JudikaturOLG Linz

6R39/25k – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
26. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Dr. Karin Gusenleitner-Helm und Mag. Hermann Holzweber in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH , FN **, **straße **, **, vertreten durch Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Beklagte B* AG , FN **, **-Platz **, **, vertreten durch Mag. Alexandra Knapp, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen EUR 31.870,00 s.A., über die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Jänner 2025, Cg*-13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat der Beklagten binnen 14 Tagen EUR 2.744,82 (darin EUR 457,47 USt) an Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin schloss bei der Beklagten für einen PKW, den sie von der Eigentümerin C* GmbH geleast hatte, eine Vollkaskoversicherung ab. Bei Vertragsabschluss war ein Fahrzeugwert von EUR 202.100,00 brutto berücksichtigt. Die Vollkaskoversicherung wurde mit Beginn 15. Juni 2022 abgeschlossen.

Am 9. Oktober 2023 kam es zu einem Vollbrand dieses Fahrzeuges, wodurch ein Totalschaden eintrat. Die Beklagte ermittelte den Wiederbeschaffungswert (letztlich) mit EUR 108.380,00 netto. Ausgehend davon rechnete die Beklagte unter Berücksichtigung des Restwerts von EUR 668,00 sowie des vereinbarten Selbstbehaltes von EUR 2.000,00 einen Abrechnungsbetrag von EUR 105.712,00 netto. Dies teilte die Beklagte der Leasinggeberin mit und brachte entsprechend deren Aufforderung am 22. Dezember 2023 den Abrechnungsbetrag an die Leasinggeberin zur Anweisung.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von EUR 31.870,00 im Wesentlichen mit der Begründung, die Beklagte sei von einem zu geringen Wiederbeschaffungswert des Klagsfahrzeuges ausgegangen. Es habe zudem ein Bruttoersatz zu erfolgen. Zum Zeitpunkt der Eindeckung des Klagsfahrzeuges habe zwischen den Streitteilen ein Rahmenvertrag vom 24. August 2021 bestanden. Danach gelte als vereinbart, dass für den Fall, dass die Versicherungsnehmerin vorsteuerabzugsberechtigt sei, die Mehrwertsteuer nicht zu ersetzen sei. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die nicht vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin die Umsatzsteuer aus dem Schaden geltend machen könne.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete – soweit für das Berufungsverfahren noch relevant – ein, der Wiederbeschaffungswert habe nur EUR 108.380,00 netto betragen. Die Klägerin betreibe das Gewerbe Fahrzeughandel und sei vorsteuerabzugsberechtigt. Selbst wenn sie dies nicht wäre, gebühre ihr kein Ersatz der Umsatzsteuer, da es allein auf die Verhältnisse der Leasinggeberin ankomme. Der Leasinggegenstand sei von der Leasinggeberin netto angeschafft und auch netto befriedigt worden. Die Klägerin wäre um die Umsatzsteuer bereichert.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 6.353,33 s.A. und wies das Mehrbegehren von EUR 25.516,67 s.A. ab.

Es stellte auf den Urteilsseiten 3 und 4 über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt zusammengefasst noch folgendes fest:

Die Klägerin ist zum Vorsteuerabzug berechtigt und betreibt das Gewerbe Fahrzeughandel. Das Klagsfahrzeug war auf die Klägerin zugelassen und wurde vom Geschäftsführer der Klägerin genutzt.

Gemäß Artikel 5 Pkt. 1.2 der dem Versicherungsverhältnis zu Grunde gelegten Klausel „1024A – ALLGEMEINE BEDINGUNGEN VOLLKASKO“ hat der Versicherer im Fall eines Totalschadens – unter Abzug einer vereinbarten Selbstbeteiligung – jenen Betrag zu leisten, den der Versicherungsnehmer für ein Fahrzeug gleicher Art und Güte im gleichen Abnützungszustand zur Zeit des Versicherungsfalles hätte aufwenden müssen.

Die Klägerin hatte mit der Beklagten am 24. August 2021 eine Rahmenvereinbarung betreffend die auf die Klägerin zu diesem Zeitpunkt zugelassenen Kraftfahrzeuge abgeschlossen („ Flottenversicherungsvertrag “). Gemäß der diesem Versicherungsverhältnis zu Grunde gelegten Klausel „1206 – KEIN MEHRWERTSTEUERERSATZ“ erfolgt bei Fahrzeugen, für die der Versicherungsnehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, im Versicherungsfall keine Vergütung der Mehrwertsteuer.

Es kann nicht festgestellt werden, ob das Klagsfahrzeug in diese Rahmenvereinbarung einbezogen wurde.

Die Leasinggeberin ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der zwischen der Leasinggeberin und der Klägerin abgeschlossene Leasingvertrag betreffend das Klagsfahrzeug wurde aufgrund des Totalschadens Ende 2023 oder Anfang 2024 beendet und abgerechnet.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die Aktivlegitimation der Klägerin und kam unter Berücksichtigung des festgestellten Wiederbeschaffungswertes von EUR 114.733,33 netto abzüglich des vereinbarten Selbstbehaltes und des Restwertes sowie der bereits geleisteten Zahlung zu einem von der Beklagten noch zu ersetzenden Betrag von EUR 6.353,33. Einen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Umsatzsteuer verneinte das Erstgericht dagegen. Die Versicherung des Sacherhaltungsinteresses des Leasinggebers habe zur Folge, dass sich die Berechnung der Entschädigung im Regelfall nach den Verhältnissen des Leasinggebers richte. Bei einem Totalschaden sei deshalb auf die Verhältnisse des Leasinggebers abzustellen, weil der Leasingvertrag damit üblicherweise – wie auch hier – beendet werde und damit das Interesse des Versicherungsnehmers an der Leasingsache erlösche. Ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer für die Anschaffung einer neuen und nicht versicherten Sache durch den (früheren) Leasingnehmer ergebe sich aus der Versicherung seines Sachersatzinteresses am Leasinggegenstand aber nicht.

Gegen den klagsabweisenden Teil dieses Urteils richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf gänzliche Klagsstattgabe.

Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer Beweisrüge wendet sich die Klägerin zunächst gegen die erstgerichtliche Feststellung, wonach nicht festgestellt werden kann, ob das Klagsfahrzeug in die Rahmenvereinbarung vom 24. August 2021 einbezogen wurde. Die Klägerin begehrt stattdessen erkennbar eine positive Feststellung sowie eine ohnedies getroffene Feststellung zum Inhalt der Klausel „1206 – KEIN MEHRWERTSTEUERERSATZ“.

Der Klägerin gelingt es allerdings nicht den beweiswürdigenden Überlegungen des Erstgerichtes zur bekämpften Negativfeststellung Stichhältiges entgegenzusetzen. Bereits das Erstgericht verwies zutreffend darauf, dass das Klagsfahrzeug am 15. Juni 2022 zugelassen wurde und somit wesentlich später als der Abschluss der Rahmenvereinbarung erfolgte und aus der das Klagsfahrzeug betreffenden Polizze eine objektiv nachvollziehbare Einbeziehung in den bereits 2021 abgeschlossenen Rahmenvertrag nicht ersichtlich ist. Diesen Argumenten ist beizupflichten.

Zudem sieht die Rahmenvereinbarung (Beilage ./F Seite 7) ausdrücklich vor, dass „für Fahrzeuge über einen Listen-/Kaufpreis brutto inkl. Sonderausstattung brutto von EUR 100.000,00 eine separate Anfrage erforderlich ist“. Die Beklagte weist in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass eine solche beim Klagsfahrzeug mit einem Listenpreis von brutto EUR 202.100,00 erforderliche Anfrage weder behauptet noch belegt wurde. Nicht zuletzt weicht der Versicherungsvertrag zum Klagsfahrzeug (Beilage ./I) inhaltlich auch von der Rahmenvereinbarung (Beilage ./F) ab. So findet sich das Klagsfahrzeug betreffenden Polizze bei den dort angeführten Vertragsgrundlagen (Beilage ./I Seite 8) die im Rahmenvertrag angeführte Klausel „1206K – KEIN MEHRWERTSTEUERERSATZ“ gerade nicht. Auch der vereinbarte Selbstbehalt weicht in beiden Verträgen voneinander ab, während nämlich laut Rahmenvereinbarung ein solcher von EUR 450,00 gelten würde (Beilage ./F Seite 5), beträgt dieser beim Klagsfahrzeug unstrittig EUR 2.000,00.

Warum ein Rahmenvertrag nur dann Sinn mache, wenn sämtliche Fahrzeuge der Beklagten in den Vertrag aufgenommen werden, lässt die Beklagte selbst offen; soweit sie argumentiert, dass sämtliche Fahrzeuge der Beklagten in den Rahmenvertrag aufgenommen worden seien, so hat die Beklagte derartiges in erster Instanz nicht behauptet. Im Übrigen sieht der Rahmenvertrag für Fahrzeuge ab einem bestimmten Bruttopreis die Notwendigkeit einer separaten Anfrage für eine Einbeziehung vor, woraus eine Ablehnungsmöglichkeit der beklagten Versicherung abzuleiten ist. Eine gleichsam automatische Miteinbeziehung sämtlicher – auch später zugelassener - Fahrzeuge der Beklagten in den Rahmenvertrag ergibt sich daher keineswegs. Eine allgemeine Lebenserfahrung in diesem Sinn ist dem Berufungsgericht fremd.

Die bekämpfte Feststellung hält daher der Plausibilitätskontrolle stand.

Weiters bekämpft die Klägerin die Feststellungen, wonach sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sei und das Gewerbe des Fahrzeughandels betreibe, das Klagsfahrzeug auf sie zugelassen und von ihrem Geschäftsführer genutzt wurde.

Ein Vergleich mit den begehrten Ersatzfeststellungen zeigt, dass die Klägerin diese bekämpften Feststellungen grundsätzlich für zutreffend erachtet und lediglich eine ergänzende Feststellung dahingehend begehrt, dass hinsichtlich des klagsgegenständlichen Fahrzeuges jedoch keine Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin vorliegt.

