JudikaturOLG Linz

113Ds9/17g – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
15. November 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat durch den Senatspräsidenten Dr. Bergmayr als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin Dr. Gföllner und den Senatspräsidenten Dr. A. Neundlinger als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates in der Disziplinarsache gegen

*****

, Richter des Bezirksgerichtes *****, wegen eines Dienstvergehens nach § 101 Abs. 1 RStDG nach der am 15. November 2017 in Anwesenheit des Disziplinaranwaltes EOStA Dr. Bruno Granzer sowie des Disziplinarbeschuldigten ***** durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

***** ist schuldig, er hat als Richter des Bezirksgerichtes ***** entgegen der Pflicht nach § 57 Abs 1 RStDG, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen,

I. in 14 von ihm geführten Verfahren des Bezirksgerichtes ***** Verfahrensstillstände in der Dauer von 6 bis 25 Monaten verursacht, und zwar

1. ***** C *****: von Dezember 2014 bis 8. Februar 2017 (rund 25 Monate)

2. ***** C *****: von 12. Mai 2015 bis 7. Dezember 2016 (rund 19 Monate)

3. ***** C *****: von Juni 2015 bis 10. Februar 2017 (rund 19 Monate)

4. ***** C *****: von Mai 2015 bis 24. Jänner 2017 (rund 20 Monate)

5. ***** C *****: von Jänner 2015 bis 26. Februar 2016 (rund 13 Monate)

6. ***** C *****: von Mai 2015 bis 11. Jänner 2017 (rund 19 Monate)

7. ***** C *****: von Jänner 2015 bis Jänner 2016 (12 Monate)

8. ***** C *****: von Februar 2015 bis 11. Jänner 2017 (rund 22 Monate)

9. ***** C *****: von April 2016 bis zumindest 3. Juli 2017 (15 Monate)

10. ***** C *****: von Mai 2015 bis 19. Jänner 2017 (rund 19 Monate)

11. ***** C *****: von Oktober 2015 bis zumindest 10. April 2017 (rund 18 Monate)

12. ***** C *****: von Oktober 2015 bis 7. Februar 2017 (rund 15 Monate)

13. ***** C *****: von März 2016 bis zumindest 10. April 2017 (rund 12 Monate) und

14. ***** C *****: von Juli 2016 bis zumindest 6. Juli 2017 (knapp 12 Monate),

sowie

II. in 37 von ihm geführten Verfahren des Bezirksgerichtes ***** Urteile verzögert ausgefertigt, und zwar

in den (im 1. Halbjahr 2016 geschlossenen) Verfahren ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C ***** und ***** C ***** erst im 7. Monat nach Schluss der Verhandlung,

in den (im 1. Halbjahr 2016 geschlossenen) Verfahren ***** C *****, ***** C *****, ***** C ***** und ***** C ***** erst im 6. Monat nach Schluss der Verhandlung,

in den (im 1. Halbjahr 2016 geschlossenen) Verfahren ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C ***** und ***** C ***** erst im 5. Monat nach Schluss der Verhandlung,

in den (im 1. Halbjahr 2016 geschlossenen) Verfahren ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C ***** und ***** C ***** erst im 4. Monat nach Schluss der Verhandlung,

in den (im 1. Halbjahr 2016 geschlossenen) Verfahren ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C *****, ***** C ***** und ***** C ***** erst im 3. Monat nach Schluss der Verhandlung sowie

in den (im Jänner 2017 geschlossenen) Verfahren ***** C ***** und ***** C ***** erst im 9. Monat nach Schluss der Verhandlung.

Er hat hiedurch ein Dienstvergehen gemäß § 101 Abs 1 RStDG begangen.

Gemäß § 101 Abs. 1, 104 Abs 1 lt b RStDG wird über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von eineinhalb (Brutto-) Monatsbezügen verhängt.

Gemäß § 137 Abs. 2 RStDG hat er die mit EUR 300,00 bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Aufgrund der Anzeige des Präsidenten des Oberlandesgerichtes ***** vom 9. Februar 2017 samt Beilagen (ON 1) und Ergänzung vom 7. August 2017 samt Beilagen (ON 18), der Stellungnahmen des Disziplinarbeschuldigten vom 10. April 2017 (ON 5) und vom 3. Juli 2017 (ON 13), der Auslastungsberechnungen 2015 und 2016 (ON 12), der Prüflisten SV 2 und SV 6 (Beilagen zu ON 25) und der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten wird folgender Sachverhalt festgestellt:

*****

, geboren am *****, wurde am ***** auf die Planstelle eines Richters des Bezirksgerichtes ***** ernannt. Er ist dort seit vielen Jahren als Leiter der Gerichtsabteilung ***** mit den Geschäftsbereichen Streitsachen der allgemeinen und besonderen Gerichtsbarkeit, Anträge auf einstweilige Verfügungen nach § 382a EO und außerstreitige Angelegenheiten nach dem Wohnungseigentumsgesetz und nach dem Heizkostenabrechnungsgesetz betraut. Seine Verwendung erfolgt mit 98 % in Streitsachen und mit 2 % in Msch-Sachen.

