JudikaturOLG Linz

9Bs309/24s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
13. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* B* C* und eine andere Person wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Beschwerde der D* GmbH gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 5. Dezember 2024, HR*-25, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache wird dem Erstgericht zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung verwiesen.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg führt zu St* ein Ermittlungsverfahren gegen A* B* C* und eine andere Person wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB.

Demnach habe A* B* C* – teilweise gemeinsam mit E* als Mittäterin – zu nachgenannten Zeiten in ** F* mit dem Vorsatz, sich oder eine ihnen wirtschaftlich zuordenbare Gesellschaft durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch die wahrheitswidrige Vorgabe, ein rückzahlungswilliger und rückzahlungsfähiger Darlehensnehmer zu sein, somit durch Täuschung über Tatsachen teils unter Verwendung falscher Beweismittel, zur Überweisung von einem Gesamtbetrag von EUR 115.000,00 von ihrem Konto bei der G* H* I* AG mit der IBAN ** verleitet, wodurch er die Getäuschte mangels vereinbarungsgemäßer Rückzahlung an ihrem Vermögen geschädigt habe, und zwar

I./ am 12. Jänner 2021 EUR 100.000,00 auf das deutsche Konto mit der IBAN J*, wobei er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit E* gehandelt habe,

II./ am 25. Februar 2022 EUR 10.000,00 auf das deutsche Konto mit der IBAN **,

III./ am 6. September 2022 EUR 5.000,00 auf das deutsche Konto mit der IBAN **, wobei zur Täuschung eine inhaltlich unrichtige Vereinbarung vom 5. September 2022 betreffend insbesondere die Kapitalisierung einer K* Staatsanleihe verwendet worden sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft vom 5. Dezember 2024 (ON 1.13 iVm ON 1.9) zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (§ 115 Abs 1 Z 2 StPO) sowie zur Sicherung einer vermögensrechtlichen Anordnung (§ 115 Abs 1 Z 3 StPO) die Beschlagnahme durch Drittverbot bei der H* L*, **platz **, **, hinsichtlich des Kontos IBAN: J*, BIC: **, lautend auf D* GmbH gemäß § 115 Abs 4 StPO in der Form angeordnet, dass ohne ausdrückliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts über die auf dem Konto befindlichen Vermögenswerte bis zu einem Höchstbetrag von EUR 100.000,00 nicht verfügt werden darf (ON 25).

Dagegen richtet sich die Beschwerde der D* GmbH (ON 35), in der sie unter weiterem Verweis auf die Ausführungen in ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 10. Dezember 2024 primär die österreichische Gerichtsbarkeit kritisiert.

Die Beschwerde ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 115 Abs 1 Z 2 und 3 StPO ist eine Beschlagnahme zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich privatrechtlichen Ansprüchen unterliegen oder dazu dienen werden, eine gerichtliche Entscheidung auf Konfiskation (§ 19a StGB), auf Verfall (§ 20 StGB), auf erweiterten Verfall (§ 20b StGB), auf Einziehung (§ 26 StGB) oder eine andere gesetzlich vorgesehene vermögensrechtliche Anordnung zu sichern.

Inhaltlich gelten für den gerichtlichen Beschlagnahmebeschluss grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für die Sicherstellungsanordnung der Staatsanwaltschaft ( Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz , WK StPO § 115 Rz 9), in der nach § 102 Abs 2 StPO unter anderem die Art der Tat, derer der Beschuldigte verdächtig ist, und die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Straftat erforderlich und verhältnismäßig ist, enthalten und begründet sein müssen. Sie ist nur dann auszusprechen, wenn der der Sicherstellung zugrunde gelegte Verdacht auf das Vorliegen aller Konfiskations-, Verfalls- und/ oder Einziehungsvoraussetzungen weiterhin besteht, wobei auf die Verdachtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen ist ( Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz , WK StPO § 115 Rz 9). Während an den Grad des Tatverdachts bei der Sicherstellung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, weil die Sicherstellung lediglich einen ersten Zugriff bewirkt und der provisorischen Sicherung dient, bedarf es für die Beschlagnahme eines Verdachtsmoments, das qualitiativ höherwertig ausgestattet sein muss als das für die Sicherstellung erforderliche. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen (vgl RIS-Justiz RS0107304). Im Unterschied zum dringenden Tatverdacht reicht für die Beschlagnahme aber ein Verdacht aus, der die Anordnung der Maßnahme nach § 115 Abs 1 StPO wahrscheinlich macht (vgl OLG Wien 18 Bs 276/24f). Wie auch die Sicherstellung greift die Beschlagnahme in das Grundrecht auf Eigentum ein und ist daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet. Sie ist nur zulässig, wenn sich sachlich nachvollziehbar begründen lässt, dass sie für den zu erreichenden gesetzlich vorgesehenen Zweck ex ante erforderlich, geeignet und im engeren Sinn verhältnismäßig erscheint ( Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz , WK StPO § 115 Rz 11).

Im Sinn dieser Kriterien sind die Beschuldigten, gestützt auf die schlüssigen Angaben der F* in ihrer Zeugenvernehmung vom 5. Juli 2024 (ON 2.7), in der sie sich auch mit einem Betrag von insgesamt EUR 250.000,00 als Privatbeteiligte dem Verfahren angeschlossen hat (ON 2.7, 3), entgegen der aus der Beschwerdekritik ableitbaren Auffassung hinreichend verdächtig, das zu I./ dargestellte Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB begangen zu haben.

