7Bs169/23m – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Einzelrichterin Dr. Gföllner in der Strafsache gegen A* wegen Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall StGB über die Beschwerde des A* gegen den (Gebühren-)Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 23. Oktober 2023, 36 Hv 53/22x-53, entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die Gebühren des Sachverständigen B*, Bakk. (FH), MSc., für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens vom 16. April 2023 (ON 30) mit EUR 4.000,00 (inklusive USt) bestimmt werden.
Das Mehrbegehren von EUR 39.635,00 wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Im Verfahren zu AZ 36 Hv 53/22x des Landesgerichts Salzburg bestellte die Erstrichterin mit Beschluss vom 11. August 2022 B*, Bakk. (FH) MSc. zum Sachverständigen (aus dem Fachgebiet der Informationstechnik) und beauftragte diesen, binnen acht Wochen Befund zu erheben und ein Gutachten zu sechs konkret formulierten Fragen zu erstatten. Auf die Warnpflicht nach § 25 (zu ergänzen: Abs 1a) GebAG wurde der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige in der Beschlussausfertigung hingewiesen (S 3 in ON 22).
Mit Eingabe vom 29. August 2022 teilte der Sachverständige dem Erstgericht mit, dass die zu erwartenden Kosten für die forensische Datensicherung, Datenrekonstruktion, Datenauswertung, Befundaufnahme und Gutachtenserstellung jedenfalls EUR 4.000,00 überschreiten werden; unter einem ersuchte er um Fristerstreckung auf sechs Monate aufgrund seiner Arbeitsbelastung und eines bevorstehenden medizinischen Eingriffs (ON 23). Diese Eingabe wurde „in allen Punkten“ von der Erstrichterin zustimmend zur Kenntnis genommen.
Mit weiterer Eingabe vom 22. März 2023 ersuchte der Sachverständige aufgrund seiner aktuellen Auslastung um weitere Fristerstreckung um zwei Wochen, sohin bis 20. April 2023 (ON 29). Dieser Antrag auf Fristerstreckung wurde abermals von der Erstrichterin zustimmend zur Kenntnis genommen.
Für sein Gutachten vom 16. April 2023 (ON 30) verzeichnete der Sachverständige mit Honorarnote vom 21. April 2023 (ON 31) einen Betrag von (gerundet) EUR 43.635,00, der sich wie folgt zusammensetzt:
Reisekosten (§ 28 Abs 2 GebAG)
Anfahrten zur Asservatenübernahme
284 km à EUR 0,42 EUR 119,28
Kostenersatz für die Beiziehung von Hilfskräften (§ 30 GebAG)
0,75 Stunden Sekretariats-Hilfskraft 1 Stunde à EUR 80,00 EUR 60,00
Sonstige Kosten (§ 31 GebAG)
Kosten für Porto Versand EUR 4,00
Gebühr für Mühewaltung (§ 34 Abs 1 und Abs 2 GebAG)
Sachverständigen Arbeit
150,75 Stunden à EUR 300,00, abzüglich 20 % Abschlag à EUR 240,00 EUR 36.180,00
Umsatzsteuer (§ 31 Abs 1 Z 6 GebAG)
20 % EUR 7.272,00
Gegen die Honorarnote des Sachverständigen erhob A* Einwendungen (ON 32) und führte darin einerseits aus, dass der Sachverständige seiner Warnpflicht nach § 25 Abs 1a GebAG nicht nachgekommen sei und das Gutachten auch nicht fristgerecht erstattet habe, andererseits weder die zurückgelegte Fahrtstrecke noch die Versandkosten nachgewiesen habe und zudem der verzeichnete Stundensatz für die Hilfskraftkosten als auch für die Mühewaltungsgebühr des Sachverständigen überhöht sei; letztlich habe der Sachverständige nicht dargelegt, welche Tätigkeiten von der verzeichneten Mühewaltungsgebühr umfasst seien.
Auch die Revisorin des Oberlandesgerichts Linz beim Landesgericht Salzburg monierte in ihren Einwendungen (ON 35) eine Warnpflichtverletzung des Sachverständigen nach § 25 Abs 1a GebAG.
