JudikaturOLG Linz

3R37/25v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
23. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Dr. Gert Schernthanner in der Rechtssache der Klägerin A* , geboren am **, Reinigungskraft, **gasse **, **, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die Beklagten 1. B* C* , geboren am **, Unternehmer, **straße **, **, 2. D* C* GmbH , FN **, **, **, 3. E* AG F* , FN **, **, **, alle vertreten durch Mag. Otmar Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert: EUR 26.610,00 sA, Berufungsinteresse: EUR 17.740,00 sA), über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10.2.2025, Cg*, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit EUR 2.402,26 (darin EUR 400,38 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 14.9.2023 ereignete sich in ** im Bereich der Einmündung der F*straße in die G*straße ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Fußgängerin bzw Radfahrerin und der Erstbeklagte als Lenker des der Zweitbeklagten gehörigen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten KFZ Opel Vivaro-B beteiligt waren.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten die Zahlung von EUR 20.610,00 sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden aus dem Unfall. Dies mit der Begründung, sie sei vor der Einfahrt in die F*straße vom Fahrrad abgestiegen, um sich zu vergewissern, dass niemand von links kommt. Als sie im Begriff gewesen sei aufzusteigen, sei auf einer benachrangten Straße der Erstbeklagte herausgefahren, der sie übersehen und niedergestoßen habe. Der Erstbeklagte wäre verpflichtet gewesen, sich mit seinem KFZ vortastend zu bewegen, womit er Sicht gehabt und dadurch den Unfall hätte verhindern können.

Die Beklagten bestritten, beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, dass der Erstbeklagte mit dem KFZ seine Hauszufahrt verlassen habe und nach rechts in die F*straße eingebogen sei, um anschließend an der Kreuzung nach links in die G*straße einzubiegen. Bereits in Annäherung zur Kreuzung habe er nach rechts geblickt, wobei er keine Verkehrsteilnehmer wahrgenommen habe. Anschließend habe er nach links auf die G*straße geblickt, wobei er sein KFZ angehalten habe, um nochmals nach rechts zu blicken, um sodann gefahrlos nach links in die G*straße einzubiegen. Als er seinen Blick wieder nach rechts gerichtet habe, habe die Klägerin, welche mit ihrem Fahrrad von rechts angefahren gekommen sei, die Fahrzeugfront seines KFZ gestreift und sei dadurch zu Sturz gekommen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage zur Gänze ab. Seiner Entscheidung legte es den auf US 3 bis US 5 festgestellten Sachverhalt zugrunde, der im Folgenden zusammengefasst wiedergegeben wird, wobei die von der Klägerin bekämpfte Feststellung kursiv hervorgehoben und als [F1] bezeichnet wird:

In Fahrtrichtung der Klägerin verläuft links außerhalb der G*straße ein Gehsteig. Die F*straße ist mittels des Verkehrszeichens Vorrang geben gegenüber der G*straße abgewertet. Die Klägerin fuhr zunächst mit ihrem Fahrrad auf dem in ihrer Fahrtrichtung gesehen linken Gehsteig. Auf Höhe Kilometer 15,0 stieg sie ab, um ihr Fahrrad zu schieben. Ihr Blick nach links in die F*straße war durch die linksseitig befindliche Hecke eingeschränkt. Sie schob das Fahrrad so weit, bis sie nach links Sicht in die F*straße hatte. Nachdem sie keinen Verkehr aus der F*straße kommen sah, stieg sie wieder auf ihr Fahrrad – dessen Hinterreifen sich noch auf dem Gehsteig befand – auf und fuhr geradeaus weiter. Sie fuhr eine Wegstrecke von 2 bis 3 Metern und erreichte eine Geschwindigkeit von 6 bis 8 km/h, als es zur Kollision mit dem von links kommenden Beklagtenfahrzeug kam.

Aus ihrer Stillstandsposition konnte die Klägerin nur nach links in die F*straße sehen, nicht jedoch in die links hinten vorhandene Hauszufahrt, aus der das Beklagtenfahrzeug kam. Hätte die Klägerin ihr Fahrrad noch weiter geschoben, hätte sie auch in die Hauszufahrt sehen, das Beklagtenfahrzeug wahrnehmen und den Unfall vermeiden können. Auch wenn die Klägerin beim Losfahren noch einen Blick nach links zur Absicherung allenfalls von links hinten kommenden Verkehrs gemacht hätte, hätte sie das Beklagtenfahrzeug erkennen und durch Abbremsen den Unfall verhindern können.

