JudikaturOLG Linz

4R42/25m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
24. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache der Klägerin A* B* , geboren am **, Landwirtin, **, **, vertreten durch Dr. Günther Klepp, Dr. Peter Nöbauer, Mag. Franz Hintringer, Mag. Rupert Primetshofer, Mag. Markus Klepp, LL.M., Mag. Matthias Petzwinkler, Mag. Isabella Wiesberger, LL.M., und Mag. Sarina Baldinger, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beklagten C* B* , geboren am **, **, **, vertreten durch Mag. Manfred Arthofer, Rechtsanwalt in Steyregg, wegen Einwilligung (Streitwert [richtig]: EUR 50.300,00), über die Berufung der Klägerin (Berufungsinteresse [richtig]: EUR 300,00) gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. Jänner 2025, Cg*-13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es insgesamt (einschließlich der unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Teilzusprüche) wie folgt zu lauten hat:

„1. Der Beklagte ist schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin ob den Miteigentumsanteilen des Beklagten an den Liegenschaften EZ 38, Grundbuch D* (B-LNr 4), und EZ 545, Grundbuch E* (B-LNr 4), je BG F*, einzuwilligen, sodass die Klägerin unter Mitberücksichtigung ihrer bisherigen Miteigentumsanteile Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ 38, Grundbuch D*, und EZ 545, Grundbuch E*, je BG F*, ist.

Der Beklagte ist ferner schuldig, in die Einverleibung der Löschung der zu seinen Gunsten ob der Hälfteanteile der Klägerin an den Liegenschaften EZ 38, Grundbuch D* (B-LNr 5), und EZ 545, Grundbuch E* (B-LNr 5) einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbote (C-LNr 23 der EZ 38, Grundbuch D* und C-LNr 5 der EZ 545, Grundbuch E*) einzuwilligen.

Allfällige nach dem OÖ Grundverkehrsgesetz 1994 oder sonstigen grundverkehrsbehördlichen Bestimmungen zur grundbücherlichen Durchführung dieses Urteils zusätzlich notwendige Erklärungen sind vom Beklagten binnen der unerstreckbaren Frist von 7 (sieben) Tagen ab erster schriftlicher Aufforderung abzugeben.

Die mit der finanzamtlichen Vergebührung/Selbstanzeige dieses Erwerbsvorganges verbundene Grunderwerbsteuer sowie die grundbücherliche Eintragungsgebühr nach TP 9 GGG sind von der Klägerin zu tragen.

2. Der Beklagte ist weiters schuldig, in die Übergabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes **, D* samt allen zu dieser Wirtschaftseinheit gehörigen Grundstücken (insbesondere jenen nach Punkt 6.1), gleichgültig, ob sie in diesem oder einem anderen Grundbuchskörper oder überhaupt im Grundbuch eingetragen sind oder nicht, samt allem erd-, mauer-, niet- und nagelfestem, sowie allem sonstigen tatsächlichen und rechtlichen Zubehör (insbesondere jenem nach Punkt 3.1) also auch einschließlich des toten und lebenden Inventars, einschließlich allfälliger landwirtschaftlicher Genossenschaftsrechte, Förderungsanspruch samt Betriebsprämie, aller Geräte und Maschinen, ferner mit allen freien Fahrnissen wie alles liegt und steht, mit allen Rechten und Grenzen, mit welchen der Beklagte den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bisher mitbesessen und mitbenützt hat bzw zu besitzen und zu benützen berechtigt gewesen war, an die Klägerin und in die Einräumung des Alleineigentums der Klägerin an diesem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einzuwilligen.

3. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 11.089,10 (darin enthalten EUR 1.588,85 USt und EUR 1.556,00 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 412,02 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten EUR 61,34 USt und EUR 44,00 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EU 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und der Beklagte heirateten am 22. Jänner 2022. Am 7. März 2022 verstarb der Vater der Klägerin. Im Verlassenschaftsverfahren zu GZ A* des BG F* schlossen die Erben (neben der Klägerin noch ihre Mutter und ihre beiden Brüder) ein Erbteilungs- und Pflichtteilsübereinkommen, mit dem der Klägerin das alleinige Verfügungsrecht über sämtliche Nachlassaktiva eingeräumt und ihr überdies das Alleineigentum an sämtlichen nachlassgegenständlichen Grundstücken der EZ 38, Grundbuch D* sowie der EZ 545, Grundbuch E*, und am gesamten darauf befindlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb samt allem zu dieser Wirtschaftseinheit gehörenden Inventar, den Gerätschaften, dem Fuhrpark und dem sonstigen Zubehör übertragen wurde. Beim übertragenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb handelt es sich um einen Erbhof im Sinn des § 1 Anerbengesetz.

