JudikaturOLG Linz

3R13/25i – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Dr. Gert Schernthanner in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH , FN **, **, **, vertreten durch die Helml Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die Beklagte B* a.s. , ** C*, **, ** C*, vertreten durch Dr. Roland Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 207.844,74 sA über die Berufung der Klägerin (Berufungsstreitwert EUR 189.449,17 sA) gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Linz vom 26. November 2024, Cg*-56, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 3.530,60 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Dezember 2019 wurden D* E* und F* G* - beide Dienstnehmer der Klägerin - bei einem Verkehrsunfall in Tschechien verletzt. Sie befanden sich im von H* gelenkten, von der I* gehaltenen und bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fiat Ducato.

Die Verletzungen zogen Krankenstände der Dienstnehmer der Klägerin nach sich. Die Klägerin leistete die in Österreich gesetzlich vorgesehene Entgeltfortzahlung. Den Arbeitsausfall D* E* und F* G* versuchte die Klägerin durch Mehrleistungen anderer Arbeitnehmer und ihres Geschäftsführers zu kompensieren.

Die Klägerin begehrt Zahlung von EUR 207.844,74 sA, wovon EUR 25.650,00 sA auf von anderen Mitarbeitern der Klägerin infolge des Ausfalls ihrer beim Verkehrsunfall verletzten Dienstnehmer geleistete Überstunden, EUR 138.434,06 sA auf einen Gewinnentgang der Klägerin und EUR 25.365,11 sA auf einen aus der Arbeitsunfähigkeit F* K* und D* J* resultierenden „Materialkostenausfall“ der Klägerin entfallen. Der Restbetrag (EUR 18.395,57 sA) betrifft Entgeltfortzahlungen der Klägerin. F* G* als Elektromeister habe bis dato nicht ersetzt werden können, weshalb erhebliche „Materialausfallkosten“ entstanden seien, die nicht ausgeglichen oder anderweitig minimiert hätten werden können. Auch einen Gewinnentgang habe sie nicht ausgleichen können. Sie sei zudem gezwungen gewesen, anderen Arbeitnehmern Überstunden zu bezahlen.

Die Beklagte bestritt (die in erster Instanz noch bestrittene internationale Zuständigkeit des Erstgerichtes ist nicht mehr strittig). Die Klägerin mache einen mittelbaren Schaden geltend, der nach tschechischem Recht nicht ersatzfähig sei.

Mit dem angefochtenen Teilurteil wies das Erstgericht die Klage im Umfang von EUR 189.449,17 sA (die Positionen Überstundenleistungen, Gewinnentgang und „Materialkostenausfall“ betreffend) ab. Dieser Entscheidung legte es den auf den US 2 und 3 festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den verwiesen wird (§ 500a ZPO). Das für das Berufungsverfahren Wesentliche wurden bereits eingangs hervorgehoben.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von der Anwendbarkeit tschechischen Rechts aus. Es seien nur die in § 6 Abs 2 des Gesetzes Nr. 168/1999 taxativ aufgezählten Ansprüche zu ersetzen. Für darin nicht genannte Ansprüche - wie die geltend gemachten Überstundenleistungen - bestehe kein direkter Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer. Die Beklagte sei insofern nicht passiv legitimiert. Der geltend gemachte Gewinnentgang und „Materialkostenausfall“ seien nach tschechischem Recht nicht ersatzfähig, handle es sich doch insofern um indirekte Schäden.

Gegen dieses Teilurteil richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsstattgabe in diesem Umfang gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird der Zuspruch von EUR 163.799,17 sA an Gewinnentgang und „Materialkostenausfall“ begehrt. Wiederum hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Mit ihrer Berufungsbeantwortung strebt die Beklagte die Bestätigung des Ersturteils an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Rechtsrüge:

1. Zwischen den Parteien ist - zu Recht (vgl das Haager Straßenverkehrsübereinkommen (HStVÜ), insbesondere Art 3 HStVÜ) - unstrittig, dass tschechisches Recht zur Anwendung gelangt.

Nach § 3 IPRG ist fremdes Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden; es kommt in erster Linie auf die dort von der Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis an (RS0113594).

Gemäß § 4 Abs 1 IPRG ist fremdes Recht - wie das Erstgericht zutreffend festgehalten hat - von Amts wegen zu ermitteln, wobei sich der Richter die entsprechenden Kenntnisse in jeder Lage des Verfahrens selbst zu verschaffen hat (RS0045163; RS0040189). Wie er sich diese notwendigen Kenntnisse des fremden Rechts verschafft, liegt in seinem Ermessen (RS0045163 [T11]; RS0040189 [T8]). Zulässige Hilfsmittel zur Ermittlung des fremden Rechts sowie der einschlägigen Rechtsprechung und Lehre sind etwa die Mitwirkung der Beteiligten (auch durch Vorlage von Rechtsgutachten), Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten (RS0045163 [T11, T13]; RS0040189 [T8]). Die Überprüfung und Beurteilung der vorliegenden Ermittlungshilfen ist ein Akt der rechtlichen Beurteilung, da das fremde Recht nicht als Tatsache gewertet wird (RS0045163 [T14, T15]).

Die Klägerin behauptet in ihrer Berufung nicht, dass das Erstgericht das tschechische Recht unzutreffend ermittelt habe.

Das Gesetz Nr. 168/1999 Z.z., Gesetz über die Haftpflichtversicherung für den Betrieb von Kraftfahrzeugen, lautet - soweit maßgeblich - wie folgt:

„§ 2

Im Sinne dieses Gesetzes versteht man

(g) unter einem Geschädigten eine Person, die durch den Betrieb eines Fahrzeugs geschädigt wurde und Anspruch auf Schadenersatz hat.

§ 6

(1) Die Haftpflichtversicherung gilt für jede Person, die für einen durch den Betrieb des im Versicherungsvertrag bezeichneten Fahrzeugs verursachten Schaden ersatzpflichtig ist.

(2) Soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, hat der Versicherte Anspruch darauf, dass der Versicherungsgeber für ihn in dem Umfang und in der Höhe gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch dem Geschädigten Folgendes ersetzt,

a) den Schaden, welcher durch Körperverletzung oder durch Tötung entstanden ist,

b) die vollen Kosten für die Pflege eines verletzten Tieres und den Schaden, der durch die Beschädigung, die Zerstörung oder das Abhandenkommen von Sachen entstanden ist, sowie den Schaden, der durch die Entwendung von Sachen entstanden ist, wenn die betroffene natürliche Person die Fähigkeit verloren hat, für sie zu sorgen,

c) den entgangenen Gewinn,

d) die angemessenen Anwalts- und Gerichtskosten, welche bei der Geltendmachung des Anspruchs nach den Buchstaben a) bis c) entstanden sind; in Bezug auf einen Anspruch nach den Buchstaben b) oder c) jedoch nur im Falle eines fruchtlosen Fristablaufes der Verjährungsfrist nach § 9 Absatz 3 oder einer ungerechtfertigten Ablehnung oder einer ungerechtfertigten Kürzung der Versicherungsleistung durch den Versicherer.“

§ 2910 des Gesetzes Nr. 89/2012 Z.z., BGB, lautet: „Der Schädiger, der aus eigenem Verschulden eine gesetzliche Pflicht verletzt und dadurch in ein absolutes Recht des Geschädigten eingreift, hat dem Geschädigten den Schaden zu ersetzen, den er dadurch verursacht hat. Die Ersatzpflicht trifft auch den Schädiger, der in ein anderes Recht des Geschädigten durch schuldhafte Verletzung einer zum Schutz dieses Rechts begründeten Rechtspflicht eingreift.“

2. Der erkennende Senat erachtet die - unter Wiedergabe einschlägiger tschechischer Judikatur - dargelegte Rechtsansicht des Erstgerichtes für zutreffend, die Berufungsausführungen hingegen für nicht stichhältig, sodass auf die Bezug habenden Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen werden kann (§ 500a ZPO) und es ausreicht, zu den Einwänden der Klägerin kurz Stellung zu nehmen.

Die Klägerin behauptet in ihrer Berufung nicht, dass das Erstgericht die im Ersturteil zitierten Entscheidungen inhaltlich unrichtig wiedergegeben habe oder diese in den vorgelegten Rechtsgutachten und Stellungnahmen unrichtig wiedergegeben worden seien.

2.1. Hinsichtlich des Schadens der Klägerin in Form der Überstundenleistungen verwies das Erstgericht auf die (nicht nur in der Beilage ./12, sondern auch in der von der Klägerin vorgelegten Beilage ./BE zitierte) Entscheidung 25 Cdo 3521/2006, derzufolge kein direkter Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer für nicht in § 6 Abs 2 des Gesetzes Nr. 168/1999 angeführte Ansprüche besteht, weshalb ein Ersatz des Schadens in Form von erhöhten Kosten für die Person, die den bei einem Verkehrsunfall verletzten Geschäftsführer einer Gesellschaft vertritt, ausscheidet. Das Erstgericht hielt ausgehend davon fest, dass in Bezug auf die Überstundenleistungen kein Direktanspruch gegen die Beklagte bestehe, sodass diese nicht passiv legitimiert sei, weil ein solcher Anspruch nicht in § 6 Abs 2 des Gesetzes Nr. 168/1999 angeführt sei.

Dagegen trägt die Klägerin in ihrer Berufung nichts konkretes vor. Sie behauptet nicht, dass die genannte Entscheidung nicht entscheidungsrelevent sei. Sie legt auch nicht dar, dass und warum dem Erstgericht insofern ein korrekturbedürftiger Fehler unterlaufen sein soll. Die Klägerin nimmt konkret nur Bezug auf den ihrerseits geltend gemachten Gewinnentgang. Insofern ist auf das Thema Überstundenleistungen nicht weiter einzugehen und eine Korrektur des Ersturteils auch nicht angezeigt.

