JudikaturOLG Linz

9Bs10/25x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
05. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* B* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Salzburg vom 7. Mai 2024, GZ1*-24, nach der in Anwesenheit des Ersten Staatsanwalts Mag. Holzleitner als Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Jelinek durchgeführten Berufungsverhandlung am 5. Februar 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* B* von der wider ihn erhobenen Anklage (ON 12) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe am 7. Dezember 2023 in **

1./ vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er angab „... ich war mit meinem Freundeskreis auf der mittleren Ebene an einem Tisch, der Erstangeklagte mit seinem Geburtstagstisch auf der obersten Ebene. Ich ging dann auf das WC und als ich zurückkam, bemerkte ich die Securities in diesem Bereich hinlaufen und den C* rausbringen. Ich möchte noch dazusagen, dass ich an diesem Abend selbst alkoholisiert war. ... Wer mich kennt, weiß, dass ich immer „blunzenfett“ bin. Nein, von dieser Auseinandersetzung habe ich gar nichts mitbekommen“;

2./ durch die zu 1./ getätigte Falschaussage D* B*, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, nämlich das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zum Nachteil des C* E*, der Verfolgung absichtlich ganz zu entziehen versucht.

Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (ON 25) strebt die Staatsanwaltschaft primär einen strafantragskonformen Schuldspruch an, wogegen sich der Angeklagte in seiner Gegenausführung ausgesprochen hat (ON 26).

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Maßgeblich für dieses Verfahren ist die Beurteilung der Aussage des nunmehrigen Angeklagten als Zeuge in der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2023 im Verfahren GZ2* des Landesgerichts Salzburg gegen D* B* und F* (ON 10). Soweit für dieses Verfahren noch von Relevanz war D* B* das Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 83 Abs 1 StGB zur Last gelegt worden, weil er am 5. März 2023 C* E* durch das Versetzen von zumindest drei Faustschlägen in das Gesicht am Körper zu verletzen versucht haben soll. Im Umfang dieses Vorwurfs wurde das Verfahren gegen D* B* gemäß § 7 Abs 1 Z 1 JGG iVm § 19 Abs 2 JGG und § 200 StPO eingestellt. Von weiteren Anklagevorwürfen wurden D* B* und F* mit (gekürzt ausgefertigtem Urteil) des Einzelrichters des Landesgerichts Salzburg vom 7. Dezember 2023 gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Erstmalig wurde A* B* in jenem Verfahren in der Hauptverhandlung vom 14. November 2023 erwähnt, als C* E* zur Identifikation der Täter befragt angab, A* B* habe das Ganze gesehen, ihm aber nicht geholfen, weil er mit denen verwandt sei. Er habe gesagt, es sei einer der Söhne vom Chef, und zwar der jüngere gewesen (ON 9, 12). Über Befragen durch den öffentlichen Ankläger gab er weiter an: „Ja, nach meinen Informationen war A* B* vor Ort und hat das auch alles gesehen“ (ON 9, 13). In der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2023 stellte A* B* als Zeuge vernommen zunächst klar, nicht mit dem (damaligen) Angeklagten verwandt zu sein. Er kenne den Erstangeklagten über dessen Vater, der ein guter Freund von ihm sei. Auch der Zweitangeklagte gehöre zu diesem Freundeskreis und auch C* E* sei ein Freund von ihm. Im übrigen tätigte er nach dem Hauptverhandlungsprotokoll (ON 10, 4) – wie auch vom Erstgericht erkennbar festgestellt (US 4) – die in diesem Verfahren inkriminierten Angaben.

Nach den relevanten – und von der Staatsanwaltschaft bekämpften – Feststellungen des Erstgerichts kann nicht festgestellt werden, dass es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, im Rahmen seiner Zeugenvernehmung eine objektiv unrichtige Aussage zu treffen oder in der Absicht handelte, einen anderen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, der Vollstreckung oder der Verfolgung der Strafe oder vorbeugenden Maßnahmen ganz oder zum Teil zu entziehen (US 4).