In weiterer Folge schlossen die Klägerin und der Beklagte am 30. Juni 2022 einen Übergabsvertrag (Beil ./B), mit dem die Klägerin als Übergeberin dem Beklagten als Übernehmer (ua) einen Hälfteanteil am land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und einen Hälfteanteil an den oa Liegenschaften gegen die in diesem Vertrag vereinbarten Gegenleistungen übertrug.

Am 16. August 2022 schlossen die Streitteile mit Notariatsakt eine „Scheidungsfolgenvereinbarung“ (Beil ./C). Die Ehe der Streitteile wurde schließlich mit Urteil des Bezirksgerichtes F* vom 19. Februar 2024 zu GZ C** (rechtskräftig) geschieden.

Die Klägerin begehrt (zunächst) die Einwilligung des Beklagten in die Einverleibung ihres Eigentumsrechts ob dessen Hälfteanteilen an den oa Liegenschaften samt Abgabe der für die grundbücherliche Durchführung notwendigen Erklärungen (Pkt 1 des Urteilsantrags) sowie dessen Einwilligung in die Übergabe des oa land- und forstwirtschaftlichen Betriebs einschließlich Zubehör (Pkt 2 des Urteilsantrags). Sie brachte vor, in der Scheidungsfolgenvereinbarung sei ihr die Befugnis eingeräumt worden, darüber zu entscheiden, wer im Fall der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe der Parteien die Liegenschaften und den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erhalten soll. Von diesem Wahlrecht habe sie (fristgerecht) insoweit Gebrauch gemacht, als sie dem Beklagten mitgeteilt habe, dass sie die Liegenschaften und den Betrieb in ihr Alleineigentum übernehmen wolle. Da der Beklagte die Übergabe bzw die Abgabe der entsprechenden Erklärungen mit der unzutreffenden Begründung verweigere, die Klägerin habe die vereinbarte Frist versäumt, sei sie zur klagsweisen Geltendmachung veranlasst. Der vom Beklagten eingewandte Irrtum hinsichtlich der Scheidungsfolgenvereinbarung liege nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 4. September 2024 erweiterte die Klägerin ihr Begehren laut Pkt 1 des Urteilsantrags um die Einwilligung des Beklagten in die Einverleibung der Löschung der zu dessen Gunsten ob ihrer Hälfteanteile an den Liegenschaften eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbote (C-LNr 23, EZ 38, Grundbuch D* bzw C-LNr 5, EZ 545, Grundbuch E*). In der Tagsatzung am selben Tag modifizierte die Klägerin die Klage schließlich „aus advokatorischer Vorsicht“ insoweit, als sie Pkt 1 des Urteilsantrags in seiner erweiterten Form als Hauptbegehren, in der ursprünglichen Fassung hingegen als Eventualbegehren stelle. Die Scheidungsfolgenvereinbarung enthalte keine Bestimmungen über die wechselseitigen Belastungs- und Veräußerungsverbote. Es liege aber eine offensichtliche Regelungslücke vor, die durch Vertragsinterpretation zu schließen sei. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Scheidungsfolgenvereinbarung hätten verständige, redliche Vertragsparteien – wenn sie die einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbote „vor Augen gehabt hätten“ – diese Frage so geregelt, dass mit der Ausübung des Wahlrechts auch die Belastungs- und Veräußerungsverbote hinfällig und daher zu löschen seien.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass in der Scheidungsfolgenvereinbarung eine Frist von zwei Monaten ab Auflösung der Ehe vereinbart worden sei, innerhalb derer die Klägerin ihre Entscheidung zu treffen habe. Nachdem die Klägerin innerhalb der Frist – die nicht erst mit der Scheidung, sondern bereits mit dem als Auflösung der Ehe zu wertenden „Hinauswurf“ des Beklagten durch die Klägerin zu laufen begonnen habe – von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht habe, trete die in der Scheidungsfolgenvereinbarung vorgesehene Rechtsfolge ein, wonach die Streitteile die Liegenschaften zu veräußern und den Veräußerungserlös aufzuteilen hätten. Sollte die Klägerin demgegenüber nunmehr die Ansicht vertreten, mit dem Begriff „Auflösung der Ehe“ sei deren Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung gemeint, fechte er die Scheidungsfolgenvereinbarung wegen Irrtums an.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Hauptbegehren gemäß dem erweiterten Pkt 1 des Urteilsantrags ab (Spruchpunkt 1), gab insoweit aber dem Eventualbegehren (Pkt 1 des Urteilsantrags in der ursprünglichen Fassung) ebenso statt (Spruchpunkt 2), wie dem Begehren auf Einwilligung in die Übergabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs laut Pkt 2 des Urteilsantrags (Spruchpunkt 3). Außerdem verpflichtete es den Beklagten zum Kostenersatz (Spruchpunkt [richtig:] 4).

