11Rs23/25v – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Adalbert Spitzl (Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Dragoljub Velebit (Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **, vertreten durch Dr. Hans Peter Bauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , Landesstelle B*, **, **, vertreten durch ihre Angestellte Mag. a C*, wegen Entziehung des Rehabilitationsgeldes, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Jänner 2025, Cgs1* 23, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Mit Bescheid vom 28.2.2024 hat die Beklagte das dem Kläger mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.11.2021 zu Cgs2*/v seit 1.10.2020 zuerkannte Rehabilitationsgeld (aus der Krankenversicherung) per 30.4.2024 mit der Begründung entzogen, dass aufgrund kalkülsrelevanter Besserung des Gesundheitszustandes vorübergehende Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliege, und ausgesprochen, dass medizinische Maßnahmen der Rehabilitation nicht mehr zweckmäßig seien und kein Anspruch auf berufliche Maßnahmen der Rehabilitation bestehe.
Der Kläger begehrte mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab 1.5.2024 im gesetzlichen Ausmaß und mit dem ersten Eventualbegehren die Weitergewährung des Rehabilitationsgeldes über den 30.4.2024 hinaus. Er sei aufgrund seines Gesundheitszustandes weiterhin nicht in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Speditionskaufmann sowie handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer in einem Transportunternehmen auszuüben.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Gesundheitszustand habe sich durch medizinische Maßnahmen der Rehabilitation wesentlich verbessert bzw stabilisiert, weshalb der Kläger wieder die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bzw eine innerhalb des Verweisungsfeldes liegende Berufstätigkeit ausüben könne. Hilfsweise wird die Entziehung auf eine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht gestützt. Der Kläger sei mit Schreiben der Beklagten vom 22.11.2021 unter anderem aufgefordert worden, die mit dem Gutachten des Sachverständigen für innere Medizin Dr. D* vom 12.4.2021 empfohlenen Behandlungsmaßnahmen (Gewichtsabnahme mit einer zumindest 70%-igen Besserungswahrscheinlichkeit binnen sechs Monaten) unverzüglich in Anspruch zu nehmen. Statt dessen habe sich sein Körpergewicht sogar von 110 kg auf 130 kg erhöht. Hätte der Kläger der Therapieaufforderung entsprochen, dann hätte sich sein internistisches Leistungskalkül bis spätestens März 2024 so wesentlich gebessert, dass nennenswerte internistische Leistungseinschränkungen nicht mehr vorlägen.
Mit dem angefochtenen Urteil , in das die (in Rechtskraft erwachsene) Zurückweisung des Hauptbegehrens aufgenommen wurde, stellte das Erstgericht den Anspruch des Klägers auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation samt Rehabilitationsgeld durch den Krankenversicherungsträger über den 30.4.2024 hinaus fest und wies (rechtskräftig) das darauf gerichtete Zahlungsbegehren ab. Es legte den auf den Seiten 3 bis 6 ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Diese Feststellungen sind auszugsweise wie folgt wiederzugeben:
Mit Schreiben der Beklagten vom 22.11.2021, welches dem Kläger per Rsa zugestellt worden war, wurde dieser [unter anderem] ausdrücklich aufgefordert, die mit dem Gutachten des Sachverständigen für innere Medizin Dr. D* vom 12.4.2021 empfohlenen Behandlungsmaßnahmen „Gewichtsabnahme“ unverzüglich in Anspruch zu nehmen.
Seit April 2024 besteht beim Kläger nachfolgendes Leistungskalkül:
Arbeiten sind dem Kläger möglich bis zu einem zeitweise überdurchschnittlichen Zeitdruck (fallweise forciertes Arbeitstempo). Akkordarbeiten, Nachtschichtarbeiten sowie Früh- und Spätschichtdienste sind nicht möglich. Sonstige Einschränkungen hinsichtlich der psychischen Anforderungen bestehen nicht.
Zumutbar ist eine 30-Stunden-Woche, aufgeteilt auf 5 Arbeitstage zu je 6 Stunden. Zusätzliche Arbeitspausen sind nicht erforderlich.
Ein öffentliches Verkehrsmittel kann benutzt werden. Es gibt keine Einschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges. Eine Wohnsitzverlegung und ein Wochenpendeln sind zumutbar.
Leidensbedingte wiederkehrende Krankenstände sind aus neurologisch-psychiatrischer Sicht im Ausmaß von 1 bis 2 Wochen im Jahr zu erwarten. Aus internistischer Sicht sind Krankenstände im Ausmaß von 3 Wochen pro Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Leidensbedingte wiederkehrende Krankenstände sind insgesamt im Ausmaß von 4 bis 5 Wochen im Jahr bei kalkülsadäquater Teilzeitbelastung zu erwarten.