Zu den Einwendungen äußerte sich der Sachverständige zunächst dahingehend, dass er mit Eingabe vom 29. August 2022 angezeigt habe, dass die zu erwartenden Kosten EUR 4.000,00 überschreiten werden; vor Auswertung der Daten habe er (noch) keine plausible Gebührenhöhe benennen können. Aufgrund der weiteren Beauftragung habe er davon ausgehen können, dass seine Warnung die rechtlichen Anforderungen im konkreten Fall erfüllt (ON 44). In der Folge konkretisierte er seine Reisekosten dahingehend, dass er zur Asservatenübernahme von ** zum Landesgericht Salzburg und retour gefahren sei, verwies bezüglich Porto Versand auf die postalische Übermittlung seines Gutachtens an das Gericht und führte aus, dass der Stundensatz von EUR 80,00 für Hilfskräfte dem unteren Segment des Marktpreises entspreche sowie die von ihm verzeichnete Gebühr für Mühewaltung geringer sei als sein üblicher Stundensatz für ähnliche oder gleiche Tätigkeiten in seinem außergerichtlichen Erwerbsleben, was er mit Rechnungen belegte (ON 50).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen antragsgemäß mit EUR 43.635,00. Begründend führte es dazu aus, dass der Sachverständige seine Warnpflicht nicht gänzlich unterlassen habe, sondern lediglich keinen konkreten Betrag angegeben habe. Fallkonkret sei der Sachverständigenbeweis in dem vom Gericht bestimmten Umfang zur amtswegigen Wahrheitserforschung auch notwendig gewesen und hätte der Gutachtensauftrag aufrecht gehalten werden müssen, wenn die Gesamtsumme von EUR 43.635,00 in Aussicht gestellt worden wäre. Eine Kürzung der Sachverständigengebühr habe daher nicht stattzufinden. Ebenso wenig liege eine Säumnis bei Gutachtenserstellung vor, weil Fristerstreckungen gewährt wurden und auch die Gesamtdauer mit Blick auf den Umfang der ausgewerteten Datenmenge nicht unverhältnismäßig sei. Die verzeichneten Kilometer als Grundlage für die geltend gemachten Reisekosten habe der Sachverständige nachvollziehbar und schlüssig begründet. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften überhöht wären. Der Portoversand sei bescheinigt worden. Weiters habe der Sachverständige den Zeitaufwand konkret und nachvollziehbar aufgeschlüsselt und auch die Höhe des Stundensatzes sei in Anbetracht der vom Sachverständigen vorgelegten Rechnungen für gleiche oder ähnliche Tätigkeiten im außergerichtlichen Erwerbsleben nicht zu beanstanden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten A* (ON 56). Darin macht er neuerlich geltend, dass der Sachverständige seiner Warnpflicht nicht nachgekommen sei und auch das Gutachten aus Verschulden nicht innerhalb der vom Gericht festgelegten Frist erstattet habe, weshalb der zuzusprechende Betrag von EUR 4.000,00 noch um ein Viertel zu mindern sei. Aus advokatorischer Vorsicht moniert er wiederum die Höhe der Hilfskräftekosten als auch der Mühewaltungsgebühr und begehrt die Herabsetzung des Kostenersatzes für die Beiziehung von Hilfskräften auf brutto EUR 18,00 sowie die Herabsetzung der Gebühr für Mühewaltung auf netto EUR 2.412,00 zuzüglich EUR 482,40 USt.
Die Beschwerde ist im spruchgemäßen Umfang teilweise berechtigt.
Wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt wurde, sind sowohl die verzeichneten Kosten für die Beiziehung einer Hilfskraft (EUR 80,00 pro Stunde) als auch die Höhe der Mühewaltungsgebühr des Sachverständigen (EUR 300,00 abzüglich 20%, sohin EUR 240,00) und der verrechnete Zeitaufwand mit Blick auf den Gutachtensauftrag und die vorgelegten Unterlagen des Sachverständigen betreffend seine außergerichtlichen Einkünfte unbedenklich.
Mit Recht macht der Verurteilte indes einen Verstoß gegen die Warnpflicht geltend.
Ist im Verfahren vor dem Landesgericht zu erwarten oder stellt sich bei der Sachverständigentätigkeit heraus, dass die tatsächlich entstehende Gebühr EUR 4.000,00 übersteigt, so hat die oder der Sachverständige das Gericht rechtzeitig auf die voraussichtlich entstehende Gebührenhöhe hinzuweisen. Unterlässt er oder sie diesen Hinweis, so entfällt insoweit der Gebührenanspruch (§ 25 Abs 1a GebAG).
Auch wenn die Warnpflicht in ihrer Genesis den betriebswirtschaftlichen Aspekt des Instituts „Zivilprozess“ im Auge hatte und eine Klarstellung des Prozessaufwandes ermöglichen sollte, damit die Parteien ihrerseits ihre Dispositionen im Verfahren treffen können (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler , SDG-GebAG 4 § 25 GebAG E 85 ff), wurde die Warnpflicht für Sachverständige mit der Novellierung des § 25 GebAG durch das BRÄG 2008, BGBl I Nr 111/2007, ausdrücklich auch für das Strafverfahren angeordnet. Der Umstand, dass ein Gutachten von Amts wegen angeordnet wurde, sollte nicht generell dazu führen, dass jede Warnpflicht des Sachverständigen entfällt. Dadurch würde etwa auch dem Gericht die Möglichkeit entzogen werden, im Hinblick auf die Kosten einen anderen Sachverständigen zu bestellen oder mit den Parteien Möglichkeiten einer günstigeren Erhebung der maßgeblichen Umstände zu erörtern ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler , aaO § 25 GebAG E 99, 102).
Aufgrund des ausdrücklichen Gesetzeswortlauts hat der Sachverständige auf die voraussichtlich entstehende Gebührenhöhe hinzuweisen ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler , aaO § 25 GebAG E 142 ff). Die Vorschriften über die Warnpflicht sollen gewährleisten, dass Gericht und Parteien wissen, was die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes kostet. Damit wird der Prozessaufwand klargestellt und eine realistische wirtschaftliche Einschätzung der Prozessführung ermöglicht, sodass alle Beteiligten im jeweiligen Aufgabenbereich die entsprechenden Verfahrensdispositionen treffen können ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler , aaO § 25 GebAG Anm 6). In dem Sinn kann die Warnung des Sachverständigen auch Anlass sein, den Gutachtensauftrag präziser zu fassen, um (für das Beweisverfahren) frustrierte Aufwendungen zu vermeiden (vgl Krammer , RZ 2009, 229 f).
Der Sachverständige hat sich, nachdem er den Gutachtensauftrag erhalten hat, ein Bild darüber zu machen, welcher Aufwand für die Gutachtenserstattung notwendig ist und welche Kosten damit verbunden sind. Aufgrund dieser Kostenschätzung hat er – soweit notwendig – zu warnen. Der Sachverständige erfüllt seine Warnpflicht, die sich auf die Gesamthöhe der geltend gemachten Gebühr bezieht, nur dann, wenn er das Gericht eindeutig und objektiv verständlich auf die mögliche Höhe der Gebühr hinweist. Dabei muss er den zu erwartenden Kostenaufwand auch beziffern. Die Warnung muss also jedenfalls einen Betrag nennen, mit dem das Gericht und die Parteien bezüglich der Gutachtenskosten zu rechnen haben. Die bloße Mitteilung, dass die Gebühren aufgrund des umfänglichen Falls EUR 4.000,00 übersteigen können, reicht zur Erfüllung der Warnpflicht nicht aus ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler , aaO, § 25 GebAG E 129, E 142 f, E 146, E 151, E 153 ff, E 177). Sollte sich die Einschätzung des Sachverständigen im Lauf der Gutachtenstätigkeit ändern, muss er - gegebenenfalls mehrfach - die Warnung modifizieren ( Krammer/Schmidt/Guggenbichler, aaO, § 25 GebAG E 164).
Mangels konkreter Bezifferung entsprach die Kostenwarnung des Sachverständigen vom 29. August 2022 (ON 23) nicht den dargestellten Anforderungen. Eigenen Unwägbarkeiten im Hinblick auf die voraussichtliche (Gesamt-)Höhe der Gutachtenskosten hätte der Sachverständige durch (erforderlichenfalls mehrfache) Anpassung seiner Gebührenwarnung oder Festlegung zumindest eines Kostenrahmens begegnen können und müssen.
Auch wenn das Erstgericht die - nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende - Warnpflicht des Sachverständigen zustimmend zur Kenntnis genommen hat, durfte der gerichtlich beeidete und zertifizierte Sachverständige nicht mit Grund davon ausgehen, damit seiner Warnpflicht ausreichend nachgekommen zu sein.
Die - auf in der angefochtenen Entscheidung zitierte (vereinzelte) Rechtsprechung gestützte - Ansicht des Erstgerichts, dass eine Kürzung der Sachverständigengebühr nicht stattzufinden habe, wenn das Gutachten zur amtswegigen Wahrheitserforschung notwendig gewesen sei und auch eine rechtzeitige Kostenwarnung zu keiner Änderung des Gutachtensauftrags geführt hätte, überzeugt nicht. Soll doch die Warnpflicht nicht nur die Parteien vor Überraschungen, sondern auch den Bund vor allzu großen Vorfinanzierungskosten schützen ( Johann Guggenbichler , Die Warnpflicht der Sachverständigen nach § 25 Abs 1a GebAG, SV 2019, 190 f). Wozu kommt, dass angesichts der Höhe der vom Sachverständigen letztlich verzeichneten Kosten schon zufolge der vom Angeklagten beantragten Adaptierung des Gutachtensauftrags (ON 24) nicht ausgeschlossen werden kann, dass im gegenständlichen Fall eine entsprechende Gebührenwarnung zu einer Reduktion des Gutachtensauftrags geführt hätte.
Berücksichtigend die gesetzlich vorgesehene Folge einer Verletzung der in § 25 Abs 1a GebAG normierten Warnpflicht kann dem Sachverständigen kein höherer Betrag als EUR 4.000,00 brutto zugesprochen werden (vgl Krammer/Schmidt/Guggenbichler , aaO § 25 GebAG E 183 ff; RIS-Justiz RS0126538).
Für eine Minderung der Mühewaltungsgebühr wegen verzögerter Tätigkeit nach § 25 Abs 3 GebAG besteht dem Beschwerdevorbringen zuwider kein Anlass. Aufgrund der beiden (begründeten) Fristerstreckungsanträge kann von verschuldeten Verzögerungen des Sachverständigen bei Gutachtenserstattung nicht gesprochen werden.
In teilweiser Stattgebung der Beschwerde des Verurteilten war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (RIS-Justiz RS0106197).