13Nc4/25y – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Präsidenten Dr. Helmut Katzmayr als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter Mag. Stefan Riegler und Dr. Patrick Eixelsberger in der Rechtssache des Klägers A* , geb. **, Maler, **, **, vertreten durch Mag. Georg Schmeissner, Rechtsanwalt in 5340 St. Gilgen, wider die Beklagten 1. B* , geb. **, Pensionist, ** Straße **, **, und 2. C* AG , FN **, **straße **, **, beide vertreten durch Dr. Hans-Peter Neher, Rechtsanwalt in 4820 Bad Ischl, wegen (eingeschränkt) EUR 80.983,66 s.A. und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,00; Gesamtstreitwert daher: EUR 85.983,66), Cg* des Landesgerichtes Wels, R* des Oberlandesgerichtes Linz, über die Selbstanzeige gemäß § 22 GOG des Richters des Oberlandesgerichtes Linz MMag. D* E* in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Die vom Richter MMag. D* E* im Berufungsverfahren 4 R 23/25t angezeigten Gründe sind nicht geeignet , die Besorgnis seiner Befangenheit zu begründen.
Text
Begründung
Mit der beim Landesgericht Wels zu Cg* eingebrachten Klage begehrte der Kläger (zuletzt) EUR 80.983,66 s.A. sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 2. September 2022 in F* im Kreuzungsbereich G*-Straße/H* Straße und brachte hiezu – auf das Wesentliche zusammengefasst – vor, die Beklagten hafteten solidarisch, der Erstbeklagte als Lenker und Halter und die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer, für sämtliche dem Kläger aus dem Verkehrsunfall entstandenen und zukünftig noch entstehenden Schäden, an welchem den Erstbeklagten das Alleinverschulden treffe. Den Kläger selbst treffe hingegen kein Verschulden am klagsgegenständlichen Verkehrsunfall.
Das Landesgericht Wels erkannte die Klagsforderung mit EUR 41.501,66 als zu Recht, die von den Beklagten eingewandte Gegenforderung hingegen als nicht zu Recht bestehend an, gab dem Leistungsbegehren mit o.a. Betrag s.A. sowie dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren mit Urteil vom 27. Dezember 2024 ab. Dagegen richtet sich einerseits die Berufung des Klägers, mit der er die Abänderung des Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung mit einem Gesamtbetrag zu EUR 76.501,66 s.A. anstrebt, sowie andererseits der Kostenrekurs der Beklagten, mit dem sie die Abänderung der Kostenentscheidung im Sinne eines um EUR 2.316,43 verminderten Kostenzuspruchs an den Kläger anstreben.
Nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichtes Linz ist dessen ** Senat für die Entscheidung über die Berufung und den Kostenrekurs zuständig. Der diesem Senat angehörende Richter MMag. D* E* zeigte den möglichen Anschein einer Befangenheit an, weil der Rechtssache ein Verkehrsunfall zugrunde liege, bei dem die frühere Gerichtsvorsteherin des Bezirksgerichtes **, Dr. I*, welche eine der Ausbildungsrichterinnen des Anzeigers gewesen sei, Beifahrerin im Fahrzeug des Erstbeklagten gewesen sei und im Verfahren als Zeugin ausgesagt habe. Nach der Ausbildung habe MMag. D* E* Dr. I* immer wieder v.a. bei beruflichen Seminaren getroffen, wobei sie seit längerer Zeit das „Du-Wort“ pflegten. Auch nach deren Versetzung in den Ruhestand sei es zu gelegentlichen, zufälligen Begegnungen, bei denen sie einige Worte gewechselt und sich über ihr Befinden ausgetauscht hätten, gekommen. Eine darüber hinausgehende freundschaftliche Beziehung bestehe hingegen nicht. MMag. D* E* erachte sich daher auch nicht für subjektiv befangen, insbesondere auch deshalb, weil das (Mit-)Verschulden der Parteien im Berufungsverfahren ohnehin nicht mehr strittig sei.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden oder eine Selbstanzeige gemäß § 22 GOG erstatten, wenn er im gegebenen Fall nach dem Gesetz von der Ausübung richterlicher Geschäfte ausgeschlossen ist (Z 1 leg cit) oder wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RIS-Justiz RS0046024 [T2, T3]).
Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien in Frage ( Mayr in Rechberger/Klicka , ZPO 5 § 19 JN Rz 6 mwN). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, ein strenger Maßstab anzuwenden (RIS-Justiz RS0045949). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0045949 [T2]).
Es ist im Allgemeinen ein Befangenheitsgrund anzunehmen, wenn ein Richter selbst seine Befangenheit anzeigt (RIS-Justiz RS0046053). Letztlich liefe es nämlich dem Interesse der Parteien an einem objektiven Verfahren zuwider, wenn ihre Angelegenheit von einem Richter entschieden würde, der selbst Bedenken dagegen äußert, eine unvoreingenommene Entscheidung treffen zu können (RS0046053 [T5]).
Von einem Befangenheitsgrund ist grundsätzlich auch dann auszugehen, wenn der anzeigende Richter bloß die Möglichkeit des objektiven Anscheins für gegeben erachtet (RIS-Justiz RS0046053 [T6]). Nur ausnahmsweise wird bei Selbstmeldung eines Richters eine Befangenheit nicht gegeben sein, etwa bei Missbrauch oder wenn die angegebenen Umstände ihrer Natur nach nicht geeignet sind, eine Befangenheit zu begründen (RS0046053 [T4]). Freilich bleibt es auch im Falle einer Selbstmeldung dabei, dass die Frage, ob bei objektiver Betrachtungsweise der Anschein einer Voreingenommenheit eines Richters entstehen könnte, ausschließlich von jenem Senat zu beurteilen ist, der zur Entscheidung über einen Ablehnungsantrag oder eine Befangenheitsanzeige berufen ist. Der Einschätzung des betroffenen Richters selbst kommt vor allem dort Bedeutung zu, wo er selbst Zweifel daran äußert, eine durch unsachliche psychologische Motive unbeeinflusste Entscheidung treffen zu können. Verneint er dies jedoch und äußert er – so wie hier – lediglich Bedenken in Richtung eines möglichen Anscheins einer Voreingenommenheit, bleibt es doch dabei, dass durch die Selbstmeldung die dem zuständigen Entscheidungsorgan obliegende eigenständige Beurteilung eines solchen Anscheins nicht präjudiziert wird (vgl. OGH 1 Ob 196/14a = RS0046053 [T9]).
Die nunmehrigen Ausführungen des Richters MMag. D* E* lassen selbst nach dem im Interesse des Ansehens der Rechtsprechung gebotenen strengen Maßstab keinen Anschein der Befangenheit befürchten.
Im vorliegenden Fall hat MMag. D* E* selbst ausgeführt, sich subjektiv nicht befangen zu fühlen. Aufgrund dessen kann der Umstand, dass er zu einer ehemaligen Richterkollegin ein (bloß) kollegiales Verhältnis pflegte und weiterhin pflegt, die noch dazu lediglich als Zeugin in erster Instanz aussagte, den Anschein der Befangenheit auch objektiv nicht begründen. Das Bestehen eines kollegialen Verhältnisses der Richter des zur Entscheidung berufenen Gerichtshofes vermag selbst zu einem abgelehnten Richterkollegen deren Befangenheit allein nicht zu begründen, weil der Gesetzgeber das Vorliegen eines kollegialen Verhältnisses nicht als entscheidungshindernd ansieht. Ebenso wie die Freundschaft zu einem Richter unterer Instanz regelmäßig keinen objektiven Anlass zur Annahme einer Voreingenommenheit bietet. Auch in einem aufgrund gemeinsamer Aus- und/oder Fortbildung bestehenden freundschaftlich kollegialen Kontakts zwischen Richtern alleine kann kein Befangenheitsgrund gesehen werden (vgl. RIS-Justiz RS0108696 [T3, T4, T9]). Es bestehen somit in concreto keine Anzeichen für das Vorliegen einer Besorgnis, dass sich MMag. D* E* bei seinem Mitwirken an den Rechtsmittelentscheidungen in vorliegender Angelegenheit nicht allein von sachlichen Motiven leiten lassen könnte.
Ein Befangenheitsgrund im Sinne des § 19 Z 2 JN ist daher nicht gegeben.
Gegen diesen Beschluss steht dem anzeigenden Richter, nicht jedoch den Prozessparteien das Rekursrecht zu (RIS-Justiz RS0045958).