JudikaturOLG Linz

8Bs258/24h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
04. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* B* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB über die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 1. Oktober 2024, Hv*-35, nach der in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. Breier, der Angeklagten und ihres Verteidigers RAA Vogl, LL.M., durchgeführten Berufungsverhandlung vom 4. Februar 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil in seinem Strafausspruch dahin abgeändert, dass unter Ausschaltung des § 43 Abs 1 StGB und zusätzlicher Anwendung des § 37 Abs 1 StGB über die Angeklagte eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen à EUR 4,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen verhängt wird, wovon gemäß § 43a Abs 1 StGB ein Teil von 150 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde A* B* des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB schuldig erkannt und hierfür zu einer unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Nach dem Schuldspruch hat sie am 30. Juni 2024 in C* als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung gegen D* wegen §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB durch die sinngemäßen Behauptungen, E* habe die Garage unerwünscht betreten und ihr Sohn F* B* habe E* aufgefordert, die Garage zu verlassen, sowie D* habe versucht, unbefugt die Garage zu betreten, was der Grund dafür gewesen sei, dass ihr Sohn das Garagentor geschlossen habe, vor einem Beamten der Polizeiinspektion C* falsch ausgesagt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe, mit der primär ein Freispruch, in eventu die Verhängung einer milderen Strafe, insbesondere die Anwendung von § 37 Abs 1 StGB, angestrebt wird.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel, zu dem sich die Oberstaatsanwaltschaft ablehnend äußerte, ist teilweise berechtigt.

Was die Reihenfolge der Behandlung der Berufungspunkte anbelangt, geht eine wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung einer Rüge wegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 bis 10a (iVm § 468 Abs 1 Z 4) StPO vor (vgl Ratz in WK § 476 Rz 9). Im Folgenden wird daher vorerst auf die Schuldberufung, im Anschluss daran auf die Berufung wegen geltend gemachter Nichtigkeitsgründe (Z 9 lit a und Z 10a) und schließlich auf jene wegen des Ausspruchs über die Strafe eingegangen.

Die Ausführungen in der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld rufen keine Bedenken an der erstrichterlichen Beweiswürdigung hervor. Voranzustellen ist, dass es sich bei der freien Beweiswürdigung um einen kritisch-psychologischen Vorgang handelt, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind. Die Bewertung hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen. Nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht zu Tatsachenfeststellungen (vgl RIS-Justiz RS0098362; Lendl in WK StPO § 258 Rz 25f). Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, persönliche Eindruck, der sich auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in WK StPO § 258 Rz 27).

Die Erstrichterin hat sich gewissenhaft mit allen relevanten be- und entlastenden Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt und diese einer denklogischen Wertung unterzogen. Ihre Feststellungen zum relevanten Ablauf der Geschehnisse am Abend des 29. Juni 2024 konnte sie unter anderem auf ein davon aufgenommenes Video stützen, aus dem hervorgeht, dass der Sohn der Angeklagten die Nachbarin E* nicht etwa zum Verlassen der Garage, sondern vielmehr wiederholt und eindringlich zu deren Betreten aufforderte („kimm eina“). Auf dem Video ist auch ersichtlich, dass D* nicht etwa versuchte, in die Garage einzudringen, sondern vielmehr seine Lebensgefährtin - nach Betätigung des Schließvorgangs durch den Sohn der Angeklagten - durch Aufhalten des Tores aus der Garage befreite. Nachvollziehbar begründete das Erstgericht, warum es den Angaben der Zeugen E* und D* Glauben schenkte, decken sich diese doch – im Gegensatz zur Verantwortung der Angeklagten und den Ausführungen ihres Sohnes – mit dem genannten Videomaterial.

Das Erstgericht setzte sich auch ausführlich mit der Behauptung der Angeklagten auseinander, wonach die von ihr geschilderten Vorgänge auf dem Video nicht aufgenommen worden seien. Nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang die Bewertung der Gesamtsituation eines äußerst aggressiv und streitsüchtig agierenden F* B*. Dieser legte es in der genannten Videosequenz ausschließlich darauf an, E* zum Betreten der Garage zu bewegen, was sich auch nach der Lebenserfahrung nicht damit in Einklang bringen lässt, er habe sie unmittelbar davor zum Verlassen derselben aufgefordert.

Die Darstellung der Berufungswerberin, das Video beginne erst zu einem Zeitpunkt, zu dem sich E* bereits teilweise in der Garage befinde, und ihr Sohn habe ihr bereits davor zugerufen, dass sie verschwinden solle, lässt sich auch nicht mit den Angaben der Angeklagten in ihrer (inkriminierten) Zeugenaussage in Deckung bringen, wo sie die Situation derart schilderte, dass E* in die Garage hineingegangen sei, ihr Sohn sie zum Verlassen aufgefordert habe, dann auch D* in die Garage hereinkommen habe wollen und deshalb der Schließmechanismus von ihrem Sohn betätigt worden sei (ON 18.7). Ein mehrmaliges Betreten bzw. Verlassen der Garage durch E* vor dem Schließen des Tores wurde von der Angeklagten nicht behauptet. Vielmehr schilderte sie, dass die von ihr behauptete Äußerung ihres Sohnes in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Hinzukommen des D* – und damit zu einem Zeitpunkt, der vom Video festgehalten wurde – gefallen sei. Dass es tatsächlich zu keiner Aufforderung, die Garage zu verlassen, kam, ergibt sich jedoch eindeutig aus dem Videomaterial, welches zwar von schlechter Qualität ist, auf dem jedoch gerade die (lautstarken gegenteiligen) Äußerungen des Sohnes der Angeklagten deutlich hörbar sind.