Bevor der Erstbeklagte aus seiner Hauszufahrt in die F*straße einbog, blickte er zunächst nach links, um zu prüfen, ob von dort Fahrzeuge kommen oder ob er gefahrlos in die F*straße einbiegen konnte. Er fuhr langsam aus der Hauszufahrt nach rechts in die F*straße **, um dann sofort nach links einzuschlagen, zumal er nach links in die G*straße einbiegen wollte. Nach dem Einbiegen in die F*straße erreichte der Erstbeklagte sogleich den Einmündungstrichter in die G*straße. Die Sicht auf den Gehsteig, auf welchem sich die Klägerin annäherte, war für den Erstbeklagten durch eine Hecke genommen. Im Zuge eines leichten Abbremsens vor dem beabsichtigten Einbiegevorgang in die G*straße kam es bei einer Geschwindigkeit von 4 bis 5 km/h an der rechten Frontecke des Beklagtenfahrzeuges zur Kollision mit der Klägerin, welche nach rechts wegstürzte. Der Erstbeklagte nahm die Klägerin erst zum Zeitpunkt der Kollision wahr. Am Beklagtenfahrzeug kam es durch den Unfall zu keinen sichtbaren Schäden.

Der Erstbeklagte hätte den Unfall nur vermeiden können, wenn er bei dem Herausfahren aus der Hauszufahrt nicht nach links geschaut hätte, sondern nach vorn. Hätte er auf diese Art und Weise auf die noch stehende und sogleich losfahrende Klägerin geblickt, wäre er zur Reaktion aufgefordert gewesen und hätte in der Zeitspanne von 1,5 bis maximal 2 Sekunden vor der Kollision durch Abbremsen das Unfallgeschehen vermeiden können. Da der Erstbeklagte jedoch beim Einfahren in die F*straße nach links schaute, hatte er die Klägerin nicht im Gesichtsfeld und war der Unfall für ihn unvermeidbar [F1] .

Auch wenn die Klägerin ohne zuvor von ihrem Fahrrad abzusteigen in den Einmündungstrichter eingefahren wäre, hätte – nur bei einem Blick nach vorne statt nach links – eine Reaktionsaufforderung für den Erstbeklagten frühestens 1,4 bis 1,5 Sekunden vor der Kollision bestanden. Da der Erstbeklagte jedoch zunächst beim Ausfahren aus der Hauszufahrt nach links schauen musste, wäre auch bei dieser Variante der Unfall für den Erstbeklagten unvermeidbar gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Erstbeklagte die nach den Umständen gebotene Sorgfalt beachtet habe, ihn am Zustandekommen des Unfalls kein Verschulden treffe und auch eine Haftung nach dem EKHG zu verneinen sei. Vielmehr treffe die Klägerin das Verschulden am Zustandekommen des Unfalls, da Fußgänger nach § 76 StVO beim Betreten der Fahrbahn auf den übrigen Verkehr achtzugeben und sich vorab zu vergewissern hätten, dass sie hierbei sich selbst oder andere Straßenbenützer nicht gefährden. Die Klägerin sei jedoch losgefahren, ohne sich ausreichend zu vergewissern, dass von links kein Fahrzeug kommt. Sie habe nicht ausreichend Sicht nach links gehabt, sei dennoch losgefahren und habe auch keinen weiteren Blick im Zuge des Losfahrens nach links getätigt. Für sie wäre daher zweifach der Unfall vermeidbar gewesen. Der Erstbeklagte habe nach § 19 Abs 6 StVO beim Einbiegen von der Hausausfahrt nach links zu schauen gehabt, um den Vorrang von allfälligen Fahrzeugen im Fließverkehr zu wahren. Da er deshalb nicht nach vorne geblickt habe, habe er die Klägerin nicht wahrnehmen können. Auch ein besonders umsichtiger und sachkundiger Fahrzeuglenker habe in dieser Situation erwarten können, dass sich Fußgänger, die sich – aus Sicht des Erstbeklagten – von rechts am Gehsteig dem Einmündungstrichter annähern, verkehrsgerecht verhalten werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, sowohl dem Leistungs- als auch dem Feststellungsbegehren im Ausmaß von 2/3 stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des Ersturteils.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Tatsachenrüge:

I.1. Um eine Tatsachenrüge ordnungsgemäß auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835; Kodek in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 471 Rz 15). Die Tatsachenrüge kann nur dann erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts rechtfertigen ( Klauser/Kodek , JN-ZPO 18 § 467 ZPO E 40/3).

