1R6/25w – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden, Dr. Stefan Estl und Dr. Christoph Freudenthaler in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **straße **, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei B* AG , FN **, **gasse **, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Rechtsgestaltung (Streitwert EUR 100.000,00) über die Rekurse der klagenden Partei und des Revisors gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 8. Oktober 2024, GZ*-31, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird dem Rekurs des Revisors Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt 2. dahin abgeändert, dass dieser lautet:
„Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der Republik Österreich auf das Konto des Landes- und Bezirksgerichtes Wels, IBAN **, zur Aktenzahl GZ* (JJ-Zahl **), eine Summe von EUR 10.398,00 (Pauschalgebühr II. und III. Instanz) bei sonstiger Exekution zu zahlen.“
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
begründung:
Mit dem Beschluss vom 10. Dezember 2020, GZ*-11, bewilligte das Landesgericht Wels der klagenden Partei die Verfahrenshilfe mit der Begünstigung des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO.
Die das Verfahren beendende Entscheidung des Höchstgerichts wurde den Parteien am 21. Dezember 2021 zugestellt.
Am 2. Juli 2024 trug das Erstgericht der klagenden Partei auf, das übersendete Vermögensbekenntnis – in allen Punkten – vollständig und richtig auszufüllen und binnen vier Wochen unterschrieben dem Gericht zurückzusenden. Ferner wurde die klagende Partei in dieser gerichtlichen – formularmäßigen - Anordnung darauf hingewiesen, dass das Gericht bei Unterlassung der aufgetragenen Auskunft davon ausgehen werde, dass die Verfahrenshilfe genießende Partei infolge Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nun in der Lage sei, ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts die vorläufig gestundeten Beträge zu begleichen. Sie werde in diesem Fall gemäß § 71 ZPO zur Rückzahlung verpflichtet werden. Dieser Auftrag wurde der klagenden Partei (persönlich) am 5. Juli 2024 zugestellt.
Hierauf brachte die klagende Partei (anwaltlich vertreten) nacheinander insgesamt drei Fristerstreckungsanträge bezüglich der Vorlage des vollständig ausgefüllten Vermögensbekenntnisses ein, die jeweils bewilligt wurden. In den ersten beiden Fristerstreckungsanträgen nannte die klagende Partei als Grund lediglich, dass diese „absenzbedingt“ gestellt würden. Den dritten Fristerstreckungsantrag begründete die klagende Partei damit, dass dieser „mit Blick auf die Notwendigkeit einer korrelierenden steuerlichen Expertise“ gestellt würde. Trotz der Fristerstreckung bis letztlich 23. September 2024 ist die klagende Partei dem Vorlageauftrag nicht nachgekommen; sie hat kein neues Vermögensbekenntnis erstattet.
Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht (in Punkt 1.) die klagende Partei gemäß § 71 Abs 1 ZPO zur Nachzahlung der ihr einstweilen gestundeten Beträge im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO, die es (in Punkt 2.) mit EUR 4.294,00 bestimmte. Begründend führte das Erstgericht aus, die klagende Partei sei dem Auftrag auf Beibringung eines neuen Vermögensbekenntnisses nicht nachgekommen und habe somit ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Es sei davon auszugehen, dass sie nun ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhalts in der Lage sei, den ihr vorläufig gestundeten Betrag für die Pauschalgebühr zu tragen.
Gegen diese Entscheidung erheben die klagende Partei und der Revisor jeweils Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die klagende Partei beantragt, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Klägerin die Zahlung der Pauschalgebühr von EUR 4.294,00 endgültig erlassen werde. Der Revisor beantragt hingegen die Nachzahlungsverpfichtung auf EUR 10.398,00 zu erhöhen.
Der Revisor hat eine Rekursbeantwortung erstattet. Die klagende Partei hat zum gegnerischen Rechtsmittel keine Rekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Nur der Rekurs des Revisors ist berechtigt.
1. Die klagende Partei argumentiert, sie sei eine juristische Person (GmbH). Das ihr übermittelte Formular sei auf eine natürliche Person und nicht auf eine juristische Person ausgerichtet, sodass sie dieses nicht ausfüllen habe können. Dem Steuerberater der Klägerin, der auf diesen Umstand hingewiesen habe, sei vom Gericht mitgeteilt worden, dass kein anderes Formular übermittelt werden könne. Wäre ein neues Vermögensbekenntnis vom Gericht der klagenden Partei übermittelt worden, welches auch von einer juristischen Person ausfüllbar sei, wäre hervorgekommen, dass die Klägerin mangels entsprechender Liquidität nicht zur Nachzahlung der Verfahrenshilfe verpflichtet werden könne.
Dazu ist auszuführen:
Gemäß § 71 Abs 1 ZPO ist die die Verfahrenshilfe genießende Partei mit Beschluss zur gänzlichen oder teilweisen Nachzahlung unter anderem der Beträge zu verpflichten, von deren Berichtigung sie einstweilen befreit gewesen ist und die noch nicht berichtigt sind, soweit und sobald sie ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts dazu imstande ist.
Die materiellen Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe und für den Eintritt der „Rückzahlungspflicht“ sind gleich (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 § 71 ZPO Rz 2). Die Gewährung von Verfahrenshilfe an eine juristische Person oder ein sonstiges parteifähiges Gebilde setzt voraus, dass weder die juristische Person bzw das Gebilde selbst, noch die wirtschaftlichen Beteiligten die zur Verfahrensführung notwendigen Mittel aufbringen können (§ 63 Abs 2 ZPO; Weber/Poppenwimmer in Höllwerth/Ziehensack ZPO-TaKom § 63 ZPO Rz 34).
Bei der Überprüfung, ob die Partei zur Nachzahlung von im Rahmen der Verfahrenshilfe gestundeten Beträge in der Lage ist, trifft diese eine Mitwirkungspflicht (EFSlg 128.458; 105.705; Weber/Poppenwimmer aaO § 71 ZPO Rz 23). Gemäß § 71 Abs 3 letzter Satz ZPO ist § 381 ZPO sinngemäß anzuwenden.
Die Nachzahlung muss gemäß § 71 Abs 1 ZPO der Partei ohne Gefährdung des notwendigen Unterhalts zumutbar sein (arg: “sobald sie dazu … imstande ist“); § 71 Abs 1 ZPO differenziert insoweit nicht zwischen einer natürlichen und einer juristischen Person. Allerdings ist die Nachzahlung nicht anders zu beurteilen, als das Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen des § 63 ZPO (vgl Obermaier in ÖJZ 2017/126 [Verfahrenshilfe: Verfahren zur Nachzahlung gestundeter Beträge § 71 ZPO; § 6b Abs 3 GEG]). Demnach ist bezogen auf die klagende Partei zu prüfen, ob insoweit die wirtschaftlichen Voraussetzungen des § 63 Abs 2 ZPO nach wie vor gegeben sind.
Die klagende Partei ist trotz des gerichtlichen Auftrags unter Hinweis auf § 381 ZPO und dreimalig bewilligter Fristerstreckung dem gerichtlichen Auftrag, ihr Vermögensbekenntnis (neu) zu erstatten, nicht nachgekommen.
Für das Vermögensbekenntnis ist gemäß § 66 Abs 1 ZPO das vom Bundesminister für Justiz aufzulegende und kundgemachte Formblatt zu verwenden. Bei diesem Formblatt handelt es sich um das ZPForm 1 (vgl Obermaier aaO; Schindler in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 66 ZPO Rz 5). Es steht auf der Website des BMJ justizonline.gv.at unter der Rubrik Formulare „Verfahrenshilfe“ zum Download zur Verfügung (vgl Schindler aaO FN 10).
Wenn es sich auch bei dem vom Erstgericht der klagenden Partei übermittelten Formular nicht um das ZPForm 1 handelt, so entspricht dieses doch weitgehend von seinem Aufbau her dem Vermögensbekenntnis des ZPForm 1. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die klagende Partei während des gesamten Verfahrens über die Entscheidung über ihre Nachzahlungspflicht anwaltlich vertreten war, sodass ihr für den Umgang mit den prozessualen Förmlichkeiten ausreichende anwaltliche Rechts- und Sachkenntnis zur Verfügung stand. Alle drei Fristerstreckungsanträge hat die klagende Partei anwaltlich vertreten eingebracht. Dass sie das übermittelte Formblatt nicht ausfüllen könne, weil die dort gestellten Fragen für eine juristische Person nicht passen würden, hat die klagende Partei im gesamten erstinstanzlichen Verfahren bezüglich der Entscheidung über ihre Nachzahlungspflicht nicht vorgebracht. Nachdem die klagende Partei trotz dieser Sachlage und Einholung einer steuerlichen Expertise (siehe ON 29) ihre aktuellen Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht einmal ansatzweise offen gelegt hat, lässt sich daraus – wie das Erstgericht korrekt ausgeführt hat – nur der Schluss ziehen, dass sich ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse so verbessert haben, dass sie nun über ausreichendes Vermögen und Einkommen verfügt, um jene Begünstigungen, von denen sie einstweilen befreit wurde, nachbringen zu können (vgl dazu M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 § 63 ZPO Rz 8 sowie § 71 ZPO Rz 16).
Dem Rekurs der klagenden Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.
2. Zum Rekurs des Revisors
Zutreffend releviert der Revisor, dass die klagende Partei nicht nur von der Pauschalgebühr für ihre Berufung (TP 2; Streitwert 100.000,00 EUR; PG 4.294,00 EUR) sondern auch von der Pauschalgebühr für ihre außerordentliche Revision (TP 3; Streitwert 100.000,00 EUR; PG 6.104,00 EUR) einstweilen befreit wurde. Mit der ZVN 2022 wurde klargestellt, dass mittels gerichtlicher Entscheidung über die Nachzahlungspflicht der Gerichtsgebühr nicht bloß dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach zu entscheiden ist. Damit hat das Gericht auch über die Höhe der Gerichtsgebühr zu entscheiden (§71 Abs 2 letzter Satz ZPO; Schindler in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 71 ZPO Rz 6; ErläutRV 1291 BlgNR 27. GP 6).
Dem Rekurs des Revisors ist daher Folge zu geben.
3. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.