Zum Zuerkennungsbefund Dr. D* (12.4.2021) ist insofern aus internistischer Sicht eine Besserung eingetreten, als die Trage- und Hebebelastbarkeit sich gebessert hat. Die koronare Herzkrankheit hat sich stabilisiert, es ist zu keinen weiteren Ereignissen gekommen. Die Herzfunktion ist erhalten, die medikamentöse Therapie angepasst. Verschlechtert hat sich das Körpergewicht mit einer signifikanten Zunahme. Neu diagnostiziert ist ein Schlafapnoe-Syndrom mit verordneter Maskenbeatmung. Die kardiale Situation hat sich bei rezidivfreiem Verlauf (seit 2021) ab ca 2022 gebessert.
Der im Gutachten Dr. D* empfohlenen Gewichtsabnahme wurde vom Kläger nicht entsprochen. Der BMI des Klägers zum Untersuchungszeitpunkt des Zuerkennungsbefundes (12.4.2021) betrug 35 kg/m² und per 26.6.2024 41,8 kg/m², was einer Gewichtszunahme von 27 kg entspricht. Bei Gewichtsabnahme wäre eine weitere Reduktion der Krankenstandsprognose zu erwarten gewesen.
Aus internistischer Sicht ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Verbesserung des Leistungskalküls und/oder eine Reduzierung der Krankenstandprognose des Klägers zu erwarten. Adäquate Behandlungen zur Besserung des Leistungskalküls sind: Interdisziplinäres Adipositas-Management (Adipo-Med-Programm, E*, I. Medizin, Ernährungsberatung GKK, Optima Med, etc), balancierte Diäten und Reduktion der Energiezufuhr um 1.000 kcal/Tag, physische Aktivitäten (mindestens 150 min/Woche) mit mäßig aeroben Training kombiniert mit 1 bis 3 Sitzungen pro Woche mit Krafttraining, kognitive Verhaltenstherapie, Fortsetzung bzw Anpassung der antiobesiogenen Medikation, in eventu bariatrisch bzw metabolisch chirurgische Maßnahmen. Aus internistischer Sicht sind eine Steigerung der Hebe- und Tragebelastbarkeit, eine Möglichkeit von Arbeiten mit gefährdenden Maschinen sowie eine Reduzierung der Krankenstandprognose zu erwarten. Die Behandlungsmaßnahmen sind zweckmäßig und zumutbar. In 6 bis 8 Monaten ist mit einer kalkülsrelevanten Besserung zu rechnen.
Im Vergleich zum Zuerkennungsbefund Dr. F* vom 19.6.2021 zeigt sich aus neuropsychiatrischer Sicht eine Besserung des Gesundheitszustandes. Psychotherapeutische Maßnahmen wurden in Anspruch genommen, der Kläger ist auch in fachärztlicher Betreuung, eine medikamentöse Therapie wird eingenommen. Die psychische Belastbarkeit hat sich gebessert, auch eine Ausweitung der Arbeitszeit ist mittlerweile möglich.
Von einer weiteren wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes ist aus neurologisch-psychiatrischer Sicht nicht auszugehen.
Im maßgebenden Beobachtungszeitraum vor dem Stichtag 1.10.2020 ist der Kläger 173 Monate ab 1.10.2005 über den 30.9.2020 hinaus als handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer eines Kleintransportunternehmens (G* GmbH, **) tätig gewesen.
In der bisherigen Tätigkeit des Klägers ist unter anderem zwischen einem und zwei Drittel der täglichen Arbeitszeit ein forciertes Arbeitstempo zu erbringen. Mögliche Verweisungstätigkeiten (wie etwa Tätigkeit eines operativen Leiters einer Transportfirma, eventuell auch Lagerleiter, eventuell auch Vertriebsleiter oder Fuhrparkleiter) ergeben sich für den Kläger aus berufskundlicher Sicht unter der Bedingung, dass ihm ein 8-stündiger Arbeitstag möglich wäre.
