JudikaturOLG Linz

4R49/25s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie Mag. Stefan Riegler und MMag. Andreas Wiesauer in der Rechtssache des Klägers A* , geb. **, Lkw-Fahrer, **straße **, **, vertreten durch Mag. Wolfgang Kronawetter, Rechtsanwalt in 8010 Graz, wider die Beklagte B* Gesellschaft m.b.H. , FN **, **straße **, **, vertreten durch Dr. Hellmut Prankl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, wegen EUR 20.413,00 s.A. und Feststellung (Streitwert: EUR 2.500,00; Gesamtstreitwert daher: EUR 22.913,00) über die Berufung des Klägers (Berufungsinteresse: EUR 22.913,00) gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 20. Februar 2025, Cg*-23, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 2.482,62 (darin enthalten EUR 413,77 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Die Beklagte betreibt auf ihrem Betriebsgelände in der **straße **, C*, ein Transport- und Logistikunternehmen. Das Gelände ist nicht eingezäunt und wird täglich von einer Vielzahl an Lastkraftfahrzeugen von Kunden und Geschäftspartnern der Beklagten sowie Mitarbeitern der Beklagten befahren und genutzt. Die für Lastkraftfahrzeuge, Sattelauflieger und WAP-Anhänger im Norden des Betriebsgeländes vorgesehene, durch Markierungen ausgewiesene Park- bzw. Abstellfläche ist asphaltiert und weist ein leichtes Gefälle in Richtung der äußeren Begrenzung auf.

Der Beklagten ist bekannt, dass Lastkraftfahrzeuge auf diesen Parkplätzen abgestellt werden und Fahrer dort aus Fahrzeugen aussteigen. Im Bereich dieser markierten Abstellplätze befinden sich seit Jahren eine Vielzahl an unterschiedlich großen und tiefen Vertiefungen im Asphaltbelag, die durch die hohe Beanspruchung des Untergrundes – insbesondere durch das Bewegen von schweren Fahrzeugen oder dem Gewicht der abgestellten Sattelzuganhänger – verursacht werden und – unabhängig davon, ob diese witterungsbedingt mit Wasser gefüllt sind oder nicht – bereits aus Metern Entfernung sehr gut erkennbar sind.

Diese Vertiefungen im Asphaltbelag auf der nördlich gelegenen Parkfläche sind sämtlichen Mitarbeitern der Beklagten am Betriebsstandorts bekannt. Der Bodenbelag des Geländes wird von den zuständigen Mitarbeitern der Beklagten kontrolliert und nach freiem Ermessen fallweise aufgefüllt oder neu asphaltiert. Konkrete Parameter, die jedenfalls zu einer Sanierung des Asphaltbelags führen, wurden im Unternehmen der Beklagten nicht festgelegt.

Der Kläger ist bei der D* GmbH als Lastkraftwagenfahrer tätig. Diese stellt der Beklagten regelmäßig Lastkraftfahrzeuge und Fahrer gegen die Verrechnung einer Tagespauschale zur Verfügung. Der Kläger wurde der Beklagten im Zeitraum 2021 bis 28. Februar 2024 an sämtlichen Werktagen als Fahrer zur Verfügung gestellt, wobei er sich täglich auf dem o.a. Betriebsgelände aufhielt. Die Aufgaben des Klägers vor Ort bestanden im Be- und Entladen der Sattelauflieger sowie im Abstellen der Sattelauflieger zum Ladevorgang. Die nördlich des Betriebsgeländes befindliche Parkfläche war dem Kläger aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bestens bekannt. Dort hielt er sich seit dem Jahr 2021 an Werktagen mehrmals am Tag auf, wobei er regelmäßig den von Westen betrachtet fünften markierten Parkplatz nutzte. Dem Kläger war zudem zumindest seit dem Jahr 2021 bekannt, dass sich im Bereich dieser markierten Parkflächen zahlreiche Vertiefungen und Löcher im Asphaltbelag befinden.

Im Nahebereich des von Westen betrachtet vierten markierten Parkplatzes auf der nördlich des Betriebsgeländes gelegenen Parkfläche befindet sich eine Vertiefung in etwa auf Höhe der Fahrertüre des Führerhauses eines dort rückwärts abgestellten Lastkraftfahrzeuges, welche eine Länge von 68 cm, eine Maximalbreite von 30 cm, entlang den Rändern eine Tiefe von 1 cm und in der Mitte eine Tiefe von 2 cm aufweist und – witterungsbedingt – fallweise mit verschmutztem Wasser befüllt ist. In dieser Form bestand die Vertiefung bereits am 28. Februar 2024 und darüber hinaus seit geraumer, konkret nicht feststellbarer Zeit.