Seiner Entscheidung legte es den auf den Seiten fünf bis acht des Urteils wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, worauf gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann. Für das Berufungsverfahren wesentlich sind folgende Feststellungen:

Bereits davor [dem Tod des Vaters der Klägerin, Anm des Berufungsgerichts] war von Anfang an klar, dass die Klägerin und der Beklagte den Hof einmal gemeinsam weiterführen sollten. Aus diesem Grund vereinbarten die Streitteile, dass die Klägerin den Hälfteanteil am Betrieb und den Liegenschaften an den Beklagten überträgt, wobei zwischen ihnen aber stets Einigkeit darüber herrschte, dass es im Hinblick darauf jedenfalls einer Vereinbarung für den Fall einer Scheidung bedarf; ohne eine solche hätte die Klägerin den Übergabsvertrag auch nicht abgeschlossen.

Nachdem den Streitteilen bei einem Beratungstermin bei der Landwirtschaftskammer geraten wurde, den Übergabsvertrag im Hinblick auf steuerliche Vorteile so schnell wie möglich, wenn möglich zur Jahreshälfte noch, abzuschließen, kam man überein, dies zunächst gemeinsam mit dem Pflichtteilsübereinkommen, in das auch die Geschwister der Klägerin eingebunden waren, durchzuführen und hinsichtlich der noch abzuschließenden Scheidungsfolgenvereinbarung einen separaten Termin beim Notar zu vereinbaren.

Im Übergabsvertrag vom 30. Juni 2022 wurde neben der Übertragung des Hälfteeigentums an der Liegenschaft an den Beklagten auch ein wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot zwischen den Streitteilen an ihren jeweiligen Hälfteanteilen vereinbart.

Bei einem weiteren Beratungstermin im Notariat F* im Juli 2022 mit der Zeugin Mag. G* besprachen die Streitteile die Modalitäten der beabsichtigten Scheidungsfolgenvereinbarung. Erörtert wurde dabei insbesondere, dass der Klägerin im Falle einer Scheidung ein Entscheidungsrecht zukommen solle, ob sie den an den Beklagten übertragenen Hälfteanteil wieder zurück will oder ihren Hälfteanteil dem Beklagten überträgt. Sie sollte auch relativ rasch eine Lösung herbeiführen können, um die Weiterführung des Betriebes zeitnah sicherzustellen.

Weder beim Beratungsgespräch noch bei der Unterzeichnung der Scheidungsfolgenvereinbarung war das wechselseitige Belastungs- und Veräußerungsverbot auf den Liegenschaften ein Thema; die Zeugin Mag. G* wusste davon auch nichts.

