JudikaturOLG Linz

6R51/25z – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Bürokaufmann in Ausbildung, **, **, vertreten durch die Poduschka Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die Beklagte B* AG , FN **, **straße **, **, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 30.700 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 2.000,--), über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. Februar 2025, Cg*-42, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 3.400,32 (darin enthalten EUR 566,72 an USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,--.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein Kfz-Kaskoversicherungsvertrag hinsichtlich eines PKW. Der Kläger überlies diesen PKW seinem Vater für eine Fahrt in den Kosovo. Bei der Heimreise aus dem Kosovo am 9. April 2023 verunfallte der Vater des Klägers mit dem PKW auf der Autobahn A1 bei Strkm. ** (Höhe C*), wodurch am PKW Totalschaden eintrat.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger von der Beklagten zuletzt die Zahlung von EUR 30.700,00 (Wiederbeschaffungswert von EUR 34.530,-- abzüglich Schrottwert von EUR 4.500,-- zuzüglich EUR 600,-- Bergungskosten der FF C* und EUR 70,-- pauschale Unkosten) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus diesem Verkehrsunfall und brachte zusammengefasst vor, die Beklagte lehne zu Unrecht einen Versicherungsschutz unter Berufung auf eine zu geringe Profiltiefe der am PKW montierten Reifen ab. Tatsächlich wäre die Profiltiefe ausreichend gewesen. Aufgrund der unberechtigten Deckungsablehnung habe der Kläger ein Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden, die daraus resultieren könnten, dass etwa noch Reparaturkosten der Straßenmeisterei oder Standgebühren für das schadhafte Fahrzeug auflaufen könnten.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, am PKW sei keine ordnungsgemäße Bereifung vorhanden gewesen. Das Fahrzeug sei an der Hinterachse mit völlig abgefahrenen Reifen ausgestattet gewesen, an manchen Stellen wäre bloß eine Profiltiefe von 0,7mm vorhanden gewesen. Bei einer Ausrüstung des Fahrzeuges zum Unfallszeitpunkt mit vorgeschriebener Bereifung wäre der Unfall, der durch Aquaplaning verursacht worden sei, unterblieben. Die Beklagte sei daher leistungsfrei. Für ein Feststellungsbegehren bestünde keinerlei Anlass. Die geltend gemachten Bergungskosten von EUR 600,00 sowie die pauschalen Unkosten von EUR 70,00 fänden in der Kaskoversicherung keine Deckung. Der Restwert sei mit EUR 7.070,00 ermittelt worden. Der Kläger habe, weil er ein diesbezügliches Kaufanbot nicht angenommen habe, gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen. Weiters habe er verabsäumt, den Kaskoselbstbehalt von EUR 750,00 zu berücksichtigen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus, legte das Erstgericht seiner Entscheidung die auf den Seiten 3 bis 5 seiner Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen zu Grunde, auf welche gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Für das Berufungsverfahren sind folgende auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen wesentlich:

Die am Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt vorhandenen Winterreifen montierte der Kläger Mitte November 2022, wobei er der Meinung war, dass diese noch sowohl für den winterlichen als auch sommerlichen Fahrbetrieb geeignet wären.

Im Jänner 2023 fertigte der Kläger ein Video an, da er ein Geräusch ausgehend vom Motor hörte. Auf diesem Video ist auch ein Hinterreifen des PKW ersichtlich.

Dieser gefilmte Reifen wies jedoch nur noch eine Profiltiefe auf, die gerade noch die Mindestprofiltiefe für Sommerreifen erreichte, allerdings nicht die Mindestprofiltiefe für Winterreifen.

Zum Zeitpunkt der Abreise des Vaters des Klägers in den Kosovo herrschten winterliche Fahrbedingungen bzw. war Schnee vorhanden.

Bevor der Kläger den PKW seinem Vater für die Reise übergab, fuhr er damit noch kurz in die Werkstätte, um das Auto waschen zu lassen, wobei auch das Kühlmittel überprüft wurde. Der Kläger kontrollierte noch den Reifendruck, die Profiltiefe selbst kontrollierte er jedoch nicht mehr, da er infolge des im Jänner 2023 angefertigten Videos davon ausging, dass diese noch ausreichend wäre.

