JudikaturOLG Linz

2R60/25v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden, Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geb. **, Selbständiger, ** Straße **, ** , vertreten durch Dr. Robert Zauchinger, LL.M., Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die Beklagen B* C* GmbH , FN **, **-Straße **, **, vertreten durch die Mahringer, Steinwender, Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Herausgabe (Streitwert EUR 23.500,00), über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. Februar 2025, Cg*-20, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 2.613,72 (darin EUR 435,62 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht jedoch EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger behauptet das Eigentum am Motorrad der Marke B*/**, mit der Fahrgestellnummer ** (Kilometerstand: 400 km, Preis EUR 23.500,00) aufgrund eines gutgläubigen Erwerbs am 12. Juli 2024 vom Leasingnehmer D* (künftig: Veräußerer) als Verkäufer.

Gegen die rei vindicatio wandte die Beklagte ihr Eigentum am Motorrad als Leasinggeberin ein. Der Vertragspartner des Klägers als Veräußerer sei mangels Zahlung der Leasingraten nicht Eigentümer des Motorrads geworden. Die Beklagte habe den Leasingvertrag aufgekündigt. Den Typenschein des Motorrads habe stets die Beklagte verwahrt, sodass der Kläger mangels Einsichtnahme in den Typenschein zu keiner Zeit von einer Berechtigung des Veräußerers ausgehen habe können. Wenn der Kläger sich die Unterlagen genauer angeschaut hätte, wären ihm Auffälligkeiten beim Schriftzug und der Formatierung aufgefallen. Zudem hätte der auffallend niedrige Preis (EUR 23.500,00 statt EUR 27.800,00) Zweifel an der Berechtigung des Vormanns hervorrufen müssen. Der Kläger habe leicht fahrlässig gehandelt und sei damit unredlich iSd § 368 Abs 1 ABGB.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Eigentumsklage ab. Nach den Urteilsfeststellungen schloss der Veräußerer als Leasingnehmer mit der Beklagten zum Motorrad einen Restwertleasingvertrag (Anschaffungswert EUR 27.800,00, Laufzeit 36 Monate). Kurz darauf bot sein Cousin für ihn das Motorrad auf „**“ um EUR 23.500,00 zum Verkauf an.

Der interessierte Kläger besichtigte, begleitet von zwei Freunden als Berater, am 12. Juli 2024 das Motorrad in einer Tiefgarage im 15. oder 16. Bezirk in E*, wobei sich die Garage nicht an der Adresse des Verkäufers befand. Auf Verkäuferseite waren der Veräußerer, sein Cousin und eine weitere Person anwesend. Die Besichtigung dauerte rund 20 bis 30 Minuten. Der Kläger fuhr das Motorrad auch kurz zur Probe.

Der Veräußerer zeigte dem Kläger bei der Besichtigung die Fahrzeugpapiere, konkret eine EU-Übereinstimmungsbescheinigung der B* AG, datiert mit 15. September 2023 (Beil./D), sowie einen Zulassungsschein. Er zeigte ihm weiters den zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Leasingvertrag (Beil./A), eine vermeintlich von der Beklagten ausgestellte Zahlungsbestätigung, datiert mit 11. Juli 2024 (Beil./C) sowie eine Deckungsbestätigung der F* AG vom 29. Februar 2024 (Beil./B). Der Kläger schaute sich die Dokumente an, wobei er ein besonderes Augenmerk darauf legte, dass die Fahrgestellnummer des Motorrads mit jener in den Fahrzeugpapieren übereinstimmte. Auch der Zustand des Motorrads war ihm wichtig.

Nicht festgestellt werden kann, ob die Dokumente für den Kläger wie Originale ausgeschaut haben oder, ob bei ihm Zweifel hinsichtlich der Echtheit der Dokumente aufgekommen sind.

Bei der dem Kläger vom Veräußerer ausgefolgten Zahlungsbestätigung, nach welcher dieser die gesamten Leasingraten an die Beklagte bezahlt habe, handelt es sich um ein gefälschtes Dokument. Darin war als Vertragsbeginn der 29. Februar 2024 und als Vertragsende der 11. Juli 2024, damit der Tag vor der Besichtigung, angeführt. Die gefälschte Zahlungsbestätigung wies einige Rechtsschreib- und Grammatikfehler auf. Das im Kopf des Schreibens abgebildete B*-Logo entsprach nicht dem Original B*-Design. Auch die Schriftart des Aufdrucks „B* G*“ war zwar die gleiche wie im Leasingvertrag, die einzelnen Buchstaben waren jedoch sichtlich verschwommener. Die Bestätigung war mit schwarzem Kugelschreiber unterzeichnet, wobei nicht leserlich ist, um welche Person es sich handelt. Das Schreiben enthält auch keine Signaturzeile, welcher zu entnehmen ist, wer Aussteller des Schreibens ist. Deutsch ist zwar nicht die Muttersprache des Klägers, er kann sich aber in dieser Sprache einwandfrei verständigen. Die Rechtsschreib- und Grammatikfehler auf der Zahlungsbestätigung sind ihm nicht aufgefallen. Ihm hätte jedoch bei näherem Hinsehen auffallen müssen, dass es sich bei der Zahlungsbestätigung aufgrund ihres Gesamterscheinungsbilds um eine Fälschung handelt. Auch hätte dem Kläger bei einer genauen Durchsicht der vermeintlichen Zahlungsbestätigung auffallen müssen, dass der Veräußerer offensichtlich erst am 11. Juli 2024, damit am Tag zuvor, Eigentum am Motorrad erlangt hat, dieses aber bereits zuvor zum Verkauf stand. Der Kläger erkundigte sich beim Veräußerer, weshalb er über einen Leasingvertrag verfügt, welcher daraufhin meinte, dass er das Leasing bezahlt habe und daher auch den Typenschein ausgehändigt bekommen habe.

Bei der dem Kläger vom Veräußerer ausgehändigten EU-Übereinstimmungsbescheinigung handelte es sich lediglich um eine Kopie und wies diese daher – anders als das Original – kein deutlich sichtbares Hologramm auf. Es ist bei näherem Hinsehen – auch für den Kläger – erkennbar, dass es sich lediglich um eine Kopie handelt (Augenscheinsbeweis der Beklagten ON 15.4). An die Kopie der EU-Übereinstimmungsbescheinigung war die Zulassungsbescheinigung Teil II hinsichtlich des Fahrzeugs angeheftet. Auch bei dieser Bescheinigung handelte es sich nicht um das Original, weil dieses bei der Beklagten verblieben war. Im Original der Zulassungsbescheinigung ist vermerkt, dass es sich um keinen Eigentumsnachweis handelt und der Veräußerer lediglich Leasingnehmer ist.

Der Kläger traf auch keine Nachforschungen, etwa durch Kontaktaufnahme mit der Beklagten, ob es sich beim Veräußerer um den (nunmehrigen) Eigentümer des Motorrads handelt. Der Kaufpreis von EUR 23.500,00 war günstiger als bei den sonst im Internet zum Verkauf gestellten vergleichbaren Motorrädern, was dem Kläger auch bewusst war. Der Kläger entschied sich vor Ort zum Kauf und zahlte – ohne eine Zahlungsbestätigung zu erhalten - EUR 23.500,00 in bar. Er bekam dafür sämtliche Dokumente und das Motorrad ausgehändigt. Im Kaufvertrag war keine Adresse des Verkäufers und auch kein Kaufpreis angeführt.

Als der Kläger das Motorrad im Anschluss an die Besichtigung außerhalb der Tiefgarage auf einen LKW zum Abtransport auflud, kontrollierte eine zufällig vorbeigekommene Polizeistreife seine Fahrzeugpapiere. Nachdem eine Abfrage wegen Diebstahls negativ verlief, kam es zu keiner weiteren Beanstandung. Anlässlich des vom Kläger am 19. Juli 2024 bei der Fachwerkstätte absolvierten Servicetermins wurde das Motorrad im Auftrag der Beklagten eingezogen.