Weder im Scheidungsverfahren noch in der Scheidungsfolgenvereinbarung oder im Übergabsvertrag trafen die Streitteile eine ausdrückliche Vereinbarung, was im Falle der Trennung und Ausübung des Wahlrechts durch die Klägerin mit dem wechselseitigen Belastungs- und Veräußerungsverbot geschehen soll.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht – soweit für das Berufungsverfahren noch relevant – zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihr Wahlrecht fristgerecht und berechtigt ausgeübt habe. Ein Irrtum des Beklagten hinsichtlich der Scheidungsfolgenvereinbarung liege nicht vor. Allerdings sei keinesfalls davon auszugehen, dass verständige, redliche Parteien auch die Löschung der Veräußerungs- und Belastungsverbote vereinbart hätten, sondern vielmehr die Aufrechterhaltung des Verbots dem Willen der Parteien eher entsprochen hätte. Dem Beklagten könne – angesichts des im Verfahren hervorgekommenen gemeinsamen Ziels der Parteien, den Betrieb für den gemeinsamen Sohn zu erhalten – auch nicht unterstellt werden, dass er bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung oder auch danach im Scheidungsverfahren einem Wegfall des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugestimmt hätte. Deshalb könne die Klägerin die Einwilligung in die Einverleibung der Löschung der Belastungs- und Veräußerungsverbote nicht verlangen. Im übrigen Umfang sei der Klage hingegen stattzugeben.

Gegen die Abweisung des Hauptbegehrens richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass der Beklagte (auch) schuldig erkannt werde, in die Einverleibung der Löschung der zu seinen Gunsten einverleibten Belastungs- und Veräußerungsverbote einzuwilligen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Der Beklagte hat sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Tatsachenrüge:

Mit ihrer Tatsachenrüge bekämpft die Klägerin folgende (ihrer Ansicht nach) dislozierten Feststellungen zum (für die Vertragsauslegung maßgeblichen, siehe dazu unten Pkt 2) hypothetischen Parteiwillen (US 12, vorletzter und letzter Absatz):

„Im Verfahren ist hervorgekommen, dass den Streitteilen, und zwar sowohl der Klägerin als auch dem Beklagten, wichtig war, dass der Betrieb an sich als Einheit erhalten bleibt und fortgeführt wird. Zu bedenken ist weiters, dass sowohl bei Abschluss des Übergabsvertrages als auch bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung bereits der gemeinsame Sohn der Streitteile auf der Welt war. Der Beklagte hat in diesem Sinn, und hier durchaus glaubhaft, geschildert, dass ihm am Wichtigsten gewesen sei, dass der Betrieb weiterleben kann, auch in Bezug auf das gemeinsame Kind, „weil wir ja jemanden haben, für den wir das machen“. Gerade, weil es sich im gegenständlichen Fall um einen Erbhof handelt, tritt dieser Zweck des Belastungs- und Veräußerungsverbotes noch deutlicher in den Vordergrund und trägt das auf dem Hälfteanteil der Klägerin verbleibende Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Beklagten dazu bei, Liegenschaft und Hof für den gemeinsamen Sohn zu erhalten.“

Stattdessen soll festgestellt werden:

„Wären die Streitteile bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung (Blg. /C) in Kenntnis der Unvollständigkeit gewesen, hätten diese zur Vermeidung einer „Vertragslücke“ vereinbart, dass zumindest für den Fall, dass die Klägerin den Hälfteanteil des Beklagten im Falle einer Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe vom Letztgenanntem rückübertragen erhält, gleichzeitig die Veräußerungs- und Belastungsverbote zu Gunsten des Beklagten C-LNr 23 ob EZ 38 KG D*und C-LNr 5 ob EZ 545 KG E* ihre Berechtigung verlieren sollen und demgemäß grundbücherlich zu löschen sind.“

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass unter Berücksichtigung der (im Einzelnen dargestellten) Gesamtumstände entgegen der Ansicht des Erstgerichts die Klägerin und der Beklagte (bzw redliche Vertragsparteien in dieser Situation) den Entfall der Belastungs- und Veräußerungsverbote vereinbart hätten.

