JudikaturOLG Linz

1R180/17x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
10. Januar 2018

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsidentin Dr. Ulrike Neundlinger als Vorsitzende sowie Mag. Gerhard Hasibeder und Dr. Wolfgang Poth in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. ***** , und 2. ***** , beide vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer, Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch die Kopp-Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, wegen EUR 17.850,83 s.A., über den Kostenrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 7. Dezember 2017, 6 Cg 87/13t-50, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, den Nebenintervenienten binnen 14 Tagen die mit EUR 247,30 (darin enthalten EUR 41,22 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

begründung:

Gegen das Urteil des Erstgerichtes vom 27. März 2015, ON 38, erhoben am 24. April 2015 sowohl die Klägerin als auch - zeitlich nachfolgend - die beiden auf Seiten der Klägerin beigetretenen Nebenintervenienten eine Berufung mit dem jeweiligen Abänderungsantrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben. Die Klägerin verzeichnete an Kosten für ihre Berufung die Pauschalgebühr in Höhe von EUR 1.088,00, die vom Kostenbeamten auch eingezogen wurde (ON 43). Die Nebenintervenienten verzeichneten für ihre Berufung keine Pauschalgebühr; ein Gebühreneinzug wurde unter Hinweis auf die Berufung der Klägerin, ON 43, unterlassen (ON 44).

Mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 10. August 2015, 1 R 94/15x-48, wurde den Berufungen der Klägerin und der Nebenintervenienten Folge gegeben, das angefochtene Ersturteil dahin abgeändert, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wurde und der Beklagte zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.

Mit Lastschriftanzeige vom 21. November 2017 wurde beiden Nebenintervenienten eine Pauschalgebühr nach TP 2 GGG für die Berufung vom 24. April 2015, ON 44, in Höhe von EUR 1.088,00 mit folgendem Beisatz vorgeschrieben: Judikaturwende hinsichtlich der Gebührenpflicht des Nebenintervenienten (siehe VwGH E 22.12.2016, Ra 2016/16/0095).

Mit Antrag vom 7. Dezember 2017 begehren die Nebenintervenienten den Ersatz der nachträglich vorgeschriebenen Pauschalgebühr gemäß § 54 Abs 2 ZPO. Sie hätten für ihre Berufung im Hinblick auf die Judikatur des VwGH (Entscheidungen vom 20. April 1989, 88/16/0215 und vom 26. Februar 2015, 2013/16/0233) keine Pauschalgebühr verzeichnet. Da ihnen bei Einbringung der Berufung bekannt gewesen sei, dass auch die Klägerin eine Berufung einbringe, hätten sie im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt davon ausgehen können, dass für die von ihnen eingebrachte Berufung keine zusätzliche Pauschalgebühr zu entrichten sei. Wäre die Pauschalgebühr verzeichnet worden, wäre sie ihnen aufgrund der damaligen herrschenden Rechtsprechung des VwGH vom Berufungsgericht auch nicht zugesprochen worden. Nach § 54 Abs 2 ZPO beginne die Frist für den Antrag auf Ergänzung der Kostenentscheidung, wenn die Kosten in einer Zahlungspflicht bestehen würden und der Gläubiger nicht der Bevollmächtigte der Partei sei, erst zu laufen, wenn der Partei ihre Verbindlichkeit zahlenmäßig bekannt gegeben und wenn sie fällig oder wenn sie vorher gezahlt werde. Der Begriff des „Entstehens der Kosten“ sollte durch die ZVN 1983 dahin präzisiert werden, dass bei Zahlungspflichten der Kostenersatzanspruch grundsätzlich schon mit der Zahlungspflicht und nicht erst mit dem Nachweis der Zahlung entstehe. Dies sei von der Frage zu trennen, ob die Kosten, die bereits zum Zeitpunkt des Entstehens verzeichnet werden könnten, auch zu diesem Zeitpunkt bei sonstigem Verlust verzeichnet werden müssten (vgl HG Wien 1 R 297/98t = RIS-Justiz RWH0000032, LGZ Wien 40 R 303/04m = RIS-Justiz RWZ0000082).

Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht den Beklagten schuldig, den Nebenintervenienten auf Seiten der Klägerin weitere Kosten von EUR 1.088,00 sowie die Kosten des Antrages vom 7. Dezember 2017 in Höhe von EUR 32,04 zu ersetzen.

Das Erstgericht stützte sich in seiner Begründung im Wesentlichen auf § 54 Abs 2 dritter Satz ZPO, wonach die vierwöchige Notfrist für die Stellung des Antrages auf Ergänzung der Kostenentscheidung, wenn die Kosten in einer Zahlungspflicht bestünden und der Gläubiger nicht der Bevollmächtigte der Partei sei, erst zu laufen beginne, wenn der Partei ihre Verbindlichkeit zahlenmäßig bekannt gegeben und wenn sie fällig oder wenn sie vorher gezahlt werde. Den Nebenintervenienten sei nachträglich die Pauschalgebühr vorgeschrieben worden, weil aufgrund des Erkenntnisses des VwGH vom 22. Dezember 2016, Ra 2016/16/0095, die bisherige Gebührenfreiheit für den Fall, dass bereits die Hauptpartei ein Rechtsmittel erhoben gehabt habe, beseitigt worden sei. Die vierwöchige Frist des § 54 Abs 2 ZPO habe daher mit der Vorschreibung der Pauschalgebühr zu laufen begonnen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Beklagten mit dem Abänderungsantrag, den Antrag auf nachträgliche Kostenbestimmung abzuweisen.

Die Nebenintervenienten erstatteten eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurswerber führt im Wesentlichen aus, dass kein Fall des § 54 Abs 2 ZPO vorliege, der zu einer nachträglichen Verzeichnung der Kosten berechtige. In einer Zahlungspflicht bestehende Kosten seien bereits mit ihrer Begründung entstanden. Gerichtsgebühren seien daher von der zahlungspflichtigen Partei auch dann bereits anzusprechen, wenn sie noch nicht entrichtet worden seien, wie das üblicherweise bei Einbringung einer Berufung der Fall sei. Die Gerichtsgebühren würden in diesem Fall mit Einbringen der Berufung entstehen und nicht erst mit der (nachträglichen) Vorschreibung durch die Revisionsstelle. Eine Judikaturwende des VwGH sei keine Gesetzesänderung, es handle sich vielmehr um eine Interpretation des bestehenden Gesetzes durch das zuständige Gericht. Der Kostenanspruch sei daher verfristet.

Nach § 54 Abs 1 ZPO ist das Kostenverzeichnis bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches rechtzeitig - grundsätzlich sobald wie möglich (Fucik in Rechberger 4 , § 54 ZPO Rz 4) - vorzulegen. Ist die Beschlussfassung ohne mündliche Verhandlung möglich, dann hat das Kostenverzeichnis gleichzeitig mit dem Antrag, über den entschieden werden soll, vorgelegt oder in den Antrag aufgenommen zu werden. Deshalb muss mangels zwingender Durchführung einer Berufungsverhandlung in den Berufungsschriften grundsätzlich auch die Kostenaufstellung für die im Berufungsverfahren angesprochenen Kosten enthalten sein (vgl M. Bydlinski in Fasching/Konecny³, § 54 ZPO Rz 8).

Nur dann, wenn einer Partei nach diesem Zeitpunkt noch weitere Kosten entstanden sind, kann sie gemäß § 54 Abs 2 erster Satz ZPO eine Ergänzung der Entscheidung über die Höhe der zu ersetzenden Kosten beantragen. § 54 Abs 2 ZPO enthält detaillierte Regelungen, wann Kosten als entstanden anzusehen sind. Bestehen die Kosten in einer Zahlungspflicht, so gelten sie grundsätzlich als mit deren Begründung entstanden. Gemäß § 2 Z 1 lit c GGG wird der Anspruch des Bundes auf Bezahlung der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet. Dies bedeutet, dass die gesamten Kosten des Rechtsmittelschriftsatzes einschließlich einer anfallenden Pauschalgebühr grundsätzlich schon im Rechtsmittelschriftsatz zu verzeichnen sind. Ein Fall nachträglich entstandener Kosten im Sinn des § 54 Abs 2 ZPO liegt nicht vor (RIS-Justiz RS0036052; 2 Ob 194/06b, 1 Ob 70/07m).