Rechtlich urteilte das Erstgericht, dass ein gutgläubiger Erwerb eines Fahrzeugs dort nicht möglich sei, wo irgendein Mangel am Erwerbsakt als objektiv verdächtig erscheine. Ergebe sich aus der Einsichtnahme in den Typenschein nicht eindeutig der Eigentumsübergang des Fahrzeugs auf den Veräußerer, seien weitere Nachforschungen erforderlich, insbesondere dann, wenn besondere Umstände den Verdacht nahe legten, der Vertragspartner könnte unredlich sein. Der Kläger hätte hier bereits wegen der ihm ausgehändigten Dokumente den Verdacht hegen müssen, dass der Veräußerer nicht der berechtigte Vorbesitzer sei. Aus dem Gesamterscheinungsbild der Zahlungsbestätigung habe für den Kläger erkennbar sein müssen, dass es sich dabei um eine Fälschung handle. Neben den ausgehändigten Dokumenten habe aber auch der Umstand der Verkaufssituation in einer nicht der Adresse des Vorbesitzers zuzuordnenden Tiefgarage, der günstige Verkaufspreis und die Tatsache, dass es sich um den Verkauf eines neuwertigen Gebrauchtfahrzeugs handelte, den Verdacht nahe legen müssen, dass die Berechtigung des Veräußerers zur Veräußerung nicht gegeben sei. Dennoch habe der Kläger keine Nachforschungen angestellt. Er habe weder hinterfragt weshalb der Veräußerer das Fahrzeug nach so kurzer Zeit aus dem Leasingvertrag herauskaufe, obwohl er dieses nach dessen Angaben wegen Führerscheinentzugs nicht mehr fahren hätte dürfen, noch habe er bei der Beklagten Erkundigungen zur Eigentümerschaft des Veräußerers eingeholt. Es liege kein gutgläubiger Eigentumserwerb vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem auf Stattgabe der Klage gerichteten Abänderungsantrag. In eventu wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben. Die darin behauptete Verspätung der Berufung wurde geprüft und liegt nicht vor.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

In seiner Rechtsrüge vertritt der Kläger unter Verweis auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 Ob 73/23b die Ansicht, dass die Konsumenteneigenschaft des Käufers im Zusammenhang mit duplizierten Fahrzeug-Genehmigungsdokumenten einen weniger strengen Maßstab betreffend die Redlichkeit rechtfertige. Im Gegensatz zu Gebrauchtwagenhändlern fehle ihm als Privatperson – selbständig sei er nur im Gastgewerbe mit der Betriebsart Restaurant - das entsprechende Branchenwissen. Es sei daher überzeugend, dass die Vorlage eines (erkennbaren) Duplikats bei branchenfremden Käufern keine Verdachtsmomente erzeuge. Es habe auch gar kein Duplikat vorgelegen, sondern eine zumindest „gut gemachte“ Fälschung. Auch ein enger zeitlicher Konnex zwischen Erstellung eines Duplikats und den Verkauf reiche nicht aus, um einen hinreichenden Verdacht zu begründen.

Entgegen der erstgerichtlichen Überlegung sei der Führerscheinentzug ein Argument für das Herauskaufen des Motorrads aus dem Leasingvertrag und kein Verdachtsmoment für das fehlende Eigentum; dadurch würden weitere Kosten durch Fortlaufen des Leasingvertrags vermieden. Der Kläger habe durch Beiziehung zweier Bekannter zum Ankaufstermin eine ausreichende Sorgfalt walten lassen. Auch indiziere die zufällige Kontrolle der Polizei unmittelbar nach dem Ankauf, dass die Auffälligkeiten bei den Dokumenten auch für das geschulte Auge der Polizei nicht erkennbar gewesen seien.

Diesen Argumenten des Klägers kommt aus folgenden Gründen keine Stichhältigkeit zu:

Gemäß § 368 Abs 1 ABGB ist der Besitzer redlich, wenn er weder weiß noch vermuten muss, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Beweist der Eigentümer, dass der Besitzer aus der Natur der Sache aus ihrem auffallend geringen Preis, aus den ihn bekannten persönlichen Eigenschaften seines Vormanns, aus dessen Unternehmen oder aus anderen Umständen einen gegründeten Verdacht hätte schöpfen müssen, so hat der Besitzer die Sache dem Eigentümer zu überlassen (§ 368 Abs 2 ABGB).

Redlich ist demnach nur, wer den Veräußerer aus wahrscheinlichen Gründen für den Eigentümer halten konnte, wobei diesbezüglich schon leichte Fahrlässigkeit schadet (RIS-Justiz RS0010885, RS0010190 [T2], RS0010189; Zoppel in Schwimann/Kodek 5 § 368 ABGB Rz 1). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein gutgläubiger Erwerb dort nicht möglich, wo irgendein Merkmal den Erwerbsakt als objektiv verdächtig erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0010905, RS0010169). Schon der Verdacht des Erwerbs, dass der Verkäufer nicht Eigentümer sei, schließt den guten Glauben aus (RIS-Justiz RS0010870).