Dazu ist vorauszuschicken, dass die Parteien im Verfahren erster Instanz keinerlei Vorbringen zu ihrem hypothetischen Parteiwillen erstattet haben. Die Klägerin hat sich in ihrem Vorbringen nämlich gar nicht darauf gestützt, was (konkret) sie und der Beklagte vereinbart hätten, wenn sie die Belastungs- und Veräußerungsverbote bedacht hätten, sondern (nur) darauf, dass „verständige und redliche Parteien“ in der Situation der Klägerin und des Beklagten sich in diesem Fall über die Löschung der Belastungs- und Veräußerungsverbote geeinigt hätten (arg „Verständnis redlicher Vertragsparteien “, S 1/ON 11.1; „ Redliche Vertragsparteien der Scheidungsfolgenvereinbarung [...] verstehen diese Wegfallsautomatik schon deswegen so, […]“; S 2/ON 12.2). Der Beklagte hat das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ohnehin nur pauschal und unsubstantiiert bestritten und dazu keine eigenen Argumente vorgebracht. Seine Parteiaussagen können ein dementsprechendes Vorbringen nicht ersetzen (RS0043157).

Bereits aus diesem Grund ist fraglich, ob das Erstgericht mit den angeführten Erwägungen in der rechtlichen Beurteilung tatsächlich (ggf „überschießende“) Feststellungen zum hypothetischen Parteiwillen treffen wollte. Selbst in diesem Fall bleiben diese aber undeutlich. Denn das Erstgericht führte zwar aus, beiden Parteien sei „wichtig gewesen sei, dass der Betrieb an sich als Einheit erhalten bleibe und fortgeführt werde“ (weil damals ihr gemeinsamer Sohn bereits auf der Welt gewesen sei; US 12 vorletzter Absatz). Daraus kann aber noch nicht der Schluss gezogen werden, dass (insbesondere) die Klägerin die Aufrechterhaltung der Belastungs- und Veräußerungsverbote sozusagen als taugliches „Sicherungsmittel“ für den Verbleib des Erbhofs im Familienbesitz angesehen und deren Fortbestand daher (auch) ihrem Willen entsprochen hätte. Die weiteren Ausführungen zielen dann – wie im Besonderen aus dem folgenden Absatz hervorgeht (arg „kann auch nicht unterstellt werden, dass der Beklagte bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung oder auch danach im Scheidungsverfahren einem Wegfall des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugestimmt hätte“, US 12 letzter Absatz) – jedenfalls vorwiegend auf den Willen des Beklagten ab. Daher bleibt letztendlich unklar, ob das Erstgericht damit – wenn überhaupt – nur den hypothetischen Willen des Beklagten oder auch jenen der Klägerin feststellen wollte. Die Frage, ob ein (gemeinsamer) hypothetischer Wille der Parteien oder nur ein („einseitiger“) Wille eines Vertragsteiles (und der Wille des anderen dazu konträr ist oder zumindest nicht feststeht) vorgelegen hat, ist aber bei der (einen Akt der rechtlichen Beurteilung darstellenden) ergänzenden Vertragsauslegung von Bedeutung.

Selbst wenn man daher – wie die Klägerin – die Ausführungen des Erstgerichts als Tatsachenfeststellungen auffasste, bedürften diese einer Präzisierung, womit die Klägerin – der Sache nach (RS0041851) – insoweit allenfalls einen sekundären Feststellungsmangel aufzeigt. Unter sekundären Feststellungsmängeln werden nämlich nicht nur (gänzlich) fehlende, sondern auch widersprüchliche oder undeutliche Feststellungen verstanden. Derartige Feststellungsmängel müssen grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen (8 Ob 76/15g; RS0042744, RS0042333).

Wie allerdings in der Behandlung der Rechtsrüge zu zeigen sein wird, kommt es (in der hier vorliegenden Konstellation) nicht auf den hypothetischen Parteiwillen im Zeitpunkt des Abschlusses der „Scheidungsfolgenvereinbarung“ an, weshalb letztendlich dahingestellt bleiben kann, ob überhaupt eine Feststellung vorliegt. Auch eine Konkretisierung ist daher nicht notwendig. Da die Tatsachenrüge schon deshalb nicht zielführend ist, braucht sich das Berufungsgericht auch nicht damit zu befassen, ob die Feststellungen einer Überprüfung standhalten, wobei – nur der Vollständigkeit halber – darauf hinzuweisen ist, dass sowohl die „Scheidungsfolgenvereinbarung“ an sich (die die Möglichkeit einer Veräußerung des Erbhofs ausdrücklich vorsieht) als auch der Standpunkt des Beklagten (sowohl vorprozessual als auch im Verfahren; § 272 Abs 1 ZPO), wonach der Erbhof entsprechend der Vereinbarung mangels fristgerechter Ausübung des Wahlrechts durch die Klägerin zu veräußern und der Erlös zu teilen sei, zumindest in einem gewissen Widerspruch zu seinem im Verfahren beteuerten unbedingten Willen zu dessen Erhaltung im Familienbesitz steht.