I.2.1. Die Berufungswerberin bekämpft die Feststellung [F1] auf US 5 und begehrt folgende Ersatzfeststellung: „ Der Erstbeklagte hätte den Unfall vermeiden können, wenn er sich beim Herausfahren aus der Hauszufahrt einer herantastenden Fahrweise bedient hätte und sich mit langsamer Geschwindigkeit vorwärts bewegt hätte. Dazu wäre der Erstbeklagte aufgrund der eingeschränkten Sichtverhältnisse an der Unfallstelle jedenfalls verpflichtet gewesen. Darüber hinaus wäre der Erstbeklagte auch verpflichtet gewesen, nachdem er nach links blickte, in weiterer Folge nach vorne zu blicken und nicht ohne nach vorne zu schauen ‚in einem durchzufahren‘. “ Begründend führt sie aus, dass sich aus der Ersatzfeststellung in rechtlicher Hinsicht ergebe, dass den Erstbeklagten ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe, da er bereits aufgrund seines Nachrangs und der schlechten Sichtverhältnisse verpflichtet gewesen wäre, seine Geschwindigkeit bis zu einem „Vortasten“ herabzumindern und den Kreuzungsbereich zu überblicken.

I.2.2. Indem sich die Begründung der Tatsachenrüge lediglich darin erschöpft, die Rechtsfolgen der begehrten Ersatzfeststellung aufzuzeigen, ist diese nicht gesetzmäßig ausgeführt, da nach ständiger Rechtsprechung stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden müssen, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts rechtfertigen. Es wäre von der Berufungswerberin darzulegen gewesen, dass die getroffenen Feststellungen zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Ergebnisse für andere Feststellungen vorliegen ( Klauser/Kodek , aaO § 467 ZPO E 40/5). Der Tatsachenrüge kann damit von vornherein kein Erfolg zukommen.

II. Zur Rechtsrüge:

II.1. Nur wenn der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung dem Gesetz gemäß ausgeführt ist, wenn also das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung des von ihm festgestellten Sachverhaltes als unrichtig bekämpft wird, kann das Berufungsgericht auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung eingehen. Dagegen ist dem Berufungsgericht die Überprüfung verwehrt, wenn die Rechtsrüge nur aus dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung abgeleitet und dieser Berufungsgrund vom Berufungsgericht nicht als gegeben angesehen wird. Das folgt aus § 462 Abs 1 ZPO, wonach das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil innerhalb der Grenzen der Berufungserklärung zu überprüfen hat (RS0041585). Das Berufungsgericht ist hierbei nicht nur an die Berufungsanträge, sondern auch an die Berufungsgründe gebunden (RS0041585 [T1]).

II.2.1. Die Berufungswerberin moniert, der Erstbeklagte wäre aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse und der unklaren Verkehrssituation zu besonderer Aufmerksamkeit und zur Anpassung seiner Geschwindigkeit verpflichtet gewesen. Da der Erstbeklagte die Klägerin erst zum Zeitpunkt der Kollision gesehen habe, sei ihm auch eine Reaktionsverspätung vorzuwerfen. Die nach § 9 Abs 2 EKHG gebotene äußerste Sorgfalt sei dann eingehalten, wenn der Fahrzeuglenker eine über die gewöhnliche Sorgfaltspflicht hinausgehende, besonders überlegene Aufmerksamkeit gezeigt hat, die etwa auch die Rücksichtnahme auf eine durch die Umstände nahegelegte Möglichkeit eines unrichtigen Verhaltens anderer bietet. Ein verkehrswidriges Verhalten von Fußgängern stelle für einen KFZ-Lenker dann ein unabwendbares Ereignis dar, wenn er nach den konkreten Umständen damit nicht zu rechnen brauchte und er den Unfall auch bei Anwendung der Vorsicht und Aufmerksamkeit eines besonders umsichtigen und sachkundigen Kraftfahrers nicht hätte verhindern können. Deuten aber Anzeichen darauf hin, dass Fußgänger die Fahrbahn überqueren könnten, so müsse der Fahrzeuglenker darauf durch Herabsetzung der Geschwindigkeit oder Abgabe eines Warnsignals reagieren. Es hätte somit von keinem unabwendbaren Ereignis ausgegangen werden dürfen. Darüber hinaus treffe den Erstbeklagten auch ein Verschulden, zumal er offenbar nur nach links geblickt habe.

