JudikaturOLG Linz

10Bs9/25g – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen der Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 13. Jänner 2025, GZ*-19, in nichtöffentlicher Sitzungen entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Strafantrag vom 3. April 2024 legt die Staatsanwaltschaft Salzburg dem am ** geborenen A* die Vergehen der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 1, Abs 2 StGB zur Last (ON 12) .

Demnach habe er öffentlich auf eine Weise, dass es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werde, zu Gewalt gegen eine nach den vorhandenen Kriterien der ethnischen Herkunft, Religion und sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen, nämlich Araber, Muslime und die LGBTQ-Bewegung, aufgefordert und zu Hass gegen sie aufgestachelt, indem er auf seinem öffentlich einsehbaren Twitter-Account ** folgende Nachrichten veröffentlicht habe, und zwar

1. am 29. Mai 2023 die Nachricht „7,56mm Vollmantel Geschoss?“ als Antwort auf ein Foto einer transsexuellen Person versehen mit dem Text „Sie gesteht mir gerade ihre große Liebe! Bin zu Tränen gerührt. Und die süßen Zöpfchen. Bin hin- und hergerissen. Was antworte ich nur?“;

2. am 09. Juli 2023 die Nachricht „Die da?“ samt einem Bild einer brennenden Regenbogenfahne;

3. am 21. Juli 2023 ein Bild einer brennenden Regenbogenfahne;

4. am 23. Juli 2023 die Nachricht „In Frieden leben und lieben. Darum geht’s schon lange nicht mehr. Zwangsbeschallung 24/7 auch für Kinder. Verdrängung von Frauen durch männliche Fetischisten. Richtig Schwule wollen mit der heutigen "queer Community" nicht mehr zu tun haben.“ samt einem Bild einer brennenden Regenbogenfahne;

5. am 23. Juli 2023 ein Bild einer brennenden Regenbogenfahne

6. am 31. Juli 2023 ein Bild einer brennenden Regenbogenfahne;

7. am 01. Juli 2023 die Nachricht „Kann weg!“ samt einem Bild einer brennenden Regenbogenfahne;

8. am 21. Oktober 2023 ein Bild mit der Überschrift "THE DIFFERENCE BETWEEN MODERATE MUSLIM AND RADICAL MUSLIM" auf dem zwei Personen abgebildet sind, beschriftet mit "FOLLOW MY ALLAH OR I KILL YOU! - RADICAL MUSLIM" und "FOLLOW MY ALLAH OR HE KILL YOU - MODERATE MUSLIM", wobei der "MODERATE MUSLIM" auf den anderen zeigt und alle Muslime als gewalttätige Fundamentalisten dargestellt werden;

9. am 19. November 2023 die Nachricht "Recht so! Nur ein toter Araber ist ein guter Araber!" samt einem Bild mit der Überschrift "THE DIFFERENCE BETWEEN MODERATE MUSLIM AND RADICAL MUSLIM" auf dem zwei Personen abgebildet sind, beschriftet mit "FOLLOW MY ALLAH OR I KILL YOU! - RADICAL MUSLIM" und "FOLLOW MY ALLAH OR HE KILL YOU - MODERATE MUSLIM", wobei der "MODERATE MUSLIM" auf den anderen zeigt und alle Muslime als gewalttätige Fundamentalisten dargestellt werden.

Noch vor Anberaumung der Hauptverhandlung stellte der Angeklagte am 29. November 2024 durch seinen Verteidiger einen Antrag auf Durchführung diversioneller Maßnahmen (ON 16.2).

Die Staatsanwaltschaft trat einer diversionellen Erledigung entgegen (ON 1.12, ON 1.17).

Nach Anbot des Erstgerichts einer diversionellen Erledigung in Form einer Geldbuße von EUR 1.000,00 zuzüglich eines Pauschalkostenbeitrags von EUR 100,00 (ON 18) stellte dieses nach Bezahlung des Betrages durch den Angeklagten mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss das Strafverfahren gemäß §§ 199, 200 Abs 5 StPO endgültig ein (ON 19).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Hauptverfahrens aufzutragen (ON 20.1).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Gemäß §§ 198 Abs 1, 199 StPO ist vom Gericht nach dem 11. Hauptstück der Strafprozessordnung vorzugehen und ein Verfahren diversionell zu erledigen, wenn auf Grund eines hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf die Zahlung eines Geldbetrags (§ 200 StPO) oder die Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 201 StPO) oder die Bestimmung einer Probezeit (§ 203 StPO) oder einen Tatausgleich (§ 204 StPO) nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Ein Vorgehen nach diesem Hauptstück ist gemäß § 198 Abs 2 StPO weiters nur zulässig, wenn die Tat nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und die Schuld des Angeklagten nicht als schwer anzusehen wäre. Die Möglichkeit einer Diversion hängt zudem auch von der Haltung des Beschuldigten ab und setzt Schuldeinsicht, demnach seine Bereitschaft voraus, Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen zu übernehmen (RIS- Justiz RS0116299).