Tatsächlich lag jedoch eine Profiltiefe an den Hinterrädern vor, die nicht mehr für winterliche Fahrbedingungen geeignet war, vielmehr zeigte der Sommerreifenindikator, welcher bei 1,6mm Mindestprofiltiefe liegt, dass die Profiltiefe tatsächlich nur mehr knapp darüber gelegen war.

Am Unfalltag herrschte an der Unfallstelle starker Regen, die Temperaturen lagen zwischen 2,9 und 8,9 °C. Es war zwar so, dass nicht von einer situativen Winterreifenpflicht ausgegangen werden musste, jedoch war an den Hinterreifen die Mindestprofiltiefe für Sommerreifen von 1,6 mm bereits bei Weitem unterschritten: Die Hinterreifen mit der Dimension 245/45R18 wiesen an diversen Messpunkten lediglich ein Profil mit einer Tiefe zwischen 1,1 und 1,2 mm auf. Auf den Laufflächen lag die Profiltiefe augenscheinlich unter 1mm.

Der Unfall ist aufgrund der viel zu geringen Reifenprofiltiefe, die zu einem Aufschwimmen der Räder (Aquaplaning) führte, und der nicht angepassten Fahrgeschwindigkeit von 125 km/h eingetreten; das Fahrzeug wurde dadurch instabil, geriet ins Schleudern und verunfallte.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht darauf, Hauptursache des Verkehrsunfalls sei gewesen, dass das Profil der Hinterreifen des PKW die Mindestprofiltiefe für Sommerreifen von 1,6 mm gemäß 4 Abs 1 Z 1 KVD um ein Wesentliches unterschritten hätten. Der Kläger hafte zwar nicht für das Verschulden des Lenkers. Es sei ihm aber anzulasten, dass er es unterlassen habe, vor Antritt der Fahrt seines Vaters in den Kosovo die Bereifung des PKW dahingehend zu überprüfen, ob diese noch den gesetzlichen Vorschriften entspreche bzw. ob diese noch für eine so weite Fahrtstrecke ausreichend sei. Zudem habe es der Kläger unterlassen, seinen Vater vor Antritt der Reise darauf aufmerksam zu machen, dass die Reifen schon stark abgefahren und diese allenfalls noch vor bzw. während der Reise zu überprüfen seien. Wenn der Kläger selbst nicht dazu in der Lage gewesen wäre, die Profiltiefe der Reifen zu überprüfen, hätte er damit eine Kfz-Werkstätte beauftragen müssen. Der Kläger hätte jedenfalls erkennen können, dass die Reifen stark abgefahren und die Hinterreifen nicht mehr für den Sommerbetrieb geeignet gewesen seien. Für einen sorgfältigen Menschen sei es nicht nur naheliegend, dass es bei derart abgefahrenen Reifen zu einem Unfall kommen könne, es dränge sich vielmehr auf. Der Kläger hätte den PKW keinesfalls mehr seinem Vater für die beabsichtigte Fahrt überlassen dürfen. Das Verhalten des Klägers sei als grob fahrlässig zu beurteilen. Eine Deckungspflicht der Beklagten sei daher im Sinne des § 25 Abs 1 VersVG zu verneinen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

In ihrer Berufungsbeantwortung beantragt die Beklagte, der Berufung des Klägers keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Tatsachenrüge

1.1. Der Kläger führt aus, das Erstgericht habe gestützt auf die Aussagen des Sachverständigen festgestellt, „dass der in Beilage ./E ersichtliche Reifen (...) gerade noch die Mindestprofiltiefe für Sommerreifen erreichte“, sowie, „zeigte der Sommerreifenindikator, welcher bei 1,6 mm Mindestprofiltiefe liegt, dass die Profiltiefe tatsächlich nur mehr knapp darüber gelegen war“. Das Erstgericht habe dabei verkannt, dass laut Sachverständigengutachten die Profiltiefe des in Beilage ./E ersichtlichen Reifens mit 2 bis 2,5 mm angegeben werden könnte, und begehrt die Feststellung „Tatsächlich wies der gefilmte Reifen eine Profiltiefe von 2 bis 2,5 mm auf“ .