II.2.2. Die nach § 9 Abs 2 EKHG gebotene äußerste Sorgfalt ist dann eingehalten, wenn der Fahrzeuglenker eine über die gewöhnliche Sorgfaltspflicht hinausgehende, besonders überlegene Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht gezeigt hat, die zum Beispiel auch die Rücksichtnahme auf eine durch die Umstände nahegelegte Möglichkeit eines unrichtigen oder ungeschickten Verhaltens anderer gebietet (RS0058425). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs 2 EKHG darf jedoch keine Überspannung der Sorgfaltspflicht Platz greifen (RS0058326 [T1, T7]). Vielmehr ist zwischen der Nichteinhaltung jeder gebotenen Sorgfalt im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG, das nicht mit Verschulden gleichgesetzt werden kann, und der als Verschulden zu wertenden Nichteinhaltung der gewöhnlichen Verkehrssorgfalt eines KFZ-Lenkers zu unterscheiden (RS0058425 [T4]). Es kommt also darauf an, dass auch für einen besonders sorgfältigen Kraftfahrer bei der gegebenen Sachlage der geschehene Unfall unvermeidbar war (RS0058425 [T6]).

II.2.3. Ein Ereignis gilt insbesondere dann als unabwendbar, wenn es auf einem Verhalten des Geschädigten beruht. Erfasst sind dabei nur solche Verhaltensweisen, die objektiv verkehrswidrig sind und eine Erhöhung der Gefahr bewirken, weil die Betriebsgefahr des Fahrzeugs dann nur eine untergeordnete Bedeutung hat und gegenüber dem „gewichtigeren“ Verhalten des Geschädigten zurücktritt ( Neumayr in Schwimann/Neumayr , ABGB 6 § 9 EKHG Rz 5; Schauer in Schwimann/Kodek , ABGB 11 5 § 9 EKHG Rz 8). So stellt etwa ein verkehrswidriges Verhalten von Fußgängern für einen KFZ-Lenker dann ein unabwendbares Ereignis dar, wenn er nach den konkreten Umständen damit nicht zu rechnen brauchte und er den Unfall auch bei Anwendung der Vorsicht und Aufmerksamkeit eines besonders umsichtigen und sachkundigen Kraftfahrers nicht verhindern konnte (RS0058217). Dazu zählt etwa das unvorsichtige Überqueren der Fahrbahn durch einen Fußgänger ( Neumayr , aaO § 9 EKHG Rz 5 mwN; Schauer , aaO § 9 EKHG Rz 11, 26) oder das Verhalten eines Radfahrers, der nachts auf der falschen Fahrbahnhälfte bei Annäherung des KFZ seine Fahrbahnseite zu überqueren versucht, sodass der Fahrzeuglenker nicht ausweichen kann ( Danzl , EKHG 11 § 9 E 18; RS0073744).

