JudikaturOLG Linz

4R44/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
02. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie Mag. Stefan Riegler und MMag. Andreas Wiesauer in der Rechtssache des Klägers A* , geb. **, selbstständig, **, ** **, vertreten durch die Hengstschläger Lindner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, wider den Beklagten Dr. B* , geb. **, Rechtsanwalt, **straße **, **, vertreten durch die Prof. Haslinger Partner Rechtsanwälte in 4020 Linz, wegen (ausgedehnt) EUR 69.647,00 s.A. über die Berufung des Beklagten (Berufungsinteresse: EUR 69.647,00) gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 17. Jänner 2025, Cg*-39, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 3.787,32 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten EUR 631,22 USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Der Kläger war im Rahmen eines Geschäftsführer-Dienstvertrages bei der C* Holding GmbH (in der Folge nur Arbeitgeberin) in D* angestellt. Diese sprach beginnend mit 30. Juni 2016 mehrfach die Kündigung dieses Dienstverhältnisses aus, was Arbeitsrechtsstreitigkeiten mit dem Kläger zur Folge hatte.

Der Kläger beauftragte ursprünglich Dr. E* F*, Rechtsanwalt in **, mit der Vertretung seiner Interessen. Dieser war darüber hinaus jedoch auch Rechtsanwalt der Arbeitgeberin des Klägers, weshalb er dem Kläger mitteilte, dass er nach außen hin als Rechtsanwalt nicht auftreten wolle/könne und empfahl dem Kläger, den Beklagten als weiteren Rechtsanwalt beizuziehen. Zwischen dem Kläger und dem beklagten Rechtsanwalt bestand ab 7. Juli 2016 ein Vertretungsverhältnis. Der Kläger erteilte dem Beklagten zunächst eine schriftliche Vollmacht.

Zwischen dem Beklagten und Dr. F* war diesbezüglich vereinbart, dass Dr. F* sämtliche Schriftsätze für die zu beginnenden Verfahren vorbereiten werde und der Beklagte in den arbeitsgerichtlichen Verfahren nach außen hin als Vertreter des Klägers auftreten sollte. Der Kläger war über diese Vorgangsweise informiert und akzeptierte diese. Nachfolgend hatte der Kläger sowohl mit Dr. E* F* als auch mit dem Beklagten sowie auch mit beiden jeweils Kontakt und Besprechungen in der arbeitsgerichtlichen Angelegenheit. Besprechungen ausschließlich zwischen dem Beklagten und dem Kläger fanden diesbezüglich hauptsächlich vor den Verhandlungen vor dem Landesgericht Linz als Arbeitsgericht statt.

Dr. F* bereitete sämtliche schriftlichen Eingaben für die arbeitsgerichtlichen Verfahren vor und übersendete sie dem Beklagten. Der Beklagte befasste sich inhaltlich mit diesen Eingaben insbesondere in Vorbereitung für die Verhandlungen sowie auch für die Besprechungen mit dem Kläger. Teilweise nahm der Beklagte Adaptierungen vor, größtenteils übernahm er jedoch den Inhalt der Schriftsätze von Dr. F* ohne Veränderungen.

Eine Vereinbarung zwischen dem Kläger, Dr. F* und dem Beklagten (oder auch nur zwischen dem Kläger und dem Beklagten) dahingehend, dass die Schriftsätze von Dr. F* durch den Beklagten nicht zu kontrollieren sind, gab es nicht. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten wurde eine Haftungsbefreiung (des Beklagten) nicht vereinbart, dies weder schriftlich noch mündlich. (= bekämpfte Feststellung)

Der Beklagte übertrug die von Dr. F* vorbereiteten Eingaben in der Textverarbeitung in sein System dergestalt, dass sie nachfolgend in den arbeitsgerichtlichen Verfahren als eigene Eingaben des Beklagten in Erscheinung traten. Der Kläger war über diese Vorgangsweise informiert und stimmte dieser Vorgangsweise zu.

Gegen die per 30. Juni 2016 und 25. Juli 2016 ausgesprochenen Kündigungen erhob der Kläger durch den Beklagten als dortigen Klagevertreter am 7. Juli 2016 (Cga1*) und 11. August 2016 (Cga2*) jeweils Klage beim Landesgericht Linz, welche nachfolgend verbunden wurden (in der Folge nur Vorverfahren).

Mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 16. Dezember 2016 wurde gegenüber dem Kläger neuerlich eine Kündigung des Dienstverhältnisses mit Wirksamkeit per 30. Juni 2017 ausgesprochen. Dieses Kündigungsschreiben wurde dem Kläger nach dem 1. Jänner 2017 zugestellt. Von dieser Kündigung erfuhr der Beklagte als Klagevertreter im arbeitsgerichtlichen Verfahrens spätestens in der Verhandlung vom 7. Februar 2017. Erstmals Bezug auf diese (dritte) Kündigung vom 16. Dezember 2016 im arbeitsgerichtlichen Verfahren nahm der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017, in welchem das Klagebegehren im Leistungsteil und im Umfang der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ausgedehnt wurde.

Bei der Verhandlung am 11. Juli 2017 wurde der zuvor eingebrachte Schriftsatz vom 4. Juli 2017 verlesen und darüber hinaus vom Beklagten ein ergänzendes Vorbringen erstattet, welches inhaltlich ident war mit dem von Dr. F* an den Beklagten zuvor am 10. Juli 2017 übersendeten Textdokument. Das Urteilsbegehren im vorher eingebrachten Schriftsatz vom 4. Juli 2017 wurde vom Beklagten in dieser Verhandlung jedoch nicht verändert.

Der Beklagtenvertreter im Vorverfahren brachte in dieser Verhandlung in Erwiderung des ergänzenden Vorbringens des Beklagten als dortigen Klagsvertreter Folgendes auszugsweise wiedergegeben vor: „Wie wohl nicht verfahrensgegenständlich weist die Beklagte darauf hin, dass ihre Eventual-Kündigung vom 16. Dezember 2016, die dem Kläger am 17. Dezember 2016 bzw. am 19. Dezember 2016 zugestellt worden sind, vom Kläger unbekämpft geblieben sind. Aus diesem Grund endet das Dienstverhältnis des Klägers allerspätestens am 30. Juni 2017, nach Auffassung der Beklagten jedoch am 30. September 2016.“

Der Beklagte bestritt dieses Vorbringen und brachte zur Eventual-Kündigung vom 16. Dezember 2016 vor: „Diese wurde dem Kläger tatsächlich erst frühestens am 4. Jänner 2017 zugestellt. (…) Er hatte eine Flugreise gebucht und ist erst am 1. Jänner um 20.00 Uhr wieder zurückgekommen. Er hat dann bei der Post die hinterlegte Sendung mit der Kündigung zum 30. Juni 2017 behoben. (…)“

Der Beklagte berücksichtigte dabei nicht, dass für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich per 30. Juni 2017 enden würde, gewisse Ansprüche bereits zu diesem Zeitpunkt fällig werden würden. Er dachte auch nicht daran, dass man bezüglich dieser Beendigungsansprüche zusätzlich ein Eventualbegehren hätte erheben können. Die Thematik Verjährung war für ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht präsent und virulent. Auch nach der Verhandlung vom 11. Juli 2017 machte er weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber Dr. F* eine Äußerung betreffend Verjährung von Ansprüchen des Klägers. Er fragte bei Dr. F* nach, ob andere Ansprüche geltend gemacht werden sollten. Dr. F* teilte ihm mit, dass er das abklären werde. Bis Ende Dezember 2017 drang der Beklagte nicht darauf, dass man sich bezüglich weiterer Ansprüche des Klägers etwas überlegen müsste.

Im Vorverfahren stellte der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 25. Juni 2019 abschließend fest, dass das zwischen den Streitteilen bestehende Dienstverhältnis bis zum 30. Juni 2017 aufrecht bestanden hat und, dass die [dortige] Beklagte dem Kläger für alle zukünftigen Schäden hafte, die dem Kläger durch die Kündigung vom 16. Dezember 2016 entstehen.

