9Bs6/25h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* und andere Personen wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 und Abs 5 Z 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 6. Dezember 2024, GZ1*-53, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Strafantrag vom 16. Oktober 2024, GZ2* (ON 3), legte die Staatsanwaltschaft dem am ** geborenen A*, dem am ** geborenen B*, dem am ** geborenen C* und dem am ** geborenen D* das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 und Abs 5 Z 2 StGB sowie das Vergehen des Raufhandels nach § 91 Abs 2 erster Fall StGB zur Last.
Demnach haben die Angeklagten gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten E* und dem abgesondert verfolgten, weil strafunmündigen F* am 19. Mai 2024 in **
I./ mit mindestens zwei Personen in verabredeter Verbindung G* durch einen Stoß gegen den Körper und einen Faustschlag ins Gesicht, wodurch dieser zu Boden gestürzt sei und durch Fußtritte gegen Kopf und Körper des am Boden liegenden Opfers am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung, nämlich einen operativ zu versorgenden Bruch des linken Sprunggelenks und eine Rissquetschwunde über dem rechten Auge herbeigeführt;
II./ an einem Angriff mehrerer tätlich teilgenommen, wobei der Angriff eine Körperverletzung, nämlich Schmerzen und eine Schwellung am rechten kleinen Finger und Hautabschürfungen am Körper des H*, welcher ins Gebüsch gestoßen und in den Bauch getreten wurde, verursacht habe.
B* wurde mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg vom 6. Dezember 2024 (ON 51) gemäß § 259 Z 3 StPO von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen.
Das Strafverfahren gegen A*, C* und D* wurde nach Durchführung der Hauptverhandlung am 6. Dezember 2024 (ON 50) mit dem angefochtenen Beschluss (ON 53) gemäß §§ 198f, 203 Abs 1 StPO iVm § 7f JGG unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt, und zwar je mit der Verpflichtung, zur ungeteilten Hand bis zum 15. März 2025 an das Opfer G* einen Schmerzengeldbetrag von EUR 2.400,00 und an das Opfer H* einen Schmerzengeldbetrag von EUR 100,00 und EUR 20,00 Schadenersatz zu bezahlen, sowie unter Anordnung der Bewährungshilfe gemäß § 52 StGB. Von der Bestimmung eines Pauschalkostenbeitrags wurde gemäß § 388 Abs 3 StPO abgesehen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde (ON 47) ist nicht berechtigt.
Das Gericht hat gemäß § 7 Abs 1 JGG nach dem 11. Hauptstück der StPO vorzugehen und ein Verfahren diversionell zu erledigen (§§ 198 Abs 1, 199 StPO), wenn aufgrund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf die Zahlung eines Geldbetrags (§ 200 StPO) oder die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201 StPO) oder die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe unter Erfüllung von Pflichten (§ 203 StPO), oder einen Tatausgleich (§ 204 StPO) nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten. Ein solches Vorgehen ist jedoch – soweit hier von Relevanz – nur zulässig, wenn die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre (§ 7 Abs 2 Z 1 JGG).
Für die Frage, ob von schwerer Schuld auszugehen ist, ist jener Schuldbegriff maßgeblich, der nach §§ 32 ff StGB die Grundlage für die Bemessung der Strafe bildet. Die Prüfung dieser Frage verlangt stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände. Demnach müssen Handlungs-, Erfolgs- und Gesinnungsunwert insgesamt eine Höhe erreichen, die im Weg einer überprüfenden Gesamtwertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Dabei kommt der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu (RIS-Justiz RS0116021, RS0122090; Schroll/Oshidari in Höpfel/Ratz , WK 2 JGG § 7 Rz 14f).
Das hier inkriminierte und im Vordergrund stehende Verbrechen der Körperverletzung ist im Fall einer Jugendstraftat mit Freiheitsstrafe von bis zu zweieinhalb Jahren bedroht (§ 84 Abs 4 StGB iVm § 5 Z 4 JGG), weshalb alleine die Tatbestandsverwirklichung in der Regel noch nicht ein so auffallend hohes Maß an krimineller Energie sowie einen erheblich sozialen Störwert und gesteigerten Unrechtsgehalt signalisiert, welche einer diversionellen Maßnahme entgegen stünden ( Schroll/Oshidari in Höpfel/Ratz WK 2 JGG § 7 Rz 14 f mzH).
Wenngleich die unter Hinweis auf die konkreten Tatmodalitäten pauschal auf schwere Schuld abzielende Berufungsargumentation der Staatsanwaltschaft nicht völlig von der Hand zu weisen ist, darf hier zunächst nicht übersehen werden, dass es sich bei den drei Angeklagten um zum Tatzeitpunkt zwei gerade 14-Jährige und einen knapp 15-Jährigen handelt, die bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sind.
Nach der Rechtsprechung wäre etwa ein grundlos und brutal geführter Angriff auf einen Unbekannten sowie Tritte auf eine bereits am Boden liegende Person als besonders verwerflich einzustufen; jugendliche Unreife vermag hingegen die Vorwerfbarkeit der Tat zu reduzieren (vgl Schroll/Kert in Fuchs/Ratz WK StPO § 198 Rz 20 mwN).
Ohne den inkriminierten Vorfall und die Verletzungen der Opfer zu bagatellisieren, ist bei dem aus den vorliegenden Aussagen ableitbaren Vorgehen sämtlicher Beteiligter noch keine Verhaltensweise einem der drei von der Beschwerde umfassten Angeklagten konkret zuordenbar, die insgesamt gesehen auf einen bereits auffallend hohen und ungewöhnlichen Handlungs- und Gesinnungsunwert weisen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach den nachvollziehbaren Erwägungen des Erstgerichts Tritte gegen den Kopf ausgeschlossen werden konnten und auch nicht davon auszugehen ist, dass die Angeklagten die schwere Verletzung am Fuß des Opfers G* vorsätzlich verursacht haben.
Da der Sachverhalt nach Durchführung des Beweisverfahrens hinreichend geklärt ist, die Angeklagten in der Hauptverhandlung die Verantwortung übernommen haben (vgl dazu Schroll/Kert in Fuchs/Ratz WK StPO § 198 Rz 36/1f) und von spezialpräventiven Hemmnissen, welche einer diversionellen Erledigung entgegenstünden, auch mit Blick auf die durchaus positiven Jugenderhebungen nicht auszugehen ist, bleibt es bei der erstgerichtlichen Entscheidung.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).