3R49/25h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Dr. Gert Schernthanner in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, ohne Angabe einer Beschäftigung, **, **straße **, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen den Beklagten Dr. B* , ohne Angabe von Geburtsdatum und Beschäftigung, **, **, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 29.848,66 sA und Feststellung (EUR 5.000,00) über die Berufung des Klägers (Streitwert EUR 5.499,00 sA) gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. Februar 2025, Cg*-35, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 1.095,12 (darin EUR 182,52 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 9. Jänner 2021 ereignete sich am Nachmittag im Skigebiet C* auf der schwarz markierten Piste 13 ein Skiunfall, bei dem der Beklagte nach einem Sturz auf der steilen Piste gegen den am linken Pistenrand stehenden Kläger rutschte, sodass dieser stürzte und sich dabei verletzte.
Die Piste war am Unfallstag gut zu befahren. Es gab „immer wieder“ harte oder eisige Stellen. Komplett vereist war die Piste nicht.
In Annäherung an die Kollisionsstelle ist die Piste 60 bis 70 m breit und verläuft zunächst mit einem Gefälle von 30 Grad, um in der Folge auf 25 Grad abzuflachen. Kurz vor der Kollisionsstelle beträgt die Neigung 20 Grad. Die Sicht in diesem Bereich beträgt 80 m. Die Piste ist dort aufgrund der starken Neigung schwer zu befahren.
Der Beklagte, ein sehr guter Skifahrer, fuhr in kurzen Parallelschwüngen mit 47 km/h. Seine Fahrweise und Geschwindigkeit war seinem Können und dem gegebenen Pistengelände - auch bei teils rutschigen oder eisigen Verhältnissen - angepasst. Er stürzte auf einer für ihn überraschend auftauchenden Eisplatte, rutschte mindestens 22 m ab und kollidierte mit dem an einer den Geländeverhältnissen angepassten Stelle stehenden Kläger, einem guten Skifahrer. Die Abrutschstrecke war für den Beklagten nicht vorhersehbar. Wäre er nicht ausgerutscht, wäre er in einer Entfernung von rund 14 m gefahrlos am Kläger vorbeigefahren.
Der Kläger begehrte Schadenersatz von gesamt EUR 29.848,66 sA und die (im Berufungsverfahren nicht mehr relevante) Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen, aus dem Skiunfall resultierenden Schäden. Der Beklagte habe die Pistenverhältnisse nicht korrekt eingeschätzt und sei mit unangepasst hoher Geschwindigkeit gefahren, als er die Kontrolle verloren habe und gestürzt sei.
Der Beklagte bestritt ein Verschulden. Er sei seinen Fähigkeiten und den Gelände-, Pisten- und Witterungsverhältnissen entsprechend kontrolliert und mit angepasster Geschwindigkeit talwärts gefahren und im Zuge eines Linksschwungs auf einer für ihn im Vorhinein nicht erkennbaren Eisplatte ausgerutscht, gestürzt und talwärts gerutscht. Ein ein Verhaltensunrecht indizierender pistenregelwidriger Vorgang sei ihm nicht anzulasten.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Dieser Entscheidung legte es den auf den US 3 und 4 festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den verwiesen wird (§ 500a ZPO). Die wesentlichen Feststellungen wurden bereits wiedergegeben. In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht zusammengefasst fest, dass kein ein Verhaltensunrecht indizierender pistenregelwidriger Vorgang vorliege.
Gegen die Abweisung der Klage im Umfang von EUR 5.499,00 sA richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsstattgabe in diesem Umfang gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Mit seiner Berufungsbeantwortung strebt der Beklagte die Bestätigung des Ersturteils an.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Tatsachenrüge:
1. Eine ordnungsgemäße Beweisrüge liegt nur dann vor, wenn klar ersichtlich ist, durch welche Tatsachen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurden, welche Feststellungen stattdessen begehrt werden und aufgrund welcher Beweismittel die begehrten Feststellungen getroffen werden könnten. Um die Beweisrüge in der Berufung auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber also deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835; Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 471 ZPO Rz 15).