Nach Erhalt der Berufungsbeantwortung im Vorverfahren ersuchte der Beklagte mit E-Mail vom 24. Jänner 2018 gegenüber dem Kläger und Dr. F* um Mitteilung, ob nunmehr Gehalt bzw. Kündigungsentschädigungen für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 gerichtlich geltend gemacht werden sollten. Der Kläger antwortete zunächst mit E-Mail vom 31. Jänner 2018, vorerst nichts mehr zu unternehmen. Nachfolgend erteilte der Kläger dem Beklagten am selben Tag jedoch den Auftrag, Klage zu erheben.

Der Beklagte brachte daraufhin in Vertretung des Klägers am 31. Jänner 2018 beim Landesgericht Linz eine Klage auf Zahlung einer Brutto-Lohnforderung für den Zeitraum 1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2017 iHv EUR 135.000,00 ein. Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung hatte sich der Beklagte mit der Thematik Verjährung noch nicht auseinander gesetzt. Er war zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht überzeugt, dass bereits ein Teil verjährt sein könnte. Er hatte jedoch bezüglich Verjährung bereits ein unwohles/fragliches Gefühl. In diesem (letzten) Haftungsprozess wurde dem Kläger nur ein Betrag von EUR 67.500,00 rechtskräftig zuerkannt, hingegen das Mehrbegehren von EUR 67.500,00 abgewiesen.

Dem Kläger ist durch die verspätete Einbringung der Klage ein Schaden von insgesamt EUR 69.647,00, bestehend aus der Kündigungsentschädigung für den Zeitraum Juli bis einschließlich August 2017 iHv brutto EUR 67.500,00 und den Berufungskosten iHv EUR 2.147,00 entstanden. Dieser Schaden hätte verhindert werden können, wenn die Klage vor dem 31. Dezember 2017 eingebracht worden wäre oder wenn im Vorverfahren spätestens in der Verhandlung vom 11. Juli 2017 ein Eventualbegehren hinsichtlich der zu diesem Zeitpunkt bereits (allenfalls) fälligen Kündigungsentschädigung für die ersten drei Monate nach dem 30. Juni 2017 erhoben worden wäre.

Der Kläger begehrte vom Beklagten zuletzt die Leistung von EUR 69.647,00 aufgrund entgangener Kündigungsentschädigung sowie der von ihm getragenen Kosten des Berufungsverfahrens und führte hiezu auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der Beklagte sei vom Kläger unmittelbar und nicht nur mit der bloßen Vertretung nach außen hin beauftragt worden. Der Beklagte sei Ansprechpartner des Klägers gewesen, habe die von Dr. F* übermittelten Erstentwürfe korrigiert sowie des öfteren überarbeitet und sei im Laufe des Mandatsverhältnisses mehrmals selbstständig bzw. eigeninitiativ tätig geworden. Es habe nie ein Zweifel daran bestanden, dass der Beklagte den Kläger im Rechtsstreit gegen seine Arbeitgeberin in vollem Umfang vertrete.

Die Klagsführung im letzten Haftungsprozess habe die Frist in Bezug auf die Ersatzansprüche des Klägers nicht unterbrochen; dazu wäre die Erhebung eines Eventualbegehrens auf Leistung des zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz im Vorverfahren (11. Juli 2017) bereits fälligen Anspruchs erforderlich gewesen. Letztlich seien dem Kläger deshalb von den begehrten EUR 135.000,00 brutto nur EUR 67.500,00 brutto, nicht aber die den Zeitraum Juli 2017 bis September 2017 betreffende Hälfte der Kündigungsentschädigung zugesprochen worden, weil der Anspruch für die ersten drei Monate nach der fristwidrigen Kündigung bereits verfallen sei. Insoweit sei der Ersatzanspruch nämlich bereits mit Beendigung des Dienstverhältnisses am 30. Juni 2017 fällig geworden (§ 34 AngG, § 29 Abs 2 erster Satz AngG). Hinzu kämen die vom Kläger aufgrund des Unterliegens im Berufungsverfahren zu tragenden Kosten von EUR 2.147,00. Diesen Schaden habe der Beklagte dadurch verursacht, dass er im Rahmen seiner Vertretung schuldhaft der ihm obliegenden Pflicht zur Wahrung sämtlicher Interessen seines Mandanten nicht ausreichend nachgekommen sei. Ein Rechtsanwalt habe stets vor der Gefahr der Verjährung bzw. des Verfalls zu warnen. Er hätte bereits im Vorverfahren ein auf Leistung der fälligen Kündigungsentschädigung gerichtetes Eventualbegehren zu erheben oder aber spätestens bis 30. Dezember 2017 den Anspruch auf Kündigungsentschädigung gesondert einklagen müssen, um den Eintritt des Verfalls zu verhindern.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten sei keine Vereinbarung über eine Haftungsfreistellung bzw. Haftungsbeschränkung des Beklagten geschlossen worden. Ebensowenig sei zwischen dem Kläger und dem Beklagten vereinbart worden, dass den Kläger qualifizierte Mitwirkungs- und Prüfpflichten treffen würden. Eine Aufklärung des Klägers über die Folgen einer Haftungsfreistellung bzw. einer Haftungsbeschränkung sowie über die Folgen einer qualifizierten Mitwirkungs- und Prüfpflicht durch den Beklagten sei auch nicht erfolgt. Eine mündliche oder gar konkludent zustande gekommene Vereinbarung sei somit weder existent, noch entspreche eine solche den gesetzlichen Anforderungen und würde überdies nur in jenen Fällen schlagend werden, in denen der Schaden nicht so wie hier durch grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz verursacht worden sei.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte dagegen zusammengefasst ein, Dr. F* habe nur eine Vertretung des Klägers nach außen hin abgelehnt, sei aber sehr wohl intern für ihn tätig geworden und habe insbesondere sämtliche Schriftsätze für ihn formuliert. Zwischen dem Kläger, Dr. F* und dem Beklagten sei ausdrücklich vereinbart gewesen, dass der Beklagte den Kläger nur nach außen hin im Prozess vertreten und das Verfahren nach den Vorgaben von Dr. F* führen solle, der sämtliche Rechtsfragen abklären würde. Der Beklagte solle sich nicht um rechtliche Themen betreffend Kündigungsmöglichkeiten, Sonderkündigungsrechte oder die Möglichkeit von Klageansprüchen kümmern und daher auch keine Haftung übernehmen. Explizit sei auch mit dem Kläger vereinbart gewesen, dass der Beklagte die Schriftsätze von Dr. F* ungeprüft übernehme, zumal der Kläger keine Überprüfung seines Vertrauensanwalts gewünscht habe und auch die Kostenbelastung möglichst gering habe halten wollen. Dr. F* sollte die Klagsansprüche vorgeben und darüber entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkt sie geltend gemacht würden. Ausgehend davon sei es gar nicht die Aufgabe des Beklagten gewesen, die Wirksamkeit der dritten Kündigung zu prüfen und diesbezüglich gerichtliche Schritte einzuleiten. Im Übrigen habe er von dieser Kündigung nicht vor 4. Juli 2017 erfahren. Erst am 31. Jänner 2018 sei er vom Kläger beauftragt worden, die Kündigungsentschädigung durch Klage geltend zu machen. Davor sei er niemals auf eine rechtliche Beurteilung hinsichtlich dieser dritten Kündigung angesprochen worden. Vielmehr habe Dr. F* erklärt, mit dem Kläger abklären zu wollen, ob und gegebenenfalls welche Ansprüche im Zusammenhang mit dieser dritten Kündigung geltend gemacht werden sollen, und in Aussicht gestellt, diesbezüglich auf den Beklagten zuzukommen. Zu Aufklärungen sei er folglich im Rahmen des beauftragten Mandats nicht verpflichtet gewesen. Jedenfalls aber stünden einer Pflichtverletzung die Fehlleistungen von Dr. F* als primärem Ansprechpartner des Klägers, der mit diesem die Prozessstrategie gemeinsam erarbeitet habe, als anzurechnendes überwiegendes Mitverschulden gegenüber.