Am 28. Februar 2024 erreichte der Kläger das Betriebsgelände gegen 7.45 Uhr mit einem Lastkraftwagen und beabsichtigte, einen auf dem nördlich des Betriebsgeländes abgestellten Sattelauflieger an seinen Lastkraftwagen anzukoppeln, wozu er den von ihm gelenkten Lastkraftwagen auf dem von Westen betrachtet vierten markierten Parkplatz abstellte. Anschließend öffnete der Kläger die Türe der Fahrerkabine und stieg zügig rückwärts aus dieser aus, wobei er die hiefür vorgesehenen drei Stufen nutzte und sich an dem – aus seiner Perspektive – links angebrachten Handlauf festhielt. Den auf der rechten Seite ebenso angebrachten Handlauf nutzte der Kläger nicht. Auf den sich unter ihm befindlichen Asphaltbelag blickte der Kläger vor oder während dem Aussteigen nicht. Er überprüfte auch nicht, ob sich in dem Bereich, den er zu betreten beabsichtigte, eine der ihm bekannten Vertiefungen befindet. Als der Kläger mit einem Teil seines linken Fußes bereits den Asphalt berührte, ließ er – ohne zuvor auf den Untergrund zu achten – den linken Handlauf los und verlagerte sein gesamtes Gewicht auf sein linkes Bein. Da der Kläger seinen linken Fuß zumindest teilweise über der beschriebenen Vertiefung im Bereich des von Westen betrachtet vierten markierten Parkplatzes abgesetzt und diese nicht bemerkt hatte, kam er in weiterer Folge aufgrund des Niveauunterschieds von 1 bis 2 Zentimetern aus dem Gleichgewicht, stürzte rückwärts auf den Boden und verletzte sich. Als der Kläger am 28. Februar 2024 zu Sturz kam, war es bereits hell. Der Asphaltbelag im Bereich der nördlich des Betriebsgeländes gelegenen Parkfläche war am Morgen des 28. Februar 2024 trocken und weder mit Schnee, noch Eis bedeckt.

Wenn der Kläger vor oder während dem Aussteigen aus der Fahrerkabine seine Aufmerksamkeit auf den unter ihm befindlichen Asphaltbereich gerichtet hätte, hätte er die sich dort befindliche Vertiefung wahrgenommen. Wenn also der Kläger sorgfältig und auch aufmerksam den sich unter ihm befindlichen Asphaltabschnitt, den er betreten wollte, beobachtet hätte, so hätte er die Vertiefung im Asphaltbelag erkennen und durch das Setzen seines linken Fußes auf einen nicht von der Vertiefung betroffenen Teil der Asphaltdecke das Unfallgeschehen leicht vermeiden können. Weiters hätte der Kläger das Unfallgeschehen vermeiden können, wenn er sich länger – bis zu einem sicheren Stand auf dem Asphalt – an einem der Handläufe der Fahrerkabine festgehalten hätte.