Dem primären Einwand der Beschwerdeführerin zuwider genügt es zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit hinsichtlich eines im Ausland begangenen Betrugs, wenn ein Vermögensschaden bei einem Dritten im Inland eintritt, etwa bei jener Bank, von der die im Ausland betrügerisch verwendete Kreditkarte ausgegeben worden ist. Bei einer Überweisung von einem Bankkonto auf ein anderes tritt der Vermögensschaden bereits bei Abbuchung vom Konto des Auftraggebers und nicht erst durch die Gutschrift auf dem Konto des Empfängers ein (vgl dazu Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 67 Rz 3/1 mwN).

Mit den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, die für eine Beschlagnahme erforderliche Verdachtslage entscheidend zu relativieren. Es ist zumindest derzeit kein vernünftiger Grund erkennbar, warum F* als Zeugin unter Wahrheitspflicht stehend die Beschuldigten bewusst wahrheitswidrig belasten sollte. Dabei ist auch zu beurteilen, dass F* in ihrer Einvernahme ohnehin darauf hingewiesen hat, A* B* C* bereits seit 2014 zu kennen und mit ihm sowohl freundschaftlich als auch geschäftlich verbunden gewesen zu sein. Selbst ohne notarielle Unterfertigung stützt zudem der auch von F* vorgelegte Darlehensvertrag (ON 2.10) durchaus ihre Angaben. Die Darstellung der Beschwerdeführerin, sie wäre rechtmäßige Eigentümerin einer Briefgrundschuld im Zusammenhang mit einem E* am 17. Dezember 2019 gewährten Privatdarlehen gewesen, woraus sich die Rechtsgrundlage für den von F* überwiesenen Betrag von EUR 100.000,00 für einen Immobilienkauf ergeben habe, lässt zumindest nach den derzeitigen Erkenntnissen nicht zwingend darauf schließen, dass konkret beim hier inkriminierten Vorgehen nicht betrügerisch gehandelt worden sei. Im Übrigen wurde selbst in der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Abtretung einer Briefgrundschuld vom 8. Jänner 2021 auf den Zusammenhang mit dem Abschluss eines Darlehensvertrags hingewiesen (ON 35, 6). Dazu weitere Aufklärungen lösen die Beschwerdeausführungen derzeit aber auch deswegen noch nicht aus, weil bislang nicht einmal die Ergebnisse der Einvernahmen der Beschuldigten vorliegen (vgl ON 39).

Hinsichtlich der Sicherung des Verfalls ist grundsätzlich festzuhalten, dass der Verfall nicht nur im Hinblick auf Vermögenswerte, die sich beim Täter befinden, sondern auch in Bezug auf Vermögenswerte Dritter angeordnet werden kann ( Leukauf/Steininger/Stricker , StGB 4 § 20a Rz 2). Eine Beschlagnahme ist demnach selbst bei unverdächtigen Dritten möglich, wenn die davon betroffenen Gegenstände oder Gelder aus einer Straftat herrühren (vgl Tipold/Zerbes , WK StPO § 111 Rz 2).

Für die Beschlagnahme durch Drittverbot und Veräußerungs- oder Belastungsverbot verweist § 115 Abs 4 StPO auf die sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der Exekutionsordnung (EO) über einstweilige Verfügungen (siehe dazu § 379 Abs 3 Z 3 EO). Daher scheidet aber eine Beschlagnahme zukünftiger Eingänge am Konto aus, weil solche Forderungen nicht durch Drittverbot getroffen werden können, deren Rechtsgrund im Zeitpunkt der richterlichen Beschlussfassung noch nicht geschaffen ist, von denen es also noch ungewiss ist, ob sie überhaupt zur Entstehung gelangen werden (RIS-Justiz RS0005503; 3 Ob 101/06h). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Pfändung ist die Zustellung des Zahlungsverbots an den Drittschuldner ( Kodek, Die Pfändung von Bankkonten, ÖBA 2010, 19). Die Beschlagnahme eines erst in Zukunft allenfalls entstehenden Bankguthabens, sohin einer allfälligen künftigen Forderung des Kontoinhabers gegen die Bank, ist nicht zulässig (vgl zum Ganzen OLG Wien 18 Bs 276/24 mwN).

Im weiteren Verfahren ist daher zunächst die Eruierung des zum fraglichen Zeitpunkt vorhandenen Kontoguthabens angezeigt, um die Höhe der Beschlagnahme verlässlich bestimmen zu können und damit eine allfällige Übersicherung zu vermeiden.

Da es sich zumindest nach dem bisherigen Akteninhalt bei der Kontoinhaberin um einen Dritten im Sinn der obigen Kriterien handelt, wäre zur Frage eines nach § 20a StGB möglichen Unterbleibens des Verfalls eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen, beispielsweise – wie vom Beschuldigten C* im Beschwerdeverfahren angeboten – durch entsprechende Einvernahmen der Beteiligten denkbar.

Im Fall einer neuen Beschlagnahme bei einem Dritten wird dabei auch zu berücksichtigen sein, dass das Erstgericht die Beschlagnahme entgegen der aktuellen, nicht restlos klaren Antragstellung auch auf § 115 Abs 1 Z 2 StPO gestützt hat.

Sollte von den Voraussetzungen für eine Beschlagnahme (auch) zu privatrechtlichen Zwecken nicht mehr ausgegangen werden, wäre außerdem gemäß § 115 Abs 5 StPO ein Deckungsbetrag zu bestimmen.

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass aufgrund der Kassation der angefochtenen Entscheidung ungeprüft bleiben kann, ob der Beschluss mittlerweile (auch) dem Beschuldigten C* bereits wirksam zugestellt wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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