10Bs35/25f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* B* wegen des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG über die Beschwerde des Rechtsschutzbeauftragten gegen Punkt III. des Beschlusses des Landesgerichts Wels (im Ermittlungsverfahren) vom 7. Jänner 2025, HR* – 3, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt III. dahin abgeändert, dass der Antrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 3. Jänner 2025 auf Bewilligung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten gemäß §§ 109 Z 2a, 115f Abs 1 und 2 StPO abgewiesen wird.
Text
Begründung:
Mit („Stampiglien“-)Beschluss vom 7. Jänner 2025 (ON 3) wurde vom Erstgericht, soweit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren relevant, gemäß §§ 109 Z 2a, 115f Abs 1 und 2 StPO die Beschlagnahme von „Datenträgern und darauf gespeicherten Daten, Mobiltelefone, Computer und sonstige Datenträger der Beschuldigten“, der am ** geborenen A* B*, und von „Daten, die an anderen Speicherorten als einem Datenträger gespeichert sind, soweit auf sie von diesem aus zugegriffen werden kann, wie Cloudspeicher bzw externe Server“ bewilligt. Die Beschlagnahme sollte Geräteinformationen, Authentifizierungs- und Authentisierungsdaten, Multimedia, Dokumente und Kommunikation für den Zeitraum „1. Oktober 2020 bis zum Zeitpunkt der Durchführung“ umfassen und sich auf „Dateninhalte, die für die Aufklärung der Straftat nach § 3g VerbotsG wesentlich sind, nämlich Daten mit Bezug zum Nationalsozialismus und Daten mit rechtsextremem und rassistischem Inhalt“ beziehen. Für die Durchführung wurde eine Frist bis zum 7. Februar 2025 gesetzt.
In den zur Begründung übernommenen Ausführungen der Staatsanwaltschaft wird hiezu erläutert: „Die Anordnung der Beschlagnahme ist zur Aufklärung der Straftat erforderlich, weil es sich um ein Verbrechen handelt, das mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren (für die zum Tatzeitpunkt Jugendliche A* B* mit Freiheitsstrafe von bis zu 2,5 Jahren) bedroht ist. Sie steht zur Bedeutung der Sache nicht außer Verhältnis, weil ansonsten keine Erhebungsmöglichkeit besteht und weitere Erkenntnisse zu erwarten sind. Der Auswertezeitraum wurde so gewählt, dass gegebenenfalls auch die Erlangung der Dateien (insbesondere von wem) und darüber hinaus die bei Taten nach dem Verbotsgesetz häufig anzutreffende weitere Verbreitung von derartigen Daten auch an andere Empfänger geklärt werden kann.“
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Bewilligung vom Rechtsschutzbeauftragten fristgerecht erhobene Beschwerde (ON 4), die inhaltlich eine Abweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf gerichtliche Bewilligung dieser Maßnahme begehrt, ist berechtigt:
Nach § 115f Abs 1 StPO ist die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten – zum Zweck der Auswertung von Daten (§ 109 Z 2a StPO) – zulässig, wenn sie aus Beweisgründen erforderlich scheint und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Informationen ermittelt werden können, die für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (§ 5 iVm § 74 Abs 2 iVm § 115f StPO).
A* B* liegt zur Last, sie habe am 4. Oktober 2020 in ** sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem sie ein Lichtbild zeigend Adolf Hitler vor einem in den Farben des Deutschen Reiches gehaltenen Hintergrund (schwarz-weiß-rot) versehen mit den Worten „LERN MAL DEUTSCH“ per WhatsApp an C* B* übermittelte.
Der sich gegen A* B* ergebende Verdacht beruht auf einem Zufallsfund im Rahmen von gegen den Genannten geführten Ermittlungen. Die Auswertung seines sichergestellten Mobiltelefons ergab laut Bericht der Polizeiinspektion D* vom 19. Dezember 2024, GZ **, dass die inkriminierte Datei am 4. Oktober 2020 unter einer der Beschuldigten zuordenbaren Rufnummer via WhatsApp an C* B* versandt wurde (Zusammenfassung der Bezug habenden Erhebungsergebnisse in ON 2).