Es ist nicht feststellbar, ob es im Bereich der nördlich des Betriebsgeländes gelegenen Parkfläche vor dem 28. Februar 2024 zu einem oder mehreren Unfallgeschehen gekommen war, im Zuge dessen sich Lkw-Fahrer aufgrund einer Vertiefung im Asphaltbelag verletzten und, ob die Vertiefung im Bereich des von Westen betrachtet vierten markierten Parkplatzes am Morgen des 28. Februar 2024 mit (verschmutztem) Wasser befüllt war.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Leistung von EUR 20.413,00 s.A. sowie die mit EUR 2.500,00 bewertete Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden aus dem Unfall vom 28. Februar 2024 und führte – soweit für die Behandlung der Berufung von Relevanz – im Wesentlichen aus, er sei am Vorfallstag in ein Schlagloch getreten, mit dem Fuß umgeknickt und zu Boden gestürzt, wodurch er sich schwer verletzt habe. Da das ca. 3 cm tiefe Schlagloch mit Wasser gefüllt gewesen sei, sei es beim Aussteigen für den Kläger als solches nicht erkennbar gewesen. Er sei daher berechtigt davon ausgegangen, dass im Ausstiegsbereich eine intakte Asphaltfläche vorliege. Für ihn sei weder das Schlagloch an sich noch dessen Tiefe auch nur im Ansatz erkennbar gewesen, weshalb ihn auch kein Mitverschulden treffe. Er sei weder überhastet noch unvorsichtig aus dem Lkw ausgestiegen. Ohne das Schlagloch hätte der Kläger sein Bein normal auf den Boden setzen können und wäre ohne sich dabei zu verletzen ausgestiegen. Die Beklagte sei als Eigentümerin, Verfügungsberechtigte und Betreiberin des Betriebsgeländes dafür verantwortlich, das Gelände sicher und frei von Gefahrenquellen zu halten. Der Beklagten bzw. deren Mitarbeitern seien sämtliche Umstände, insbesondere die Frequentierung sowie der schlechte Zustand der Fläche, bereits lange vor dem Unfall bekannt und das unfallgegenständliche Schlagloch auch erkennbar gewesen. Dennoch seien keine Maßnahmen gesetzt worden, um die Schlaglöcher zu beseitigen bzw. zu sanieren, dies obwohl es bereits in der Vergangenheit zu ähnlichen Vorfällen mit Schlaglöchern gekommen sei, wovon die Beklagte auch informiert worden sei. Der Beklagten sei sowohl die Kontrolle des Betriebsgeländes als auch die Sanierung dieser offensichtlichen Gefahrenquellen zumutbar, weshalb die Beklagte entsprechende Verkehrssicherungspflichten treffen würde, die die ihr zurechenbaren Mitarbeiter jedoch verletzt hätten. Die Beklagte hafte daher für die beim Kläger unfallkausal entstandenen Verletzungen und deren Folgen, wobei der Kläger seine auf einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflichten basierenden Ansprüche neben einer deliktischen Haftung gem. § 1319a ABGB auch auf eine vertragliche stütze, da die Arbeitgeberin des Klägers mit der Beklagten einzelne Transportaufträge abschließe (Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter). Es liege sohin eine Gefährdungs- und Verschuldenshaftung der Beklagten vor.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte dagegen zusammengefasst ein, der Kläger sei völlig überhastet, zu schnell, ohne die nötige Sorgfalt walten zu lassen und nicht den Gepflogenheiten beim Verlassen eines Sattelkraftfahrzeugs gemäß aus dem Führerstand seiner Zugmaschine heruntergefallen/gestolpert und habe seine Verletzungen dadurch selbst verschuldet und somit allein zu verantworten. Die geringfügige Bodenunebenheit sei für den Eintritt der geltend gemachten Verletzungen und deren Folgen nicht kausal gewesen. Der Kläger sei ein geübter Lkw-Fahrer mit Erfahrung, der die Gegebenheiten bestens gekannt habe. Ein ordnungsgemäßes, aufmerksames Verlassen des Lastkraftfahrzeugs sei ihm auch zumutbar gewesen. Bis zum Unfall des Klägers habe es zudem keine Verletzungen dieser Art auf dem Betriebsgelände der Beklagten gegeben, insbesondere nicht auf den Parkflächen. Die Unebenheiten seien typisch, wie sie sich auf einem derartigen Betriebsgelände bei einer Spedition befinden würden und falle die Art und Weise des Betriebsgeländes jedermann buchstäblich in die Augen. Die Beklagte habe somit keine Verkehrssicherungspflichten verletzt.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage zur Gänze ab und legte dazu seiner Entscheidung den eingangs angeführten Sachverhalt zugrunde, welcher auf den in den US 1 bis 2 und 5 bis 8 ersichtlichen unbekämpft gebliebenen Feststellungen basiert, auf die ansonsten verwiesen wird.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass die Frage, ob der zwischen der Arbeitgeberin des Klägers und der Beklagten abgeschlossene Vertrag Schutzwirkungen zu Gunsten des Klägers entfalte, dahingestellt bleiben könne, weil auch vertragliche Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden dürften. Die hier zentrale Frage des Umfangs und der Intensität der Verkehrssicherungspflichten, was stets von den Umständen des Einzelfalls abhänge, falle gegenständlich zu Lasten des Klägers aus. Der Verkehrssicherungspflichtige müsse zwar den Verkehrsbereich für die befugten Benützer in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand erhalten und diese vor Gefahren schützen. Diese Verpflichtung finde jedoch ihre Grenze einerseits in der Erkennbarkeit der Gefahr und andererseits in der Zumutbarkeit ihrer Abwehr. Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richteten sich daher vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen könnten. So könne etwa vom Inhaber eines Geschäfts keine Beseitigung sämtlicher Gefahrenquellen gefordert werden, vielmehr sei auch vom Kunden zu erwarten, dass er beim Gehen „vor die Füße schaue“, der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwende und einem auftauchenden Hindernis oder einer gefährlichen Stelle möglichst ausweiche. Nichts anderes könne für den Kläger als auf einem Betriebsgelände tätiger Lastkraftwagenfahrer gelten, dem die Örtlichkeit und die „Gefahrstellen“ zudem seit Jahren bestens bekannt seien. Dass die Verkehrssicherungspflicht zur Gänze entfalle, wenn die Gefahr leicht erkennbar sei, entspreche der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weil sich in einem solchen Fall jeder selbst schützen könne. Nach den Feststellungen wäre für den Kläger die sich unter ihm befindliche Vertiefung bei entsprechender sorgfältiger und aufmerksamer Beobachtung des Asphalts vor oder während dem Aussteigen erkennbar gewesen. Er hätte durch das Setzen seines linken Fußes auf einen nicht von der Vertiefung betroffenen Teil der Asphaltdecke das Unfallgeschehen (leicht) vermeiden können. Die Vertiefung im Asphaltbelag sei als ein für jedermann – und somit auch für den Kläger – objektiv leicht erkennbares Hindernis zu qualifizieren. Auch die Größe und insbesondere die verhältnismäßig geringe Tiefe der Vertiefung sprächen gegen eine Haftung der Beklagten. Auf einem Betriebsgelände eines Transport- und Logistikunternehmens könne unter Berücksichtigung der dem Betrieb geschuldeten typischen hohen Belastung des Asphaltbelags keine „ballsaalähnliche Oberflächenstruktur“ erwartet werden. Eine Haftung der Beklagten sei somit selbst unter Zugrundelegung der verhältnismäßig strengeren vertraglichen Verkehrssicherungspflichten bereits dem Grunde nach zu verneinen und das Klagebegehren abzuweisen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass der Klage zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger moniert in seiner ausschließlich erhobenen Rechtsrüge eine falsche rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht im Wesentlichen deshalb, weil es die Pflicht des Vor-die-Füße-Schauens massiv überspannt habe. Einerseits werde es der Beklagten nicht angelastet, dass diese von einer Vielzahl von vorhandenen Schlaglöchern am Betriebsgelände gewusst und diese dennoch nicht saniert oder als Gefahrenquellen gekennzeichnet habe, andererseits werde dem Kläger als gänzliches Eigenverschulden angelastet, dass dieser aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit auf dem Betriebsgelände vom Vorhandensein von derartigen Schlaglöchern gewusst habe.

