JudikaturOLG Linz

2R59/25x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Geschäftsführer, **, **, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* C* D* Limited , **, **, **, **, Malta, vertreten durch die BRANDL TALOS Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wegen (eingeschränkt) EUR 295.755,42 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 4. März 2025, Cg*-32, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 4.635,42 (darin EUR 772,57 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist eine Gesellschaft nach maltesischem Recht mit Sitz in E* in Malta. Sie verfügt über eine gültige Glücksspiellizenz der Malta Gaming Authority, nicht jedoch über eine österreichische Glücksspielkonzession.

Der Kläger bezahlte auf der Website der beklagten Partei „**“ im Zeitraum vom 5. September 2012 bis 4. November 2021 einen Betrag von EUR 339.402,87 ein und ließ sich einen Betrag von EUR 43.647,45 ausbezahlen. Daraus ergibt sich der eingeklagte Verlust von EUR 295.755,42.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung seines Spielverlustes. Ihm komme ein Bereicherungs- und schadenersatzrechtlicher Anspruch wegen fehlender österreichischer Lizenz der beklagten Partei zu.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete für das Berufungsverfahren noch von Relevanz ein, dass das österreichische Glücksspielmonopol mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar sei. Die Konzessionsinhaberin sei nämlich kontrollierend mittelbar an der F* G* GmbH (kurz: F*), einer Gesellschaft mit Sitz in ** beteiligt. Diese designe, programmiere und vertreibe Online-Casinospiele für Online-Glücksspielbetreiber. Das Geschäftsmodell bestehe darin, am Umsatz des jeweiligen Spiels beteiligt zu sein. Die H* bzw I* würden damit werben, die einzigen konzessionierten Anbieter von Online-Glücksspiel in Österreich zu sein und priesen insbesondere Spielerschutz als oberstes Ziel ihrer Tätigkeit an. Aufgrund der Beteiligung an F* könne das Geschäftsgebaren der konzessionierten Anbieter nur so auszulegen sein, dass diese nicht den Spielerschutz im Auge hätten, sondern möglichst profitreich wirtschaften und gleichzeitig ein den Spielerschutz warnendes Bild in die Öffentlichkeit tragen möchten. Zudem werde kompensando eine Gegenforderung eingewendet.

Mit dem angefochtenen Urteil erachtete das Erstgericht die Klagsforderung mit EUR 295.755,42 samt Zinsen als zu Recht, hingegen die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 295.755,42 samt 4% Zinsen seit 15. März 2024. Zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt traf es die auf den Seiten 4 bis 8 seines Urteils ersichtlichen Feststellungen, auf die gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Dort stellte es unter anderem die Tätigkeit der F* und die Beteiligungsverhältnisse an ihr fest.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat es unter Hinweis auf die Rechtsprechung österreichischer Höchstgerichte die Ansicht, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen auch nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen nicht gegen Unionsrecht verstoße. Daran ändere auch das Vorbringen der beklagten Partei hinsichtlich der F* und deren Eigentümer nichts, auch wenn die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols durch die nationalen Gerichte in Bezug auf seine Unionsrechtskonformität nicht statisch, sondern dynamisch sein müsse. Es bejahte die Passivlegitimation der beklagten Partei auch vor dem Betreiberwechsel Anfang 2015 und überhaupt bei Online-Pokerspielen sowie die Rückforderbarkeit der erlittenen Verluste anhand des anzuwendenden österreichischen Rechts. Die den Gegenforderungen zugrunde liegenden Ansprüche aus Schadenersatz wegen Verstoß gegen § 52 Abs 5 GSpG sowie wegen einem anzurechnenden Unterhaltungswert verneinte es. Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens sei nicht zielführend, weil mit der Nichtigkeit gerade die fehlende Rechtmäßigkeit sanktioniert werde. Aufgrund der bereits vorliegenden umfangreichen Rechtsprechung des EuGH zur zulässigen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch das Glücksspielmonopol bedürfe es einer neuerlichen Befassung des Europäischen Gerichtshofs nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Klagsabweisung, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Daneben regt sie die Vorlage explizit angeführter Rechtsfragen zur Vorabentscheidung an den EuGH an.

Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.

Die Berufung, die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln war, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Mängel- als auch die Rechtsrüge haben die Neubewertung der Kohärenz des österreichischen Glücksspielgesetzes zum Ziel mit dem gewünschten Ergebnis, dass bei entsprechender Beweisaufnahme bzw richtiger Beurteilung der Tätigkeit und der Beteiligungsverhältnisse an F* die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Systems hervorgekommen wäre. Sowohl in der Mängel- als auch in der Rechtsrüge begehren sie das Treffen folgender ergänzender Feststellungen:

„- F* entwickelt Online-Glücksspiele und vertreibt diese Spiele ua an in Malta konzessionierte Online-Glücksspielanbieter, die diese Online-Glücksspiele wiederum ua in Österreich anbieten.

