Das Oberlandesgericht Linz als Disziplinargericht für Notarinnen und Notare hat am 9. April 2024 durch die Senatspräsidentin Mag. Reinberg als Vorsitzende und den Senatspräsidenten Mag. Telfser sowie den Richter aus dem Notarenstand Mag. Kobler nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Zentner und des Beschuldigten Dr. A* B*, Notar in C*, durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Dr. A* B* ist schuldig, er hat als öffentlicher Notar in C* am 22. Juni 2022 entgegen Ausschließungsgründen des § 33 Abs 1 NO, wonach in Sachen eines Ehegatten oder solcher Personen, die mit diesem in gerader Linie verwandt sind, sowie in den Fällen, in welchen in einer Urkunde eine Verfügung zu seinem eigenen oder zum Vorteil naher Angehöriger aufgenommen werden soll, der Notar keine Notariatsurkunde aufnehmen darf, und dadurch entgegen Punkt 1. und 4. der Standesrichtlinien (StR 2000) einen Notariatsakt über die letztwillige Verfügung der am D* geborenen E* F* errichtet, mit dem sein Schwiegervater, der am G* geborene H* F* (Sohn des verstorbenen Gatten der E* F*) zum Alleinerben und die Gattin des Notars, I* B*, als Vermächtnisnehmerin eingesetzt worden sind, und hiedurch das Disziplinarvergehen nach § 156 Abs 1 Z 3 NO begangen.
Über ihn wird hiefür gemäß § 158 Abs 1 Z 2 NO eine Geldbuße von EUR 3.500,00 verhängt.
Gemäß § 184 Abs 2 NO hat der Disziplinarbeschuldigte die Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Mit Eingabe vom 17. April 2023 zeigte Rechtsanwalt Dr. J* der K* die Erstellung eines Notariatsaktes durch Dr. A* B* am 22. Juni 2022 zur Geschäftszahl 309, betreffend die letztwillige Verfügung von Frau E* F*, geboren am D*, mit der Begründung an, dass damit der Schwiegervater des errichtenden Notars zum Erben eingesetzt und weiters ein Vermächtnis zugunsten der Ehegattin des Errichters erfolgt sei; darüber hinaus der Angezeigte auch als Testamentsvollstrecker eingesetzt und letztlich mit der Durchführung der Verlassenschaft beauftragt worden sei. In diesem Zusammenhang seien gemäß § 33 NO das genannte, aber auch zuvor errichtete Testamente nicht rechtswirksam zustande gekommen, damit geleistete Kosten frustriert und kein adäquater Leistungsaustausch erfolgt. Überdies erscheine die Vorgangsweise des Angezeigten zugunsten naher Angehöriger auch standesrechtlich bedenklich.
Aufgrund der Zustimmung der Oberstaatsanwaltschaft Linz vom 6. November 2023 zu einer Vorgehensweise nach § 177 NO wurde vom Disziplinargericht sofort die mündliche Verhandlung und Ladung des beschuldigten Notars angeordnet, wobei gemäß § 176 NO (Beschluss des Disziplinargerichtes vom 8. November 2023) die Einleitung im übrigen Umfang abgelehnt und der Notariatskammer abgetreten wurde.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Disziplinarverhandlung vom 9. April 2024 mit Beweisaufnahme durch Einvernahme des Disziplinarbeschuldigten und einverständlicher, resümierender Verlesung der für den (verbliebenen) Disziplinargegenstand relevanten Aktenteile, sind die im Spruch des Erkenntnisses geschilderten Vorgänge erwiesen. Der beschuldigte Notar hat demnach am 22. Juni 2022 in C* entgegen Ausschließungsgründen des § 33 Abs 1 NO, wonach in Sachen eines Ehegatten oder solcher Personen, die mit diesem in gerader Linie verwandt sind, sowie in den Fällen, in welchen in einer Urkunde eine Verfügung zu seinem eigenen oder zum Vorteil naher Angehöriger aufgenommen werden soll, der Notar keine Notariatsurkunde aufnehmen darf, und dadurch entgegen Punkt 1. und 4. der Standesrichtlinien (StR 2000) einen Notariatsakt über die letztwillige Verfügung der am D* geborenen E* F* errichtet, mit dem sein Schwiegervater, der am G* geborene H* F* (Sohn des verstorbenen Gatten der E* F*) zum Alleinerben und die Gattin des Notars, I* B*, als Vermächtnisnehmerin eingesetzt wurden.