Das Berufungsgericht erachtet die eingehende und fundierte rechtliche Beurteilung des Erstgerichts für zutreffend, sodass gemäß § 500a ZPO darauf verwiesen werden kann. Zu den Berufungsausführungen ist daher lediglich ergänzend wie folgt zu erläutern:

Es ist eine allgemeine Regel, dass jeder für die Verkehrssicherheit zu sorgen hat, der auf einem ihm gehörenden oder seiner Verfügung unterstehenden Grund und Boden einen Verkehr für Menschen eröffnet (RIS-Justiz RS0023355 [T10]). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist v.a., welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RS0110202 [T4]). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich zudem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726). Von jedem Fußgänger muss verlangt werden, dass er beim Gehen auch „vor die Füße schaut“ und der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwendet (RS0023787 [T3]). Die Verpflichtung zum Schutz vor erkennbaren Gefahren findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit ihrer Abwehr (RS0023397). Dabei dürfen die Anforderungen an deliktische und vertragliche Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden (vgl. RS0023487). So ist der Wegehalter etwa nicht verpflichtet, schon kleine Unebenheiten eines Gehsteigs (mit einem Höhenunterschied von rund 2 cm) zu beseitigen, selbst wenn sich diese vergrößern könnten, ohne dass dies aber als sicher vorauszusehen wäre (10 Ob 50/04g).

