2R49/25a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Unternehmer, ** Straße **, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* Ltd , **, **, ** **, vertreten durch die e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 26.250,00 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11. März 2025, Cg*-14, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 2.875,92 (darin EUR 479,32 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei mit der Firmenbuchnummer C42296 ist eine Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in C*, D*, E* ** F*, Malta. Sie ist Betreiberin der Websites G* und H*. Auf diesen Websites können verschiedene Glücksspiele gespielt werden. Die beklagte Partei verfügt über eine Glücksspiellizenz der Malta Gaming Authority, aber über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz.
Der Kläger spielte von 20. Mai 2018 bis 17. Februar 2023 von seinem Wohnsitz in Österreich aus Slots auf den Websites der beklagten Partei G* und H*. Das Spielergebnis hängt dabei ausschließlich oder überwiegend vom Zufall ab. Der Kläger nahm als Verbraucher an Online-Glücksspielen der beklagten Partei teil. Dabei erlitt er Verluste in Höhe von EUR 26.250,00.
Die Websites der beklagten Partei sind in deutscher Sprache aufrufbar. Die Registrierung und Kommunikation auf den Websites der beklagten Partei war für den Kläger in deutscher Sprache möglich. Bei der Registrierung konnte der Kläger seine österreichische Adresse angeben, wobei im Eingabefeld der Registrierungsmaske „Handynummer“ als Ausfüllhilfe die österreichische Telefonvorwahl „+43“ angezeigt wurde. Die online in deutscher Sprache abrufbaren Nutzungsbedingungen der beklagten Partei, bezogen auf beide Websites, sehen auszugsweise vor:
„„Anwendbares Recht
Für diese Vereinbarung unterliegt den Gesetzen Maltas (es sei denn, Sie sind in Großbritannien wohnhaft) und sie ist in Übereinstimmung mit diesem zu interpretieren; und sind unwiderruflich zu unseren Gunsten der ausschließlichen Rechtsprechung der maltesischen Gerichte, um jedwede Rechtsstreitigkeiten (einschließlich Klagen auf Ausgleichszahlungen und Gegenklagen) zu klären, die in Zusammenhang mit der Schaffung, Gültigkeit, Wirkung, Interpretation und Durchführung dieser Vereinbarung entstehen oder durch die rechtlichen Beziehungen, die durch die Vereinbarung aufgestellt werden oder die anderweitig in Zusammenhang mit dieser Vereinbarung auftreten.“
Der Kläger wurde kurze Zeit nach dem 17.02.2023 auf die Möglichkeit der Rückforderung der Spielverluste aufmerksam. Seither tätigte er keine weiteren Online-Glücksspiele
Er begehrt die Rückzahlung seines Spielverlustes. Ihm komme ein bereicherungs- und schadenersatzrechtlicher Anspruch wegen fehlender österreichischer Lizenz der beklagten Partei zu.
Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung, verlangte die Anwendung maltesischen Rechts und wandte vor allem ein, dass das österreichische Glücksspielmonopol mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar sei. Das Anbieten von Glücksspielen aufgrund ihrer maltesischen Glücksspielkonzession sei daher rechtmäßig.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 26.250,00 zuzüglich Zinsen. Seiner Entscheidung legte es die eingangs vollständig wiedergegebenen Feststellungen zugrunde. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, es liege ein Verbrauchervertrag vor. Nach Art 6 Rom I-VO sei grundsätzlich das Recht des Verbraucherstaats anzuwenden. Eine Rechtswahl könne nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz der zwingenden Bestimmungen dieses Rechts entzogen werde. Das Verbraucherstatut gelange ua dann zur Anwendung, wenn der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auf den Verbraucherstaat ausrichte. Für den Begriff des „Ausrichtens“ sei entscheidend, dass der Gewerbetreibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben müsse, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedsstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedsstaats des Verbrauchers, herzustellen. Es sei deshalb zu ermitteln, ob vor dem möglichen Vertragsschluss mit diesem Verbraucher Anhaltspunkte dafür vorgelegen seien, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern habe tätigen wollen, die in anderen Mitgliedsstaaten wohnhaft seien, darunter in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der fragliche Verbraucher seinen Wohnsitz habe, und zwar in dem Sinne, dass der Gewerbetreibende zu einem Vertragsschluss mit diesen Verbrauchern bereit gewesen sei. Geeignete Anhaltspunkte für die Ausrichtung einer im Internet präsentierten Tätigkeit eines Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers seien beispielsweise der internationale Charakter der Tätigkeit, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der im Staat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung, die Verwendung eines anderen Domainnamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedsstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden. Hier habe die beklagte Partei außerhalb ihres Sitzstaats über eine jedenfalls aus Österreich zugängliche Internet-Homepage Glücksspiele in einer anderen Sprache als Maltesisch oder Englisch angeboten, sodass von einer internationalen Tätigkeit auszugehen sei. Sie habe ihr Angebot auch eindeutig auf österreichische Verbraucher ausgerichtet, da die deutschsprachige Maske zur Registrierung der Spielerdaten explizit auf österreichische Verbraucher abziele, wie der Hinweis auf österreichische Telefonvorwahl zeige. Darüber hinaus sei die Rechtswahlklausel in den AGB der beklagten Partei bei Verbrauchergeschäften wegen Intransparenz missbräuchlich und daher nicht anzuwenden, wenn der Verbraucher, wie hier, nicht darauf hingewiesen werde, dass er sich nach Art 6 Abs 2 Rom I-VO auf den Schutz der zwingenden Bestimmungen des im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts geltenden Rechts berufen könne. Außerdem handle es sich bei den Bestimmungen des GSpG, auf die der Kläger die Ungültigkeit der Glücksspielverträge stütze, um Eingriffsnormen iSd Art 9 Abs 1 Rom I-VO, die von einem österreichischen Gericht unabhängig von dem ansonsten anwendbaren Sachrecht anzuwenden seien.