2.1. Der Kläger gibt auf den S 2 und 3 der Berufung zahlreiche, vom Erstgericht getroffene Feststellungen wieder. Er begehrt die - wortwörtlich wiedergegebene - „Ersatzfeststellung“, dass „der Beklagte, welcher bereits tagsüber mehrfach die spätere Unfallsörtlichkeit befuhr, sowohl über die sich verschlechternden Pisten- und Schneeverhältnisse positiv Kenntnis hatte, sondern er auch in unmittelbarer Annäherung an die spätere Unfallsörtlichkeit damit rechnen musste, dass sich die Piste in einem teilweise vereisten Zustand befand oder zumindest befinden könnte, sodass die letztlich von ihm hier gewählte Fahrgeschwindigkeit in Annäherung an den für ihn in der Nähe stehenden Kläger, welcher für ihn erkennbar war, überhöht war, er aber seine Fahrgeschwindigkeit und Fahrweise hätte daran anpassen müssen“.
2.2. Abgesehen davon, dass unklar ist, ob der Kläger die seinerseits wiedergegebenen Feststellungen (die Feststellung, dass der Beklagte mit angepasster Geschwindigkeit fuhr, ist nicht angeführt) bekämpfen will, legt er nicht dar, inwiefern dem Erstgericht eine unrichtige Beweiswürdigung unterlaufen sein soll. Er strebt auch keine mit den bekämpften Feststellungen korrespondierenden Ersatzfeststellungen an. Auf Basis welcher Beweisergebnisse die Ersatzfeststellung getroffen werden soll, gibt der Kläger auch nicht an.
Soweit er darauf hinaus will, dass die vom Erstgericht festgestellte „mangelnde Vorhersehbarkeit“ nicht vorgelegen sei, ist festzuhalten, dass die maßgebliche Feststellung die Abrutschstrecke betrifft.
Sollte sich die Tatsachenrüge auch auf die (nicht angeführte) Feststellung beziehen, dass der Beklagte eine dem Pistengelände, den Pistenverhältnissen und seinem Können angepasste Geschwindigkeit einhielt, liegt ebenfalls keine ordnungsgemäß ausgeführte Beweisrüge vor. Insofern kann auf die Ausführungen der skitechnischen Sachverständigen verwiesen werden (vgl ON 29.3, S 12). Dass und warum diese unrichtig sein sollen, zeigt der Kläger nicht auf.
II. Zur Rechtsrüge
1. Die Rechtsrüge ist nur dann dem Gesetz gemäß ausgeführt, wenn das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung des von ihm festgestellten Sachverhalts als unrichtig bekämpft wird (RS0041585, RS0043312, RS0043603 ua).
2. Der Kläger verweist darauf, dass die „Feststellung“ des Erstgerichtes unrichtig sei, „dass dem Beklagten am Zustandekommen des Unfalls, in dem er auf der äußerst steilen und mit wechselnden Schnee- und Eisverhältnissen Piste bei einer Fahrgeschwindigkeit von annähernd 50 km/h dieser hier eine angemessene Fahrgeschwindigkeit gewählt hatte, wodurch er zu Sturz kam und in den Kläger rutschte, sohin sehr wohl eine ihm anzulastende Einlassungsfahrlässigkeit vorliegt und er sohin für die Folgen des Skiunfalls haftet“ (sic).
2.1. Die Beurteilung, ob ein Skifahrer mit (relativ) überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist, betrifft die Sachverhaltsebene (3 Ob 73/20m). Soweit der Kläger mit seiner Rechtsrüge auf eine Tatsachenrüge abzielt, ist diese nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl Punkt I. 2.2.).
