JudikaturOLG Linz

9Bs4/24p – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
16. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Kuranda als Einzelrichterin in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 2 und Z 3 FPG über die Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers Dr. B* gegen den (Kosten-)Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz vom 22. Dezember 2023, 39 Hv 157/23p-24, entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

In der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 2 und 3 FPG wurde dem Angeklagten Verfahrenshilfe gewährt und mit Bescheid der C* vom 19. Oktober 2023 Dr. B* zum Verfahrenshelfer gemäß § 61 Abs 2 StPO bestellt (ON 8.2). A* wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 19. Dezember 2023 des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und 3 Z 2 und Z 3 FPG schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 17 Monaten verurteilt (ON 18).

Gestützt auf § 393 Abs 2 StPO beantragte der Verfahrenshilfeverteidiger mit Eingabe vom 21. Dezember 2023 Barauslagenersatz in Höhe von insgesamt EUR 63,63 für Abfragekosten in Folge elektronischer Akteneinsicht (ON 21.1) unter Anschluss von Listen (ON 21.2 bis ON 21.4) der getätigten Abfragen samt Datum, Aktenzeichen und hiefür angefallener Kosten (EUR 0,21 pro Abfrage).

Diesen Antrag wies das Erstgericht mit dem nun angefochtenen Beschluss (ON 24) im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass es sich bei den verzeichneten Abfragekosten um Fixkosten handle, die nicht ersatzfähig seien.

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. B* (ON 25), mit der dieser den Zuspruch der bescheinigten Kosten mit der Begründung begehrt, dass es sich dabei um umsatzsteuerpflichtige Barauslagen handeln würde.

Die Beschwerde, zu der die Oberstaatsanwaltschaft Linz keine Stellungnahme abgegeben hat, ist nicht berechtigt.

Einem nach § 61 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger sind auf sein Verlangen die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen vom Bund zu vergüten (§ 393 Abs 2 erster Satz StPO). Welche Auslagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren nötig waren, hat das Gericht zu entscheiden ( Lendl in WK-StPO § 393 Rz 9; RIS-Justiz RS0101355). Davon grundsätzlich umfasst waren bislang unter anderem die Kosten für Aktenabschriften in Papierform ( Fabrizy/Kirchbacher StPO 14 § 393 Rz 7). Nicht unter die ersatzfähigen Barauslagen fallen demgegenüber die Sowieso-Kosten und Fixkosten, wären doch sonst auch Kanzleimieten, Entlohnungen von Dienstnehmers, Kammerbeiträge, etc., die betriebswirtschaftlich echter Aufwand in beträchtlichem Ausmaß sind, Auslagen nach §§ 16, 23 Abs 3 RATG ( Obermaier Kostenhandbuch 3 Rz 3.32).

Vorauszuschicken ist, dass sich die Aktenführung im Strafverfahren in einer Umstellung befindet: Künftig sollen sämtliche Verfahren elektronisch geführt werden, „Papierakt“ soll es keinen mehr geben. Bei den meisten Gerichten und Staatsanwaltschaften erfolgt die Führung neu anfallender Verfahren bereits jetzt elektronisch. Mit anderen Worten steht der Akt dort in Papierform nicht mehr zur Verfügung. Die Akteneinsicht wird den dazu Berechtigten vielmehr elektronisch in der Form gewährt, dass sie im Aktensystem „freigeschaltet“ werden (OLG Wien 21 Bs 334/21b uva). Ohne hier im Bezug auf die aufgeworfene (Kosten-)Frage differenzieren zu müssen (vgl OLG Innsbruck 6 Bs 113/22a), galt auch schon für die vorangegangene technische Ausbaustufe des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV), dass den – Kraft § 89c Abs 5 Z 1 GOG zur Teilnahme verpflichteten – Rechtsanwälten und Verteidigern in Strafsachen nach Maßgabe des § 89i Abs 1 und Abs 2 GOG Akteneinsicht in die (ihre Sache betreffenden), in der Verfahrensautomation Justiz gespeicherten Daten und Zugriff auf die Akteninhalte durch Übermittlung der entsprechenden Unterlagen per Web-ERV („Ablichtungen“) in digitaler Form gewährt wurden.

Während aufrechter Verfahrenshilfe ist der Beschuldigte von der staatlichen Gebührenpflicht nach § 2 GGG, auch im Zusammenhang mit der Erstellung von Kopien oder Ausdrucken (Z 8 leg cit) oder mit elektronischen Abfragen (Z 8a leg cit) befreit (§§ 9, 29a GGG; § 52 Abs 2 Z 1 StPO). Dass der Bund vorliegend dem Beschwerdeführer als ERV-Teilnehmer für Dokumenten - Downloads aus dem elektronischen Akt Gebühren nach dem GGG vorgeschrieben hätte, wird ohnehin nicht behauptet.

Für Rechtsanwälte erfolgt der technische Zugang zu den Justiz-Datenbanken und die automationsunterstützte Datenübertragung, damit auch die Akteneinsicht in den elektronischen Akt, im Wege von Übermittlungs- und Verrechnungsstellen (§ 2 ERV 2021, BGBl ll 2021/587), die von (privaten) Unternehmen (beispielsweise Firma D*, E* GmbH, F* GmbH uvm; vgl Liste der Verrechnungsstellen auf http://www.justiz.gv.at/service/verrechnungsstellen) betrieben werden. Sie heben für ihre Tätigkeit bei ihren Kunden, hier also der Kanzlei des Rechtsmittelwerbers, autonom vereinbarte Entgelte ein, deren Höhe sich gängig etwa an der Anzahl der Suchergebnisse pro Geschäftsfall oder der Downloads pro Dokument orientiert.

Die vom Rechtsmittelwerber bescheinigten Abfragekosten resultieren dementsprechend aus dem hiefür autonom vereinbarten Entgelt mit einem privaten Unternehmen. Die Kosten können für jeden Rechtsanwalt, je nachdem welcher Übermittlungs- und Verrechnungsstelle er sich bedient, variieren oder gar nicht anfallen. Daher sind solche Abfragekosten ihrer Art nach keine ersatzfähigen Barauslagen iSd § 393 Abs 2 StPO, sondern vielmehr nicht gesondert zu ersetzender Kanzleiaufwand, den das Bundesministerium für Justiz der Österreichischen Rechtsanwaltskammer im Rahmen eines pauschalen Honorarsatzes für erbrachte Verfahrenshilfeleistungen jährlich vergütet.

Eine Bestimmung ähnlich jener des § 23a RATG, in dem für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ein ERV-Zuschlag (nicht als Barauslagenvergütung sondern) als Honorarbestandteil konzipiert ist (vgl Obermaier Kostenhandbuch 3 Rz 3.30), sieht das RATG für die Teilnahme am elektronischen Aktensystem nicht vor.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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