Mit Stellungnahme vom 29. November 2024 (ON 16.2) übernahm der Angeklagte die Verantwortung für die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und gestand die Richtigkeit des Inhalts des Strafantrags zu.

Soweit die Beschwerdeführerin releviert, es liege keine hinreichende Verantwortungsübernahme des Angeklagten vor, da dieser durchgehend das Vorliegen der subjektiven Tatseite bestritten habe, übersieht sie, dass ein Schuldeinbekenntnis hinsichtlich aller das Unrecht der vorgeworfenen Tat betreffenden Begleitumstände keine Diversionsvoraussetzung ist. Ein Geständnis ist mit Blick auf die Präventionsvoraussetzung einer zumindest bedingten Unrechtseinsicht nicht erforderlich. Die Judikatur fordert diesbezüglich eine gewisse (nicht unbedingt einem Geständnis zum Anklagevorwurf entsprechende) Unrechtseinsicht oder eine partielle (etwa auf die Mitveranlassung der Tat durch einen Kontrahenten verweisende) Übernahme der Verantwortung für das Bewirken eine strafrechtliche Haftung begründenden Tatsachen. Die – wie vorliegend erklärte – Bereitschaft zur diversionellen Vorgangsweise indiziert in der Regel eine hinreichende Verantwortungsübernahme ( Schroll/Kert in Fuchs/Ratz , WK StPO § 198 Rz 36/1 ff; RS0130304). Unter diesen Prämissen liegt eine hinreichende Verantwortungsübernahme des Angeklagten vor.

Für die Frage, ob von schwerer Schuld auszugehen ist, ist jener Schuldbegriff maßgeblich, der in § 32 Abs 1 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird. Die Prüfung dieser Frage verlangt stets nach Lage des konkreten Falles eine ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände. Handlungs- und Gesinnungsunwert müssen daher insgesamt eine Unwerthöhe erreichen, die im Wege einer überprüfenden Gesamtbewertung als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Dabei kommt der vom Gesetzgeber in der Strafdrohung zum Ausdruck gebrachten Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts eine Indizwirkung für die Schuldabwägung zu (RIS-Justiz RS0116021, RS0122090 ua).

Bei einer Gesamtbetrachtung aller nach Lage des konkreten Einzelfalls maßgeblichen Kriterien ging das Erstgericht – von der Beschwerdeführerin unbekämpft - zutreffend von keiner schweren Schuld des Angeklagten iSd § 198 Abs 2 Z 2 StPO aus.

Mit Blick auf die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten und die Tatsache, dass er seinen C*-Account bereits im November 2023 gelöscht hat, stehen trotz mehrerer Fakten innerhalb eines halben Jahres weder spezial- noch generalpräventive Gründe einer Diversion entgegen.

Wenn die Beschwerdeführerin weiters meint, aus den in der Beschwerde aufgelisteten, vom Twitter-Account des Angeklagten veröffentlichten (weiteren) Nachrichten lasse sich ein Rückschluss auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Angeklagten ziehen, ist zu entgegen, dass diese der inländischen Gerichtsbarkeit nicht unterliegenden, bereits eingestellten Fakten nicht zur Begründung spezialpräventiver Bedenken herangezogen werden können.

Zum Argument der Beschwerdeführerin, die Höhe der Geldbuße sei mit Blick auf die Einkommensverhältnisse des Angeklagten nicht nachvollziehbar, ist anzumerken, dass die zwingend vorgesehene Anwendung von Diversionsmaßnahmen grundsätzlich nur die Durchsetzung der einen weiten Ermessensspielraum eröffnenden diversionellen Verfahrensbeendigung erlaubt, nicht aber eine Überprüfung ihrer konkreten Ausgestaltung. Der Staatsanwaltschaft kommt gegen diversionelle Erledigungen ein Beschwerderecht zu dem Zweck zu, im Fall des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen (beispielsweise wegen spezialpräventiver Bedenken) eine Überprüfung der Verfahrenseinstellung durch das Rechtsmittelgericht und die Fortführung des Verfahrens zu erwirken, nicht aber um bloß die Anwendung einer anderen, aus ihrer Sicht zweckmäßigeren Diversionsform anzustreben (RIS-Justiz RS0128369). Hinsichtlich des Umfangs einer Diversionsart kann die Staatsanwaltschaft daher lediglich bei einer geradezu als willkürlich anmutenden geringfügigen Diversionsleistung geltend machen, dass damit den im § 198 Abs 1 StPO geforderten general- oder spezialpräventiven Erfordernissen nicht Genüge getan wird ( Leitner in Schmölzer/Mühlbacher StPO § 209 Rz 12ff; Schroll/Kert in aaO § 209 Rz 10ff).

Ausgehend von der Einkommens- und Vermögenssituation des Angeklagten (ON 17) ist die Höhe der Geldbuße jedenfalls nicht willkürlich gering.

Da fallbezogen ein diversionelles Vorgehen hindernde Umstände somit nicht vorlagen, war der Beschwerde keine Folge zu geben.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.

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