Zusammengefasst ist daher die Tatsachenrüge nicht zielführend.

2. Zur Rechtsrüge:

2.1. Mit ihrer Rechtsrüge macht die Klägerin zunächst geltend, dass „das Erstgericht dem von der Klägerin vorgebrachten Umstand der wesentlich geänderten Verhältnisse und damit dem Wegfall der Geschäfts- und Rechtsgrundlage Bedeutung zuerkennen hätte müssen“. Darauf kommt es jedoch – wie zu zeigen sein wird – nicht an.

2.2. Weiters meint die Klägerin, das Erstgericht habe aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht keine Feststellungen dazu getroffen, dass nach dem „gemeinsamen Verständnis beider Streitteile“ (schon) der Übergabsvertrag nur unter der Voraussetzung des Abschlusses (auch) einer Scheidungsfolgenvereinbarung stand und demnach die Auflösung der Ehe bzw die Entscheidung der Klägerin, den Erbhof ins Alleineigentum zu übernehmen, auch zum Wegfall der Belastungs- und Veräußerungsverbote führen sollte. Damit zielt die Klägerin (erkennbar) auf den gemeinsamen (hypothetischen) Parteiwillen bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags ab. Auch dazu hat sie jedoch im Verfahren erster Instanz kein (ausreichendes) Vorbringen erstattet (genauso wie zum Willen der Parteien im Zeitpunkt des Abschlusses der „Scheidungsfolgenvereinbarung“, siehe oben Pkt 1). Sekundäre Feststellungsmängel kommen jedoch nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei in Betracht. Solche sind daher nur dann denkbar, wenn die verfahrensrelevante Feststellung von einem ausreichend konkreten Tatsachenvorbringen der Partei erfasst ist (RS0053317 [T4]). Schon deshalb konnten entsprechende Feststellungen nicht getroffen werden. Gleiches gilt für den am Ende der Berufung weiters geltend gemachten sekundären Feststellungsmangel im Zeitpunkt des Abschlusses der „Scheidungsfolgenvereinbarung“ (der im Übrigen damit in Widerspruch steht, dass die Klägerin in ihrer Tatsachenrüge diesbezüglich von einer ohnehin getroffenen Feststellung ausgeht, die sie auch bekämpft).

2.3. Schließlich steht die Klägerin auf dem Standpunkt, das Erstgericht hätte erkennen müssen, dass „die Beibehaltung der Belastungs- und Veräußerungsverbote aus Sicht der Klägerin unzumutbar sei“. Auch auf Zumutbarkeitserwägungen kommt es hier jedoch – wie in der Folge zu zeigen sein wird – nicht an.

2.4. Schlussendlich wendet sich die Klägerin – auf das Wesentliche zusammengefasst – gegen das vom Erstgericht bei der ergänzenden Vertragsauslegung erzielte Resultat. Diese Ausführungen treffen – im Ergebnis – zu.

Ein Vertrag kommt nur durch den übereinstimmenden Willen beider Parteien zustande (§ 861 ABGB). Die Einwilligung in einen Vertrag muss frei, ernstlich, bestimmt und verständlich erklärt werden. Erfolgt die Annahme unter anderen Bestimmungen als unter welchen das Versprechen geschehen ist, so entsteht kein Vertrag (§ 869 ABGB). Der objektive Erklärungswert verliert seine Bedeutung, wenn sich die Parteien in der Sache einig sind. Es gilt der übereinstimmende Wille, gleichgültig, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergeben (RS0014005, RS0017839). Treten nach Abschluss der Vereinbarung Problemfälle auf, die von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurden, ist unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte zu prüfen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien für diesen Fall vereinbart hätten (ergänzende Vertragsauslegung; RS0113932). Als Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht, wobei es unter diesen Aspekten keine feste Rangfolge gibt, sondern unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten die Lücke so zu schließen ist, wie es der Gesamtregelung des Vertrages gemessen an der Parteiabsicht am besten entspricht (RS0017832). Die ergänzende Vertragsauslegung kann nur Platz greifen, wenn eine „Vertragslücke“ vorliegt (RS0017829; OLG Linz 4 R 166/15g ua).