Damit ist aber die Tatsachenrüge in diesem Punkt nicht gehörig ausgeführt, sind ergänzende Feststellungen im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machen und nicht mit Tatsachenrüge. Dies erkennend hat die Klägerin ohnedies im Rahmen der Rechtsrüge auch einen diesbezüglichen sekundären Feststellungsmangel geltend gemacht. Insofern kann auf die Ausführungen zur Rechtsrüge verwiesen werden.

Die Klägerin wendet sich auch gegen die Feststellung des Erstgerichtes, wonach in der Vollkaskoversicherung ein Fahrzeugwert von EUR 202.100,00 brutto (entspricht EUR 125.886,43 netto) bei Vertragsabschluss berücksichtigt wurde und meint, dass der Nettowert des Fahrzeuges richtigerweise EUR 168.416,66 beträgt. Abgesehen davon, dass selbst die Klägerin von einem offensichtlichen Schreibfehler hinsichtlich des Nettowertes ausgeht, kommt dem festgestellten Nettowert aber ohnedies keine rechtliche Relevanz zu, da der entscheidungswesentliche Wiederbeschaffungswert unstrittig feststehr.

Insgesamt erweist sich damit die Tatsachenrüge als nicht berechtigt.

In der Rechtsrüge kommt die Klägerin darauf zurück, sie habe im Verfahren vorgebracht und hätte dies festgestellt werden müssen, dass sie in Bezug auf das Klagsfahrzeug nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Tatsächlich ist diese von ihr begehrte Feststellung in rechtlicher Hinsicht allerdings nicht entscheidend.

Wie das Erstgericht bereits zutreffend dargelegt hat, deckt eine vom Leasingnehmer genommene Sachversicherung das Sacherhaltungsinteresse des Leasinggebers ab, und zwar auch dann, wenn im Vertrag vom Leasinggeber keine Rede ist (7 Ob 132/12f; 7 Ob 108/23t mwN). Daneben ist das Sachersatzinteresse des Leasingnehmers gedeckt. Dieses besteht darin, dass er nicht wegen Beschädigung, Verlust oder Zerstörung der Sache, für die er nach dem Leasingvertrag die Gefahr trägt, einen Haftungsschaden erleidet, indem er mit einer Schadenersatzverpflichtung belastet wird (7 Ob 132/12f mwN; 7 Ob 108/23t).

Ist die versicherte Sache Gegenstand eines Leasingvertrags, dann kommt es für die Frage der Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer bei einem Totalschaden oder Verlust allein auf die Verhältnisse des Leasinggebers an, weil der Leasingvertrag üblicherweise beendet wird und damit das Interesse des Versicherungsnehmers an der Sache erlischt. Die Versicherung des Sacherhaltungsinteresses des Leasinggebers hat zur Folge, dass sich die Berechnung der Entschädigung im Regelfall nach den Verhältnissen des Leasinggebers richtet (RS0128320; 7 Ob 132/12f; 7 Ob 108/23t).

Wird aber das Sacherhaltungsinteresse des Leasinggebers bzw Eigentümers befriedigt, ist damit grundsätzlich auch das auf die Vermeidung von Schadenersatzansprüchen gerichtete, mitversicherte Sachersatzinteresse des Leasingnehmers abgedeckt. Das Sachersatzinteresse des Leasingnehmers ist nämlich nur ein vom Eigentümerinteresse abgeleitetes Interesse, das auf den Schutz vor Ansprüchen des Eigentümers durch dessen Befriedigung gerichtet ist. Ein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer für die Anschaffung einer neuen und nicht versicherten Sache durch den (früheren) Leasingnehmer ergibt sich aus der Versicherung seines Sachersatzinteresses am Leasinggegenstand aber nicht (7 Ob 108/23t).

Zusammengefasst folgt daraus, dass es im Zusammenhang mit der Frage der Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer bei einem Totalschaden oder Verlust allein auf die Verhältnisse des Leasinggebers ankommt, weil der Leasingvertrag – wie hier – beendet wurde und damit das Interesse des Versicherungsnehmers an der Leasingsache erlischt.

Auf die Frage, ob die Klägerin in Bezug auf das Klagsfahrzeug vorsteuerabzugsberechtigt ist, kommt es angesichts der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung daher nicht an. Ein Anspruch auf allfällige Umsatzsteuer scheidet daher aus.

Warum diese bereits vom Erstgericht herangezogene oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht einschlägig sein soll, „weil es sich in der herangezogenen Entscheidung um eine Verbraucherin handle und nicht um ein Unternehmen, das zwar grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt sei, dem jedoch hinsichtlich des Klagsfahrzeugs keine Vorsteuerabzugsberechtigung zukomme“, erschließt sich nicht und wird auch nicht näher ausgeführt. Letztendlich macht es nämlich keinen Unterschied, ob ein Anspruchsteller generell oder nur hinsichtlich des Streitgegenstandes nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Insgesamt erweist sich damit die Berufung als nicht berechtigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf § 41 ZPO.

Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, weil auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden konnte.

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