Beweiswürdigend führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, A* B* habe seine Wahrnehmungen zu der Auseinandersetzung und zu der Hauptverhandlung vom 7. Dezember 2023 sowohl in der Hauptverhandlung am 12. März 2024 als auch am 7. Mai 2024 sachlich und nachvollziehbar sowie frei von Widersprüchen geschildert und auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Er habe plausibel darzulegen vermocht, wie es zu der Protokollierung der Aussage, dass er von der Auseinandersetzung „nichts mitbekommen“ habe, gekommen ist. Dabei habe er sich vor allem darauf gestützt, keine Faustschläge auf der dritten Ebene des VIP-Bereichs wahrgenommen zu haben, jedoch – ohne zu differenzieren – lediglich zu der Auseinandersetzung auf dieser dritten Ebene befragt worden zu sein. Da die vernommenen Personen aussagten, dass der VIP-Bereich auf mehrere Ebenen verteilt sei und der Vorfall auf zwei verschiedenen Ebenen stattgefunden habe, konnte die Feststellung getroffen werden, dass es zwei voneinander getrennt zu berücksichtigende tätliche Auseinandersetzungen gegeben habe. Auch von der Anklage in jenem Verfahren sei konkret jener Teil der Auseinandersetzung erfasst worden, der sich auf der dritten Ebene des VIP-Bereiches ereignet hatte. Im gegenständlichen Verfahren konnte der Angeklagte glaubhaft darlegen, dass er zu der Auseinandersetzung auf der dritten Ebene keine Wahrnehmungen erlangt haben konnte, weil er sich zu dem Zeitpunkt auf der Toilette befunden habe und erst zurück zu seinem Tisch in der zweiten Ebene des VIP-Bereiches gekommen sei, als die Türsteher des Lokals bereits versuchten, C* E* aus dem Lokal zu führen.

Auch aus dem Telefongespräch zwischen dem Angeklagten und C* E* gehe hervor und habe C* E* dies auch zugestanden, dass der Angeklagte nicht bei der gesamten Auseinandersetzung dabei war, was wiederum für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten spreche, da dieser stringent darlegte, nur den zweiten Teil der Auseinandersetzung mitbekommen zu haben. Soweit C* E* beim Telefonat mit dem Angeklagten immer nur davon gesprochen hat, dass er den Angeklagten angesehen habe, wurde nie behauptet, dass der Angeklagte den C* E* ebenfalls angesehen habe.

Mangels faktischer Möglichkeit, Wahrnehmungen zu jenem Teil der Auseinandersetzung zu erlangen, der sich auf der dritten Ebene des VIP-Bereiches ereignet habe, könnten die Angaben des Angeklagten demnach nicht als Falschaussage gewertet werden (US 4ff).

Mit ihrer Berufung wendet sich die Staatsanwaltschaft nun gegen die Negativfeststellungen des Erstgerichts, indem sie insbesondere die Annahme als verfehlt erachtet, es habe zwei Auseinandersetzungen gegeben und der Angeklagte habe sich vor Gericht lediglich auf die erste Auseinandersetzung bezogen. Zudem habe das Erstgericht die Verschriftung eines Telefonats zwischen C* E* und dem Angeklagten am 8. März 2023 praktisch überhaupt nicht gewürdigt.

Voranzustellen ist, dass die freie Beweiswürdigung als kritisch-psychologischer Vorgang begriffen wird, bei dem durch die Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang und der allgemeinen Erfahrungssätze Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Das Gericht prüft die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit (ob dasjenige, was durch ein Beweismittel zu Tage gefördert werden sollte, auch wirklich dadurch bewiesen wurde) und Beweiskraft (ob der durch das Beweismittel als bewiesen anzunehmende Umstand auch geeignet ist, die Tatsache, die er bestätigen soll, für wahr halten zu können) und kommt aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen – entscheidender – Tatsachen, die es im Urteil feststellt. Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit, auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen (RIS-Justiz RS0098314). Ihre Bewertung hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen. Nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht zu Tatsachenfeststellungen. Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck, der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Wort kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden (vgl Lendl in Fuchs/Ratz , WK StPO § 258 Rz 25ff mwN).

