4R164/24a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache des Klägers A*, geboren am **, **, vertreten durch die Lerch Nagel Heinzle Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die Beklagte Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen EUR 3.370,03 s.A. (Berufungsstreitwert EUR 342,00), über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 18. November 2024, GZ*-13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird in der Hauptsache nicht, jedoch im Kostenpunkt teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie zu lauten hat:
„3. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 1.646,38 (darin enthalten EUR 208,31 USt und EUR 396,53 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 176,36 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger stellte am 2. Februar 2021 bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat B*, einen Antrag auf Austausch bzw Umschreibung eines ausländischen EWR-Führerscheins.
Mit Bescheid vom 13. April 2023 zu GZ ** wies das Polizeikommissariat B* den Antrag des Klägers vom 2. Februar 2021 auf Umschreibung der Lenkberechtigung für die Klassen AM, A (Code 7903/04) und B ab, erkannte einer allenfalls eingebrachten Beschwerde gemäß § 13 „LvGVG“ die aufschiebende Wirkung ab und dem Kläger, sollte er Besitzer einer ausländischen Lenkberechtigung sein, diese ab und untersagte ihm das Lenken von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet von Österreich für den gleichen Zeitraum bzw vom ausländischen Führerschein zum Nachweis der Lenkberechtigung Gebrauch zu machen.
Der Führerschein, dessen Umschreibung der Kläger am 2. Februar 2021 beantragt hatte, ist in weiterer Folge abgelaufen und er erhielt am 21. Juli 2022 einen rumänischen Führerschein für die Klassen AM, B1 und B ausgestellt.
Der Kläger hat trotz der langen Untätigkeit des Polizeikommissariats B* nach der Antragstellung am 2. Februar 2021 keine Säumnisbeschwerde eingebracht. Nach Erhalt des Bescheids vom 13. April 2023 wandte sich der Kläger an die Klagevertreterin und beauftragte diese mit der entgeltlichen anwaltlichen Vertretung und der Einbringung einer Beschwerde. Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 13. April 2023 am 2. Mai 2023, vertreten durch die Klagevertreterin, Beschwerde mit der Begründung, dass der Führerschein, dessen Umtausch ursprünglich beantragt worden war, nicht mehr existiere, da der Kläger zwischenzeitlich am 21. Juli 2022 einen rumänischen Führerschein erhalten habe und er aufgrund des Anerkennungsgrundsatzes des Art 2 Abs 1 RL 2006/126/EG sowie § 1 Abs 4 FSG seine gesundheitliche Eignung nicht nachweisen müsse.
Am 10. Mai 2023 verfasste das Polizeikommissariat B* zwar ein Vorlageschreiben betreffend diese Beschwerde an das OÖ. Landesverwaltungsgericht, doch wurde die Vorlage tatsächlich nicht abgefertigt. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2023 legte der Kläger, vertreten durch die Klagevertreterin, die Beschwerde selbst unmittelbar dem OÖ. Landesverwaltungsgericht vor.
Das OÖ. Landesverwaltungsgericht gab der Beschwerde des Klägers Folge und hob den be-kämpften Bescheid mit der Begründung auf, dass die Versagung eines Dokumentenumtausches unter Hinweis auf den nicht erbrachten Nachweis der gesundheitlichen Eignung einer gesetzlichen Grundlage entbehre.
Der Kläger begehrt nach zweimaliger Einschränkung seines Begehrens letztlich aus dem Titel der Amtshaftung einen Betrag von EUR 3.370,03 s.A. mit der Begründung, dass der Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 13. April 2023 unvertretbar rechtswidrig gewesen sei. Da seine Beschwerde vom 2. Mai 2023 am 24. Mai 2023 noch nicht beim Verwaltungsgericht eingelangt sei, habe er sie mit Schriftsatz vom 24. Mai 2023 dem Verwaltungsgericht selbst vorgelegt. Der Höhe nach sei die direkte Beschwerdevorlage gemäß § 6 Abs 1 AHK nach TP 3A RATG zu entlohnen. Die direkte Beschwerdevorlage sei ein von der Judikatur entwickelter, gesetzlich nicht vorgesehener Rechtsbehelf für den Fall, dass die Behörde ihrer Pflicht, ein Rechtsmittel vorzulegen, nicht nachkomme, was im Schriftsatz dargelegt werden habe müssen. Zusätzlich habe argumentiert werden müssen, dass bei Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs 4 Satz 2 VwGVG die Beschwerde unverzüglich vorzulegen sei und daher die direkte Beschwerdevorlage bereits drei Wochen nach Einlangen bei der Erstbehörde zulässig sei.
Die Beklagte bestritt und wendete, soweit für das Berufungsverfahren relevant, ein, dass die geltend gemachten Kosten für den Schriftsatz vom 24. Mai 2023 keinen ersatzfähigen Verfahrenskostenaufwand im Sinn des § 1 Abs 1 AHG darstellen, weil eine direkte Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei. Die geltend gemachten Vertretungskosten seien jedenfalls als deutlich überhöht anzusehen.
Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die Beklagte schuldig, dem Kläger EUR 3.028,03 samt Zinsen zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von EUR 342,00 samt Zinsen ab. Weiters erkannte es die Beklagte schuldig, dem Kläger die mit EUR 1.493,48 (darin EUR 182,83 USt und EUR 396,53 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.
Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest; im Übrigen wird auf die Seiten 1 bis 3 der Urteilsausfertigung verwiesen (§ 500a ZPO).
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht einen Amtshaftungsanspruch dem Grunde nach. Die Beschwerdevorlage vom 24. Mai 2023 sei zulässig und vor dem Hintergrund, dass das Polizeikommissariat B* den Akt trotz ausreichender Zeit (drei Wochen) zur Prüfung der Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Beschwerde, aber auch zur Vorbereitung des Verwaltungsaktes für die Vorlage an das Verwaltungsgericht noch immer nicht vorgelegt habe, auch notwendig und zur Erreichung des Ziels der Behandlung der Beschwerde durch das OÖ. Landesverwaltungsgericht prinzipiell auch geeignet gewesen. Für diese Beschwerdevorlage stünden aber nur Kosten nach TP 2 RATG unter analoger Anwendung der Auffangklausel zu, schließlich sei dieser Schriftsatz nicht mit den in TP 3A RATG (oder TP 1 RATG) angeführten Schriftsätzen zu vergleichen.
Die Kostenentscheidung gründete das Erstgericht auf die §§ 43 Abs 1, 54 Abs 1a ZPO. Der Kläger habe im ersten Verfahrensabschnitt zu 75 %, im zweiten zu 85 % und im dritten zu 90 % obsiegt. Der eine Klagseinschränkung beinhaltende Schriftsatz vom 3. September 2024 (ON 7) sei jedenfalls zulässig gewesen, wie von der Beklagten eingewendet hätte aber sämtliches Vorbringen bereits im vorangehenden vorbereitenden Schriftsatz (ON 5) oder in der vorbereitenden Tagsatzung vom 10. September 2024 erstattet werden können, sodass dafür kein Kostenersatz zustehe. Die Dauer der Zeitversäumnis des klägerischen Anwalts von 13 Stunden sei in Anbetracht der gerichtsnotorischen Dauer der Zugfahrt von Bregenz nach B* unbedenklich.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und unrichtiger Kostenentscheidung mit dem Abänderungsantrag dahin, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm insgesamt EUR 3.370,03 zuzüglich Zinsen zu bezahlen, hilfsweise das angefochtene Urteil im Kostenpunkt dahin abzuändern, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm an Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens insgesamt EUR 1.915,84 (darin EUR 253,22 USt und EUR 396,53 Barauslagen) zu ersetzen.
Die Beklagte erstattete eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist in der Hauptsache nicht, jedoch im Kostenpunkt teilweise berechtigt.
Zur Rechtsrüge:
Der Berufungswerber vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass der Beschwerdevorlageschriftsatz entgegen der erstgerichtlichen Ansicht nicht nach TP 2, sondern nach TP 3A RATG zu entlohnen sei. TP 3A RATG gelange nicht nur für verfahrenseinleitende oder aufgetragene Schriftsätze zur Anwendung, sondern auch für andere Schriftsätze. Ein Beschwerdevorlageschriftsatz sei im Gesetz nicht vorgesehen, sondern von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig angesehen worden, wozu die Besonderheit komme, dass auch der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bekämpft worden sei. Im Vorlageschriftsatz habe dies rechtlich komplex und mit Judikaturzitaten unterlegt argumentiert werden müssen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch, ob die Beschwerdevorlage an das Landesverwaltungsgericht vom 24. Mai 2023 nach TP 2 oder nach TP 3A RATG zu honorieren ist. Da spezifische Kostenregelungen für das hier zu beurteilende Verwaltungsverfahren nicht vorliegen, hat die Berechnung des Honorars gemäß § 6 Abs 1 AHK unter sinngemäßer Anwendung des RATG zu erfolgen, insbesondere durch Anwendung der Bestimmungen über den Einheitssatz und der TP 1 bis 3 und 5 bis 9 RATG.
Maßgeblich für die (sinngemäße) Anwendung von TP 2 oder TP 3A RATG in einem Verwaltungsverfahren ist die Wertigkeit der jeweiligen Vertretungsleistung im hierarchisch gegliederten Rechtsschutzsystem (1 Ob 315/99a = SZ 73/7; OLG Wien 14 R 145/20a, 14 R 76/21f; Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.416). Es kommt also darauf an, mit welchem im Zivilprozess zulässigen Schriftsatz der hier zu beurteilende Schriftsatz am ehesten vergleichbar ist. Dabei ist ein Vergleich mit einer Klage unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Linz 4 R 113/20w entgegen der Ansicht des Berufungswerbers nicht zielführend, weil es sich bei der hier zu beurteilenden direkten Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht um keinen verfahrenseinleitenden Schriftsatz handelt.
Auch im Bereich der Amtshaftung sind vom Schädiger nur die (aus ex-ante Sicht) zweckmäßig aufgewendeten Kosten des Rettungsaufwandes zu ersetzen (RS0022802, RS0023516 [T2]; OLG Linz 4 R 113/20w). Der Verfahrenskostenaufwand muss zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands tatsächlich erforderlich sein (RS0023577; OLG Linz 4 R 187/13t; Schragel, AHG 3 Rz 173).
In diesem Sinn ist im Berufungsverfahren nicht mehr strittig, dass die direkte Beschwerdevorlage im vorliegenden Fall zweckentsprechend war. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann unter bestimmten - hier vorliegenden - Voraussetzungen dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit der Rechtsfolge, dass die Entscheidungsfrist zu laufen beginnt, nicht versagt bleiben (VwGH Ra 2017/19/0421 Rn 30ff ua). Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes musste der Vorlageschriftsatz allerdings keineswegs in rechtlich komplexer Weise und mit Judikaturzitaten unterlegt begründet werden, um zum gewünschten Ziel der Behandlung der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht zu führen. Das Berufungsgericht schließt sich daher der Ansicht des Erstgerichtes an, dass der Schriftsatz am ehesten unter den Auffangtatbestand der Tarifpost 2 I 1. lit e bzw I 3. lit f RATG subsumiert werden kann und nicht mit einem der in TP 3A RATG genannten Schriftsätze vergleichbar ist.
Der Berufung in der Hauptsache war daher ein Erfolg zu versagen.
Zur Kostenrüge:
Der Berufungswerber moniert zunächst, dass sein zulässiger Schriftsatz ON 7 nicht honoriert worden sei. Nicht richtig sei, dass er sämtliches Vorbringen bereits im vorangehenden vorbereitenden Schriftsatz erstatten hätte können, weil die Beklagte in dem ihr aufgetragenen Schriftsatz vom 30. August 2024 substanziell neues Vorbringen erstattet habe, insbesondere habe sie ihre Einwendungen der Höhe nach erstmals substanziiert, obwohl er bereits im Aufforderungsschreiben gemäß § 8 AHG die vier Honorarpositionen dargelegt habe und sich alle vier Schriftsätze im Behördenakt befinden würden.
Die Frage der prozessualen Zulässigkeit des vorbereitenden Schriftsatzes besagt noch nicht, dass er auch zweckmäßig und notwendig im Sinn des § 41 Abs 1 ZPO ist. Insbesondere darf das vorgeschriebene Klagsvorbringen (§ 226 Abs 1 ZPO) nicht auf mehrere Schriftsätze - hier auf eine (unvollständige) Klage und zwei nachfolgende Schriftsätze - aufgeteilt („aufgesplittert“) werden. Bei einer gegenteiligen Vorgangsweise ist der vorbereitende Schriftsatz trotz seiner Zulässigkeit nicht zu honorieren ( Obermaier aaO Rz 3.56 mN).
In diesem Sinn ist der Beklagten Recht zu geben, dass der Kläger nicht schon in der Klage, sondern erst im aufgetragenen Schriftsatz vom 13. August 2024, ON 5, ein spezifiziertes Vorbringen zu den einzelnen Kostenpositionen erstattet hat, auf das die Beklagte repliziert hat. Die Replik vom 3. September 2024, ON 7, wurde daher nur durch das vorangegangene Versäumnis des Klägers notwendig, sodass sie vom Erstgericht zu Recht nicht honoriert wurde. Daran ändern auch die sukzessiven, jeweils ausschließlich in der Sphäre des Klägers gelegenen Klagseinschränkungen in den Schriftsätzen ON 5 und ON 7 nichts, weil auch diese in einem einzigen Schriftsatz erfolgen hätten können.
Recht zu geben ist dem Berufungswerber allerdings darin, dass unter Zugrundelegung der jeweiligen Obsiegensquoten die erstgerichtliche Berechnung des Honorars nicht nachvollziehbar ist. Tatsächlich errechnen sich für die Klage (Obsiegen von 75 % im ersten Verfahrensabschnitt, daher Ersatz von 50 %), den vorbereitenden Schriftsatz vom 13. August 2024 (Obsiegen von 85 % im zweiten Verfahrensabschnitt, daher Ersatz von 70 %) und die Verhandlung vom 10. September 2024 (Obsiegen von 90 % im dritten Verfahrensabschnitt, daher Ersatz von 80 %) zu ersetzende Prozesskosten von netto EUR 1.041,54. Zuzüglich EUR 208,31 USt und EUR 396,53 richtig ermittelter zu ersetzender Barauslagen ergibt sich ein Prozesskostenersatz von EUR 1.646,38 an den Kläger.
Die Kostenentscheidung war daher entsprechend abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Eine Honorierung der Kostenrüge bzw deren Beantwortung kommt nicht in Betracht, weil einerseits eine doppelte Entlohnung der Rechtsmittelbeantwortung nicht zu erfolgen hat ( Obermaier aaO Rz 1.98 mN), zumal die Beklagte diese Kosten ohnehin nur eventualiter verzeichnet hat. Andererseits obsiegt der Kläger mit seiner Kostenrüge mit weniger als 50 %, nämlich mit 36,2 %, sodass ihm schon aus diesem Grund kein Kostenersatz gebührt.
Die Entscheidung über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO.