10Bs80/25y – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB über die Beschwerde des Rechtsschutzbeauftragten gegen den des Landesgerichts Wels (im Ermittlungsverfahren) vom 19. März 2025, HR*-4, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Zeitraum, für den die Auswertung der Multimediadaten zu erfolgen hat, auf 21. Februar 2025 bis 15. März 2025 eingeschränkt wird.
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Wels führt zu St* ein Ermittlungsverfahren gegen den am ** geborenen A*, dem der Verdacht der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB zu Grunde liegt.
Der Genannte habe in B* fremde Sachen durch Besprühen mit Farbe verunstaltet und dadurch einen EUR 5.000,00 übersteigenden Schaden verursacht, und zwar
1./ Ende Februar/Anfang März 2025 am C*-Platz einen Schaden in noch festzustellender Höhe,
2./ in der Nacht zum 11. März 2025 an der Fassade der D* einen Schaden von EUR 7.500,00.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. März 2025 (ON 4) wurde vom Erstgericht die Beschlagnahme des Mobiltelefons der Marke I-Phone 11 des A* zum Zweck der Auswertung der auf diesem Datenträger gespeicherten – einschließlich wiederhergestellter – Daten (§ 109 Z 2a lit a StPO) gemäß § 115f Abs 1 und 2 StPO bewilligt. Die Beschlagnahme umfasst die Datenkategorien Geräteinformationen, Authentifizierungs- und Authentisierungsdaten, Multimedia, Dokumente, Geräteinformationen, Kommunikation, Standortdaten und Webaktivitäten (wie in der angefochtenen Entscheidung näher konkretisiert [S 1 bis 3 in ON 4]) jeweils bezogen auf für die Aufklärung der Sachbeschädigungen durch Sprayen des Kürzels „EBK“ wesentliche Dateninhalte. Hinsichtlich Multimedia-Daten und gelöschter Dateien wurde ein unbegrenzter Zeitraum, hinsichtlich aller weiteren Datenkategorien ein Zeitraum von 21. Februar 2025 bis 15. März 2025 festgesetzt. Die Durchführung wurde mit 20. April 2025 befristet.
Das Erstgericht übernahm zur Begründung die in der Anordnung enthaltenen Ausführungen der Staatsanwaltschaft. Demnach sei die Beschlagnahme des Datenträgers (und der Daten) zur Aufklärung der Straftaten erforderlich, weil Erkenntnisse über die Herstellung und Urheberschaft der Graffitis gewonnen werden können, zumal jugendliche Sprayer ihre Taten oftmals dokumentieren und auch über soziale Medien bzw Messenger-Dienste zur Darstellung bringen würden. Der Auswertungszeitraum entspreche dem möglichen Tatzeitraum bis zur, allenfalls leicht zeitversetzten, Präsentation im Internet. Hinsichtlich des unbegrenzten Zeitraums betreffend Multimedia-Dateien und gelöschter Daten wurde angeführt„Laut Erlass des BMJ 2024-0.859.242 ist entscheidend, ob der Zeitstempel einer Datei in den festgelegten Zeitraum fällt oder nicht (vgl aaO S 10). Von der Festlegung eines Zeitraums hinsichtlich Mulitmedia-Daten ist daher abzusehen, da auch Daten aktuell besessen (§ 207a Abs 3 StGB) werden können, die bereits länger zurückliegend verschafft wurden und daher ein länger zurückliegenden Zeitstempel aufweisen. Würde en bestimmter Zeitraum festgelelgt, bestünde die Gefahr, dass diese Daten unentdeckt bleiben. Der Besitz einschlägiger Daten ist jedoch neben anderen Tatbestandsalternativen realkonkurrierend strafbar (OGH 15 Os 51/15m; 13 Os 139/17s), weshalb die zeitlich unbegrenzte Beschlagnahme losgelöst vom jeweiligen Einzelfall nötig ist, um einen solchen Besitz zu erweisen. Auch gelöschte Dateien verfügen über keinen Zeitstempel. Sie gelten daher im Zweifel als vom gerichtlich festgelegten Zeitraum erfasst: hierzu BMJ 2024-0.859.242 S 10)“ .
Mit Blick auf die Strafdrohung stehe die Maßnahme auch zur Bedeutung der Sache nicht außer Verhältnis.
