9Bs170/24z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Engljähringer als Einzelrichterin in der Strafsache gegen A* und andere wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des (vormals) Angeklagten B* C* gegen den (Kosten-)Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 7. Juni 2024, 17 Hv 11/23a-321, entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben;
der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die vom (vormals) Angeklagten B* C* für seine Vertretung dem Amtsverteidiger Mag. D*, MA zu ersetzenden Kosten mit 57,16 Euro (darin enthalten 20 % USt in Höhe von 9,36 Euro und Barauslagen in Höhe von 1 Euro) bestimmt werden.
Der Antrag des Amtsverteidigers Mag. D*, MA, den Beschwerdeführer B* C* in den Ersatz der Kosten der Äußerung vom 18. Juli 2024 zur Beschwerde zu verfällen, wird abgewiesen.
Text
In dieser Strafsache legte die Staatsanwaltschaft mit Anklageschrift vom 30. Jänner 2023 zwei Angeklagten jeweils dem Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und mehreren Vergehen nach §§ 223 Abs 2, 224; 224a; 227 Abs 1 StGB subsumierte Verhaltensweisen zur Last (ON 218). Mit Verfügung vom 7. Februar 2023 (ON 1, 59) bezog der Vorsitzende des Schöffengerichts das Verfahren LG Steyr 10 Hv 2/23a, in welchem neben neun weiteren Angeklagten auch dem bis dahin anwaltlich unvertretenen B* C* mit Strafantrag vom 23. Dezember 2022 (ON 18 in ON 221) zahlreiche, rechtlich den Vergehen nach § 223 Abs 2; § 12 zweiter Fall, 224a; §§ 12 zweiter Fall, 227 Abs 1 StGB unterstellte Handlungen vorgeworfen worden waren, aufgrund engen sachlichen Zusammenhangs iSd § 37 Abs 1 und Abs 2 StPO ein. Im zeitlichen Vorfeld der für 12. und 13. April 2023 anberaumten Hauptverhandlung (ON 1, 63) wurde am 3. März 2023 Rechtsanwalt Mag. D*, MA gemäß § 61 Abs 3 StPO zum Amtsverteidiger für den Angeklagten B* C* bestellt (ON 232). Letzterer gab mit Schriftsatz vom 4. April 2023 (ON 258) das Einschreiten eines bevollmächtigten Verteidigers bekannt. B* C* wurde mit Urteil vom 13. April 2023 (ON 283) gemäß § 259 Z 3 StPO von sämtlichen Anklagevorwürfen rechtskräftig freigesprochen (vgl ON 293).
Der Amtsverteidiger beantragt nun, die ihm gemäß § 395 Abs 5 StPO von B* C* zu ersetzenden Verteidigungskosten mit 330,04 Euro zuzüglich der Kosten des Kostenbestimmungsantrags in Höhe von 87,02 Euro und Verzugszinsen in Höhe von 4 % seit 4. Mai 2023 zu bestimmen (ON 281).
In diesem Sinn trug das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss (ON 321) B* C* die mit insgesamt 417,06 Euro bestimmten Vertretungskosten des Amtsverteidigers zum Ersatz binnen 14 Tagen zuzüglich 4 % Zinsen seit 4. Mai 2023 auf.
Dagegen wendet sich die Beschwerde des B* C* (ON 322), mit der er im Wesentlichen vorbringt, er habe die verzeichneten Leistungen nicht beauftragt, außerdem könne er sie aufgrund seiner aktuell angespannten Finanzsituation nicht bezahlen. Das Rechtsmittel ist teilweise erfolgreich.
Wenn zwischen dem von Amts wegen bestellten Verteidiger und dem von ihm vertretenen Angeklagten über die Entlohnung kein Übereinkommen erzielt wird, so hat das Gericht – nach Maßgabe der Absätze 1 ff des § 395 StPO – die Entlohnung des Amtsverteidigers festzusetzen und dem Angeklagten die Zahlung aufzutragen (§ 395 Abs 5 StPO). Bereits durch die Antragstellung des Amtsverteidigers ist ausreichend deutlich gemacht, dass eine Vereinbarung nicht zustande gekommen ist ( Lendl , WK-StPO § 395 Rz 2 mwN).
Grundsätzlich unterliegt die Honorierung des Amtsverteidigers der freien Vereinbarung (§ 394 StPO). Für die Prüfung der Angemessenheit der beanspruchten Entlohnung im Offizialverfahren können als Basis, wenngleich nicht rechtsverbindlich, die Allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) dienen. Den darin wiedergegebenen Bemessungsgrundlagen und Honoraransätzen kommt die Bedeutung einer gutachterlichen Äußerung über die konkrete Bewertung der rechtsanwaltlichen Leistungen zu (RIS-Justiz RS0101502; Lendl , WK-StPO § 395 Rz 2 f und Rz 25 mwN; Öner , LiK § 395 Rz 13 mwH; Ziehensack Kostenrecht Rz 1439 mzH).
Bei Bemessung der Kosten hat das Gericht zu prüfen, ob die vorgenommenen Vertretungshandlungen notwendig oder sonst nach der Beschaffenheit des Falls gerechtfertigt waren. Notwendig sind sie dann, wenn sie durch die Prozesslage und die Verfahrensvorschriften erzwungen werden (15 Os 88/20k). Die Notwendigkeit ist aus der ex-ante Perspektive am objektiven Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu messen (12 Os 36/07x). Demnach kann auch eine Prozesshandlung, die letztlich nicht erfolgreich war, notwendig gewesen sein. Ob eine Handlung gerechtfertigt war, ist zwar ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls, aber aus einer ex-post Betrachtung zu beurteilen ( Lendl , WK-StPO § 395 Rz 15 f mH).
Im Gegenstand spricht der Amtsverteidiger, ohne eine Honorarvereinbarung mit B* C* zu behaupten, Kosten für insgesamt fünf, in der Zeit von 9. bis 29. März 2023 veranlasste, teils schriftliche, teils telefonische Kontaktaufnahmen einerseits mit seinem Mandanten und anderseits mit zwei Anwaltskanzleien an, die dem Amtsverteidiger von B* C* als dessen künftige Wahlverteidiger in Aussicht gestellt worden waren. Mit diesen Korrespondenzen habe der Amtsverteidiger angesichts der nur mehr knappen einmonatigen Zeitspanne bis zur Hauptverhandlung gegen C* und elf weitere Angeklagte in der durchaus komplexen, bereits sieben Aktenbände umfassenden Strafsache sowie der bis dahin nur vagen Erklärungen seines Mandanten (s)eine zeitgerechte Verhandlungsvorbereitung sicherstellen müssen (vgl ON 281, 2 ff).
Ausgehend von den obzitierten Erwägungen und der Aktenlage erweist sich damit aber nur der Brief vom 9. März 2023 (ON 281, 5), in welchem der Amtsverteidiger seine Bestellung mitteilte und B* C* um rasche Terminvereinbarung zwecks Fallbesprechung und Erörterung der Verteidigungsstrategie ersuchte, als notwendig und gerechtfertigt. Denn im Licht der darauf folgenden eMail-Beantwortung durch den Angeklagten am 18. März 2023 (ON 281, 7), er werde bereits von einem anderen Rechtsanwalt vertreten, dienten die weiteren Telefonate und Schreiben zwischen dem 20. und 29. März 2024 nicht mehr der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinn einer inhaltlichen Bezugnahme auf die Strafverteidigung selbst (vgl Hofer-Zeni Rechtsanwaltstarif Rz 63), sondern vielmehr der Recherche im (legitimen) zeitökonomischen Eigeninteresse des Amtsverteidigers.
Für die demnach zu Recht verzeichnete Kostenposition gilt als Bemessungsgrundlage der Honoraransatz nach § 10 Abs 1 Z 3 AHK, wird doch nach dem Wortlaut des (verwiesenen) § 9 Abs 1 (Z 3) AHK – anders als in Anm 3 zu TP 4 RATG, die ausdrücklich an die, dem Schuldspruch zugrundeliegende rechtliche Subsumtion anknüpft – auf Anwaltsleistungen im jeweiligen, hier schöffengerichtlichen Verfahren abgestellt. Das sehr kurze Anschreiben vom 9. März 2023 enthielt weder Rechtsbelehrungen noch andere Erörterungen rechtlicher Art, sodass (kraft Verweises in § 10 AHK: Ziehensack Kostenrecht Rz 1510) die Anwendung von TP 5 RATG angemessen ist (vgl Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 3.78 mwN).
Damit errechnen sich ausgehend von 46,80 Euro im Sockelbetrag zuzüglich 20 % USt in Höhe von 9,36 Euro und 1 Euro an Barauslagen insgesamt 57,16 Euro, die dem (vormals) Angeklagten B* C* gemäß § 395 Abs 5 StPO zur Zahlung aufzuerlegen sind.
Die Kosten des Bemessungsverfahrens sind als Kosten des Strafverfahrens anzusehen (§ 395 Abs 2 zweiter Satz StPO) und teilen daher ihr Schicksal. Ein Zuspruch von Kosten des Bemessungsverfahrens kommt daher nur an eine Prozesspartei in Betracht, zu deren Gunsten eine Kostenentscheidung im Grundverfahren ergangen ist ( Lendl , WK-StPO § 395 Rz 17 mwH). Zufolge Freispruchs des B* C* fehlt es freilich an einer solchen grundsätzlichen Kostenentscheidung und damit an einer ausreichenden Basis sowohl für die Entlohnung des Kostenbestimmungsantrags ON 281 als auch – im aktuellen Beschwerdeverfahren – für die Honorierung der Äußerung des Amtsverteidigers zur Beschwerde des B* C*.
Der rechtskräftige Beschluss, mit dem die Verteidigerkosten bestimmt werden, ist ein – sogleich vollstreckbarer – Exekutionstitel (§ 1 Z 8 EO); die Festsetzung einer Leistungsfrist ist daher nicht vorgesehen ( Lendl , WK-StPO § 395 Rz 4).
Soweit der Amtsverteidiger schließlich eine Verzinsung seines Kostentitels anspricht, muss er gegen sich gelten lassen, dass § 54a ZPO eine Kostennorm des zivilgerichtlichen und nicht des Exekutionsverfahrens ist. Sie ist daher (insbesondere auch) nicht analog auf Titel, die von einem Strafgericht stammen, anzuwenden (vgl 1 Ob 276/06d; Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 1.31 aE mzH; Obermaier AnwBl 2007, 403 [409 ff]).
Rechtsmittelbelehrung:
Rechtliche Beurteilung
Begründung: