technisch komplexen Problemen der Prozessvorbereitung und der Sammlung des Prozessstoffes dienen (Obermaier aaO Rz 1.418).
Das Gutachten muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade wegen des konkreten Prozesses – also prozessbezogen – in Auftrag gegeben worden sein. Wegen der Bescheinigungspflicht ist in der Kostennote eine substantiierte Darlegung erforderlich, dass diese Kosten tatsächlich entstanden sind und auch konkret (nicht mit Allgemeinplätzen, somit hinreichend detaillierte Darlegung seiner konkreten Tätigkeit), warum sie notwendig waren und somit die konkreten Gründe der Beauftragung (Obermaier aaO Rz 1.420). Die Partei hat also die Pflicht, die angesprochenen Kosten zu spezifizieren (detailliert aufzugliedern) und zu belegen (bescheinigen), und zwar sowohl die Notwendigkeit des Kostenaufwands wie auch seine Höhe (Obermaier aaO Rz 1.51). Die Bescheinigungspflicht umfasst alle Umstände, die nicht aktenkundig sind und die zum Zuspruch der verzeichneten Kosten führen sollen. Bei vorprozessualen Kosten sind die erforderlichen Belege der Kostennote anzuschließen, zudem ist die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der verzeichneten Leistungen, wo aus den Belegen nicht ersichtlich, zu begründen (Obermaier aaO Rz 1.52).
Der Erstkläger beruft sich zur Bescheinigung der vorprozessualen Kosten auf die Honorarnote der F* Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH vom 28. April 2020 (Band I, AS 215 = Band II, AS 459) sowie die von ihm vorgelegte Beilage./E. Bei der letztgenannten Urkunde handelt es sich um eine undatierte und nicht unterfertigte Auflistung des Verdienstentgangs netto sowie des Verdienstentgangs brutto für die Jahre 2019 bis 2056. Eine monatliche Aufgliederung der Verdienstentgangsberechnung findet sich lediglich für die Jahre 2019, 2020, 2022, 2024, 2026, 2028 und 2030. Irgendwelche Erläuterungen zu dieser Berechnung, insbesondere zum jeweils zugrunde gelegten „fiktiven Nettoeinkommen“ finden sich nicht, ebenso wenig zur angesetzten und in Abzug gebrachten Nettopension sowie zur „Nebenrechnung Steuerbelastung Verdienstentgang 2020“. Eine Überprüfbarkeit dieser schlichten Auflistung von Zahlen ist daher aufgrund der Urkunde nicht gegeben, sodass der für die Erstellung getätigte Aufwand jedenfalls nicht geeignet ist, die eigentlichen Prozesskosten zu mindern, da die Einholung eines Sachverständigengutachtens damit jedenfalls unumgänglich war.
Dass eine vorprozessuale Zwangslage, die den Zuspruch der Kosten dieser „Berechnung“ laut Beilage./E ausnahmsweise begründen könnte, vorgelegen wäre, hat der Erstkläger in erster Instanz nicht behauptet und ist für das Rekursgericht auch nicht erblickbar. Die Berechnung des Verdienstentgangs ist grundsätzlich kein derart komplexer Bereich, der eine vorprozessuale Begutachtung erforderlich gemacht hätte, zumal durch die bloße Auflistung von nicht näher erläuterten Berechnungsergebnissen auch die Gutachtenseinholung und die damit verbundenen Prozesskosten nicht erspart werden konnten.
Abgesehen davon ist aus der Honorarnote der Wirtschaftstreuhandkanzlei auch nicht ersichtlich, welche sonstigen Leistungen neben der Berechnung des Verdienstentgangs für den Erstkläger allenfalls von der Honorarnote umfasst sind, werden in dieser doch „erbrachte Leistungen im Zeitraum vom 1.12.2019 bis 31.03.2020“ in Rechnung gestellt. Auch wenn in der Folge als Leistung die Berechnung des Verdienstentgangs angeführt ist, ist aus der Honorarnote nicht eindeutig ableitbar, ob der verrechnete Betrag von EUR 2.430,00 netto nicht auch weitere im betreffenden Zeitraum erbrachte Leistungen beinhaltet. Dafür spricht insbesondere ein Leistungszeitraum von immerhin 4 Monaten und die Rechnungssumme. Somit ist auch mangels ausreichender Aufgliederung bzw Darlegung eine Ersatzfähigkeit der Berechnung des Verdienstentgangs zu verneinen.
Dem Kostenrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.