Für den Fall der mit einer Klagsausdehnung verbundenen höheren Gerichtsgebühren bzw. zur Frage der Rechtzeitigkeit der Verzeichnung des Differenzbetrages ist die bisherige Judikatur nicht einheitlich. Ein Teil der Rechtsprechung vertritt die Ansicht, aus § 54 Abs 2 ZPO ergebe sich, dass die Zahlungspflicht der Partei vom Gericht bekannt gegeben werden müsse (HG Wien 1 R 297/98t = RIS-Justiz RWH0000032; LGZ Wien 40 R 303/04m = RIS-Justiz RWZ0000082). Begründet wird dies damit, dass von der Entstehung der öffentlich rechtlichen Gebührenpflicht nach dem GGG die Bestimmungen insbesondere des § 54 Abs 2 ZPO über die rechtzeitige Verzeichnung der Kosten zu unterscheiden seien. Gläubiger der zum Ersatz begehrten Pauschalgebühren sei gemäß § 2 GGG der Bund, sodass der Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr schon mit deren Entstehung geltend gemacht werden könne. Durch die Neufassung des § 54 Abs 2 ZPO durch die ZVN 1983 sollte jedoch auch klarer ausgedrückt werden, dass bei Kosten, die in einer Zahlungspflicht bestehen würden, in bestimmten Fällen der Beginn des Fristenlaufes über das Entstehen des Kostenersatzanspruchs hinaus aufgeschoben sei, sofern es sich nicht um eine Zahlungspflicht der Partei gegenüber ihrem Bevollmächtigten handle. Dabei solle nicht genügen, dass der Partei die zahlenmäßige Höhe ihrer Zahlungspflicht irgendwie bekannt geworden sei, sondern sie müsse ihr vom Gericht bekannt gegeben worden sein. Gegen diese Judikaturlinie argumentiert das OLG Wien in seiner Entscheidung vom 10. Jänner 2013, 13 R 216/12y, dass sich die Frage, wann die Verpflichtung zur Entrichtung der Pauschalgebühr im Sinn des § 54 Abs 2 ZPO als entstanden gelte, ausschließlich nach den Bestimmungen des GGG richte. Gemäß § 2 Z 1 lit b GGG werde der Anspruch des Bundes auf Bezahlung der Gerichtsgebühren für den Fall der Ausdehnung des Klagebegehrens in einer mündlichen Verhandlung mit dem Zeitpunkt des Beginns der Protokollierung begründet, weshalb die Verpflichtung zur Entrichtung der Pauschalgebühr zu diesem Zeitpunkt als entstanden gelte (RIS-Justiz RW0000738; Obermaier in ÖJZ 2013/60, 576; igS MietSlg 43.461; LG Eisenstadt 37 R 50/07p = RIS-Justiz RES0000143).

Die hier zu beurteilende Konstellation der nachträglichen Vorschreibung einer Pauschalgebühr für die Berufung der Nebenintervenienten ist allerdings besonders gelagert. Nach der bisherigen Judikatur des VwGH war eine zusätzliche Rechtsmittelschrift des auf der Seite der das Rechtsmittelverfahren bereits eingeleitet habenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten nicht geeignet, die Pauschalgebühr nochmalig auszulösen. Wenn die Partei, auf deren Seite ein Nebenintervenient beigetreten ist, gleichfalls (in einem getrennten Schriftsatz) Berufung erhebt, fällt daher für den Teil des Rechtsmittelinteresses, der bei beiden - auf einer Seite stehenden - Rechtsmittelwerbern ident ist, nur einmal die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG an (VwGH 20. April 1989, 88/16/0215; VwGH 26. Februar 2015, 2013/16/0233). Dies entsprach auch, soweit beurteilbar, der bisher herrschenden Praxis. Mit Erkenntnis vom 22. Dezember 2016, Ra 2016/16/0095, änderte der VwGH seine Judikatur und hält nunmehr die Differenzierung zwischen Rechtsmitteln von (Haupt-)Partei einerseits und Nebenintervenienten andererseits nicht mehr aufrecht.