Eine Überwachung und Kontrolle der Tätigkeit von Dr. F* sei nicht Inhalt des Mandats und Auftragsverhältnisses der Streitteile gewesen. Es gehe daher nicht darum, eine Haftungsbegrenzung für eine zunächst übernommene Aufgabe zu vereinbaren. Selbst wenn das der Fall wäre, würde § 9 RL-BA 2015 lediglich eine berufsrechtliche Standespflicht normieren. Nach allgemeinem Zivilrecht könne auch eine mündliche Haftung wirksam vereinbart werden. Ein Haftungsausschluss für die eigene Tätigkeit des Beklagten in den Gerichtsverfahren sei vom Beklagten nicht behauptet worden. Damit liege kein genereller Haftungsausschluss vor. Im Übrigen sei das nunmehr jetzt dem Beklagten vorgeworfene Fehlverhalten nicht als grob fahrlässig anzusehen. Die Haftungsfreistellung des Beklagten sei im gegenständlichen Fall schon deshalb zulässig und nicht rechtswidrig, da der Kläger ohnehin Dr. F* als seinen langjährigen Vertrauensanwalt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber der Arbeitgerberin, dies auch während sämtlicher arbeitsrechtlicher Verfahren, in welchen der Beklagte für den Kläger nach außen hin aufgetreten sei, beauftragt habe. Der alleinige Haftungsansprechpartner sei Dr. F* gewesen.