Nach Art 12 Abs 1 Rom I-VO seien grundsätzlich alle vertragsrechtlichen Fragen nach dem einheitlichen Vertragsstatut (hier: Verbraucherstatut) zu beurteilen. Dies gelte nach Abs 1 lit e Rom I-VO auch für die Folgen der Nichtigkeit des Vertrags. Für die Rückabwicklung nichtiger Verträge gelte somit das Recht des Vertragsstatuts, also hier österreichisches Recht. Die beklagte Partei verfüge nicht über eine nach den §§ 1, 3, 14 und 21 GSpG erforderliche österreichische Konzession. Durch staatliche Monopole würden die in Art 56 AEUV und Art 49 AEUV festgelegten Prinzipien des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit beschränkt. Geeignet seien nationale Regelungen dann, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht würden, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Das österreichische System der Glücksspielkonzessionen verstoße nach ständiger Rechtsprechung des OGH nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt und auch unter Bedachtnahme auf die Werbemaßnahmen der Konzessionäre im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und der vom Gerichtshof aufgezeigten Vorgaben nicht gegen Unionsrecht. Daran sei auch nach dem Beschluss des EuGH vom 18. Mai 2021, C-920/19 Fluctus ua, festzuhalten. Im Grunde würden nach diesem EuGH-Beschluss die aktuellen Werbemaßnahmen der österreichischen Konzessionsinhaber weiterhin als kohärent angesehen. Auch in zahlreichen der Entscheidung 1 Ob 229/20t nachfolgenden Entscheidungen zu ähnlich gelagerten Sachverhalten habe der OGH entschieden, dass das österreichische Monopol- und Konzessionssystem den unionsrechtlichen Vorgaben entspreche.
Dem Vorbringen der beklagten Partei, das sich auf einen Spielzeitraum bis 17. Februar 2023 beziehe, sei mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung des OGH nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen von dieser abgegangen werden solle. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Marktforschung und Marketing sei entbehrlich. Es bedürfe auch einer (neuerlichen) Befassung des EuGH nicht, weil sich die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung an der umfangreichen einschlägigen Rechtsprechung des EuGH orientiere. Aufgrund des unionsrechtskonformen Glücksspielmonopols handle es sich bei den von der Beklagten angebotenen Glücksspielen in Österreich folglich um verbotenes Glücksspiel. Gemäß § 879 Abs 1 ABGB sei ein gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßender Vertrag unwirksam und damit nichtig. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrages gezahlt worden sei, sei rückforderbar. Verbotene Spiele erzeugten nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer könne die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dagegen die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht worden sei. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote, sodass es nicht schade, dass der Kläger durch die Zustimmung zu den AGB der beklagten Partei zur Kenntnis genommen habe, dass die Beklagte eine maltesische Konzession habe. Dem Kläger stehe daher ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich seiner der Höhe nach außer Streit gestellten Verluste zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Klagsabweisung, hilfsweise stellt sie einen Zurückverweisungsantrag.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Die Berufung, die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln war, ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagte Partei macht in ihrer Rechtsrüge einerseits die Anwendung maltesischen Rechts, andererseits die fehlende Unionsrechtskonformität des österreichischen GSpG und die damit zu Unrecht erfolgte Beurteilung des Glücksspielvertrags als nichtig geltend.
Beide Kritikpunkte erweisen sich als nicht berechtigt. Die gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts ins Treffen geführten Argumente erweisen sich als nicht stichhältig, sodass gemäß § 500a ZPO auf die zutreffenden Ausführungen zu verweisen ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht das nach Art 6 Abs 1 VO (EG) Nr 593 2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I-VO“) zu ermittelnde Recht zutreffend mit der Anwendung österreichischen Rechts beurteilt hat. Beizupflichtenderweise hat es auf die maßgeblichen Kriterien in ihrer Gesamtheit, wie den internationalen Charakter der Tätigkeit, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedsstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache mit der Möglichkeit der Buchung in dieser anderen Sprache, die Angabe der Telefonnummer mit der internationalen Vorwahl +43 sowie die Verwendung eines anderen Domainnamens oberster Stufe (hier: „.com“) als desjenigen des Mitgliedsstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden herangezogen (vgl 7 Ob 213/21f). Die Beurteilung des Erstgerichts, dass die Tätigkeit der beklagten Partei auf Österreich ausgerichtet ist, erweist sich daher als nicht korrekturbedürftig.
Auch zur Frage der Kohärenz des GSpG erweist sich die Rechtsrüge als nicht stichhaltig, sodass gemäß § 500a ZPO auf die abermals zutreffenden Entscheidungsgründe des Erstgerichts verwiesen werden kann. Ergänzend ist zu betonen, dass auch nach jüngster Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols abschließend beantwortet ist (zuletzt 7 Ob 86/24h). Eine zu dieser Frage erhobene außerordentliche Revision einer maltesischen Onlineglücksspielanbieterin wurde trotz Nichtbehandlung der behaupteten Stoffsammlungsmängel und sekundärer Feststellungsmängel durch das Berufungsgericht vom OGH zurückgewiesen (8 Ob 138/22k). Es wurde auch die Anregung auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs abgelehnt (7 Ob 86/24h). Aus der Entscheidung des EuGH C-920/19 „ Fluctus“ ergibt sich kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (2 Ob 146/22t). Die letzte Beurteilung der Kohärenz bezog sich auf den Spielzeitraum bis 26.7.2023, der Klagszeitraum ist davon erfasst.
Die Berufung bleibt daher erfolglos.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO war nicht zuzulassen, weil die Rechtsrüge der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.