Das Erstgericht, das sich einen persönlichen Eindruck sowohl vom Angeklagten als auch von allen Zeugen machen konnte, hat sich mit sämtlichen Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt und diese im Ergebnis einer durchaus noch lebensnahen Wertung unterzogen. Damit hat es alles erwogen, was erwägenswert war, und kam auf Basis dieser Erwägungen zu dem Schluss, dass dem Angeklagten eine falsche Aussage nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann.

Ausgangspunkt beider Verfahren ist die Auseinandersetzung am 5. März 2023 im Lokal „G*“ gegen 03:15 Uhr, die in der dritten Ebene des VIP-Bereiches ihren Anfang genommen hat. Eine Durchleuchtung der Aussagen sämtlicher vernommenen Personen in beiden Verfahren sowie die beiden erwähnten Freisprüche indizieren, dass es wie bei derartigen Vorfällen notorisch unterschiedliche Wahrnehmungen, Erinnerungen und/oder Behauptungen zum Beginn der Tätlichkeiten und zum genauen Ablauf des weiteren Geschehens gibt.

Der Schluss des Erstgerichts, A* B* habe schon deswegen keine Gefälligkeitsaussage getätigt, weil er lediglich mit dem Vater des D* B* befreundet sei, erweckt entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft noch keine erheblichen Bedenken an den beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts, weil auch C* E* und sein Bruder H* E* (zumindest bis zum inkriminierten Vorfall) zum Freundeskreis des A* B* gehörten.

Der Umstand, dass das Erstgericht – insofern den Angaben des Angeklagten folgend – ein Hauptaugenmerk auf die Differenzierung zwischen zwei unterschiedlichen Auseinandersetzungen gelegt hat, scheint zwar zunächst etwas konstruiert; möglicherweise hätte eine genauere Dokumentation der Örtlichkeit bereits zu Beginn des ersten Verfahrens präzisere Befragungen ermöglicht und damit allfällige Missverständnisse und Ungereimtheiten vermieden. Allerdings ist ohnehin unstrittig, dass der Beginn der Auseinandersetzung auf der letzten Ebene des VIP-Bereichs erfolgte, der Angeklagte sich mit seinen Begleitern jedoch auf der mittleren Ebene befunden hat. Dass der Angeklagte demnach den (hier für die Beurteilung einer allfälligen falschen Aussage wesentlichen) Beginn der Auseinandersetzung bzw bereits zu diesem Zeitpunkt einer Person konkret zuordenbare Tätlichkeiten nicht mitbekommen habe, ist daher noch nicht weiter auffällig. Immerhin ist auch aus den Beweisergebnissen eine Verlagerung der Auseinandersetzung insofern ableitbar, als C* und I* E* letztlich von Türstehern vor das Lokal gebracht wurden (US 3). Dazu kommt, dass sich selbst die Angaben der Brüder E* zur Rolle bzw allfälligen Wahrnehmungen des A* B* nicht zwanglos in Einklang bringen lassen. Aber auch die Erwägungen des Erstgerichts zu dem von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten Telefongespräch zwischen dem Angeklagten und C* E* sind nicht bedenklich. Die Verschriftung indiziert nämlich primär, dass der Angeklagte durch den bzw nach dem Vorfall im „G*“ etwas zwischen die Fronten geraten zu sein scheint und daher sichtlich um Beruhigung nach dem Vorfall bemüht war. Dass er die hier relevanten Tätlichkeiten gesehen und in der Folge eine vorsätzlich falsche Beweisaussage durch Verschweigen dieser Wahrnehmungen begangen habe, kann auch daraus nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit abgeleitet werden.

Zusammengefasst erwecken daher die im Einzelnen durchaus nachvollziehbaren Erwägungen der Staatsanwaltschaft noch keine Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Ob Tatsachen als erwiesen festzustellen sind, hat das Gericht jedoch aufgrund der Beweise nach freier Überzeugung zu entscheiden; im Zweifel stets zu Gunsten des Angeklagten oder sonst in seinen Rechten Betroffenen (§ 14 StPO).

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