JudikaturOLG Linz

9Bs53/25w – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
18. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* und andere Personen wegen des Verbrechens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 und 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg (im Ermittlungsverfahren) vom 4. März 2025, HR*-457, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die über B* C* verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt wird.

Dieser Beschluss löst eine Haftfrist von einem Monat (§ 175 Abs 2 Z 2 StPO) aus, die mit neuerlicher Festnahme der Beschuldigten zu laufen beginnt.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg führt zu St* ein Ermittlungsverfahren ua gegen die am ** geborene B* C* wegen des Verdachts der Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (A.), des Verbrechens der schweren Nötigung als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (B.1.), des Vergehens der falschen Beweisaussage als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 288 Abs 1 und 4 StGB (B.2.), des Vergehens der Begünstigung als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 299 Abs 1 StGB (B.3.), des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB (C.) sowie der Verbrechen des Menschenhandels als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 104a Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB (D.).

Aufgrund am 11. Februar 2025 gerichtlich bewilligter Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft vom 24. Jänner 2025 (ON 412) wurde B* C* am 17. Februar 2025 von Beamten des LKA D* an ihrer Wohnadresse in ** festgenommen und in die Justizanstalt ** eingeliefert (ON 424.2, 1). Über Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 1.356) verhängte die Haft- und Rechtsschutzrichterin des Landesgerichts Salzburg mit Beschluss vom 18. Februar 2025 über die Beschuldigte B* C* – nach deren Vernehmung zu den Voraussetzungen dazu (ON 428.1) – die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO mit längster Wirksamkeit bis zum 4. März 2025 (ON 429).

Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 4. März 2025 (ON 455) hob das Erstgericht – nach Durchführung einer Haftprüfungsverhandlung (ON 454) – die über die Beschuldigte verhängte Untersuchungshaft nach Bejahung eines dringenden Tatverdachts zu den eingangs angeführten Verbrechen und Vergehen sowie des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO gegen die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 173 Abs 5 StPO, nämlich das Gelöbnis, keinen Versuch zu unternehmen, die Ermittlungen zu erschweren, die Weisung, jegliche Kontaktaufnahme zu den Mitbeschuldigten sowie zu den aktenkundigen Opfern zu unterlassen, die Weisung, binnen einer Woche ab Enthaftung ein Arbeitsverhältnis aufzunehmen und gegenüber der Staatsanwaltschaft Salzburg unaufgefordert schriftlich nachzuweisen, sowie gegen die Anordnung vorläufiger Bewährungshilfe, auf. Begründend führte das Erstgericht im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass davon ausgegangen werden könne, dass das zweiwöchige Haftübel bei der unbescholtenen Beschuldigten sichtbar Eindruck hinterlassen und zu einem Umdenken geführt habe. Die Intensität des Haftgrundes sei deutlich abgemildert, sodass gelindere Mittel nun ausreichten, um die Haftzwecke wirkungsvoll zu erfüllen. Die Beschuldigte habe sich schon Monate vor ihrer Festnahme von der kriminellen Organisation (Mai 2024) distanziert und glaubhaft versichert, sämtliche Kontakte blockiert zu haben. Aufgrund der Weisungen und der angeordneten vorläufigen Bewährungshilfe sei auszuschließen, dass die Beschuldigte weitere strafbare Handlungen, wie die ihr vorgeworfenen, begehen werde.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 4. März 2025 (ON 457), mit der sie die Fortsetzung der über B* C* verhängten Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO begehrt.

Die Beschuldigte beantragte in ihrer dazu erstatteten Gegenäußerung vom 13. März 2025, der Beschwerde keine Folge zu geben, und nahm zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Stellung (ON 478).

Die Beschwerde ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu den einzelnen, B* C* vorgeworfenen Tathandlungen sowie zur Dringlichkeit des angenommenen Tatverdachts kann – zur Vermeidung von Wiederholungen – auf die Ausführungen des Erstgerichts im angefochtenen Beschluss und insbesondere auch auf die Ausführungen dieses Beschwerdegerichts in seiner Entscheidung vom 6. Februar 2025 (ON 417) verwiesen werden (vgl RIS-Justiz RS0124017 [T2, T3, T4, T6]), wobei der darin dargestellte Tatverdacht auch dringend ist, also mit einem höheren Grad an Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Beschuldigte die ihr angelasteten Taten begangen habe. Dieser Tatverdacht hat sich seit der angesprochenen Entscheidung vom 6. Februar 2025 durch weitere Ermittlungsergebnisse, vor allem dem Anlassbericht des LKA D* vom 18. Februar 2025 (ON 424) nach (weiterer) Auswertung ihres anlässlich der Hausdurchsuchung sichergestellten Mobiltelefons noch erhärtet und um den dringenden Verdacht auch der Begehung der Verbrechen des Menschenhandels als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 104a Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB erweitert. Im Einzelnen ist auf die im Zuge der Hausdurchsuchung sichergestellten Unterlagen, nämlich den KFZ-Mietvertrag mit dem Mitbeschuldigten E* sowie den KFZ-Mietvertrag mit dem Mitbeschuldigten F* (ON 424.2, 8) zu verweisen. Beiden Männern liegt zur Last, die Fahrer der Prostituierten gewesen zu sein. Nach den Angaben der Zeugin G* (ON 325.3) und der Zeugin H* (ON 346.7), fungierten die „Fahrer“ tatverdachtsmäßig als „Chefs“ der Prostituierten vor Ort, denen die Prostituierten den Schandlohn zu übergeben hatten, ansonsten die Fahrer vom Chef den Auftrag gehabt haben, die Prostituierten zu schlagen (ON 346.7, 14). Mit I*, der die Prostituierte G* mit dem von der Beschuldigten zur Verfügung gestellten Fahrzeug von einem Ort zum anderen transportiert habe, hat B* C* (mutmaßlich) über WhatsApp kommuniziert und ihr Fahrzeug gerade nicht über die von ihr betriebenen Plattformen zur Autovermietung, wie ** bzw **, zur Vermietung angeboten (ON 424.10, 28). Soweit daher die Beschuldigte in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 13. März 2025 jede Beteiligung an der kriminellen Vereinigung des J* K* und ein Wissen um dessen kriminellen Machenschaften bestreitet, ist sie auf diese Ermittlungsergebnisse in den Anlassberichten vom 18. Februar 2025 (ON 424.2) und vom 16. Jänner 2025 (ON 407.6) zu verweisen. Hervorzuheben ist eine Sprachnachricht von J* K* an B* C* vom 26. April 2024, worin K* der C* vorwirft, dass auch sie Flugtickets für die Opfer gekauft habe und sie selbst somit am grenzüberschreitenden Prostitutionshandel beteiligt war und dies freiwillig gewollt habe, ihm es daher egal sei, wenn sie mit dem „L*“ (Sachbearbeiter zum vorliegenden Sachverhalt) reden würde, weil sie sich ohnehin damit selbst belasten würde (ON 424.2, 2). Aus einem Screenshot am Mobiltelefon der Beschuldigten vom 29. März 2024 ergibt sich, dass ** den Grund für diverse Überweisungen an die Beschuldigten K* und M* bzw an deren Strohmänner N* und O* hinterfragt hat, sodass es letztlich tatsächlich nicht mehr zur Überweisung durch B* C* gekommen ist (ON 424.2, 3), woraus aber einmal mehr eine Beteiligung der Beschuldigten an der kriminellen Vereinigung dringend indiziert ist. Soweit die Beschuldigte daher behauptet, sich lediglich um diverse private Angelegenheiten gekümmert zu haben, nachdem J* K* das Land verlassen habe, sind ihr die beschriebenen Ermittlungsergebnisse entgegenzuhalten, die dieser Annahme entgegenstehen. Die Behauptung, sie habe sich mit der Autovermietung ein zweites Standbein aufgebaut, ist insofern nicht nachvollziehbar, als sie im Zusammenhang mit der Kündigung ihrer Arbeitsstelle bei der Firma P* ausführte, ein Burnout gehabt und daher eine Pause gebraucht zu haben. Zu der Aussage der Zeugin Q*, die eine blonde Frau beschrieb, bleibt anzumerken, dass anlässlich der Hausdurchsuchung bei der Beschuldigten eine blonde Perücke aufgefunden wurde. PDF-Dateien der Kanzlei R*, adressiert an M*, die am iPhone der Beschuldigten festgestellt wurden, belegen zudem, dass sie sich nicht bloß um die Angelegenheiten des J* K*, sondern auch um jene der (flüchtigen) Mitbeschuldigten M* kümmerte (ON 424.10, 36f). Insgesamt legen die umfangreichen Ermittlungsergebnisse eine Beteiligung der Beschuldigten in dem Wissen, wofür die von ihr zur Verfügung gestellten Fahrzeuge verwendet wurden, qualifiziert nahe, sodass auch die subjektive Tatseite gesteigert indiziert ist.