In der rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht eine rechtlich relevante Besserung des Zustands des Klägers im Sinn des § 99 Abs 1 ASVG. Während die bisherige Tätigkeit dem Kläger größeren Zeitdruck abverlange, sei dieser nach wie vor bereits aufgrund der Einschränkung seiner täglichen Arbeitszeit nicht auf andere in Betracht kommende Verweisungstätigkeiten verweisbar. Der Kläger sei daher weiterhin berufsunfähig. Allfällige Therapieversäumnisse hätten nicht zu einer (rechtlich) relevanten Änderung der Verhältnisse geführt und sich damit nicht auf die Frage der Berufsunfähigkeit ausgewirkt, weshalb die Entziehung des Rehabilitationsgeldes nicht auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht gestützt werden könne. Im Übrigen sei fraglich, ob mit der Aufforderung zur „Gewichtsabnahme“ die dem Kläger abverlangte ärztliche Behandlungsmaßnahme ausreichend konkretisiert bezeichnet sei.
Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf vollinhaltliche Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
A. Zur Entziehung infolge Zustandsverbesserung:
1.1 Die Entziehung des Rehabilitationsgeldes als laufende Geldleistung aus der Krankenversicherung (§ 143a ASVG) ist nach § 99 Abs 1 ASVG zu beurteilen. Sind nach dieser Bestimmung die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine laufende Leistung nicht mehr vorhanden, so ist die Leistung zu entziehen, sofern nicht der Anspruch gemäß § 100 Abs 1 ASVG ohne weiteres Verfahren erlischt. Ein Fall des § 100 Abs 1 ASVG ist hier nicht zu beurteilen.
1.2 Die Entziehung einer laufenden Leistung wie des Rehabilitationsgeldes ist nach § 99 Abs 1 ASVG nur zulässig, wenn eine wesentliche, entscheidende Änderung der Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt der ursprünglichen Zuerkennung eingetreten ist; ansonsten steht die materielle Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Entziehung entgegen (RS0106704). Der für den Vergleich maßgebliche Zeitpunkt der ursprünglichen Leistungszuerkennung ist die Erlassung des Gewährungsbescheids, bei einer gerichtlichen Entscheidung der Schluss der mündlichen Verhandlung oder der Zeitpunkt des Abschlusses eines Vergleichs über die Leistungsgewährung in einem gerichtlichen Verfahren (RS0083876 [T5], RS0083884 [T21]). Es ist der Zustand in diesem Zeitpunkt dem Zustand im Zeitpunkt der Entziehung gegenüberzustellen (RS0083876).
1.3 Die Änderung kann im Fall einer Leistung aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit etwa in der Besserung des körperlichen oder geistigen Zustands des Versicherten oder in der Wiederherstellung oder Besserung seiner Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an die Leiden bestehen (vgl RS0083884). Ist der Leistungsbezieher durch diese Änderung auf dem Arbeitsmarkt wieder einsetzbar, ist die Entziehung der Leistung sachlich gerechtfertigt (vgl RS0083884 [T5]).
2.1 Das Rehabilitationsgeld ist durch Bescheid (des Pensionsversicherungsträgers, § 143a Abs 1 ASVG) unter anderem dann zu entziehen, wenn wie die Beklagte hier im Verfahren unter anderem geltend macht vorübergehende Berufsunfähigkeit von voraussichtlich mindestens sechs Monaten (§ 273b ASVG) nicht mehr vorliegt (§ 99 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 lit b sublit aa ASVG).
2.2 Im Verfahren ist unstrittig, dass der Kläger aufgrund seiner zuletzt ausgeübten langjährigen Tätigkeit gemäß § 273 Abs 1 ASVG Berufsschutz als Speditionskaufmann in der Funktion eines handels- und gewerberechtlichen Geschäftsführers eines Kleintransportunternehmens genießt.
2.3 Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit kann der Kläger in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zweifellos nicht ausüben. Er ist ab dem Entziehungszeitpunkt nämlich nur in der Lage, Arbeiten bis zu einem zeitweise überdurchschnittlichen Zeitdruck (fallweise forciertes Arbeitstempo) zu verrichten, während in der bisherigen Tätigkeit unter anderem zwischen einem und zwei Drittel der täglichen Arbeitszeit ein forciertes Arbeitstempo zu erbringen ist; dies überschreitet sein Leistungskalkül. Gegenteiliges wird auch von der Berufung nicht behauptet.
2.4 Mögliche Verweisungsberufe ergeben sich nach den erstgerichtlichen Feststellungen hingegen bloß unter der Bedingung, dass dem Kläger ein 8-stündiger Arbeitstag möglich ist. Damit ist ganz offensichtlich das Fehlen eines ausreichenden Teilzeit-Arbeitsmarkts von 100 Arbeitsplätzen österreichweit (RS0084568 [T4]) bzw 30 Arbeitsplätzen regional (10 ObS 51/08k; RS0084415 [T9]) angesprochen; davon geht auch die Berufung aus. Unter Zugrundelegung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts ist der Kläger daher weiterhin berufsunfähig im Sinn des § 273 Abs 1 ASVG, sodass der Entziehungsgrund des § 99 Abs 1 ASVG nicht vorliegt.
