JudikaturOLG Linz

10Bs18/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
10. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafvollzugssache A* wegen bedingter Entlassung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 15. Jänner 2025, GZ1*-24, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene afghanische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Jahren, die über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 11. Juli 2019, GZ2*, rechtskräftig mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 20. Mai 2020, 10 Bs 92/20k, wegen je des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 dritter und vierter Fall StGB idF vor BGBl I 2019/105, des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 letzter Fall StGB, des Vergehens der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz, Abs 4 Z 1 StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach „§ 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, teils Abs 2; § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, teils Abs 4 Z 1 SMG“ verhängt wurde.

Das voraussichtliche Strafende fällt auf den 28. März 2028. Zwei Drittel der Strafe werden am 28. März 2025 vollzogen sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht eine bedingte Entlassung des Strafgefangenen aus spezialpräventiven Gründen ab (ON 24).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Strafgefangenen erhobene Beschwerde (ON 26) ist nicht berechtigt.

Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten Freiheitsstrafe oder ihres nicht bedingt nachgesehenen Teils, mindestens aber drei Monate, verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird (§ 46 Abs 1 StGB). Die für eine bedingte Entlassung erforderliche günstige Spezialprognose ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dafür erheblichen Umstände vorzunehmen, mithin unter Berücksichtigung der Art der Tat(en), des privaten Umfelds des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw. ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2 StGB § 46 Rz 15/1).

Zutreffend weist das Erstgericht auf die der Verurteilung zugrunde liegende schwere Sexualdelinquenz des Strafgefangenen hin. Dem Schuldspruch zufolge hat der Strafgefangene am Abend des 30. Oktober 2018 bis in die frühen Morgenstunden des 31. Oktober 2018 unter anderem gemeinsam mit vier weiteren Mittätern abwechselnd eine zum Tatzeitpunkt 12-Jährige über Stunden hinweg vergewaltigt, schwer sexuell missbraucht und schließlich im Anschluss an diese Tathandlungen durch gefährliche Drohung zur Abstandnahme der Anzeige wegen dieser Tathandlungen genötigt (Punkt A. I. bis III. des Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11. Juli 2019, GZ3*).

Schon die Art und Weise der von A* begangenen Straftat bedarf einer intensiven charakterlichen Nachreifung und einer Aufarbeitung, um ihm im Sinne des § 20 StVG zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen, den Unwert seines Verhaltens aufzuzeigen und ihn von ähnlicher Delinquenz abzuhalten.

Mit Blick auf die Stellungnahme der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) vom 6. Juni 2023 (ON 21), wonach beim Strafgefangenen dem statistisch-nomothetischen Kriminalprognosescreening zufolge ein überdurchschnittliches Risiko für die Begehung eines neuerlichen Sexualdelikts vorliegt, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anzunehmen, dass eine vorzeitige Entlassung (selbst in Kombination mit Maßnahmen iSd § 50 ff StGB) ihn gleichermaßen wie der weitere Vollzug der Freiheitsstrafe von neuerlicher Delinquenz abhalten wird.

Daran vermag auch die Tatsache, dass der Strafgefangene seit April 2023 Einzelpsychotherapie in Anspruch nimmt und ihm eine engagierte Mitarbeit zu allen relevanten Themen inklusive Reflexion der Situation attestiert wird (ON 23), wenngleich dies positiv hervorzuheben ist, nichts zu ändern.

Vielmehr wird die Spezialprognose durch die (derzeit) unklare Situation belastet, wo der Strafgefangene wohnen wird und wie er seinen Lebensunterhalt zu finanzieren gedenkt, zumal die Frage der Arbeitserlaubnis sowie generell einer Aufenthaltsberechtigung in Österreich angesichts des rechtskräftigen Bescheids vom 10. April 2019 über eine Rückkehrentscheidung und der daher zu erwartenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen nach einer Haftentlassung ungeklärt ist. Sein Wunsch in Österreich zu bleiben und eine Wohnmöglichkeit bei einem sehr guten Freund in ** zu haben, ist keine Basis für Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB.

Wenngleich die Bemühungen des Strafgefangenen – Absolvierung einer Bäckerlehre und des Staplerführerscheins trotz zu Haftbeginn bestehendem Analphabetismus – zu berücksichtigen sind, ist bei einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände in Übereinstimmung mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass noch eine weitere Phase eines ordnungsgemäßen Strafvollzuges notwendig ist, um das einschlägige Rückfallrisiko und die einer bedingten Entlassung entgegenstehenden spezialpräventiven Erwägungen (weiter) zu reduzieren. Derzeit kann eine dem Strafvollzug gleichwertige deliktsabhaltende Wirkung einer bedingten Entlassung nicht erwartet werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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