Der rechtlichen Beurteilung sind zunächst die Feststellungen des Erstgerichts zu Grunde zu legen. Nach § 369 ABGB hat derjenige der die Eigentumsklage übernimmt, den Beweis zu führen, dass der Geklagte die eingeklagte Sache in seiner Macht habe und dass diese Sache sein Eigentum sei. Der Eigentumsnachweis erfordert die Darlegung des Erwerbs vom früheren Eigentümer nach Rechtsgrund und Übergabe oder eigenen ursprünglichen Erwerb (zB Aneignung, Ersitzung oder Erwerb kraft guten Glaubens ). Hier beruft sich der Kläger auf einen Erwerb kraft guten Glaubens, wofür ihn damit die Beweislast trifft (§ 369 ABGB; Winner in Rummel/Lukas ABGB 4 , § 369 Rz 1 mwN).

Die Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden kann, ob die Dokumente für den Kläger wie Originale ausgeschaut haben oder ob bei ihm Zweifel hinsichtlich der Echtheit der Dokumente aufgekommen sind, geht zu Lasten des Klägers, weil damit Zweifel des Klägers an der Echtheit der Dokumente nicht ausgeschlossen sind, was wiederum dazu führt, dass er schon deswegen nicht als redlich im Sinne von § 368 ABGB anzusehen ist, weshalb ein Erwerb kraft guten Glaubens ausscheidet.

Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, es hätte dem Kläger wegen des Gesamterscheinungsbilds der Zahlungsbestätigung bei näherem Hinsehen auffallen müssen, dass es sich um eine Fälschung handelt, wird vom Berufungsgericht geteilt. Insoweit ist zur Vermeidung einer Wiederholung auf die Begründung des Erstgerichts zu verweisen (§ 500a ZPO).

Dazu kommt, dass die gefälschte Zahlungsbestätigung auch keinen Rechtsgrund für den Erwerb des Motorrads durch den Veräußerer bildet, auf den der Kläger vertrauen hätte dürfen. Der Nachweis eines Eigentumserwerbs etwa durch einen Kaufvertrag fehlt. Den Verdachtsmomenten, wobei insbesondere auf die (angebliche) Zahlung der Leasingraten erst am Tag vor der Besichtigung, obwohl das Motorrad bereits zuvor zum Verkauf stand, zu verweisen ist, standen keine dem Kläger bekannten Umstände gegenüber, die eine Überzeugung von der Seriosität des Veräußerers oder vom Eigentum an dem in seinem Besitz befindlichen Motorrad hätten begründen können.

Nach der Rechtsprechung führen die Umstände einer kurzen Behaltedauer des verkauften Fahrzeugs in Kombination mit weiteren Umständen zu objektiven Verdachtsmomenten im Hinblick auf die Eigentümerschaft (3 Ob 91/21k; Riss in KBB 7 Rz 2 zu § 368 ABGB). Die Bezugnahme des Klägers auf die Entscheidung 8 Ob 73/23b scheitert, weil er das Fahrzeug nicht von einem Gebrauchtwagenhändler erworben hat.

Aufgrund der festgestellten objektiven Verdachtsmomente zur fehlenden Eigentümerschaft des Veräußerers, die auch dann vorliegen, wenn man dem Kläger Konsumentenstellung zubilligt, kommt aus auf den dazu gerügten sekundären Feststellungsmangel nicht an. Zudem ergibt sich aus der Urteilsbegründung insgesamt nicht, dass das Erstgericht dem Kläger bei der Beurteilung der Frage der Redlichkeit eine Unternehmereigenschaft unterstellt hätte.

Die Berufung bleibt erfolglos.

Die Bewertung des Entscheidungsgegenstands orientiert sich am Wert des Motorrads.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision liegen nicht vor. Die Redlichkeit (die Unverdächtigkeit) des Erwerbs einer fremden Sache iSd § 368 ABGB ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO stellt (RIS-Justiz RS0010168 [T2 und 6], 1 Ob 230/11x).

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