II.2.4. Ein von einer nach § 19 Abs 6 StVO benachrangten Verkehrsfläche kommender Fahrzeuglenker hat besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit anzuwenden und seine Fahrweise unter allen Umständen so einzurichten, dass er auch Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang, die sich nicht vorschriftsmäßig verhalten, weder zu einem unmittelbaren Bremsen oder Ablenken zwingt noch sonst gefährdet oder behindert ( Pürstl , StVO-ON 16 § 19 E 114, E 142 mwN; RS0074464). Indem der Erstbeklagte nach den Feststellungen zunächst aus seiner Hauszufahrt nach links in die F*straße blickte, um den von dort kommenden (fließenden) Verkehr zu prüfen und sodann langsam aus der Hauszufahrt nach rechts in die F*straße einbog, entsprach er – wie bereits das Erstgericht ausführte – den Anforderungen nach § 19 Abs 6 StVO. Nach dem Einbiegen in die F*straße erreichte der Erstbeklagte aufgrund der geringen örtlichen Distanz (AS 3 f in Beilage ./M) sogleich den Einmündungstrichter der F*straße in die G*straße. Wenn auch die Sicht auf den Gehsteig, auf welchem sich die Klägerin zwischenzeitig annäherte, für den Erstbeklagten durch eine Hecke verdeckt war, war dieser im Kollisionszeitpunkt nur mit 4 bis 5 km/h in Bewegung, sodass die Ausführungen der Berufungswerberin in ihrer Rechtsrüge, wonach der Erstbeklagte aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse seine Geschwindigkeit anzupassen gehabt hätte, nicht nachvollzogen werden können. Vielmehr hätte der Erstbeklagte den Unfall nur vermeiden können, wenn er beim Herausfahren aus der Hauszufahrt nicht nach links, sondern nach vorne gesehen hätte, womit er aber nicht die von § 19 Abs 6 StVO verlangte besondere Vorsicht gegenüber dem fließenden Verkehr hätte walten lassen.

II.2.5. Nach § 76 Abs 4 lit a StVO haben sich Fußgänger an Stellen, wo der Verkehr weder durch Arm- noch durch Lichtzeichen geregelt wird, vor Betreten der Fahrbahn zu vergewissern, dass sie hierbei weder sich selbst noch andere Straßenbenützer gefährden oder diese übermäßig behindern. Die Klägerin fuhr zunächst mit ihrem Fahrrad auf dem in ihrer Fahrtrichtung gesehen linken Gehsteig, stieg jedoch noch vor dem Einmündungstrichter der F*straße in die G*straße ab. Aus ihrer Position konnte die Klägerin – als Fußgängerin – nach links in die F*straße sehen, nicht jedoch in die links hinten befindliche Hauszufahrt, aus der das Beklagtenfahrzeug kam. Trotz unzureichender Sicht nach links fuhr sie dennoch los und tätigte im Zuge des Losfahrens auch keinen weiteren Blick mehr nach links. Die Klägerin hat sich daher zunächst als Fußgängerin nicht ausreichend vergewissert, dass sie bei der Überquerung der Straße nicht sich selbst und andere Straßenbenützer gefährdet. Indem sie wieder auf ihr Fahrrad aufstieg und auf diesem – in ihrer Fahrtrichtung gesehen auf der linken Straßenseite – bis zur Kollision mit dem Erstbeklagten wenige Meter zurücklegte, ist sie dabei jedoch als Radfahrerin und nicht (mehr) als Fußgängerin anzusehen (RS0073368). Die Klägerin hätte den Unfall vermeiden können, indem sie ihr Fahrrad noch weiter geschoben hätte, wodurch sie in die Hauszufahrt sehen und das Beklagtenfahrzeug hätte wahrnehmen können. Auch wenn sie beim Losfahren noch einen Blick nach links zur Absicherung vor einem allenfalls von links hinten kommenden Verkehr gemacht hätte, hätte sie das Beklagtenfahrzeug erkennen und durch Abbremsen den Unfall verhindern können.

II.2.6. Ein besonders sorgfältiger Fahrzeuglenker kann – wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte – zum einen erwarten, dass sich Fußgänger, die eine Fahrbahn zu überqueren beabsichtigen, verkehrsgerecht verhalten werden. Zum anderen muss ein solcher Fahrzeuglenker aber auch keineswegs damit rechnen, dass ein Radfahrer unter grober Missachtung der allgemeinen Fahrordnung (§ 7 StVO) entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung wie ein „Geisterfahrer“ eine Straßeneinmündung passiert (vgl OLG Innsbruck 2 R 25/07d; vgl RS0075438). Das Erstgericht hat daher zu Recht ein Verschulden des Erstbeklagten sowie die Haftung der Beklagten für den Unfallschaden der Klägerin verneint.

III. Ergebnis, Kosten, Zulassung:

III.1. Im Ergebnis war der Berufung der Klägerin kein Erfolg zuzuerkennen.

III.2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

III.3. Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes orientierte sich das Berufungsgericht an der in erster Instanz unbeanstandet gebliebenen Bewertung des Feststellungsbegehrens.

III.4. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht von der Lösung erheblicher, im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierter Rechtsfragen abhängig war.

Rückverweise