JudikaturOLG Linz

7Bs139/23z – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Gföllner als Vorsitzende, Dr. Ganglberger-Roitinger und Mag. Haidvogl in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 23. August 2023, 27 Hv 120/21f-12, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, dem Verurteilten A* uneingeschränkte Akteneinsicht zu gewähren.

Text

begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz vom 13. Dezember 2021, 27 Hv 120/21f-6, wurde A* des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Eingabe vom 31. Juli 2023 beantragte der Verurteilte (ohne nähere Begründung), seinem Rechtsvertreter elektronische Akteneinsicht zu gewähren (ON 10).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Antrag ab, weil der Verurteilte kein begründetes rechtliches Interesse iSd § 77 Abs 1 StPO - auch nicht nach entsprechender Aufforderung - dargetan habe.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten, die auf Gewährung uneingeschränkter Akteneinsicht abzielt (ON 14).

Die Beschwerde ist in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Linz vom 2. Oktober 2023 berechtigt.

Dem Erstgericht ist beizupflichten, dass nach rechtskräftiger Beendigung des Strafverfahrens auch Verurteilten Akteneinsicht nur nach Maßgabe des § 77 Abs 1 StPO zu gewähren ist (vgl Nimmervoll , Strafverfahren 2 , Kap I Rz 302; Oshidari in WK-StPO § 27 Rz 1; zur früheren Rechtslage: RIS-Justiz RS0096779). Dem rechtskräftig Verurteilten steht daher – anders als dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren oder dem Angeklagten im Haupt- und Rechtsmittelverfahren – nicht in jedem Fall volle Akteneinsicht nach § 51 Abs 1 StPO zu. Die (auch) für den rechtskräftig Verurteilten maßgebliche Bestimmung des § 77 Abs 1 StPO setzt vielmehr ein begründetes rechtliches Interesse an der Akteneinsicht voraus, welches gegeben ist, wenn die Kenntnis vom Akteninhalt geeignet ist, die Position des Antragstellers in einem (Verwaltungs-, Zivil- oder Straf-)Verfahren zu fördern oder die Gefahr von Beeinträchtigungen seiner Rechtssphäre zu minimieren oder zu beseitigen. Dabei muss es sich um ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse handeln (vgl Oshidari in WK-StPO § 77 Rz 2; Brandstetter/Zeinhofer in LiK-StPO § 77 Rz 4 f).

Zutreffend zeigt die Oberstaatsanwaltschaft Linz in ihrer Stellungnahme vom 2. Oktober 2023 auf, dass sich ein begründetes rechtliches Interesse des Verurteilten an der Akteneinsicht schon aus seiner Eingabe vom 25. Juli 2023 (ON 9a) erschließt. Führt er darin doch aus, dass sein Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aufgrund der Verurteilung zu 27 Hv 120/21f des Landesgerichts Linz abgelehnt worden sei, weshalb er „letztendlich die Löschung der Strafe und damit des Eintrags in sein strafrechtliches Register“ erreichen möchte. Damit legt er hinreichend deutlich dar, dass es ihm in Hinblick auf die von ihm angestrebte Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft um die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verurteilung geht. Dass der wenige Tage später von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt gestellt Antrag auf Akteneinsicht keine nähere Begründung enthält, schadet bei gesamthafter Betrachtung nicht.

Die erkennbar intendierte Prüfung allfälliger Möglichkeiten der Beseitigung eines der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegenstehenden Urteils ist - wie von der Oberstaatsanwaltschaft ausgeführt - ein begründetes rechtliches Interesse an der Akteneinsicht iSd § 77 Abs 1 StPO. Öffentliche oder private Interessen stehen einer uneingeschränkten Akteneinsicht fallkonkret nicht entgegen.

Es war daher in Stattgebung der Beschwerde spruchgemäß zu entscheiden.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.

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