Vorauszuschicken ist, dass die Tatsachenrüge schon deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, weil nicht klar erkennbar ist, ob der Kläger nun sämtliche von ihm zitierten Feststellungen bekämpfen möchte oder nur einen Teil davon. Um die Beweisrüge in der Berufung auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber ua aber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird (vgl RS0041835; 9 ObA 262/99s; 10 ObS 129/02x; Kodek in Rechberger/Klicka5 § 471 ZPO Rz 15). Sollte der Kläger mit seiner Tatsachenrüge alle von ihm wiedergegebenen Feststellungen bekämpfen wollen, wäre die Tatsachenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil es dann zwangsweise zu einem unzulässigen ersatzlosen Entfall von Feststellungen kommen würde (vgl RS0041835 [T3]).

Abgesehen davon kann dem Erstgericht ohnehin nicht unterstellt werden, sich mit seiner „Feststellung“, wonach die Profiltiefe nur mehr knapp über dem bei 1,6 mm befindlichen Sommerreifenindikator gelegen sei, über die von ihm selbst hiefür angegebenen Beweisergebnisse, nämlich die Beilage ./E und das Sachverständigengutachten, hinwegsetzen zu wollen; es hat lediglich die vom Sachverständigen angegebene Profiltiefe von 2 bis 2,5 mm einer Wertung dahingehend unterzogen, dass eine solche nur mehr knapp über dem Sommerreifenindikator liege. Da somit eine Profiltiefe von 2 bis 2,5 mm der vom Erstgericht vorgenommenen Wertung inhärent ist, ist auch die „Feststellung“, wonach die Profiltiefe nur mehr knapp über dem bei 1,6 mm befindlichen Sommerreifenindikator gelegen sei, ohnehin dahingehend zu verstehen, dass die Profiltiefe 2 bis 2,5 mm betragen hat.

1.2. Soweit der Kläger die Ausführungen des Erstgerichts, wonach er erkennen hätte können, dass die Reifen stark abgefahren gewesen seien und selbst die Hinterreifen nicht mehr für den Sommerbetrieb (richtig: Winterbetrieb) geeignet gewesen seien, bekämpft, geht die Tatsachenrüge von vornherein ins Leere, weil es sich insoweit lediglich um Rechtsausführungen des Erstgerichts handelt. Daher ist der Kläger mit der von ihm begehrten Ersatzfeststellung, die Reifen des PKW hätten im Zeitpunkt der Übergabe zumindest eine Profiltiefe von 2 bis 2,5 mm gehabt und seien jedenfalls für den Sommerbetrieb geeignet gewesen, auf die Ausführungen unter oben Punkt 1.1. und darauf zu verweisen, dass sich dies ohnehin aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ergibt.

1.3. Schließlich bekämpft der Kläger einzelne (als dislozierte Feststellungen zu wertende) Passagen der Beweiswürdigung, und zwar „dass es dem Kläger grundsätzlich möglich gewesen wäre, die Reifenprofiltiefe zu überprüfen, bevor er den PKW seinem Vater für eine lange Fahrt in den Kosovo überlässt“ und „wenn man in den Radkasten mit einem Profilmesser (…) hineingreift, die Profiltiefe des Reifens messen kann“ und begehrt die Feststellungen „Für den Kläger war es aufgrund der tiefen Lage des Fahrzeuges nicht bzw. sehr schwer möglich, die Reifenprofiltiefe des klagsgegenständlichen Fahrzeuges auf der Lauffläche zu überprüfen, bevor dieser den PKW seinem Vater überlassen hat. Der Kläger konnte aufgrund der wenig gefahrenen Kilometer und der von außen sichtbaren Profiltiefe jedenfalls davon ausgehen, dass noch ausreichend Profiltiefe für die Reise des Vaters vorhanden war.“

Die Tatsachenrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, zumal die Ersatzfeststellung „Der Kläger konnte aufgrund der wenig gefahrenen Kilometer und der von außen sichtbaren Profiltiefe jedenfalls davon ausgehen, dass noch ausreichend Profiltiefe für die Reise des Vaters vorhanden war.“ nicht mit den bekämpften (dislozierten) Feststellungen korrespondiert und die vom Kläger darüber hinaus begehrte Ersatzfeststellung in sich widersprüchlich ist und daher zu einem rechtlichen Feststellungsmangel führen würde (vgl. RS0042744): Die Feststellung, eine Profiltiefenmessung sei nur schwer möglich, ist mit der Feststellung, eine Profiltiefenmessung sei nicht möglich, nicht in Einklang zu bringen. Abgesehen davon ergibt sich ohnehin auch aus den vom Kläger selbst unumwunden zitierten Ausführungen des Sachverständigen, dass die Laufflächen der Hinterreifen – wenn auch mit höherem Aufwand, indem man sich mit dem Kopf auf Fahrbahn-Niveau begibt – auch bei einem tiefergelegten Fahrzeug kontrolliert werden können (Seiten 5 und 6 f in ON 38.3). Die auch an anderer Stelle in der Beweiswürdigung vom Erstgericht getroffene Kernaussage, derzufolge (auch beim PKW des Klägers) eine Sichtüberprüfung des Reifenprofils (der Hinterräder) sehr wohl möglich ist, ist daher nicht zu beanstanden.

Zur begehrten (ohnehin nicht korrespondierenden) Ersatzfeststellung, wonach der Kläger aufgrund der von außen (Anm: ohne sich mit dem Kopf auf Fahrbahn-Niveau zu begeben) sichtbaren Profiltiefe jedenfalls davon ausgehen habe können, dass noch ausreichend Profiltiefe für eine Reise des Vaters vorhanden gewesen sei, ist anzumerken, dass dem Kläger bereits aufgrund des von ihm im Jänner 2003 angefertigten Videos bewusst sein hätte müssen, dass das Profil auf der Lauffläche nur mehr eine Tiefe von 2 bis 2,5 mm aufweist (Beilage ./E iVm SV-GA Seite 8 in ON 38.3). In diesem Sinne hat auch das Erstgericht in der Beweiswürdigung zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus der Aussage des Klägers, er habe das Video im Jänner 2023 angefertigt habe, ergebe, dass ihm bewusst sein hätte müssen, dass bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des PKW an den Vater die Profiltiefe der Reifen gerade noch über dem Sommerreifenindikator gelegen sei (US 6). Schließlich kann für den Kläger aus seinen Ausführungen auch deshalb nichts gewonnen werden, weil die Bestimmung des § 4 Abs 4 KDV betreffend die erforderlichen Mindestprofiltiefen ausdrücklich auf den mittleren Bereich der Lauffläche abstellt, weshalb das Reifenprofil auch dort zu überprüfen ist.

Der Tatsachenrüge war daher ein Erfolg zu versagen.

2. Zur Rechtsrüge

2.1. Soweit der Kläger argumentiert „Als Wenigfahrer musste der Kläger auch nicht von einer ungleichmäßigen Abnützung der Lauffläche ausgehen und ist auch in der Beilage ./E gut erkennbar, dass der Reifen KEINE ungleichmäßig abgenützte Lauffläche aufweist. (...) Aufgrund des von außen sichtbaren Profils und der Kenntnis des allgemeinen Zustandes der Reifen konnte der Kläger davon ausgehen, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften entspricht.“ ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht (vgl RS0043312; RS0043603 ua).

2.2. Den Feststellungen des Erstgerichts, wonach es der Kläger vor Antritt der Fahrt seines Vaters unterlassen hat, die Bereifung dahingehend zu überprüfen, ob diese für eine so weite Fahrtstrecke noch ausreichend ist, und der Kläger seinen Vater vor Antritt der Reise auch nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Reifen schon stark abgefahren waren und er diese allenfalls noch vor bzw. während der Reise überprüfen lassen soll, tritt der Kläger in seiner Berufung nur insoweit entgegen, als er die Frage in den Raum stellt, ob von stark abgefahrenen Reifen auch dann gesprochen werden könne, wenn diese die Mindestprofiltiefe noch nicht (gemeint) unterschritten haben. Dies ist zu bejahen: § 4 Abs 4 Z 4 KDV normiert für Winterreifen in Radialbauart eine Mindest(!)profiltiefe von 4 mm; dass fabriksneue Winterreifen eine wesentliche höhere Profiltiefe und nicht bloß die vorgeschriebene Mindestprofiltiefe von 4 mm aufweisen liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, wenn das Erstgericht Winterreifen , die nur mehr eine Profiltiefe von 2 bis 2,5 mm (und damit auch die Mindest profiltiefe für Sommerreifen gemäß § 4 Abs 4 Z 1 KDV nur mehr um 0,4 bis 0,9 mm überschreiten) als stark abgefahrene Reifen qualifiziert.

2.3. Gemäß § 23 Abs 1 VersVG darf der Versicherungsnehmer nach Abschluss des Vertrages ohne Einwilligung des Versicherers weder eine Erhöhung der Gefahr vornehmen noch ihre Vornahme durch einen Dritten gestatten. Eine Gefahrenerhöhung nach § 23 Abs 1 VersVG ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsabschluss tatsächlich vorhandenen gefahrenerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen. Darunter wird ein Gefährdungsvorgang verstanden, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist. Zu einer Gefahrenerhöhung im Sinn des § 23 Abs 1 VersVG kann es auch durch den Einsatz eines nicht mehr verkehrssicheren Fahrzeugs kommen, was etwa dann der Fall ist, wenn abgefahrene Reifen verwendet werden (7 Ob 205/20b mwN).

2.4. Dem Kläger ist zwar darin beizupflichten, dass der PKW nach den Feststellungen bei Übergabe an seinen Vater noch die kraftfahrrechtlichen Vorschriften für eine Sommerbereifung erfüllt hat; er übersieht aber, dass nicht nur der Lenker gemäß § 102 Abs 1 KFG ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen darf, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, sondern auch er als Zulassungsbesitzer (Beilage ./7; vgl RS0121557 [T3]) gemäß § 103 Abs 1 KFG dafür zu sorgen hat, dass der Kraftwagen den Vorschriften des KFG und der auf Grund desselben erlassenen Verordnungen entspricht. Die §§ 102 Abs 1 und 103 Abs 1 KFG sind Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB, in dessen Zweckbereich die Verhütung von Unfällen und die Geringhaltung von aus Unfällen entspringenden Schäden liegt (vgl RS0027402). Die Bestimmung des § 103 Abs 1 KFG enthält keine Regelung, derzufolge der Zulassungsbesitzer im Vergleich zum Lenker nur in zweiter Linie dafür verantwortlich wäre, dass das Fahrzeug den Vorschriften entspricht ( Nedbal-Bures , KFG 12 § 102 KFG E 20). Eine Pflicht zur Prüfung einer ordnungsgemäßen Fahrzeugbereifung trifft daher sowohl den Zulassungsbesitzer als auch den Lenker eines Kraftfahrzeuges ( Nedbal-Bures aaO E 34). Den Zulassungsbesitzer trifft nach § 103 Abs 1 KFG zudem eine Sorgepflicht, dass er die je nach den Umständen in Betracht kommenden wirksamen Maßnahmen trifft ( Nedbal-Bures aaO E 26). Diese Sorgepflicht des Zulassungsbesitzers ergibt sich auch nicht erst aufgrund einer vom Fahrzeuglenker erfolgten Verständigung, sondern unmittelbar ( Nedbal-Bures aaO E 27).

2.5. Faktum ist, dass der Kläger wusste, dass sein Vater eine Reise in den Kosovo mit einer zurückzulegenden Fahrtstrecke von ca. 3.000 km antreten wird (Seite 3 in ON 5). Faktum ist auch, dass für den Kläger nicht nur erkennbar war, dass die Hinterreifen schon stark abgefahren waren, sondern er dies auch erkennen hätte müssen. Denn nach den Feststellungen hat ein Hinterreifen bereits im Jänner 2023 , als der Kläger ein Video angefertigt hat, auf dem dieser ersichtlich ist, die für Sommerreifen vorgeschriebene Mindestprofiltiefe nur mehr um 0,4 bis 0,9 mm überschritten . Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger – bereits in Entsprechung seiner aus § 103 Abs 1 KFG entspringenden Sorgepflicht – seinen Vater vor Antritt der Reise auf die stark abgefahrenen Hinterreifen aufmerksam machen und diesen anweisen müssen, die Profiltiefe (insbesondere) der Hinterreifen auf seiner Fahrt regelmäßig zu überprüfen und Reifen, bei denen die Überprüfung ergibt, dass die Mindestprofiltiefe von 1,6 mm unterschritten wird, vor einer Weiterfahrt erneuern zu lassen.

2.6. Die Gefahr, dass die Profiltiefe eines bei Übergabe bereits stark abgefahrenen Winterreifens auf einer Fahrt von etwa 3.000 km unter die Mindestprofiltiefe fallen kann, liegt entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht jedenfalls auf der Hand. Nur am Rande angemerkt sei, dass sich ausgehend vom Vorbringen des Klägers in Verbindung mit dem Umstand, dass im Jänner 2023 ein Hinterreifen nur mehr eine Profiltiefe von 2 bis 2,5 mm aufgewiesen hat, sogar eine für den Kläger erkennbare äußerst geringe Verschleißfestigkeit der Hinterreifen ergibt: Denn nur durch eine solche wäre zu erklären, wie sich das Profil der Hinterreifen, das nach dem Vorbringen des Klägers beim Reifenwechsel im November 2022 noch die für Winterreifen erforderliche Mindesttiefe aufgewiesen haben soll, bis Jänner 2023 auf 2 bis 2,5 mm verringern habe können, wo der PKW bis Ende März 2023 doch lediglich 50 km weit gefahren worden sein soll.

2.7 Der Kläger entfernt sich mit seinen Berufungsausführungen wiederum vom festgestellten Sachverhalt, wenn er damit argumentiert, es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass die Profiltiefe der Laufflächen des PKW während der Reise in den Kosovo durch eine nicht vorhersehbare ungleichmäßigen Abnutzung unter 1 mm fallen können; ein abnormer Reifenverschleiß durch ungleiche Abnutzung ist den Feststellungen nicht zu entnehmen; wie aufgezeigt, ergäbe sich lediglich aus dem eigenen Vorbringen des Klägers eine äußerst geringe Verschleißfestigkeit der Hinterreifen, die dem Kläger aufgrund des im Jänner 2023 angefertigten Videos, auf dem auch ein Hinterreifen ersichtlich ist, jedoch auffallen hätte müssen.

2.8. Nach der Rechtsprechung liegt eine gewillte Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs 1 VersVG auch dann vor, wenn es der Versicherungsnehmer unterlässt, eine unabhängig von seinem Willen eingetretene Gefahrerhöhung zu beseitigen, obwohl ihm Maßnahmen möglich und zumutbar wären (vgl 7 Ob 34/10s). Dies ist hier der Fall: Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb es dem Kläger hier nicht möglich oder zumutbar hätte sein sollen, seiner sich bereits aus der Bestimmung des § 103 Abs 1 KFG ergebenden Verpflichtung, seinen Vater bei Übergabe des PKW für eine Fahrt von ca. 3.000 km auf die bereits stark abgefahrenen Reifen aufmerksam zu machen, ihn anzuweisen, den Reifenzustand im Auge zu behalten und einen Betrieb des PKW mit einer vorschriftswidrigen Bereifung zu unterlassen, nachzukommen. Durch das Unterlassen jeglicher Hinweise und Anweisungen bei Übergabe des Fahrzeuges im Hinblick auf die bereits stark abgefahrenen Reifen (derer es umso mehr bedurft hätte, als bei Antritt der Fahrt winterliche Fahrbedingungen herrschten) hat der Kläger selbst sowohl den Eintritt als auch den Fortbestand der Gefahrerhöhung durch den Einsatz eines aufgrund abgefahrener Reifen nicht mehr verkehrssicheren Fahrzeuges im Straßenverkehr im Laufe der etwa 3.000 km langen Fahrt verschuldet.

2.9. Dass die vorschriftswidrige Profiltiefe auf den Laufflächen der Hinterreifen, die zum Zeitpunkt des Unfalls auf der Rückreise aus dem Kosovo augenscheinlich nur mehr unter 1 mm lag, (mit)ursächlich für den eingetretenen Schaden war und der Versicherungsfall nach Erhöhung der Gefahr eingetreten ist, zieht die Berufung nicht in Zweifel.

2.10. Das Erstgericht hat daher eine Leistungspflicht der Beklagten gemäß § 25 Abs 1 VersVG zu Recht verneint; auch die Rechtsrüge erweist sich daher als nicht berechtigt.

3. Der Berufung war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Auch wenn das Erstgericht bei seiner Entscheidung offensichtlich übersehen hat, dass der Kläger sein Klagebegehren eingeschränkt hatte (Seite 2 in ON 13.1 iVm Seite 5 in ON 5), und einen höheren Betrag abgewiesen hat, als der Kläger begehrt hat, kann der Streitwert im Berufungsverfahren nicht höher sein, als der vom Kläger zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung begehrte Betrag. Der Beklagten stehen für ihre Berufungsbeantwortung daher lediglich Kosten auf Basis von EUR 32.700,-- zu.

5. Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes mit EUR 30.000,-- übersteigend resultiert bereits aus dem diesen Betrag übersteigenden Leistungsbegehren des Klägers.

6. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision liegen nicht vor, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts von den Umständen des Einzelfalls und nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhing.

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