10Bs65/25t – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg (im Ermittlungsverfahren) vom 9. März 2025, HR*-12, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die über A*, geboren am **, verhängte Untersuchungshaft wird aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt.
Dieser Beschluss ist durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 StPO).
Text
Begründung:
In dem zu St* der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen A* wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 84 Abs 4 StGB geführten Strafverfahren – in dem am 12. März 2025 Anklage erhoben wurde (ON 1.19, ON 23) – wurde der Genannte am 7. März 2025, 16.41 Uhr, auf Grund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeannordnung der Staatsanwaltschaft (ON 5) festgenommen (S 1 in ON 8.2, S 2 in ON 8.6).
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde am 9. März 2025 über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 8. März 2025 (ON 1.6) über A*, nach seiner Vernehmung zu den Voraussetzungen dazu (ON 11), die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO mit Wirksamkeit bis längstens 23. März 2025 verhängt (ON 12).
Die dagegen von A* erhobene Beschwerde (S 4 in ON 11, ON 27) ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
A* wird angelastet, er habe am 3. März 2025 in ** versucht, B* durch Versetzen eines wuchtigen Faustschlags mit der rechten Hand in den linken Gesichtsbereich am Körper schwer zu verletzen, wobei B* (zumindest) eine Rötung im Bereich des linken Auges erlitten habe.
Zutreffend stützte das Erstgericht den dringenden Tatverdacht, mithin den höheren Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat begangen hat, auf die zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden und den Beschuldigten (nunmehr Angeklagten) entsprechend belastenden Angaben des zunächst ebenfalls als Beschuldigten geführten B* (ON 2.8) und des Zeugen C* D* (ON 2.9). Die angeführte Verletzung ist durch die von der Polizei aufgenommenen Lichtbilder (ON 2.15) objektiviert.
Es sind keine Gründe erkennbar, warum C* D*, der sich zur Zeit des Vorfalls lediglich besuchsweise bei seinem Bruder in der Unterkunft **straße ** aufhielt und weder mit B* noch mit A* näher bekannt ist, Letzteren zu Unrecht belasten sollte. Die im Beschwerdevorbringen ins Treffen geführten „gravierenden politischen Meinungsverschiedenheiten“ gründen lediglich auf Vermutungen, ohne dass im Rahmen dieser eine konkrete Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten dargetan wird.
Eine Belastungstendenz kann B* schon deshalb nicht unterstellt werden, weil dieser gegenüber der Polizei angab, dass es mit A* zuvor noch zu keinen Vorfällen gekommen sei (S 3 in ON 2.16). Es wurde daher seinerseits nicht versucht, den Beschwerdeführer in ein unvorteilhaftes Licht zu rücken.
Dass die Schilderungen eines dynamischen Geschehens durch B* und C* D* in Einzelheiten nicht zur Gänze übereinstimmen, vermag ihre Glaubwürdigkeit nicht derart zu erschüttern, dass angenommen werden müsste, sie hätten den gegenständlichen Vorfall erfunden. Vielmehr spricht dies gegen eine Absprache zum Nachteil des Angeklagten.
Bezug nehmend auf das Beschwerdevorbringen wird der Vollständigkeit halber angemerkt, dass die weiteren Zeugen, E* und F* C*, von der Polizei zwischenzeitlich ausgeforscht wurden und auch diese die Angaben des B*, wonach dieser von A* geschlagen worden sei, bestätigen (S 2 in ON 15.2 und ON 15.3).
Aus welchen Gründen die auf den Lichtbildern erkennbare Rötung im Gesichtsbereich des B* nicht mit dem vom Opfer und dem Zeugen geschilderten Faustschlag des Angeklagten in Einklang zu bringen sein sollte, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Insbesondere bleibt unklar, welche „typischen Begleitverletzungen“ eines (großteils abgewehrten) Faustschlages zu erwarten gewesen wären.
Die Ausführungen, wonach es ausgehend von den Schilderungen des Opfers und des Zeugen C* D* nicht zum angegebenen Faustschlag gekommen sein kann bzw ein solcher „biomechanisch“ unmöglich sei, übergehen den Umstand, dass eine Rötung im rechten Augenbereich des B* mittels Lichtbildern tatsächlich dokumentiert ist. Eine markante Rötung der Bindehaut, wie diese bei Reizung des Auges durch ein Reinigungsmittel – wie vom Beschwerdeführer angegeben - zu erwarten stünde, ist hingegen nicht auszumachen.
Die leugnende Verantwortung des Angeklagte, wonach er gegen jede Art von Gewalt und Gewalt keine Lösung sei, erweist sich vor dem Hintergrund seiner zurückliegenden Abstrafung als unglaubwürdig. Dieser liegt unter anderem das Besitzen von Bilddateien zeigend den abgetrennten Kopf eines Kindes und enthaupteter Personen zu Grunde, wobei sich der Angeklagte als „Medien-Mudschahed“ an der Terrororganisation „Islamischer Staat“ beteiligt und diese wissentlich gefördert hat (ON 4).
