JudikaturOLG Linz

12Rs46/25h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende, Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Herwig Mayer, MBA und Mag. Manuela Lang (beide Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **, vertreten durch Mag. Philipp Oblinger, Rechtsanwalt in Wels als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen , 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch ihren Angestellten Dr. B*, Landesstelle **, wegen Feststellung von Versicherungszeiten über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. März 2025, Cgs*-15, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen , im übrigen Umfang wird ihr nicht Folge gegeben.

Der Antrag, den Akt dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 115 GSVG vorzulegen, wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des selbständig erwerbstätigen Klägers wurde am 1. September 2015 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger hat die im Zahlungsplan vereinbarte Quote von 10,031 % (auch) auf die von der Beklagten angemeldeten Beitragsrückstände in Höhe von EUR 29.858,59 – davon EUR 3.538,95 an Verzugszinsen und Gebühren bis zur Konkurseröffnung – geleistet. Unstrittig ist, dass durch diese Zahlungen die Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von 1. Mai 2011 bis 31. August 2014 nicht abgedeckt wurden.

Mit Bescheid vom 8. August 2024 hat die Beklagte festgestellt, dass der Kläger bis zum 1. Juni 2024 196 Versicherungsmonate erworben hat; darin ist der Zeitraum von 1. Mai 2011 bis 31. August 2014 nicht berücksichtigt.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Klage mit dem Begehren auf Anerkennung der Versicherungsmonate betreffend den Zeitraum von 1. Mai 2011 bis 31. August 2014 als Beitragszeiten im Sinne des § 115 GSVG.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren ohne Feststellung eines weiteren Sachverhalts abgewiesen, festgestellt, dass der Kläger bis zum Stichtag 1. Juni 2024 196 Versicherungsmonate erworben hat, und in der rechtlichen Beurteilung festgehalten, er habe in Bezug auf den strittigen Zeitraum keine (weiteren) Versicherungszeiten erworben.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag.

Die unbeantwortet gebliebene, gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1 In der Berufung wegen Nichtigkeit erachtet der Kläger die Feststellung des Erwerbs von (nur) 196 Versicherungsmonaten als nichtig, weil sie „vom Kläger aus gutem Grund nicht begehrt“ worden sei.

1.1 Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte die vom Kläger bis zum Stichtag 1. Juni 2024 erworbenen Versicherungszeiten gemäß § 117a Abs 1 GSVG festgestellt.

Nach dieser Bestimmung hat der Versicherungsträger auf Antrag „die nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Versicherungszeiten festzustellen“. Dass er keinen diesbezüglichen Antrag gestellt hätte, hat der Kläger nicht behauptet.

Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung bezieht sich diese Feststellung nur auf innerstaatliche Versicherungszeiten (vgl RIS-Justiz RS0084984 , zuletzt OGH 10 ObS 94/24g ). Damit soll sichergestellt werden, dass über die Feststellung und das Ausmaß ausländischer Versicherungszeiten ausschließlich der Träger des zuständigen Mitgliedstaats – im vorliegenden Fall offenbar Frankreichs (vgl das Vorbringen des Klägers ON 4 S 2) – entscheidet (ausdrücklich OGH 10 ObS 94/24g [Rz 16] unter Hinweis auf OGH 10 ObS 98/12b ua; vgl auch RIS-Justiz RS0113189 ).

1.2 Mit der Erhebung der Klage tritt der angefochtene Bescheid gemäß § 71 Abs 1 ASGG im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft, soweit sein Inhalt eine Einheit bildet. Das trifft auf einen Bescheid über die Feststellung der Versicherungszeiten zu, auch wenn mit der Klage nur die Feststellung weiterer Versicherungszeiten begehrt wird (vgl RIS-Justiz RS0084896 zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 247 ASVG).

Der angefochtene Bescheid ist daher – auch wenn nur der Zeitraum von Mai 2011 bis August 2014 strittig war – insgesamt außer Kraft getreten, weshalb der Erwerb der im Bescheid festgestellten Versicherungszeiten im Urteil festzustellen war (vgl ausdrücklich OGH 10 ObS 91/02h ; vgl auch Sonntag in Köck/Sonntag , ASGG § 71 Rz 25).

1.3 Die behauptete Nichtigkeit liegt daher nicht vor.

2 In der Mängelrüge und in der Rechtsrüge kritisiert der Berufungswerber ausschließlich, dass das Erstgericht auf seine Argumentation betreffend die Verfassungswidrigkeit des § 115 GSVG nicht eingegangen und seiner Anregung auf „Vorlage des Akts und der Klage beim Verfassungsgerichtshof“ (unbegründet) nicht Folge geleistet habe.

2.1 Ein verfahrensrechtlicher Anspruch auf Anfechtung eines Gesetzes durch das Gericht beim Verfassungsgerichtshof existiert nicht; ein diesbezüglicher Antrag ist vielmehr zurückzuweisen; das Unterbleiben der Anfechtung begründet keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (ständige Rechtsprechung; vgl nur RIS-Justiz RS0058452 , insb [T3, T14, T19, T22]).

2.2 Der Verweis des Klägers auf die Argumente in der Stellungnahme vom 3. Dezember 2014 (richtig: ON 4) ist unzulässig und unbeachtlich (vgl RIS-Justiz RS0007029 , insb [T8]).

2.3 Mit seinen übrigen Ausführungen gelingt es dem Berufungswerber – dem es unbenommen gewesen wäre, selbst einen Normprüfungsantrag zu stellen (Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG) – nicht, tragfähige Gründe für die Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 115 Abs 1 Z 1 GSVG aufzuzeigen.

Daraus, dass andere einfach-gesetzliche Bestimmungen die Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger und das Verbot jeglicher Begünstigung normieren, folgt nicht eo ipso die Verfassungswidrigkeit des § 115 Abs 1 Z 1 GSVG, nach dem der Erwerb eines Beitragsmonats die wirksame Entrichtung der Beiträge erfordert. Die Restschuldbefreiung bewirkt zwar, dass die Gläubiger einen Teil ihrer Forderungen nicht mehr geltend machen können; die Wirkung ist aber nicht mit jener der (vollständigen) Tilgung der Schuld gleichzustellen (vgl ausdrücklich OGH 10 ObS 222/89 zu Beitragszeiten nach § 116 Abs 1 Z 1 BSVG, die insofern mit § 115 Abs 1 Z 1 GSVG identisch ist).

In seiner Argumentation übersieht der Kläger auch den tragenden Grundsatz, dass die Höhe der Pension von der Höhe der entrichteten Beiträge abhängt (vgl in diesem Sinne bereits OGH 10 ObS 222/89 ; darauf hinweisend OGH 10 ObS 56/10y ). Dieser vermag eine Ungleichbehandlung durchaus zu rechtfertigen.

3 Der Berufung war musste daher der Erfolg versagt bleiben.

4 Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit trotz Unterliegens rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

5 Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil die einzige relevante Rechtsfrage bereits in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt wurde.

Rückverweise