Der Verkehrssicherungspflichtige hat zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, ohne Rücksicht darauf, ob sich diese Pflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Ingerenzprinzip) oder einem Vertrag ergibt (RS0022476).

Wie festgestellt, ist die geringfügige Vertiefung von max. 2 cm Tiefe zufolge ihrer sonstigen Ausdehnung in Länge und Breite vor oder während dem Aussteigen von der Fahrerkabine aus gut sichtbar gewesen und hätte ein aufmerksames Beobachten des Untergrundes in dieser Zeit den Kläger in die Lage versetzt, den Niveauunterschied wahrzunehmen, jedenfalls aber die potentielle Gefahrenstelle erkennen zu können, um so einen Sturz zu vermeiden. Bei Erkennbarkeit der Gefahrenstelle liegt es dann am Verkehrsteilnehmer, darauf adäquat zu reagieren, was der Kläger jedoch allein aufgrund gänzlichen Außerachtlassens jeglicher Sorgfalt, indem er vor oder während dem Aussteigen nicht auf den sich unter ihm befindlichen Asphaltbelag blickte, und somit selbst verschuldet nicht tat. Eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung von Sorgfalts- bzw. Verkehrssicherungspflichten ist der Beklagten in Anbetracht der angeführten Grundsätze und unter Würdigung der Gesamtumstände somit nicht anzulasten.

Das Argument des Klägers, dass es das Erstgericht offenbar nicht als notwendig erachte, dass die Beklagte trotz Wissens über das Vorliegen einer Vielzahl von Schlaglöchern diese Gefahrenquellen sanieren oder entsprechend als solche kennzeichnen müsse, um Unfälle und Verletzungen zu vermeiden, obwohl sich täglich eine Vielzahl von externen Dritten auf dem Betriebsgelände der Beklagten befinden würden und damit mit dem Vorliegen dieser Schlaglöcher konfrontiert seien, verfängt schon deshalb nicht, weil das Erstgericht festgestellt hat, dass der Bodenbelag des Geländes von den zuständigen Mitarbeitern der Beklagten sehr wohl kontrolliert und nach freiem Ermessen fallweise aufgefüllt oder neu asphaltiert wird. Gleichermaßen kann der Beklagten damit aber auch nicht unterstellt werden, dass dieser die ihr bekannten und bewussten Gefahrenquellen offenbar schlicht und einfach egal gewesen seien. Das Verhalten der Beklagten an sich ist diesfalls insbesondere bei einer derart großen für Schwerfahrzeuge genutzten Betriebsfläche, womit notorisch regelmäßig erforderliche Asphaltausbesserungen einhergehen, nicht zu beanstanden, zumal der Beklagten nicht zugemutet werden kann, jedes einzelne auftretende Schlagloch – wie vom Kläger aber offensichtlich gefordert – sofort nach dessen Entstehung wieder ausbessern zu lassen.

Soweit der Kläger vermeint, dass der Grundsatz des Vor-die-Füße-Schauens in keiner Weise in gleicher Form und Intensität auf einen Sachverhalt Anwendung finden könne, bei welchem sich der Unfall im Zuge eines stressigen Arbeitsalltags eines Kraftfahrers ereigne, ist ihm zu erwidern, dass hievon nach der Rechtsprechung nicht nur bloßes „Spazierengehen“ umfasst ist, sondern auch – nicht zuletzt aufgrund des Fahrgastaufkommens mitunter rasch erforderliche und damit ebenso vergleichbar „stressige“ – Ein- und Aussteigevorgänge aus öffentlichen Verkehrsmitteln unter diesen Grundsatz fallen (RIS-Justiz RS0114360 [T4]). Es ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch Fahrzeuglenker beim Ein- und Aussteigen bauartunabhängig von ihren Fahrzeugen idR „vor die Füße zu schauen“ haben.

Das Vorbringen zum Arbeitsstress und Zeitdruck des Klägers, ebenso wie im Übrigen zu dessen Ablenkung durch ein Gespräch mit einem Zeugen, stellt aber ohnedies eine unzulässige Neuerung auf Tatsachenebene dar und ist daher gem. § 482 Abs 1 ZPO unbeachtlich (vgl. RIS-Justiz RS0041965).