Die subjektive Tatseite in Form eines zumindest bedingten Vorsatzes kann mit der gebotenen Dringlichkeit aus dem objektiven Tatgeschehen abgeleitet werden (vgl RIS-Justiz RS0116882). Warum das wiederholte Losgehen auf das Opfer und insbesondere das letztliche Ausführen eines wuchtigen Faustschlags in den sensiblen Gesichtsbereich (S 4 f in ON 2.8) das innere Tatvorhaben nicht tragen sollte, erklärt die – auf die eigene, leugnende Verantwortung abstellende – Beschwerde nicht.
Richtig ist, dass lediglich kurzfristig sichtbare Rötungen den Begriff der Körperverletzung nicht erfüllen (vgl RIS-Justiz RS0092574 [T6]). Ungeachtet des Umstands, dass die vorliegende Rötung bei B* noch im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen festgestellt werden konnte, ist auf Basis der Verdachtslage ohnehin von einem versuchten Zufügen einer schweren Körperverletzung auszugehen, sodass der in der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob die auf dem Lichtbild dokumentierte Rötung den Begriff der Körperverletzung iSd StGB erfüllt, keine entscheidende Bedeutung zukommt.
Die leugnende Verantwortung und das Vorbringen des Beschuldigten ist somit nicht geeignet, die Dringlichkeit des Tatverdachts zu relativieren.
Auch der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und b StPO ist anzunehmen:
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass A* erst am 6. Dezember 2024 (ON 2.6) aus dem Vollzug einer siebenjährigen Freiheitsstrafe entlassen wurde und somit ein rascher Rückfall vorliegt, der sich in einem wuchtigen Faustschlag aus nichtigem Anlass (Lärmbelästigung) widerspiegelt.
Mit der dem Vollzug zugrunde liegenden Verurteilung durch das Landesgerichts Salzburg vom 23. November 2018, Hv2*, wurde A* in seiner Funktion als „Medien-Mudschahed“ der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (unter anderem) wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und der kriminellen Organisation nach § 278a Z 1 bis 3 StGB sowie des Vergehens der Gutheißung terroristischer Straftaten nach § 282a Abs 2 StGB schuldig erkannt. Eine terroristische Vereinigung ist ein auf längere Zeit angelegter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung betrieben wird (§ 278b Abs 3 StGB). Terroristische Straftaten sind allem voran Mord, Körperverletzungen nach den §§ 83 bis 87 StGB, erpresserische Entführung und schwere Nötigung (§ 278c Abs 1 Z 1 bis 4 StGB).
Eingedenk der oben bereits (beispielhaft) angeführten, gewaltverherrlichenden Bilddateien, dem Umstand, dass sich der Angeklagte der Terrororganisation (IS) aus tiefster Überzeugung angeschlossen hat (ON 4) und er nunmehr – trotz kürzlich verbüßter mehrjähriger Haftstrafe - eine bloße Lärmbelästigung mit einem wuchtigen Faustschlag quittierte, zeichnet das Bild einer überaus gewaltaffinen Persönlichkeit mit niedriger Hemmschwelle (vgl hiezu auch die Urteilsausführungen S 21 f in ON 4 [die Sprache „des Blutes und der Munition“]). Die bloße Behauptung des Angeklagten, sich zwischenzeitlich von der IS-Ideologie distanziert zu haben, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern.
Es ist daher mit Grund anzunehmen, A* werde auf freiem Fuß belassen ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen ihn geführten Strafverfahrens rechtsgutgleiche strafbare Handlungen mit schweren sowie mit nicht bloß leichten Folgen begehen, wie die ihm hier angelastete Straftat (mit schweren Folgen). Schwere Körperverletzungen nach § 84 Abs 4 StGB sind schon ex definitione Taten mit schweren Folgen, wobei dem Misslingen der gewollten Tatvollendung bei der Prüfung der Tatfolgen keine entscheidende Bedeutung zukommt (vgl Nimmervoll, Haftrecht 3 Z 654 und Z 548; RIS-Justiz RS0106663).
Eine Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft ist angesichts des in Rede stehenden Strafrahmens von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 84 Abs 4 StGB) und der bei einem tatverdachtskonformen Schuldspruch gegebenen konkreten Straferwartung sowie mit Blick auf die Bedeutung der Sache nicht gegeben.
Gelindere Mittel, die zur Erreichung der Haftzwecke geeignet wären, liegen nicht vor und wurden auch nicht angeboten.
Mitteilung gemäß § 174 Abs 3 Z 5 iVm § 175 Abs 5 StPO :
Nach Einbringen der Anklage ist die Wirksamkeit eines Beschlusses auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft durch die Haftfrist nicht mehr begrenzt; Haftverhandlungen finden nach diesem Zeitpunkt nur statt, wenn der Angeklagte seine Enthaftung beantragt und darüber nicht (mehr) ohne Verzug in einer Hauptverhandlung entschieden werden kann.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.