Wenngleich sich zur subjektiven Tatseite keine Ausführungen in der der Bewilligung zugrunde liegenden Anordnung finden, ist ob des objektiven Tatgeschehens (allem voran aufgrund des Adolf Hitler zeigenden Lichtbilds) hinreichend indiziert, dass es die Beschuldigte bei Versenden der Datei ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, sich dadurch im nationalsozialistischen Sinne zu betätigen. Eine höhergradige Wahrscheinlichkeit ist bezüglich der Verdachtslage nicht gefordert.
Der Umstand, dass die in Rede stehende Datei von der Beschuldigten versandt wurde, ist auf Basis der gegebenen Beweislage bereits hinreichend objektiviert und dadurch die innere Tatseite indiziert. Wiewohl eine Erkundungsbeweisführung im Ermittlungsverfahren grundsätzlich zulässig ist (vgl RIS-Justiz RS0097230; Flora , WK StPO § 116 Rz 74), bewegt sich die gegenständliche Maßnahme fallkonkret nicht im Bereich des Verhältnismäßigen.
Selbst erforderliche Ermittlungsmaßnahmen haben zu unterbleiben, wenn sie nicht angemessen sind. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit verlangt die Feststellung, ob der angestrebte Erfolg nicht mit einer weniger eingriffsintensiven – aber ähnlich erfolgversprechenden – Maßnahme erzielt werden kann. Beurteilungskriterien sind die Intensität des Eingriffs, die Schwere der begangenen Straftat, der Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem die Maßnahme zum gewünschten Ermittlungserfolg führt, die Anzahl der beteiligten Personen, die von der Maßnahme betroffen wären, den für sie damit verbundenen Folgen und dem Offenstehen gelinderer Mittel. Eine hohe Wahrscheinlichkeit, das gewünschte Ergebnis zu erzielen, lässt einen – wie hier durch Rückschlüsse auf die Lebensführung und soziale Kontakte der Beschuldigten ermöglichende Auswertung von Kommunikationsverläufen - intensiven Grundrechtseingriff eher zu als eine geringe Erfolgsaussicht (vgl Flora aaO § 116 Rz 83 f). Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
Im gegenständlichen Fall darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass die Tat bereits mehr als vier Jahre zurückliegt und die bei C* B* durchgeführte Auswertung seines Mobiltelefons keine Hinweise auf das Versenden weiterer bedenklicher Dateien durch die Beschuldigte – wohl aber durch andere Personen (S 8 f in ON 2.2) - ergeben hat. Ebensowenig fanden sich Hinweise darauf, dass sich C* B* oder A* B* in der „rechten Szene“ bewegen würden (S 2 in ON 2.2 [was zur Erfüllung des Tatbestands der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG zwar nicht erforderlich, jedoch ein gewisser Anhaltspunkt wäre]).
Eine Datenauswertung, die allein auf das Ermitteln weiterer Dateien bzw Inhalte mit NS-Bezug ausgerichtet ist, die von A* B* möglicherweise versandt worden sein könnten, ist unter den dargelegten Prämissen nicht zuletzt aufgrund der hier anzunehmenden geringen Wahrscheinlichkeit weiterer Erkenntnisse mangels Verhältnismäßigkeit daher nicht gerechtfertigt.
Da der bloße Besitz von NS-Gegenständen (bzw von entsprechendem Datenmaterial), ohne diese(s) weiterzuverbreiten, nicht strafbar ist, ist die Frage wann und von wem A* B* die Datei zuvor erhalten hat, in dem allein gegen A* B* geführten Verfahren letztlich nicht von Relevanz.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Wels auf Bewilligung der Beschlagnahme von Datenträgern und Daten gemäß §§ 109 Z 2a, 115f Abs 1 und 2 StPO war daher in Stattgabe der Beschwerde abzuweisen.
Eine Auswertung der Daten wurde seitens der Kriminalpolizei noch nicht vorgenommen (S 2 in ON 5.1).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.