Es ist auch schlichtweg unrichtig, wenn der Kläger insinuiert, das Erstgericht mute dem Kläger zu, dass dieser jedes einzelne Schlagloch, dessen genaue Position, Tiefe und andere Umstände der Schlaglöcher im Detail kennen müsse. Das Erstgericht hat lediglich (zutreffend) darauf hingewiesen, dass dem Kläger das Risiko von Bodenunebenheiten am Unfallort generell bekannt gewesen sei und er daher eine erhöhte Aufmerksamkeit hätte walten lassen müssen. Damit ist jedoch – anders als vom Kläger offenbar verstanden – nicht gemeint, dass der Kläger ausschließlich den Schlaglöchern seine gesamte Aufmerksamkeit schenken und deshalb besonders langsam und vorsichtig arbeiten hätte müssen bzw. beim Aussteigen den Blick durchgehend auf den Boden hätte richten und diesen auf Gefahrenquellen regelrecht „untersuchen“ hätte müssen. Die Vertiefung wäre nach den getroffenen Feststellungen für jedermann leicht und sofort erkennbar gewesen, weshalb der Kläger nach Erkennen desselben entsprechend reagieren hätte können und seine Aufmerksamkeit anschließend anderen potentiellen Gefahrenquellen odgl. zuwenden hätte können. Ein durchgängiges Vor-die-Füße-Schauen hat das Erstgericht somit gar nicht gefordert. Es ist auch nicht lebensfremd, dass ein durchschnittlich sorgfältiger Fahrzeuglenker (auch) beim Ein- und Aussteigen aus dem Fahrzeug entsprechende Vorsicht walten lässt (vgl. zum öffentlichen Verkehr bereits 2 Ob 265/06v [deutlich erkennbarer Spalt zwischen U-Bahnwaggon und Bahnsteigkante]).

Der Kläger übersieht augenscheinlich auch, dass ihm das Erstgericht nicht bloß ein Mitverschulden angelastet hat. Es gelangte vielmehr angesichts der vorliegenden, unbekämpft gebliebenen Feststellungen zur nicht korrekturbedürftigen Rechtsansicht, dass die die Beklagte treffende Verkehrssicherungspflicht aufgrund der hier vorliegenden, bei objektiver Betrachtung einer durchschnittlich aufmerksamen Person sofort in die Augen fallenden und daher leicht erkennbaren Gefahrenquelle in Form einer geringfügigen Vertiefung bereits zur Gänze entfällt (RIS-Justiz RS0114360).

Insoweit der Kläger den Umstand des „alltäglichen und schon hunderte Male vorgenommenen“ Aussteigens des Klägers aus der Zugmaschine ins Treffen führt, ist ihm entgegen zu halten, dass selbst bei Routinetätigkeiten ein gewisses Mindestmaß an Aufmerksamkeit zuzumuten ist und (auch) von einem durchschnittlich sorgfältigen Lkw-Fahrer durchaus erwartet werden kann. Dass der Kläger aber nicht einmal mit einem Mindestmaß an Sorgfalt aus dem Fahrzeug ausgestiegen ist, beweist das im Akt erliegende Videomaterial (Blg. ./J) eindrucksvoll, auf das das Erstgericht seine getroffenen Feststellungen stützte.

Zusammengefasst ergibt sich mangels Verletzung von Verkehrssicherungspflichten weder eine vertragliche, noch eine deliktische Haftung der Beklagten für die klägerischen Unfallfolgen. Das Erstgericht hat die Klage somit mit zutreffender Begründung zur Gänze abgewiesen; die Berufung bleibt daher erfolglos.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50 iVm 41 ZPO.

Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands orientierte sich das Berufungsgericht an der in erster Instanz unbeanstandet gebliebenen Bewertung des Feststellungsbegehrens. Weder aus den Behauptungen des Klägers, noch aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens lässt sich eine anderslautende Bewertung ableiten.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen waren. Hinsichtlich der entscheidungswesentlichen Fragen konnte auf gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Der konkrete Inhalt von Verkehrssicherungspflichten und das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richtet sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0110202; RS0029874 [T5]). Der Umstand, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem genau vergleichbaren oder ähnlichen Sachverhalt fehlt, begründet noch keinen Anlass, die ordentliche Revision zuzulassen (RS0107773; RS0110702; RS0102181).

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