Auch aus den im Rechtsmittel hervorgehobenen Angaben des F* B* (ON 18.8) ist nichts im Sinne der Angeklagten zu gewinnen, behauptete dieser doch, E* sei direkt in die Garage gekommen, habe sich geweigert, diese zu verlassen, und dann sei auch noch ihr Lebensgefährte dazugekommen. Ein derartiger Geschehensablauf ist dem Video, das die Phase des Hinzukommens des D* zeigt, nicht zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund ist entgegen den Berufungsausführungen unerheblich, ob die Zeugin E* vor der vom Sohn der Angeklagten getätigten Aufforderung, die Garage zu betreten, bereits „mit einem Fuß kurz drinnen war“ (vgl Zeuge D* ON 32, Seite 7).

Ebenso gehen jene Ausführungen ins Leere, die auf die Feststellung abzielen, D* habe die Garage betreten wollen (ON 41, Seite 5f), deckt sich doch die im Rechtsmittel hervorgehobene Schilderung eines dynamischen Geschehens durch F* B* (ON 18.8, Seite 4), wonach D* direkt auf die Garage zugekommen sei und er deshalb den Schalter zum Schließen des Tores betätigt habe, nicht mit genannter Videoaufnahme, auf welcher klar ersichtlich ist, dass D* bereits neben E* im Bereich des Garagentors stand, als dieses geschlossen wurde.

Den die Feststellungen zur subjektiven Tatseite monierenden Ausführungen im Rechtsmittel ist entgegenzuhalten, dass sich aus dem Akt auch vor dem Hintergrund einer für die Angeklagte belastenden Konfliktsituation keinerlei Hinweise auf Störungen ihrer Wahrnehmungs-, Erinnerungs- oder Wiedergabefähigkeit ergeben und solche von der Angeklagten selbst im Übrigen auch nicht behauptet wurden. Entgegen den Berufungsausführungen setzte sich das Erstgericht auch mit möglichen Motiven der Angeklagten für ihre Straftat auseinander (ON 35, Seite 7).

Insgesamt bleibt für die begehrten Feststellungen (ON 41.9) kein Raum und ist zusammengefasst der vom Erstgericht gezogene Schluss einer Täterschaft der Angeklagten im Sinne des Schuldspruchs denklogisch, lebensnah und damit nicht zu beanstanden.

Wenn von der Berufungswerberin im Rahmen ihrer Nichtigkeitsberufung bei den Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO davon ausgegangen wird, dass die Angeklagte – entgegen den erstgerichtlichen Feststellungen – nicht vorsätzlich handelte, so wird inhaltlich im Sinne einer Schuldberufung argumentiert und kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Eine – im Rahmen der relevierten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10a StPO geforderte – Diversion scheiterte schon an der fehlenden Verantwortungsübernahme der Angeklagten, die nicht nur die subjektive Tatseite, sondern auch die fehlende Übereinstimmung ihrer zeugenschaftlichen Angaben mit der Wirklichkeit entschieden in Abrede stellte.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten, erschwerend demgegenüber keinen Umstand.

Dieser Strafzumessungskatalog ist nominell nicht korrekturbedürftig. Mit Blick auf die vom Erstgericht festgehaltene Intention der Angeklagten, ihren Sohn in ein gutes Licht zu rücken (US 7), gehen auch die Rechtsmittelausführungen zum Vorliegen einer „untypischen“ (weil keinen Vorteil lukrierenden; vgl ON 41, S 10) falschen Beweisaussage schon argumentativ ins Leere. Die den Vorsatz der Angeklagten in Abrede stellenden Ausführungen entfernen sich wiederum von den erstgerichtlichen Feststellungen.

Nicht übersehen wird jedoch, dass sich die bis dahin unbescholtene Angeklagte im Alter von über 60 Jahren unter dem Eindruck einer bereits seit längerer Zeit bestehenden nachbarschaftlichen Konfliktsituation und in Sorge über ihren Sohn zu ihrer Straftat hinreißen hat lassen.

Ausführungen dazu, warum das Erstgericht die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB nicht in Betracht gezogen hat, finden sich im Urteil nicht. Einer solchen könnten allein spezialpräventive Erwägungen entgegenstehen. Da die Angeklagte bislang unbescholten ist und sich nunmehr einem Strafverfahren (inklusive Rechtsmittelverfahren) unterziehen musste, ist doch davon auszugehen, dass unter diesem Eindruck mit der Verhängung einer Geldstrafe das Auslangen gefunden werden kann, um sie von künftiger Delinquenz abzuhalten. Es war daher anstelle einer (mit Blick auf den konkreten Handlungsunwert sowie generalpräventive Überlegungen reduzierten) Freiheitsstrafe von fünf Monaten eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu verhängen, deren Höhe von EUR 4,00 sich an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten orientiert.

Wiederum vor dem Hintergrund des bisherigen ordentlichen Lebenswandels kann ein Teil der verhängten Strafe im Ausmaß von 150 Tagessätzen bedingt nachgesehen werden. Die Probezeit war zur Gewährleistung eines hinreichenden Beobachtungszeitraums mit Blick auf die offenbar nach wie vor bestehende Konfliktsituation im höchstmöglichen Ausmaß festzusetzen.

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