In Bezug auf die Belastungs- und Veräußerungsverbote ist das Erstgericht zutreffend von einer solchen „Vertragslücke“ ausgegangen, sodass der Vertrag nach den oa Grundsätzen ergänzend auszulegen ist. Auf den hypothetischen Willen der Klägerin und des Beklagten kann dabei nicht zurückgegriffen werden, weil – wie bereits ausgeführt – ein hinreichendes Vorbringen der Parteien dazu fehlte und die Ausführungen des Erstgerichts in der rechtlichen Beurteilung dazu mangels Deutlichkeit nicht ausreichen. Selbst wenn man diese als Feststellung des Willens (nur) des Beklagten (dessen Aussagen entsprechend) interpretierte, führte das zu keinem für die ergänzende Vertragsauslegung sinnvollen Ergebnis. Denn dann würde sich die Frage stellen, wie die Parteien im Zeitpunkt des Abschlusses der „Scheidungsfolgenvereinbarung“ mit allfälligen Auffassungsunterschieden umgegangen wären.

Deshalb ist nach der Auffassung des Berufungsgerichts bei der ergänzenden Vertragsauslegung auf den Grundsatz nach Treu und Glauben zurückzugreifen und zu fragen, wie redliche Vertragsparteien mit den Belastungs- und Veräußerungsverboten umgegangen wären, und zwar nicht nur isoliert im Zeitpunkt des Abschlusses der „Scheidungsfolgenvereinbarung“, sondern auch schon im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags. Denn die beiden Parteien waren bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags darüber einig, dass es „jedenfalls einer Vereinbarung für den Fall einer Scheidung bedarf“. Ohne eine solche hätte die Klägerin den Vertrag auch nicht abgeschlossen (US 5 letzter Absatz bzw US 6 erster Absatz). Der Übergabsvertrag wurde außerdem primär „im Hinblick auf steuerliche Vorteile“ rasch und vorerst noch ohne „Scheidungsfolgenvereinbarung“ geschlossen (US 6 zweiter Absatz). Aus diesen Gründen ist eine gesamthafte Betrachtung beider Übereinkommen geboten.

Dazu ist festzuhalten, dass der Erbhof von der Seite der Klägerin stammt, weshalb ihr auch die alleinige Entscheidungsbefugnis über dessen Schicksal eingeräumt wurde. Die von der Klägerin nach der Vereinbarung zu treffende Entscheidung ist vom Gedanken einer „Sphärentrennung“ geprägt, sollte der Erbhof doch (primär) einer der beiden Seiten gegen entsprechende Ablösezahlungen sozusagen „zugewiesen“ werden. Diese von den Vertragsparteien angestrebte Trennung der Sphären spricht dafür, dass redliche Vertragsparteien in der Situation der Klägerin und des Beklagten – nach Treu und Glauben – auch einen Entfall der Belastungs- und Veräußerungsverbote vereinbart hätten. Der mit den Belastungs- und Veräußerungsverboten verfolgte Zweck der Sicherung des Erbhofs für die Familie bzw den gemeinsamen Sohn hat demgegenüber (bestenfalls) untergeordnete Bedeutung. Denn die Parteien haben gerade in ihrer „Scheidungsfolgenvereinbarung“ – wenn auch nur subsidiär – ausdrücklich auch die Möglichkeit der Veräußerung des Erbhofs und Teilung des Erlöses vorgesehen (S 4/Beil ./C). Daraus ist zu schließen, dass dessen Verbleib im Familienbesitz jedenfalls kein unbedingtes Motiv der Parteien war (zumal der Beklagte auch noch im Verfahren vorwiegend die Verwertung des Erbhofs anstrebte). Daran kann auch nichts ändern, dass dessen Erhaltung – zumindest nach dem Wortlaut des Übergabsvertrags – der ursprüngliche Beweggrund für die Vereinbarung der Belastungs- und Veräußerungsverbote war. Denn im Zusammenhalt mit der späteren „Scheidungsfolgenvereinbarung“ ist das – unter redlichen Parteien – so zu verstehen, dass diese nur für den Zeitraum der aufrechten Ehe gelten und die Streitteile nur während dieses Zeitaums ihre Anteile nicht (einseitig) belasten bzw veräußern können sollten.

Hinzu kommt, dass die Belastungs- und Veräußerungsverbote der von den Parteien angestrebten „zeitnahen Sicherstellung der Weiterführung des Betriebs“ (US 6 vorletzter Absatz) sogar zuwiderlaufen können, besteht doch dadurch etwa die Gefahr, dass eine Seite (zB aufgrund einer nicht verwundenen Trennung) die Rechte schikanös ausübt und dadurch beispielsweise für die Fortführung des Betriebs notwendige Investitionen verhindert.

Zusammengefasst ist daher unter Berücksichtigung aller Umstände davon auszugehen, dass redliche Vertragsparteien in der Lage der Klägerin und des Beklagten den Entfall bzw die Löschung der Belastungs- und Veräußerungsverbote für den Fall vereinbart hätten, dass nach der Entscheidung der Klägerin der Erbhof samt Zubehör einer der Parteien zugewiesen wird.

Damit erweist sich die Berufung als berechtigt, weshalb das angefochtene Urteil dahin abzuändern war, dass in Bezug auf Pkt 1 des Urteilsantrags bereits dem Hauptbegehren stattzugeben war. Dem Begehren war im Hinblick auf die durchzuführenden Grundbuchseintragungen lediglich eine präzisere Fassung zu geben.

3. Als Folge davon war eine neue Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu treffen. Diese beruht auf § 41 ZPO, wodurch sich allerdings keine (betragliche) Änderung der vom Erstgericht zugesprochenen Kosten ergibt. Ausgehend von der von der Klägerin vorgenommenen Bewertung des Begehrens auf Einwilligung in die Löschung der Belastungs- und Veräußerungsverbote mit EUR 300,00 „nach RATG, GGG und JN“ (lit d in ON 11.1), beläuft sich der für die Verfahrenskosten maßgebliche Wert des Streitgegenstands für die letzte Tagsatzung auf insgesamt (richtig:) EUR 50.300,00. Der Rechtsvertreter der Klägerin hat die Kosten allerdings (durchgehend) nur auf der Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 50.000,00 verzeichnet, sodass sie auch nur in dieser Höhe zugesprochen werden konnten. Der Beklagte hat keine Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin erhoben. Offenbare Unrichtigkeiten waren nicht ersichtlich.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50 iVm 41 ZPO. Die Bemessungsgrundlage für die Kosten des Berufungsverfahrens beläuft sich nur auf EUR 300,00, weil die Klägerin an die von ihr im Verfahren erster Instanz vorgenommene Bewertung gebunden ist und diese nicht nachträglich für das Berufungsverfahren ändern kann (vgl Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 56 JN, Rz 7 bzw RS0046474 zur Bewertung nach der JN). Die ERV-Kosten betragen nur EUR 2,60, weil ein Rechtsmittel kein das Verfahren einleitender Schriftsatz ist (RS0126594). Der Klägerin stehen daher nur Kosten von EUR 412,02 (darin enthalten EUR 61,34 USt und die Pauschalgebühr von EUR 44,00) zu.

5. Die Bewertung des Streitgegenstands durch eine Partei bindet allerdings nicht das Berufungsgericht hinsichtlich des Ausspruchs nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO ( Gitschthaler , aaO). Ausgehend von der evidenten wirtschaftlichen Bedeutung der Belastungs- und Veräußerungsverbote war auszusprechen, dass der Wert des Streitgegenstands zwar EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00 übersteigt.

Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung keine über den Einzellfall hinausgehende Bedeutung hat (RS0042936 insbes [T41]).

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