Im ersten Rechtsgang gab das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten gegen das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts vom 30. Mai 2023, Cg*-22, mit Beschluss vom 9. Oktober 2023 zu 4 R 121/23a (ON 26) Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück, da bei einer Arbeitsteilung zwischen Rechtsanwälten, von denen einer im Hintergrund die Fäden ziehe und einer nach außen hin auftrete, auch letzterer zumindest kontrollierend eingreifen müsse, wenn die Gefahr eines Fristablaufs drohe. Das Erstgericht habe aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine rechtliche Nachkontrolle der Vorgaben des anderen Anwalts nach der Vereinbarung zwischen den Streitteilen von den vom Beklagten zu besorgenden Pflichten ausgenommen sein sollte. Damit sei der Urteilssachverhalt in einem entscheidungswesentlichen Punkt unklar geblieben, was zur Aufhebung des Ersturteils zwinge. Auch zur Frage, ob im Fall einer Arbeitsteilung zwischen den beiden Rechtsanwälten ausnahmsweise von qualifizierten Mitwirkungs- und Prüfpflichten des Mandanten selbst auszugehen sei, werde die Sachverhaltsgrundlage zu verbreitern sein. Der Oberste Gerichtshof wies den – aufgrund vom Berufungsgericht nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erklärter Zulassung – dagegen erhobenen Rekurs des Beklagten mit Beschluss vom 27. August 2024 zu 4 Ob 231/23h (ON 34) zurück und billigte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auch eine Vereinbarung, wonach der andere Rechtsanwalt die Prozessstrategie ausarbeitet und der beklagte Rechtsanwalt nur nach außen hin für den Kläger auftritt, den Beklagten nicht davon entbindet, diese Prozessstrategie und die damit verbundenen Vorgaben einer kritischen rechtlichen Nachprüfung zu unterziehen. Nur dann, wenn der andere Rechtsanwalt Pflichten oder Obliegenheiten verletzt hätte, die aufgrund vertraglicher Vereinbarung zwischen den Streitteilen den Kläger trafen oder von diesem nachträglich übernommen wurden, kommt eine Zurechnung der Sorgfaltswidrigkeit zum Kläger in Betracht. Sollte der Beklagte eine derartige Vereinbarung nicht nachweisen können, hätte es – ebenso wie im Fall des mangelnden Nachweises der Vereinbarung einer Haftungsbefreiung des Beklagten – bei der umfänglichen Haftung des Beklagten zu bleiben und wäre der Klage stattzugeben. Ein allfälliges Verschulden des anderen Anwalts wäre dann nur in einem Regressprozess von Bedeutung.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage auch im zweiten Rechtsgang zur Gänze statt. Es legte dazu seiner Entscheidung den eingangs angeführten Sachverhalt sowie die weiteren auf den US 1 und 8 bis 13 ersichtlichen Feststellungen zugrunde, auf die ansonsten verwiesen wird. Die in der Berufung bekämpfte Feststellung ist oben kursiv gehalten.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht – soweit für die Behandlung der Berufung von Relevanz – zum Ergebnis, dass es nach den Feststellungen weder eine Vereinbarung dahingehend, dass eine Kontrolle der Schriftsätze durch den Beklagten nicht vorzunehmen wäre, noch eine zwischen dem Kläger und dem Beklagten vereinbarte Haftungsbefreiung gegeben habe, weshalb der Beklagte aufgrund seiner Stellung als bevollmächtigter Rechtsanwalt in den arbeitsgerichtlichen Verfahren im vollen Umfang auch für den Inhalt der von ihm eingebrachten Schriftsätze hafte, selbst wenn der Inhalt etwa zu 100 % von einem anderen Rechtsanwalt vorbereitet und vom Beklagten bloß formell übernommen worden sei. Die Sorgfaltsmaßstäbe eines Rechtsanwalts seien hinsichtlich der Wahrung der Interessen des Mandanten auch auf den Beklagten zur Gänze anzuwenden. Die im Innenverhältnis vereinbarte Zusammenarbeit schränke die Verantwortlichkeit des Beklagten in Bezug auf eine sorgfältige ordnungsgemäße Vertretung des Klägers in gerichtlichen Verfahren nicht ein. Soweit nunmehr aufgrund eines anwaltlichen Fehlers eine Verjährung bzw. ein Verfall von Ansprüchen eingetreten sei, sei eine Abwälzung der Verantwortlichkeit für das Eintreten dieses negativen Erfolgs durch den Beklagten auf Dr. F* aufgrund der vereinbarten internen Zusammenarbeit nicht möglich. Der Beklagte hafte dem Kläger gegenüber in gleichem Umfang wie auch Dr. F* gegenüber dem Kläger. Die Darstellung des Beklagten, dass er im Vorverfahren ausschließlich die „Befehle“ des tatsächlich agierenden Anwalts Dr. F* übernommen und ausgeführt hätte, sei nicht geeignet, eine Verantwortlichkeit des Beklagten für den Eintritt der Verjährung hinsichtlich dieses Teils der Ansprüche des Klägers zu beseitigen. Bei der Geltendmachung von Ansprüchen eines Arbeitnehmers in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren sei die sorgfältige Beachtung allfälliger Verfallsfristen (hier §§ 29, 34 AngG) stets zu beachten und gehöre zu den durchschnittlichen Sorgfaltspflichten eines in Arbeitsrechtssachen tätigen Anwalts. Soweit sich der Beklagte damit rechtfertige, dass er nicht dargetan hätte, ein Spezialist für Arbeitsrechtssachen zu sein, hätte er die Übernahme der Vertretung des Klägers überlegen müssen. Das Eintreten des Verfalls eines Teils der Ansprüche des Klägers (Kündigungsentschädigung) sei daher einem Fehler des Rechtsvertreters des Klägers, also des Beklagten, zuzuordnen. Der Umstand, dass die dritte Kündigung letztendlich per 30. Juni 2017 tatsächlich wirksam werden könnte, hätte dem Beklagten am 4. Juli 2017, spätestens aber in der Verhandlung vom 11. Juli 2017 auffallen müssen. Der Beklagte hätte im Zeitraum bis zur Verhandlung vom 11. Juli 2017 entsprechend die Möglichkeit gehabt, darauf zu reagieren, etwa in Form der Erhebung eines Eventualbegehrens hinsichtlich dieser Beendigungsansprüche. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte hinsichtlich allfälliger Beendigungsansprüche des Klägers auch noch reagieren können und müssen, um den allfälligen Eintritt einer Verjährung (bzw. eines Verfalls) dieser Ansprüche vermeiden zu können. Das Nichttätigwerden des Beklagten diesbezüglich sei als vorwerfbarer Fehler zu beurteilen. Ebenfalls bestehe ein dem Beklagten zuzuordnender Fehler in der Vertretung des Klägers, mit der Geltendmachung der befristeten Ansprüche so lange zuzuwarten, bis ein entsprechender Auftrag vom Kläger komme. Der Beklagte hätte den Kläger diesbezüglich jedenfalls über den Anspruch und über die damit verbundene Befristung informieren müssen. Dies sei ein dem Beklagten zuzuordnender Vertretungsfehler. Ein Rechtsanwalt hafte auch für die Unkenntnis des Gesetzes sowie der Lehre und Rechtsprechung. Der Beklagte hafte daher für den dem Kläger dadurch entstandenen Schaden iHv insgesamt EUR 69.647,00.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Beklagte beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass die Klage zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Mit seiner Beweisrüge wendet sich der Beklagte gegen die vom Erstgericht getroffene, eingangs kursiv aufgezeigte Feststellung und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellung: „Zwischen dem Kläger und dem Beklagten wurde vereinbart, dass die Schriftsätze von Dr. F* durch den Beklagten nicht zu kontrollieren sind. Ebenso wurde zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Haftungsbefreiung (des Beklagten) für sämtliche von Dr. F* auszuführenden Arbeiten vereinbart“ . Diese ergebe sich aus den stringenten Angaben des Beklagten zur Nichtkontrolle Dr. F* sowie zur Haftungsfreistellung, weshalb das Erstgericht zwingend dem Beklagten Glauben zu schenken gehabt hätte, da die – soweit vorhanden – gegenteiligen und lückenhaften Ausführungen des Klägers unglaubwürdig seien.