Dem Rekurswerber ist grundsätzlich Recht zu geben, dass es sich hier um eine Judikaturwende und nicht um eine Gesetzesänderung handelt, d.h. dass davon auszugehen ist, dass nach der schon zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung der Nebenintervenienten bestandenen Rechtslage, die nunmehr vom VwGH nur anders interpretiert wird, eine Verpflichtung der Nebenintervenienten bestand, eine Pauschalgebühr für die Überreichung der Berufung zu entrichten. Es liegt daher an sich kein Fall des § 54 Abs 2 ZPO vor, sondern wäre auch die Pauschalgebühr im Sinn des § 54 Abs 1 ZPO im Berufungsschriftsatz zu verzeichnen gewesen. Allerdings ist zu beachten, dass den Nebenintervenienten im Fall der Verzeichnung einer Pauschalgebühr, die im Sinne der damaligen Praxis nicht eingehoben oder eingezogen wurde bzw. werden musste (vgl Deckblatt ON 44), diese Pauschalgebühr in der Berufungsentscheidung auch nicht zugesprochen worden wäre. In diesem Sinn haben die Nebenintervenienten damals völlig zu Recht in ihrem Kostenverzeichnis den Ersatz einer Pauschalgebühr nicht verlangt.

An einen derartigen Fall hat der Gesetzgeber tatsächlich aber offenbar nicht gedacht. Einerseits bringt eine Verpflichtung zur Verzeichnung der Pauschalgebühr im Rechtsmittelschriftsatz im Sinn des § 54 Abs 1 ZPO keine taugliche Lösung, weil den Nebenintervenienten die Pauschalgebühr in der vom Berufungsgericht zu treffenden Kostenentscheidung nicht zugesprochen worden wäre und einer neuerlichen Geltendmachung allenfalls sogar der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegengehalten werden könnte. Andererseits kommt eine unmittelbare Anwendung des § 54 Abs 2 ZPO nicht in Betracht, weil die Zahlungspflicht gemäß § 2 Z 1 lit c GGG bereits mit der Überreichung der Berufungsschrift begründet wurde und damit entstanden ist, sodass es sich nicht um nachträglich entstandene Kosten handelt. Das Rekursgericht ist daher der Ansicht, dass die hier zu beurteilende Konstellation gleichwertig einer nachträglichen rückwirkenden Änderung der Rechtslage ist. Wenn also zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung - nach der Gesetzeslage - noch keine Gebührenpflicht bestanden hätte, aber eine solche nachträglich rückwirkend gesetzlich eingeführt worden wäre, würden an der Anwendbarkeit des § 54 Abs 2 ZPO keine Zweifel bestehen. Es erscheint daher für den vorliegenden Fall eine sinngemäße Anwendung des § 54 Abs 2 ZPO angebracht. Da die Kosten in einer Zahlungspflicht bestehen und der Gläubiger nicht der Bevollmächtigte der Nebenintervenienten ist, begann die vierwöchige Frist für die Stellung des Antrages auf Ergänzung der Kostenentscheidung erst zu laufen, als den Nebenintervenienten ihre Verbindlichkeit (vom Gericht) zahlenmäßig bekannt gegeben wurde, hier somit mit Zustellung der Lastschriftanzeige.

Da die Geltendmachung der weiteren Kosten in diesem Sinn daher rechtzeitig erfolgte, hat das Erstgericht den Beklagten zu Recht zum Ersatz der Pauschalgebühr verpflichtet. Dem Rekurs musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Gegen Entscheidungen über den Kostenpunkt ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

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