Auch zum angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO, der weiterhin besteht, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts sowie abermals den Beschluss dieses Beschwerdegerichts vom 6. Februar 2025 verwiesen werden. Aus dem Anlassbericht vom 16. Jänner 2025 ergibt sich, dass B* C* bis zumindest 15. Dezember 2024 in regelmäßigem Kontakt mit dem flüchtigen J* K* stand.

Die Ausführungen des Erstgerichts, die Beschuldigte habe sich schon Monate vor ihrer Festnahme von der kriminellen Organisation distanziert, wobei der letzte aktenkundige Kontakt im Mai 2024 stattgefunden habe, orientieren sich nicht an den – im Übrigen zum Haftgrund selbst festgestellten – Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens. Festzuhalten ist weiters, dass die Beschuldigte nach ihrer Festnahme von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht hat und auch in der Haftprüfungsverhandlung lediglich deponierte, unbedingt ihren Arbeitsplatz behalten zu wollen. Eine glaubhafte Distanzierung von weiteren Tätigkeiten zugunsten der kriminellen Vereinigung rund um J* K* und ein Umdenken, das die Annahme rechtfertigte, der Haftzweck könne durch gelindere Mittel erreicht werden, kann daraus aber nicht abgeleitet werden. Angesichts der Tatsache, dass B* C* nunmehr auch Verbrechen des Menschenhandels nach § 104a Abs 1 und 4 erster Fall StGB subsumierten Verhaltensweisen dringend verdächtig ist und bis zuletzt jedenfalls am 15. Dezember 2024 mit dem Haupttäter J* K* in regelmäßigem Kontakt stand und – tatverdachtsmäßig – für diesen und seine kriminelle Vereinigung handelte, daher von einer besonderen kriminellen Energie bei der Beschuldigten auszugehen ist, hat der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr eine Intensität, die einer Enthaftung gegen gelindere Mittel nach zweiwöchiger Hafterfahrung, trotz bisheriger Unbescholtenheit, entgegenstehen.

Mit der Staatsanwaltschaft ist daher davon auszugehen, dass weiterhin mit Grund anzunehmen ist, die Beschuldigte werde auf freiem Fuß weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen, wie die ihr tatverdachtsmäßig angelasteten Tathandlungen und kann bei dieser massiven Form von Delinquenz der Tatbegehungsgefahr derzeit nur durch die Fortsetzung der Untersuchungshaft begegnet werden.

Angesichts der Strafdrohung des § 104a Abs 4 StGB einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren steht die Fortsetzung der Untersuchungshaft auch zur Bedeutung der Sache nicht außer Verhältnis.

In Stattgebung der Beschwerde war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Dieser Beschluss kann nur bei unveränderter Sachlage seine Wirkung entfalten; allfällig haftrelevante Neuerungen sind nach neuerlicher Festnahme der Beschuldigten jederzeit zu beachten (vgl RIS-Justiz RS0097645).

Gemäß § 175 Abs 2 Z 2 StPO beträgt die Haftfrist einen Monat ab erstmaliger Fortsetzung der Untersuchungshaft. Fallbezogen beginnt die Haftfrist erst nach Effektuierung dieser Entscheidung durch das Erstgericht (vgl RIS-Justiz RS0116263).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).