10Bs83/25i – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 25. März 2025, Hv*-36, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Zentner sowie des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Enthofer durchgeführten Berufungsverhandlung am 12. Mai 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf fünf Jahre erhöht .
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil (das auch ein unbekämpft gebliebenes Adhäsionserkenntnis und eine aktenkonforme Vorhaftanrechnung enthält) wurde der ** geborene A* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (zu I.), der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 3 StGB (zu II.), der Vergehen der pornografischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 2 und Abs 4 Z 1 StGB in der Fassung BGBl I 40/2009 (zu III.) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (zu IV.) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt.
Nach dem Schuldspruch hat er (in **, **, ** und ** [US 3])
I.) in der Zeit von 1. April 2013 bis 18. Mai 2018 in unzähligen regelmäßigen Angriffen (in Abständen von ein bis max drei Wochen an den Wochenenden, sowie häufiger in Ferienzeiten) mit einer unmündigen Person, nämlich mit der am ** geborenen B* den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er von B* Handverkehr und Oralverkehr an sich durchführen ließ, Oralverkehr an B* durchführte, ihr vor dem ersten Geschlechtsverkehr ein oder zweimal den Finger in die Scheide einführte, sowie vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durchführte;
II.) in der Zeit vom 18. Mai 2018 bis 1. April 2021 in unzähligen, regelmäßigen Angriffen (in Abständen von ein bis max drei Wochen an den Wochenenden, sowie häufiger in Ferienzeiten) die mündige Minderjährige B*, sohin eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar durch ein Entgelt dazu verleitet, eine geschlechtliche Handlung an ihm vorzunehmen oder von ihm an sich vornehmen zu lassen, indem er Handverkehr und Oralverkehr von B* an sich durchführen ließ sowie Oralverkehr an und vaginalen Geschlechtsverkehr mit B* durchführte, wobei er ihr Belohnungen in Aussicht stellte bzw. tatsächlich leistete, wobei er Geschlechtsverkehr mit € 70,- bewertete, Handverkehr bis zum Samenerguss mit € 10,- und Oralverkehr mit € 20,-, wobei er nicht bezahlte, wenn er nicht zur Ejakulation kam;
III.) im Jahr 2013 in zumindest einem Angriff mehrere wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person oder einer unmündigen Person an sich selbst, an einer anderen Person oder mit einem Tier, sohin pornographische Darstellungen minderjähriger Personen, der B* vorgeführt oder sonst zugänglich gemacht, indem er ihr Darstellungen, auf denen erwachsene Männer mit unmündigen Mädchen Geschlechtsverkehr hatten, auf seinem Laptop zeigte, um zu unterstreichen, dass diese Handlungen normal seien und alle dies so machen würden;
IV.) in der Zeit von 1 April 2013 bis 1. April 2021 durch die unter I. und II. angeführten Tathandlungen mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstand, nämlich mit der minderjährigen B*, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen, um sich oder einen Dritten geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft mit der sie eine höhere Freiheitsstrafe anstrebt (ON 37).
Die Berufung ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Bei der Strafbemessung werteten die Erstrichter mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel sowie die - zur Wahrheitsfindung beitragende - geständige Verantwortung, erschwerend hingegen das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie die vielen Tathandlungen über einen langen Tatzeitraum. Schuldaggravierend wurde außerdem berücksichtigt, dass der Angeklagte dem Mädchen für die sexuellen Übergriffe anfänglich Geschenke - und in der Folge Geld - anbot.
Letzteres ist zur Strafzumessung nicht heranzuziehen, weil die angesprochene Entgeltlichkeit zu den Tatbestandselementen des § 207b Abs 3 StGB zählt und solcherart bereits dessen Strafdrohung bestimmt (RIS-Justiz RS0130193).
Hingegen bildet die Volljährigkeit des Täters keinen subsumtionsrelevanten Umstand der §§ 206, 207b Abs 3, 207a und 212 StGB sodass § 32 Abs 2 erster Satz StGB der aggravierenden Wertung der vorsätzlichen Begehung strafbarer Handlungen nach dem zehnten Abschnitt des Besonderen Teils als Volljähriger gegenüber einer Minderjährigen (§ 33 Abs 2 Z 1 StGB) nicht entgegensteht (15 Os 138/20p). Laut den Feststellungen (US 5) befand sich der am ** geborene (US 3) Bruder der B* während der im Zeitraum 1. April 2013 bis 18. September 2015 begangenen Übergriffe im selben Raum, sodass sich auch die zweite Alternative des § 33 Abs 2 Z 1 StGB erschwerend zu Buche schlägt (vgl Riffel in Höpfel/Ratz , WK2 StGB § 33 Rz 34/2, wonach allein die Möglichkeit des Wahrnehmens für die Annahme dieses Erschwerungsgrundes ausreicht). Im Rahmen der Gewichtung der Schuld nach § 32 StGB war schließlich noch das (anfänglich) äußerst geringe Alter des Opfers (vgl RIS-Justiz RS0090958) zum Nachteil in Rechnung zu stellen.
Ausgehend von der beträchtlichen Länge des (achtjährigen) Tatzeitraumes, den oftmaligen und regelmäßigen Tatbegehungen (mit steigender Intensität) und den modifizierten Strafzumessungserwägungen erweist sich die von den Erstrichtern ausgemittelte Sanktion von vier Jahren Freiheitsstrafe dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten nicht entsprechend, sodass bei einer Gesamtbetrachtung aller Faktoren und unter Zugrundelegung eines Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eine solche in der Höhe von fünf Jahren als tat- und schuldangemessen zu verhängen war.