2.2. Selbst auf fahrtechnische Fehler zurückzuführende Stürze von Skiläufern sind rechtlich nicht vorwerfbar. Dem Skifahrer kann jedoch ein dem Sturz vorausgegangenes vermeidbares Fehlverhalten zur Last fallen, das den Sturz herbeigeführt hat und deshalb als einleitende Fahrlässigkeit zu beurteilen ist (RS0109663 [T1], RS0023465 [T1]). Der Umstand, dass jemand im Zuge der Skiabfahrt stürzte, kann für sich allein den Anscheinsbeweis für ein den Sturz einleitendes Fehlverhalten des Geschädigten schon deshalb nicht erbringen, weil die Tatsache eines Sturzes Verhaltensunrecht nicht indiziert (RS0111453).
Wie bereits das Erstgericht zutreffend festgehalten hat, wird zum Sturz eines Skifahrers und nachfolgender Kollision zwischen der sogenannten Sturzkollision, die vorliegt, wenn die Kollision im Sturzgeschehen selbst oder unmittelbar nach dem Sturz in der Fahrt- bzw. Sturzrichtung erfolgt, und einer Kollision unterschieden, die sich erst im (der Geländeneigung und Schwerkraft folgenden) Abrutschen nach einer gewissen Rutschstrecke ereignet. Im ersten Fall (Sturzkollision) wird ein typischer - Verschulden prima facie beweisender -Geschehensablauf angenommen, wenn der Schädiger unmittelbar gegen vor ihm oder unterhalb von ihm befindliche langsamere oder stehende Skifahrer stürzt, weil in einem solchen Fall - wegen der Nähe des Sturzes zum Kollisionspartner - ein pistenregelwidriger Vorgang (z.B. Missachtung des Vorrangs oder zu geringer Seitenabstand) objektiv verwirklicht erscheint und nach allgemeiner Erfahrung ein vermeidbares Fehlverhalten des Schädigers vorliegt. Eine derartige prima facie-Beweislage wird jedoch für den - hier vorliegenden - Fall verneint, wenn es nicht schon im Sturzgeschehen selbst, sondern erst nach Abrutschen des Gestürzten über eine gewisse Strecke zur Kollision kommt und die eingeschlagene Fahrtrichtung ohne Sturz in angemessenem Abstand vom Kollisionspunkt vorbeigeführt hätte, weil in einem solchen Fall kein ein Verhaltensunrecht indizierender pistenregelwidriger Vorgang vorliegt (3 Ob 73/20m mwN).
Nach den Feststellungen legte der Beklagte nach dem Sturz eine Rutschstrecke von mindestens 22 m auf dem 20 bis 30 Grad steilen Hang zurück. Das Bewegungsgeschehen und die Abrutschrichtung konnte der Beklagte nicht mehr beeinflussen. Die Absturzstrecke war für den Beklagten nicht vorhersehbar. Die eingeschlagene Fahrtrichtung hätte ohne den Sturz in einem angemessenen Abstand am Kollisionspunkt (am linken Pistenrand) vorbeigeführt. Der Beklagte hatte zuvor eine seinem Können, dem Pistengelände und den Pistenverhältnissen angepasste Geschwindigkeit eingehalten und eine solche Fahrweise an den Tag gelegt. Der festgestellte Geschehensablauf ist daher nicht typisch für ein sorgfaltswidriges, eine Kollision des Beklagten mit dem Kläger begünstigendes Fehlverhalten des Beklagten vor dem Sturz. Das weite Abrutschen nach dem Sturz stellt einen Umstand dar, der die Kollision des Beklagten mit dem Kläger und dessen Verletzung nicht mehr als Ergebnis eines typischen Geschehensablaufs erscheinen lässt. Das Ersturteil ist daher nicht korrekturbedürftig.
Insoweit der Kläger in seiner Rechtsrüge unterstellt, dass der Beklagte vor seinem Sturz eine überhöhte Geschwindigkeit einhielt, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
III. Ergebnis, Kosten, Rechtsmittelzulässigkeit
1. Der Berufung war kein Erfolg zuzuerkennen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
3. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht von der Lösung erheblicher, im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierter Rechtsfragen abhängig war.