JudikaturOLG Linz

123Ds1/21k – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
22. August 2022

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Disziplinargericht für Notar/inn/e/n hat durch Dr. Bergmayr als Vorsitzenden und Dr. Austaller und Mag. Telfser als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates in der Disziplinarsache gegen *****, öffentliche Notarin in *****, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Gemäß § 176 zweiter Fall NO wird das eingeleitete Disziplinarverfahren eingestellt und die Sache an die Notariatskammer für Oberösterreich abgetreten.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 28. Juni 2021, 123 Ds 1/21k-7, hat das Disziplinargericht gemäß § 170 Abs 1 NO iVm § 123 Abs 1 RStDG die Disziplinaruntersuchung gegen die öffentliche Notarin ***** eingeleitet, da der Verdacht bestehe, sie habe zum einen gegen § 53 Abs 1 NO, wonach der Notar die Parteien aufzuklären und zu belehren hat, wenn die Übervorteilung einer der Parteien zu besorgen ist, dadurch verstoßen, dass sie am 21. August 2017/25. September 2017/27. September 2017 eine schriftliche Vereinbarung verfasst habe, mit welcher die am 26. Dezember 1926 geborene, mittlerweile am 6. September 2020 verstorbene ***** an ihrem Hälfteeigentum der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, der Firma ***** GmbH, deren Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin die Disziplinarbeschuldigte ist, und *****, bei welchem es sich um den Sohn der Disziplinarbeschuldigten handelt, das Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsarten, insbesondere auch für den Fall des Todes, einräumt, wobei gleichzeitig der Kaufpreis mit EUR 200.000,00 festgesetzt und die Eintreibung dieses Vorkaufsrechts im Grundbuch vereinbart worden sei, während der Wert des Hälfteanteiles EUR 600.000,00 betragen habe, und zum anderen gegen § 33 NO, wonach in Sachen, in denen der Notar selbst oder Personen, die mit ihm in gerader Linie verwandt sind, beteiligt sind, sowie in den Fällen, in welchen in einer Urkunde eine Verfügung zu seinem eigenen oder zum Vorteil naher Angehöriger aufgenommen werden soll, der Notar keine Notariatsurkunde aufnehmen darf, dadurch, dass die Disziplinarbeschuldigte die Echtheit der Unterschrift der ***** auf deren Vereinbarung beglaubigt habe.

Wenngleich sich aus den Angaben der im Zuge der Disziplinaruntersuchung vernommenen Zeugen *****, ***** und ***** keine Hinweise ergeben haben, dass den erfolgten An- bzw Verkäufen von Anteilen der Liegenschaft keine marktgerechten Preise zugrunde gelegt werden sollten und sich unter Zugrundelegung dieser Preise für das von ***** verkaufte Hälfteeigentum ein weit über EUR 200.000,00 liegender marktgerechter Kaufpreis zu erschließen wäre, kann eine solche Diskrepanz nicht erwiesen werden, betrug doch nach dem im Zuge der Disziplinaruntersuchung eingeholten Gutachten des Sachverständigen***** der Wert des Hälfteanteils der ***** an der Liegenschaft zum Bewertungszeitpunkt August/September 2017 lediglich etwa EUR 205.000,00.

Rechtliche Beurteilung

Dementsprechend ist mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt davon auszugehen, dass ein Verstoß der Disziplinarbeschuldigten gegen die Bestimmung des § 53 NO, wonach den Notar zur Vermeidung der Übervorteilung einer der Parteien Warn- und Aufklärungspflichten treffen, nicht nachweisbar ist.

Für § 156 Abs 1 Z 1 NO bleibt damit kein Anwendungsbereich mehr. Denn der Umstand, dass die Disziplinarbeschuldigte die angesprochene Vereinbarung, deren Parteien unter anderem ihr Sohn und de facto auch sie selbst waren, verfasste, begründet keinen Verstoß gegen § 33 Abs 1 NO, wurde dabei die Notarin doch nicht als öffentliche Urkundsperson iSd § 1 NO tätig, sondern im Rahmen sonstiger Berufsausübung gemäß § 5 leg cit, gilt doch § 33 Abs 1 leg cit für jede Amtstätigkeit nach § 1 leg cit, nicht aber für die Berufsausübung nach § 5 leg cit. Die Beglaubigung der Unterschrift der ***** auf der erwähnten Vereinbarung ist für sich allein nicht geeignet, einen Schaden iSd § 156 Abs 1 Z 2 leg cit nach sich zu ziehen. Dementsprechend ist in diesem Umfang kein Verdacht eines Disziplinarvergehens gegeben, sondern einer einer Ordnungswidrigkeit, deren Ahndung in die Zuständigkeit der Notariatskammer fällt. Dementsprechend ist zum einen das Disziplinarverfahren einzustellen und zum anderen (mit Blick auf die fallbezogen den Parteien fehlende Rechtsmittellegitimation (arg. 131 RStDG iVm § 170 Abs. 1 NO) sogleich) die Sache an die Notariatskammer gemäß § 176 NO abzutreten.

Rückverweise