3. Die Berufung releviert in ihrer Mängel-, Beweis- und Rechtsrüge zusammengefasst, dass das Erstgericht (von Amts wegen) ein berufskundliches Gutachten zum Teilzeitarbeitsmarkt möglicher Verweisungsberufe im Entziehungszeitpunkt einholen hätte müssen und insofern nicht die berufskundlichen Ausführungen im Vorverfahren heranziehen hätte dürfen.
Dazu ist auszuführen:
3.1 Das Gericht hat nach § 87 Abs 1 ASGG die Pflicht, selbst alle Tatsachen von Amts wegen zu erwägen und zu erheben, die für die begehrte Entscheidung erforderlich sind, und die zum Beweis dieser Tatsachen notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen (RS0042477 [T1]), sofern sich im Verfahren entsprechende Anhaltspunkte für einen Sachverhalt ergeben, der für die Entscheidung von Bedeutung sein kann (RS0042477 [T6]).
3.2 Das Erstgericht hat in der Verhandlung vom 17.1.2025 die berufskundlichen Ausführungen im Vorverfahren (Cgs2* des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht) verlesen und dabei hervorgehoben, dass sich in der Zusammenschau des schriftlichen Gutachtens mit der protokollierten Gutachtenserörterung das Erfordernis einer Möglichkeit einer 8-stündigen Tätigkeit ergebe und dies nach wie vor gegeben sei, sodass aus Sicht des Gerichts Verweisungstätigkeiten nach wie vor nicht gegeben seien (ON 21.2/S 2). Demnach musste die Beklagte damit rechnen, dass das Erstgericht die berufskundlichen Ausführungen im Vorverfahren zur Verweisbarkeit des Klägers (in concreto: zum Arbeitsmarkt) seiner Entscheidung auch zum Entziehungszeitpunkt zugrunde legen wird, weil es insofern ganz offensichtlich von einer unveränderten Situation seit der mündlichen Erörterung des berufskundlichen Gutachtens am 18.10.2021 ausging. Dagegen sprechende Argumente wurden von der Beklagten, die vom Erstgericht zuvor auf ihre Behauptungs- und Beweislast für eine rechtlich relevante Besserung hingewiesen worden war (ON 21.2/S 2) und sich im Schriftsatz vom 20.12.2024 (ON 20) gegen die vom Kläger beantragte Einholung eines berufskundlichen Gutachtens ausdrücklich ausgesprochen hatte, in weiterer Folge nicht vorgebracht und sind aufgrund des Zeitraums von etwa 2 ½ Jahren zwischen der mündlichen Gutachtenserörterung und dem Entziehungszeitpunkt auch nicht indiziert. Bezeichnender Weise verweist die Berufung selbst darauf, dass es aufgrund des derzeit herrschenden Fachkräftemangels [bloß] „nicht auszuschließen“ sei, dass Unternehmen in Führungspositionen nicht nur Vollzeitarbeitskräfte beschäftigen. Vor diesem Hintergrund bedurfte es nicht der amtswegigen Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens zum Teilzeitarbeitsmarkt möglicher Verweisungsberufe im Entziehungszeitpunkt und liegt daher der darin von der Berufung erblickte Verfahrensmangel nicht vor.
4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Entziehung des Rehabilitationsgeldes auf eine Zustandsverbesserung nicht gestützt werden kann.
B. Zur Entziehung infolge Verletzung der Mitwirkungspflicht:
Die Berufung meint, dass der Kläger seine Mitwirkungspflicht zur Besserung des Gesundheitszustands schuldhaft verletzt habe und strebt in diesem Zusammenhang im Rahmen der Beweisrüge eine (richtig) ergänzende Feststellung zum Inhalt des Aufforderungsschreibens vom 22.11.2021 an.
Dazu ist auszuführen:
1.1 Nach § 99 Abs 1a ASVG ist das Rehabilitationsgeld der anspruchsberechtigten Person zu entziehen, wenn sie sich nach Hinweis auf diese Rechtsfolge weigert, an den ihr zumutbaren medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken. Die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht des Versicherten ist vom beklagten Sozialversicherungsträger zu behaupten und zu beweisen (10 ObS 93/10i mwN; RS0084370 [T4]).
1.2 Das Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 22.11.2021, deren Inhalt unstrittig ist und daher jederzeit durch die jeweilige Rechtsmittelinstanz der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann (vgl RS0121557 [T3]), lautet auszugsweise:
„[…]
Wir machen Sie ausdrücklich auf Ihre Mitwirkungspflicht zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit aufmerksam. Sollten Sie die empfohlenen Behandlungsmaßnahmen nicht ordnungsgemäß in Anspruch nehmen, hat dies eine schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht zur Folge. Eine nicht ordnungsgemäße Durchführung bzw. Verweigerung der empfohlenen zumutbaren Krankenbehandlung würde die Rechtsfolge nach sich ziehen, dass ab dem Zeitpunkt, zu dem bei entsprechender Mitwirkung nach dem üblichen Gang der Dinge die Voraussetzungen für den Bezug von Rehabilitationsgeld nicht mehr vorgelegen wären, die Leistung dauerhaft entzogen werden kann und ein allfälliger Antrag auf Gewährung einer Leistung aus der Pensionsversicherung sowie ein neuerlicher Antrag auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (Rehabilitationsgeld) von vornherein abgelehnt wird.
[...]“
1.3 Wie diesem Inhalt des Schreibens zu entnehmen ist, wurde der Kläger nicht darüber belehrt, dass schon die Weigerung, an einer ihm zumutbaren Maßnahme der medizinischen Rehabilitation mitzuwirken, für sich allein zur Entziehung des Rehabilitationsgeldes führen kann. Vielmehr wurde zusätzlich darauf abgestellt, dass (erst) ab dem Zeitpunkt, zu dem bei entsprechender Mitwirkung nach dem üblichen Gang der Dinge die Voraussetzungen für den Bezug von Rehabilitationsgeld nicht mehr vorgelegen wären, die Leistung dauerhaft entzogen werden kann. Damit kommt eine auf § 99 Abs 1a ASVG gestützte Entziehung des Rehabilitationsgeldes schon mangels entsprechender Belehrung nicht in Betracht.
1.4 Dazu kommt, dass die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren in Bezug auf den internistischen Bereich nur die Aufforderung zu einer von ihr nicht näher spezifizierten Behandlungsmaßnahme in Form von „Gewichtsabnahme“, nicht aber die von der Berufung relevierte „Beibehaltung der laufenden Therapie“ vorgebracht hat. Damit bedurfte es aber zur Frage der „Beibehaltung der laufenden Therapie“ mangels eines entsprechenden Vorbringens keiner Befassung durch das Erstgericht, insbesondere auch keiner darauf bezugnehmenden Feststellungen.
1.5 Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass mit dem bekämpften Bescheid das Rehabilitationsgeld infolge Zustandsverbesserung entzogen wurde. Damit ist fraglich, ob im gerichtlichen Verfahren überhaupt eine allein auf die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht abstellende Entziehung des Rehabilitationsgeldes geprüft werden darf. Bezeichnender Weise stützte die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren die Entziehung auf eine ohne die Mitwirkungspflichtverletzung eingetretene Verbesserung des internistischen Leistungskalküls im Entziehungszeitpunkt und damit (erkennbar) nicht auf § 99 Abs 1a ASVG.
2.1 Nach ständiger Rechtsprechung führt eine schuldhafte, also zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Mitwirkungspflicht eines Versicherten, sich einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen, durch die seine herabgesunkene Arbeitsfähigkeit soweit gebessert werden könnte, dass Invalidität oder Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegt, dazu, dass ein Anspruch auf eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ab dem Zeitpunkt nicht besteht, zu dem die Heilbehandlung, wäre sie durchgeführt worden, zu einer Besserung des Zustandes geführt hätte (10 ObS 88/07z, 10 ObS 188/04a, 10 ObS 213/00x mwN; vgl auch RS0084370).
2.2 Das Erstgericht hat erkennbar zu diesem Entziehungstatbestand ausgeführt, dass allfällige Therapieversäumnisse des Klägers nicht zu einer (rechtlich) relevanten Änderung der Verhältnisse geführt und sich damit nicht auf die Frage der Berufsunfähigkeit ausgewirkt hätten, ohne dass die Berufung diese Rechtsansicht bekämpft. Damit ist darauf vom Berufungsgericht nicht einzugehen (RS0043573 [insb T33, T43]).
3. Demnach kann die Entziehung des Rehabilitationsgeldes auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers gestützt werden.
C. Zusammenfassung, Kosten und Zulässigkeitsausspruch:
1. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.
3. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens auch in Sozialrechtssachen nicht an das Höchstgericht herangetragen werden kann (RS0043061) und sich das Berufungsgericht im Übrigen an der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofs orientiert und diese auf den Einzelfall angewendet hat.