Gemäß § 272 ZPO ist der Richter bei der Bildung der Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige Wahrscheinlichkeit vorliegt, frei, also an keine gesetzlichen Beweisregeln gebunden. Gerade dem persönlichen Eindruck kommt bei einer Tatsachenfeststellung, die in erster Linie anhand der Aussagen der beteiligten Personen zu gewinnen ist, Bedeutung zu. Zum Wesen der freien Beweiswürdigung gehört auch, dass sich das Gericht für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund seiner Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (RIS-Justiz RS0043175). Die Beweiswürdigung kann erst dann erfolgreich angefochten werden, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an den vom Erstgericht vorgenommenen Schlussfolgerungen rechtfertigen könnten. Bloß der Umstand, dass die Beweisergebnisse möglicherweise auch andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ermöglicht hätten, kann nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Beweiswürdigung und der darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen führen (RS0043175; Rechberger in Fasching/Konecny³ § 272 ZPO Rz 4 f, 11). Die Beweisrüge kann nur dann erfolgreich sein, wenn (praktisch zwingende) Gründe dargelegt werden, warum anderen Beweisergebnissen eher Glauben zu schenken gewesen wäre, sodass beim Berufungsgericht Bedenken gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung erweckt werden ( Pimmer in Fasching/Konecny ³ § 467 ZPO Rz 40/2).

Aus § 272 Abs 3 ZPO ergibt sich, dass das Gericht in knapper, überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darlegen muss, warum es aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen feststellt, damit sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit seines Werturteils überprüfen können (RIS-Justiz RS0040122 [T1]). Eine Beweiswürdigung ist zwar nicht schon dann unzureichend und damit mangelhaft, wenn in der Begründung Umstände nicht erwähnt werden, die hätten erwähnt werden können, eine Erwägung nicht angestellt wurde, die hätte angestellt werden können oder der Richter sich mit einzelnen Beweisergebnissen nicht auseinandersetzt und auf diese nicht Bezug nimmt (RS0040165, RS0040180). Die Beweiswürdigung hat nämlich nach dem Gesetzesauftrag in gedrängter Darstellung zu erfolgen (§ 417 Abs 2 ZPO), sodass sich der Richter nicht mit allen Details der Verfahrensergebnisse auseinandersetzen muss. Die Beweiswürdigung ist aber dann nicht mangelfrei, wenn sich das Erstgericht nicht mit allen wesentlichen Beweisergebnissen auseinandersetzt, dazu nachvollziehbare Überlegungen anstellt und diese in seinem Urteil festhält ( Delle-Karth , Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Berufungssystem des österreichischen Zivilprozeßrechtes, ÖJZ 1993, 10 [18 f]); dies gilt insbesondere in Bezug auf einander widersprechenden Beweisergebnisse (vgl. 1 Ob 192/07b, 2 Ob 92/15s ua).

Im vorliegenden Fall stützte das Erstgericht seine getroffene Feststellung auf die Aussage des Klägers, wobei sich das Erstgericht ausführlich mit den dieser diametral entgegen stehenden Angaben des Beklagten detailliert auseinandersetzte (US 13 f). Ausgehend davon kommt der Beweisrüge in diesem Punkt keine Berechtigung zu. Mit den vom Beklagten ins Treffen geführten Argumenten vermag dieser die auf die Unglaubwürdigkeit der Ausführungen des Beklagten gestützte und damit ausreichend begründete Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht wesentlich in Zweifel zu ziehen, zumal der vom Erstgericht gezogene Schluss zulässig ist, dass der Beklagte im zweiten Rechtsgang darum bemüht war, sämtliche für ihn im Prozess vorteilhaften Umstände als vereinbart darstellen zu wollen. Das Erstgericht ist darin frei, die Angaben des Beklagten auf seine Glaubwürdigkeit hin zu interpretieren. Dass dies nicht im Sinne des Beklagten erfolgt ist, macht die Beweiswürdigung des Erstgerichts allein aber noch nicht unrichtig. Die vom Beklagten monierte Nichterwähnung der Urkunde Blg. ./18 ist schon angesichts deren Datierung mit 17. Mai 2021 und somit lange nach dem hier zu beurteilenden Fehlverhalten des Beklagten nicht weiter von Bedeutung. Der Wortlaut des Transkripts deutet auch keinesfalls auf eine vom Kläger eingeräumte nachträgliche Haftungsbeschränkung, geschweige denn eine -befreiung zu Gunsten des Beklagten hin. Dass der Kläger als juristischer Laie keine exakten Erinnerungen mehr an die bereits Jahre zurückliegenden konkreten Umstände und Gespräche hatte, ist überaus lebensnah. Die (implizite) Annahme des Erstgerichts, dass das diesbezügliche Eingestehen des Klägers dieses Umstandes seine Angaben umso glaubwürdiger macht, ist zudem nicht zu beanstanden. Die Ausführungen des Beklagten zum wechselseitigen Vorbringen verhelfen diesem ebenso wenig zum Erfolg, kann das Erstatten bzw. Nichterstatten von Vorbringen doch unterschiedlichste Gründe haben, wie nicht zuletzt der hier zu beurteilende Vorprozess eindrucksvoll aufzeigt. Die weitere Argumentation des Beklagten betreffend die lebensnahe Abstimmung zweier befreundeter Anwälte geht an der hier prozessrelevanten Frage vorbei, ob der Kläger (und nicht Dr. F* intern) dem Beklagten eine Haftungsbeschränkung bzw. -befreiung erteilte; für den Beklagten ist damit daher nichts zu gewinnen. Einen Widerspruch in der Beweiswürdigung des Erstgerichts zeigt der Beklagte somit nicht auf. Stichhaltige Gründe, warum die Annahmen des Erstgerichts zwingend unrichtig sein müssen, legt er ebenso wenig dar.

Ausreichende Gründe, dass das Erstgericht daher insgesamt zwingend zu einem anderen Schluss hätte kommen müssen, bringt der Beklagte somit nicht zur Darstellung. Das Berufungsgericht hegt auch keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen aufgrund der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, es übernimmt daher die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts und legt sie seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde (§ 498 Abs 1 ZPO).

2. Soweit der Beklagte in seiner Rechtsrüge wie bereits im ersten Rechtsgang erneut darauf zurückkommt, dass unter Berücksichtigung der vom Kläger gebilligten Arbeitsteilung eine über den Auftrag hinausgehende Prüf- und Warnpflicht einer unzulässigen Überspannung seiner aus dem konkreten Mandatsverhältnis entspringenden Pflichten gleichkomme, ist er diesbezüglich auf die diese Frage bereits abschließend klärenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu 4 R 121/23a sowie des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 231/23h im ersten Rechtsgang zu verweisen. Weitere Ausführungen hiezu erübrigen sich daher.

Da auch der Rechtsrüge des Beklagten keine Berechtigung zukommt, bleibt der Berufung somit insgesamt ein Erfolg versagt.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50 iVm 41 ZPO.

Die ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil die Frage, ob die auf die Beweisrüge bezügliche Begründung des Berufungsgerichts richtig oder fehlerhaft ist, in den Bereich der irrevisiblen Beweiswürdigung fällt (RIS-Justiz RS0043371 [T12]) und die dem nunmehr angefochtenen Urteil des Erstgerichts zugrundeliegende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts des ersten Rechtsgangs vom Obersten Gerichtshof bereits gebilligt wurde (4 Ob 231/23h).

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