2.2. In Bezug auf den Gewinnentgang und die (in der Berufung so bezeichneten) entgangenen Sachkosten, die den Berufungsausführungen zufolge (vgl S 3 der Berufung) ihrem Wesen nach entgangener Gewinn seien, verweist die Klägerin zunächst darauf, dass diese Ansprüche unter § 6 Abs 2 des Gesetzes Nr. 168/1999 fallen würden. Das Erstgericht hat jedoch insofern eine Ersatzfähigkeit verneint, nicht aber damit argumentiert, dass dieser Anspruch nicht in der in Rede stehenden Bestimmung angeführt ist.

Soweit die Klägerin argumentiert, dass sie als Arbeitgeberin der durch den Verkehrsunfall unmittelbar verletzten Arbeitnehmer einen Schaden in Form des Gewinnentgangs und „Sachkostenentgangs“ erlitten habe, ist festzuhalten, dass es insofern um die Frage der Ersatzfähigkeit eines Drittschadens geht. Dass die Klägerin - entgegen ihrem Standpunkt - keine (durch eine rechtswidrige Handlung) unmittelbar Geschädigte ist und durch den Verkehrsunfall keinen „direkten und unmittelbaren“ Schaden erlitten hat, bedarf keiner weitwendigen Erklärung. Den vom Erstgericht zitierten Entscheidungen 25 Cdo 535/2018 (in ON 48.1 und der Beilage ./16) sowie Rv 12602/34 (in ON 48.1) lässt sich im Einklang mit dem Erstgericht entnehmen, dass der hier von der Klägerin geltend gemachte Gewinnausfall und der (mit einem Gewinnentgang vergleichbare) „Materialkostenausfall“ - entsprechend dem österreichischen Recht (vgl etwa RS0022638) - nach tschechischem Recht einen nicht ersatzfähigen Drittschaden darstellen.

Aus den von der Klägerin zitierten Entscheidungen ergibt sich nichts Gegenteiliges bzw. nichts für ihren Standpunkt. Die Entscheidung 25 Cdo 1334/2020 (in ON 48.1) nimmt Bezug auf Leistungen eines ausländischen Sozialversicherungsträgers infolge Minderung der Arbeitsfähigkeit eines bei einem Verkehrsunfall Geschädigten. Die Entscheidung 25 Cdo 1638/2005 (in ON 48.1) betrifft einen sogenannten Lohnfortzahlungsfall (insofern hat das Erstgericht die Passivlegitimation der Beklagten im Übrigen bejaht, vgl US 8). Soweit die Klägerin auf die Entscheidung 25 Cdo 4112/2017 (Beilage ./4) verweist, derzufolge von der Haftpflichtversicherung nicht alle Schäden ersetzt werden, sondern nur die in § 6 Abs 2 des Gesetzes Nr. 168/1999 taxativ aufgezählten Schäden, ist dies zwar richtig, allerdings ist nicht ersichtlich, inwiefern ihr dies zum Vorteil gereichen soll, zumal dies - wie bereits ausgeführt - in Bezug auf die Abweisung des Gewinnentgangs nicht maßgeblich war. Aus der Entscheidung 25 Cdo 535/2018 ergibt sich nicht bloß, dass der vom Arbeitgeber geltend gemachte Schaden in Form der dem Arbeitnehmer infolge Kündigung wegen verkehrsunfallbedinger Arbeitsunfähigkeit bezahlten Abfindung mangels Aufzählung in § 6 Abs 2 des Gesetzes Nr. 168/1999 nicht zu ersetzen sei. Entgegen der Ansicht der Klägerin versteht § 2 lit g des Gesetzes Nr. 168/1999 unter „Geschädigten“ die Person, die durch den Betrieb eines Fahrzeugs (unmittelbar) geschädigt wurde, nicht aber eine Person wie die Klägerin, die durch die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ihrer Arbeitnehmer (mittelbar) geschädigt wurde.

Aus den von der Klägerin vorgetragenen Argumenten ist im Ergebnis eine Korrektur des Ersturteils auch in Bezug auf den Gewinnentgang nicht angezeigt.

II. Ergebnis, Kosten, Zulassung:

1. Der Berufung war kein Erfolg zuzuerkennen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

Die Beklagte verzeichnet in ihrer Berufungsbeantwortung kommentarlos 20 % USt. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwaltes für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess - kommentarlos - 20 % Umsatzsteuer, so wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (§ 54 Abs 1 ZPO). Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes - wie hier - nicht allgemein bekannt, kann die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (vgl RS0114955). Ihrer Behauptungs- und Bescheinigungspflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen, sodass die Kosten für die Berufungsbeantwortung ohne Umsatzsteuer zuzusprechen sind.

3. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht von der Lösung erheblicher, im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierter Rechtsfragen abhängig war.

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