Darüberhinaus wird Folgendes festgestellt:
Mit Strafverfügungen der K* vom 16. Februar 2022 sowie vom 5. Juli 2021 wurden über den Disziplinarbeschuldigten jeweils die Ordnungsstrafen der schriftlichen Rüge, einmal in Verbindung mit einer Geldbuße von EUR 2.000,00, einmal mit einer solchen von EUR 2.500,00 (rechtskräftig), verhängt. Darüber hinaus wurden (in den Strafverfügungen näher bezeichnete) Schulungsmaßnahmen aufgetragen.
Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt stützen sich auf das durchgeführte Beweisverfahren, insbesondere auf die Vernehmung des Disziplinarbeschuldigten in der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2024 sowie die Verlesung der diesen Sachverhalt betreffenden Urkunden.
Der Disziplinarbeschuldigte hat die Feststellungen zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt in objektiver Hinsicht nicht bestritten, sich allerdings auf Zeitdruck, punktuelle Überlastung sowie Probleme in der personellen Ausstattung der Kanzlei, daher insgesamt auf ein Versehen minderen Grades berufen, ebenso auf die Folgenlosigkeit seines Verstoßes gegen § 33 Abs 1 NO.
Hervorgehoben wird daher auch, dass die letztwillig verfügende E* F* das Vorgehen des Disziplinarbeschuldigten nicht beanstandete; weiters keine Kosten verrechnet wurden, die nicht auch mit der Errichtung einer Privaturkunde angefallen wären. Mittlerweile wurde der Notariatsakt auch dahin berichtigt, dass es sich um eine bloße Privaturkunde handelt.
Rechtliche Beurteilung:
Die festgestellte Standespflichtverletzung (Notariatsakterrichtung vom 22. Juni 2022) war gemäß § 156 Abs 1 Z 3 NO als Disziplinarvergehen zu werten.
Aufgrund der Feststellungen war allerdings kein geringfügiges Verschulden iSd § 155 Abs 3 NO gegeben, sodass ein Vorgehen nach dieser Gesetzesstelle kontraindiziert, vielmehr eine Geldbuße zu verhängen war.
Die Strafe war dabei an den Kriterien des § 159 Abs 1 NO (nach der Größe der Pflichtverletzung und der Größe des verursachten oder bevorstehenden Schadens) zu messen. Zu berücksichtigen ist nach dem Gesetz auch die Vorsätzlichkeit einer Pflichtverletzung oder das Maß der Fahrlässigkeit; sowie der Einfluss, welchen die Pflichtverletzung auf die Kraft der aufgenommenen Notariatsurkunden und die Vertrauenswürdigkeit des Notars zu üben geeignet ist. Auch ist Rücksicht auf den Umstand zu nehmen, ob der Notar bereits mit geringeren Strafen erfolglos belegt worden ist.
Im gegenständlichen Fall ist unter dem Gesichtspunkt der Honorierung der kritisierten Leistung zwar kein (materieller) Schaden für die Partei entstanden; von bloßer Fahrlässigkeit durch Nichtbeachtung der Standespflichten kann bei Missachtung der besonderen Bedeutung der Bestimmung wie § 33 Abs 1 NO nicht zuletzt aufgrund der beiden vorangegangenen Standespflichtverletzungen, die zu Ordnungsstrafen geführt haben, allerdings auch keine Rede sein. Insofern war dem Disziplinarbeschuldigten, der reumütig auftrat und den damaligen subjektiven Druck sowie zeitliche und personelle Engpässe in der internen Organisation glaubhaft machen konnte, die Verhängung einer Geldbuße von EUR 3.500,00 aufzuerlegen geboten, aber auch ausreichend.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 184 Abs 2 NO.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden