JudikaturOLG Linz

8Bs81/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafvollzugssache des A* wegen § 5 Abs 1 StVG über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen Punkt 1./ des Beschlusses des Landesgerichts Salzburg vom 23. April 2025, Hv*-18, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtenen Beschluss in seinem Punkt 1./ aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. Februar 2025 wurde A* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten verurteilt (ON 10). Die Aufforderung zum Strafantritt wurde dem Verurteilten am 12. März 2025 zugestellt.

Mit schriftlicher Eingabe vom 26. März 2025 beantragte der Verurteilte unter Hinweis auf seine Erkrankung die Gewährung eines Strafaufschubs, nachträgliche Strafmilderung und den Vollzug im elektronisch überwachten Hausarrest (ON 16).

Mit dem angefochtenen Beschluss gewährte das Erstgericht dem Verurteilten einen Strafaufschub bis zum 12. Oktober 2025 gemäß § 5 Abs 1 StVG (1./), wies den Antrag auf nachträgliche Strafmilderung gemäß § 31a StVG iVm § 410 StPO ab (2./) und jenen auf Vollzug im elektronisch überwachten Hausarrest zurück (3./).

Ausschließlich gegen die Gewährung des Strafaufschubs wegen Vollzugsuntauglichkeit und damit lediglich gegen Punkt 1./ des erstgerichtlichen Beschlusses richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 19), der Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Ist ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug (§ 20 StVG) wegen einer Krankheit oder Verletzung, wegen Invalidität oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Schwächezustands auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Strafvollzugsortsänderung (§ 10 StVG) mit den Einrichtungen der in Betracht kommenden Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen nicht durchführbar oder wäre im Hinblick auf einen dieser Zustände das Leben des Verurteilten durch die Überstellung in die betreffende Anstalt gefährdet, so ist die Einleitung des Strafvollzugs gemäß § 5 Abs 1 StVG so lange aufzuschieben, bis dieser Zustand aufgehört hat.

Die Zwecke des Strafvollzugs bestehen darin, dem Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen, ihn abzuhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen und (ihm sowie den rechtstreuen Bürgern) den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzuzeigen. Dazu ist der Strafgefangene von der Außenwelt abzuschließen und erzieherisch zu beeinflussen (§ 20 Abs 1 und Abs 2 StVG). Neben der öffentlichen Sicherheit steht somit der Gedanke der erzieherischen Beeinflussung im Vordergrund, die „Tadelsfunktion“ ist der Freiheitsbeschränkung ohnehin immanent ( Drexler/Weger in WK² StVG § 5 Rz 1; vgl auch aaO § 20 Rz 5ff und § 56 Abs 1).

Dem Wesen des Strafvollzugs kann dann nicht entsprochen werden, wenn es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, dem in § 20 Abs 1 und 2 StVG umschriebenen Auftrag nachzukommen. Dies ist dann der Fall, wenn der Strafgefangene aufgrund geistigen oder körperlichen Leidens einschließlich Invalidität in einem Zustand ist, der ihn für eine nachhaltige erzieherische Beeinflussung untauglich macht. Dieser Zustand kann vorübergehender oder dauernder Natur sein; auf jeden Fall müssen manifeste Krankheitsformen vorliegen.

Bei der Beurteilung der Vollzugsuntauglichkeit aus gesundheitlichen Gründen ist immer zu prüfen, ob durch Strafvollzugsortsänderungen (§ 10 StVG) Anstalten (Sonderanstalten) gefunden werden können, in denen trotzdem ein dem § 20 StVG entsprechender Strafvollzug durchgeführt werden kann. In Frage kommen die Anstalten des Maßnahmenvollzugs, die Sonderkrankenanstalten und die geschlossenen Abteilungen in öffentlichen Krankenanstalten, die ebenfalls organisatorisch Justizanstalten angegliedert sind ( Drexler/Weger , StVG 5 § 5 Rz 4f).

Bezogen auf den konkreten Fall ist der Staatsanwaltschaft darin beizupflichten, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 StVG aktuell auf Grundlage des Akteninhalts nicht als erfüllt angesehen werden können, lässt sich doch aus den im bekämpften Beschluss dargestellten Diagnosen und notwendigen Behandlungen keine Vollzugsuntauglichkeit ableiten. Insbesondere bieten auch die (vagen) Angaben des Verurteilten zu seinem Gesundheitszustand in Zusammenschau mit den vorgelegten Unterlagen keine ausreichende Grundlage zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 5 Abs 1 StVG.

Vielmehr werden sich Sachverständige mit dem Gesundheitszustand des A* sowie der Frage der Vollzugstauglichkeit aus medizinischer Sicht auseinanderzusetzen haben. Um auch der Möglichkeit einer Vollzugsortsänderung Rechnung zu tragen wäre in weiterer Folge eine Auskunft der Vollzugsbehörden einzuholen, ob eine Justizanstalt über die aufgrund des Gesundheitszustands des Verurteilten gebotenen Betreuungsmöglichkeiten verfügt und ob unter den gegebenen Umständen eine erzieherische Gestaltung des Vollzugs iSd § 20 Abs 1 und 2 StVG realisierbar ist.

Die Aufhebung des Beschlusses in seinem Spruchpunkt 1./ und Zurückverweisung der Strafsache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung und Auseinandersetzung mit den oben dargelegten Voraussetzungen für einen Strafaufschub nach § 5 Abs 1 StVG nach Verfahrensergänzung war somit unumgänglich. Auf § 7 Abs 3 StVG wird hingewiesen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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