- F* war am Umsatz, den ihre Kunden mit dem jeweils lizenzierten Spiel erwirtschaftet haben, prozentuell beteiligt.

- F* handelte im Bewusstsein, dass die von ihr hergestellten Online-Glücksspiele am österreichischen Markt durch in Malta konzessionierte Online-Glücksspielanbieter angeboten werden und F* damit von den in Österreich generierten Einnahmen der in Malta lizenzierten Online-Glücksspielanbieter profitieren würde.

- I* bzw H* als kontrollierende Gesellschafterinnen von F* kennen die Rechtslage in Österreich und werben aktiv damit, die einzigen in Österreich konzessionierten Anbieter von (Online-)Glücksspiel zu sein.

- Der Grund, wieso F*-Spiele nun nicht mehr angeboten werden, liegt allein darin, dass der zwischen F* und der Vertriebsgesellschaft geschlossene Vertrag ausgelaufen ist und ist nicht Folge einer strategischen oder operativen Entscheidung von H* oder I*.“

Bei der durchzuführenden dynamischen Prüfung im Sinne einer eigenständigen Gesamtwürdigung aller Umstände, wie es der EuGH vorgebe, wäre hervorgekommen, dass die festgestellten Beteiligungsverhältnisse und insbesondere das Geschäftsmodell der Tochtergesellschaft der Konzessionäre den Zielsetzungen des österreichischen Glücksspielmonopols widersprächen, weil der Konzessionär durch eine kontrollierende Beteiligung an F* wirtschaftlich profitiere, weil F* an Umsätzen mitverdiene, die Anbieter ohne Konzession nach dem GSpG in Österreich erwirtschaften. Dieses Verhalten widerspreche der Kanalisierung zum illegalen Glücksspiel, weil diese Maßnahmen das Glücksspiel bei einem in Österreich nicht konzessionierten Online-Glücksspielanbieter förderten und die Konzessionäre am „illegalen Glücksspiel“ mitverdienten. Es könne nicht Sinn und Zweck des Monopols sein, lediglich vordergründig den Zwecken des Spielerschutzes und der Kanalisierung zu legalen Spielnetzwerken und Kriminalitätsbekämpfung zu dienen, im Verborgenen aber über Umwege am „illegalen Angebot“ mitzuverdienen.

Die Rechtsrüge erweist sich zur Frage der Kohärenz des GSpG als nicht stichhaltig, sodass gemäß § 500a ZPO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Erstgerichts verwiesen werden kann. Ergänzend ist zu betonen, dass auch nach jüngster Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols abschließend beantwortet ist (zuletzt 7 Ob 86/24h). Eine zu dieser Frage erhobene außerordentliche Revision einer maltesischen Onlineglücksspielanbieterin wurde trotz Nichtbehandlung der behaupteten Stoffsammlungsmängel und sekundärer Feststellungsmängel durch das Berufungsgericht vom OGH zurückgewiesen (8 Ob 138/22k). Es wurde auch die Anregung auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs abgelehnt (6 Ob 19/25z). Aus der Entscheidung des EuGH C-920/19 „Fluctus ergibt sich kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (2 Ob 146/22t). Die letzte Beurteilung der Kohärenz bezog sich auf den Spielzeitraum bis 26.7.2023, der Klagszeitraum ist davon erfasst.

Die begehrten ergänzenden Feststellungen führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung als bisher. Die behaupteten und auch festgestellten (Teil-)Beteiligungen der Konzessionäre am Geschäftsmodell der F* führen nicht zwingend zur Annahme, dass das österreichische Konzessionssystem an sich inkohärent wäre. Im Übrigen wäre auch bei der gebotenen dynamischen Prüfung bei der Kohärenzbeurteilung auf das System selbst und nicht auf ein allenfalls damit nicht völlig im Einklang stehendes Verhalten der Konzessionäre abzustellen. Die begehrten Feststellungen zögen daher, selbst wenn sie der Entscheidung zugrunde gelegt worden wären, keine andere Beurteilung nach sich. Die Mängelrüge, die mit den als unterblieben gerügten Beweisaufnahmen die erwähnten Ersatzfeststellungen getroffen wissen will, bleibt daher ebenso erfolglos wie die ausschließlich zum Thema Kohärenz des österreichischen Glücksspielgesetzes erhobene Rechtsrüge.

Eine neuerliche Befassung des EuGH kommt nicht in Betracht, weil die unionsrechtlichen Grundsätze geklärt sind (6 Ob 19/25z).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Der ERV-Zuschlag war zu reduzieren.

Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO war zuzulassen, weil zur Frage der Auswirkungen der Tätigkeit der F* G* GmbH und den Beteiligungen der Glücksspielkonzessionäre an ihr auf die Kohärenz des österreichischen Glücksspielgesetzes noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorgefunden werden konnte.

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