JudikaturOLG Linz

9Bs308/24v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* B* und eine andere Person wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufungen des Erstangeklagten A* B* wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche und jene der Privatbeteiligten C* GmbH gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Wels vom 31. Juli 2024, GZ1*-20, nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwalts Mag. Winkler, LL.M. (WU), des Privatbeteiligtenvertreters Mag. D*, des Erstangeklagten und seines Verteidigers Mag. Aigner durchgeführten Berufungsverhandlung am 15. Jänner 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Erstangeklagten wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung der Privatbeteiligten Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird in seinem Adhäsionserkenntnis dahingehend abgeändert bzw ergänzt, dass der Erstangeklagte A* B* gemäß § 369 Abs 1 StPO (weiters) verpflichtet wird, der C* GmbH EUR 3.193,18 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Erstangeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen mittlerweile in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Zweitangeklagten E* wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zum Nachteil des Erstangeklagten enthält, wurde A* B* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 39a Abs 1 Z 4 StGB nach § 84 Abs 4 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Soweit für das Berufungsverfahren noch von Relevanz wurde der Erstangeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von EUR 1.000,00 an E* binnen 14 Tagen nach Rechtskraft des Urteils verpflichtet. Die Anschlusserklärung der C* GmbH wurde zurückgewiesen.

Nach dem Schuldspruch zu 1./ hat A* B* am 6. April 2024 in ** E* durch Versetzen von drei Schlägen mit einem hölzernen Schlagwerkzeug gegen die rechte Seite des Brustkorbs am Körper verletzt und dadurch eine schwere Körperverletzung, nämlich Frakturen der neunten bis elften Rippe rechts, mithin eine an sich schwere Verletzung herbeigeführt.

Der Erstangeklagte A* B* strebt mit seiner dagegen wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld, die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche erhobenen Berufung (ON 29) primär einen Freispruch an. Die C* GmbH wendete sich in ihrer Berufung (ON 30) im Ergebnis gegen die Zurückweisung ihrer Anschlusserklärung und begehrte den Zuspruch von EUR 3.193,18, wogegen sich der Erstangeklagte ausgesprochen hat (ON 32).

Die Oberstaatsanwaltschaft Linz beantragte – soweit nach Zurückziehung der Berufung des Zweitangeklagten noch relevant – in ihrer Stellungnahme vom 23. Dezember 2024, der Berufung des Erstangeklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Lediglich die Berufung der Privatbeteiligten ist berechtigt.

Die Verfahrensrüge des Erstangeklagten (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) releviert eine Verletzung wesentlicher Verteidigungsrechte, weil dem in der Hauptverhandlung vom 18. Juli 2024 gestellten Beweisantrag auf Einvernahme der Zeugin F* B* zum Beweis dafür, „dass der Zweitangeklagte am auf dem Tattag folgenden Tag gleichzeitig mit dem Erstangeklagten, dessen Frau diesen begleitete, wahrgenommen hat und dass der Zweitangeklagte mit der Vorzimmerdame des Arztes, der ihn vorher untersucht hatte, lauthals diskutiert und die Ausstellung einer Krankenstandsbescheinigung gefordert habe, dieser aber abgelehnt wurde, weil die Voraussetzungen für eine Krankschreibung nicht gegeben waren“ (ON 14.1, 2), nicht nachgekommen worden sei. Dem ist mit dem zutreffenden Einwand der Oberstaatsanwaltschaft zu entgegnen, dass mit dem zugrundeliegenden Beweisthema einer den Geschehnissen nachfolgenden allfälligen Krankschreibung auch mit Blick auf die hier inkriminierte an sich schwere Körperverletzung keine erheblichen Tatsachen angesprochen wurden (vgl. Kirchbacher , StPO 15 § 55 Rz 3). Lediglich der Vollständigkeit halber wird daher auf den Erstbefund des Klinikums G* verwiesen, demnach ua der Patient eine stationäre Aufnahme verweigert habe und auf eigenen Wunsch Arbeitsfähigkeit attestiert worden sei (ON 2.22).

Soweit der Erstangeklagte unter diesem Nichtigkeitsgrund weiters kritisiert, dass über seinen im Schriftsatz vom 12. Juli 2024 (ON 12) gestellten Antrag auf Einholung von Befund und Gutachten eines unfallchirurgischen Sachverständigen überhaupt nicht abgesprochen worden ist, übersieht er, dass auf schriftlich gestellte Beweisanträge, die in der Hauptverhandlung nicht wiederholt wurden, die Verfahrensrüge selbst dann nicht gestützt werden kann, wenn die betreffenden Schriftsätze in der Hauptverhandlung verlesen wurden (RIS-Justiz RS0099511).

Zur Berufung des Erstangeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld ist vorab auszuführen, dass das Erstgericht – in gewissenhafter Prüfung der Beweiskraft und der Glaubwürdigkeit der einzelnen Beweismittel – den Denkgesetzen entsprechend und nachvollziehbar dargelegt hat, dass es den entscheidenden Feststellungen zu den wechselseitigen Angriffen vor allem die Angaben der beiden Angeklagten als Opfer und der diesen jeweils zuzuordnenden Zeugen zugrundelegte und die – das eigene Fehlverhalten betreffend – leugnenden Verantwortungen der Angeklagten als widerlegt ansah.

Dabei ist zunächst zu beurteilen, dass sich das Erstgericht, das sich einen persönlichen Eindruck sowohl von den beiden Angeklagten als auch von sämtlichen Zeugen machen konnte, mit allen, auch inkonsistenten Verfahrensergebnissen eingehend auseinandergesetzt und diese einer lebensnahen Wertung unterzogen hat. Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist im Übrigen oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck (der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann) lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss daher im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in Fuchs/Ratz , WK StPO § 258 Rz 27).

Ausgehend von den durch Verletzungsanzeigen und Lichtbilder objektivierten Verletzungen der beiden Angeklagten (ON 2.20, ON 2.21, ON 2.22, ON 2.23 und ON 2.24; ON 15) und unter weiterer Berücksichtigung der Angaben sämtlicher vernommenen Personen, wobei zumindest das Randgeschehen auch auf Videodateien erkennbar ist (ON 3), ist der Schluss des Erstgerichts, beide Angeklagte haben sich wechselseitig vorsätzlich verletzt, nicht bedenklich. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich das Erstgericht sowohl mit dem konkreten Tathergang als auch mit dem Aussageverhalten der vernommenen Personen sehr lebensnah auseinandergesetzt hat (US 3f).

Die eigenständigen Beweiswertüberlegungen des Erstangeklagten, der auf die im Wesentlichen seine Darstellung stützenden Angaben seines Sohnes H* B* und dessen Freunden I* und J* verweist, erwecken noch keine Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Soweit der Erstangeklagte die Verletzung des Zweitangeklagten in Frage stellt, ist ihm nur der Erstbefund des Krankenhauses entgegenzuhalten, demnach sich (auch) der Zweitangeklagte bereits um 23:51 Uhr, demnach nicht einmal eine Stunde nach der inkriminierten Tat in ambulanter Behandlung befunden hat (ON 2.22).

Daran anknüpfend war den auch im Rahmen der Schuldberufung gestellten Beweisanträgen auf Einvernahme der Zeugin F* B* und auf Einholung eines unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens nicht näher zu treten, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auch auf die Erwiderung der Verfahrensrüge verwiesen wird. Ergänzend ist festzuhalten, dass eine allfällige Ungereimtheit hinsichtlich der verletzten Körperseite des Zweitangeklagten ohnehin bereits in der Hauptverhandlung vom 18. Juli 2024 erörtert wurde (ON 14.1 iVm Urkundenvorlage ON 15). Dass es sich bei der im Erstbefund ON 2.22 dokumentierten Fraktur der neunten, zehnten und elften Rippe um keine frische handeln solle, ist angesichts der vorliegenden Behandlungsunterlagen keiner weiteren Entgegnung zugänglich.

Aus dem objektiven Tatgeschehen hat das Erstgericht auch seine Feststellungen zur jeweiligen subjektiven Tatseite schlüssig und formal einwandfrei, der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend getroffen, weshalb die Schuldberufung des Erstangeklagten zusammengefasst keine erheblichen Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung erweckt.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel mildernd und keinen Umstand erschwerend. Aggravierend fällt beim Erstangeklagten ins Gewicht, dass er die Tat unter Einsatz einer Waffe begangen hat (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB). Ausreichende Hinweise für ein allfälliges Mitverschulden bzw Provokationen des Zweitangeklagten im Sinne eines besonderen Milderungsgrundes sind aus den Urteilsannahmen hingegen nicht ableitbar.

Ausgehend davon und vor dem Hintergrund der allgemeinen Kriterien der Strafbemessung nach § 32 Abs 2 und 3 StGB ist die über den Erstangeklagten verhängte Freiheitsstrafe von 15 Monaten beim gegebenen Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren (§ 84 Abs 4 iVm § 39a Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 Z 3 StGB) keiner Reduktion zugänglich, sondern tat- und schuldadäquat und der konkreten Täterpersönlichkeit entsprechend. Bedingte Strafnachsicht wurde ohnedies bereits vom Erstgericht gewährt. Die Bestimmung der Probezeit im gesetzlich höchstzulässigen Ausmaß von drei Jahren ist angezeigt, um einen ausreichenden Bewährungszeitraum zu ermöglichen. Die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB ist aus spezialpräventiven Gründen nicht möglich, weil die inkriminierte Tat ein durchaus erhebliches Aggressionspotential des Erstangeklagten indiziert.

E* erlitt durch das Tatgeschehen Frakturen der neunten bis elften Rippen rechts. Er war deswegen vom 7. April 2024 bis 26. April 2024 im Krankenstand (US 3). Aufgrund seiner Schmerzen suchte er am folgenden Tag noch einmal das Krankenhaus auf, erhielt einen Rippengurt und wurde dann auch krank geschrieben (ON 14.1, 4). Mit Rücksicht auf diese Folgen der Tat ist der Zuspruch von EUR 1.000,00 nicht überhöht. Ein diesen Betrag allenfalls einschränkendes Mitverschulden ist dem Urteil nämlich nicht zu entnehmen.

Zutreffend wendet die C* GmbH in ihrer Berufung ein, dass der Anspruch des Dienstgebers, der wegen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität seines Dienstnehmers aufgrund arbeitsrechtlicher Vorschriften zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, auf Rückersatz der erbrachten Lohnfortzahlung gegenüber dem Schädiger allgemein anerkannt ist (vgl dazu Spenling in Fuchs/Ratz , WK StPO Anh § 369 Rz 5 mwN). Soweit das Erstgericht vermeint, dass die vorgelegten Unterlagen nicht im Einklang seien (US 5), übersieht es offenbar den offensichtlichen Rechenfehler im Schriftsatz vom 2. Juli 2024 (ON 10). Der Zuspruch für die Lohnfortzahlung in Höhe von EUR 3.193,18 konnte aufgrund des in der Hauptverhandlung vom 18. Juli 2024 noch einmal aufgeschlüsselten Betrages sowie der insgesamt unbedenklichen Unterlagen (vgl auch ON 14.2) daher, wie in der Berufung begehrt, vom Berufungsgericht nachgeholt werden.

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