Die gegen diese Bewilligung vom Rechtsschutzbeauftragten fristgerecht erhobene Beschwerde (ON 5) kritisiert die uneingeschränkte Auswertung von Multimediadaten und begehrt, den Zeitraum auch hiefür mit 21. Februar 2025 bis 15. März 2025 festzusetzen (Punkt V. in ON 5).
Die Beschwerde ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen A* gerichtete Verdacht ergab sich für den Journaldienst versehenden Staatsanwalt aus dem telefonisch erstatteten Bericht des ermittelnden Beamten der Polizeiinspektion B*. Demnach seien der Beschuldigte und zwei weitere unbekannte Täter etwa Ende Februar/Anfang März 2025 beim Sprayen am C*platz beobachtet und der festgestellte Schriftzug „EBK“ in der Nacht zum 11. März 2025 auch an der D* aufgesprüht worden. Der Schaden betrage im zuletzt genannten Fall dem Direktor der D* zufolge EUR 7.500,00 an Beseitigungsaufwand. Der Bericht beruhte im Wesentlichen auf den den Beschuldigten belastenden Angaben des Zeugen E* (ON 3.2). A*, der sich zu den Vorwürfen nicht äußern wollte, ist zudem in der **-Straße wohnhaft, was ebenfalls ein Indiz für seine Täterschaft darstellt (ON 2; S 5 in ON 4). Eine höhergradige Wahrscheinlichkeit ist bezüglich der Verdachtslage nicht gefordert.
Wenngleich sich zur subjektiven Tatseite keine Ausführungen in der der Bewilligung zugrunde liegenden Anordnung finden, ist ob des objektiven Tatgeschehens indiziert, dass es der Täter beim Besprühen (zweifellos) fremder Sachen mit Farbe ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, diese dadurch zu verunstalten.
Nach § 115f Abs 1 StPO ist die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten – zum Zweck der Auswertung von Daten (§ 109 Z 2a StPO) – zulässig, wenn sie aus Beweisgründen erforderlich scheint und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Informationen ermittelt werden können, die für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (§ 5 iVm § 74 Abs 2 iVm § 115f StPO).
Die Begründung der Erforderlichkeit einer Datenauswertung zur Aufklärung der Urheberschaft der Graffitis (siehe oben) erweist sich als zutreffend und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht in Kritik gezogen. Es kann begründet davon ausgegangen werden, dass dadurch beweiserhebliche Tatsachen gewonnen werden können, die für die Aufklärung der Straftaten wesentlich sind (vgl AB 16 BlgNR 28. GP 16). Da einzelne relevante Dateien (Punkt III der Anordnung) möglicherweise zwischenzeitlich gelöscht wurden, ist diesbezüglich auch die Wiederherstellung von Daten zweckmäßig, wobei wiederhergestellte Daten in der Regel über keinen Zeitstempel verfügen.
Multimediadaten betreffend weist der Beschwerdeführer hinsichtlich des Auswertungszeitraums zu Recht darauf hin, dass der bloße Besitz von Grafitti zeigenden Bild- und/oder Videodateien nicht strafbar ist und sich ein Vergleich mit dem auf § 207a StGB (bildlich sexualbezogenes Kindesmissbrauchsmaterial und bildliche sexualbezogene Darstellungen minderjähriger Personen) abstellenden Erlass nicht ziehen lässt. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum bei einem angenommenen Tatzeitraum beginnend mit 21. Februar 2025 bereits davor Multimediadaten, welche über die Taten Aufschluss geben sollen, erstellt worden sein sollten. Es war daher in Stattgabe der Beschwerde der Auswertungszeitraum auch hinsichtlich der Multimediadaten mit 21. Februar bis 15. März 2025 zu beschränken.
Durch den drei Wochen umfassenden Zeitraum wird auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt, soll doch das mit (richtig) zwei Jahren bedrohte Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB aufgeklärt werden. Dabei sind die in Rede stehenden Dateninhalte auf den Ermittlungszweck (Aufklärung der Sachbeschädigungen durch Sprayen von Grafitti unter Verwendung des Kürzels „**“) und den Beschuldigten beschränkt.
Eine Auswertung der Daten wurde seitens der Kriminalpolizei offensichtlich noch nicht vorgenommen bzw ist eine solche dem Akt nicht zu entnehmen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.