Die Auslastung der von ihm geleiteten Geschäftsabteilung ***** C betrug im Jahr 2015 97,51 % und im Jahr 2016 103,93 %.

In den im Urteilsspruch unter I. angeführten 14 Verfahren hat ***** im Zeitraum Dezember 2014 bis Juli 2017 Verfahrensstillstände in der Dauer von 12 Monaten (3 Verfahren), 13 Monaten (1 Verfahren), 15 Monaten (2 Verfahren), 18 Monaten (1 Verfahren), 19 Monaten (4 Verfahren), 20 Monaten (1 Verfahren), 22 Monaten (1 Verfahren) und 25 Monaten (1 Verfahren) verursacht.

In den im Urteilsspruch unter II. angeführten - 35 im 1. Halbjahr 2016 und 2 im Jänner 2017 geschlossenen - Verfahren hat ***** die Urteile erheblich verzögert ausgefertigt, und zwar in 2 Fällen erst im 9., in 5 Fällen erst im 7., in 4 Fällen erst im 6., in 7 Fällen erst im 5., in 8 Fällen erst im 4. und in 11 Fällen erst im 3. Monat nach Schluss der Verhandlung.

Im Oktober 2015 zog sich die 1939 geborene und im Februar 2017 verstorbene, in Wien wohnhaft gewesene Mutter des ***** einen Oberschenkelhalsbruch zu. Um ihr guten Zuspruch zu geben und seine Schwester zu unterstützen, fuhr er alle ein bis zwei Monate meist zu den Wochenenden nach Wien.

Anfang Dezember 2015 trat bei seiner achtjährigen Tochter eine gefährliche Erkrankung der Augenhöhle auf, die eine operative Eröffnung der rechten Stirnhöhle notwendig machte. Ihre sehr erfolgreiche Rekonvaleszenz dauerte bis Februar 2016.

Von Dezember 2015 bis Juni 2016 hatte ***** Beschwerden im Hals und Magen mit Sodbrennen und Magenschmerzen, die Anfang Juni 2016 als mäßige/abheilende Entzündungen am Magen, Zwölffingerdarm und Speiseröhre diagnostiziert wurden. Ab Herbst 2015 hatte er zudem mehrmals wöchentlich Schlafprobleme.

***** war zweimal verheiratet. Er zahlt an seine geschiedene erste Gattin einen monatlichen Unterhalt von EUR 935,00, ist für seine Tochter aus seiner zweiten Ehe sorgepflichtig und leistet auch für den Unterhalt seiner zweiten Gattin, von der er getrennt lebt, einen Beitrag.

Diese Feststellungen ergeben sich aus den eingangs angeführten Beweismitteln und der geständigen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, der einräumte, dass es zu den in den Disziplinaranzeigen aufgelisteten Verfahrensstillständen und Verzögerungen bei Urteilsausfertigungen gekommen ist und er die Sachen nicht so schnell habe erledigen können, wie es geboten gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die in § 57 Abs RStDG normierte Pflicht des Richters zur ordnungsgemäßen Dienstleistung beinhaltet die Verbindlichkeit, die bei Gericht anhängigen Angelegenheiten so rasch wie möglich zu erledigen. Dazu gehört die möglichst und tunlichst unverzügliche Inangriffnahme aller angefallenen Amtsgeschäfte ebenso wie deren ehebaldige Erledigung auf Grund einer rationellen Arbeitsweise und Arbeitseinteilung (RIS-Justiz RS0115556). Bei Beurteilung von disziplinären Verfahrens- und Erledigungsverzögerungen ist grundsätzlich ein strenger, objektiver Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0115557 [T1]).

Für die zahlreichen und teilweise drastischen Verfahrensstillstände und die vielen teils gravierend verzögerten Urteilsausfertigungen - § 415 ZPO sieht vor, dass Urteile binnen 4 Wochen nach Schluss der Verhandlung auszufertigen sind - liefern die gesundheitlichen Probleme, die vorwiegend seine Angehörigen und nur in geringem Ausmaß den Disziplinarbeschuldigten selbst betrafen, keine sachliche Rechtfertigung. Auch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der von ***** zu bearbeitenden Akten und auszufertigenden Entscheidungen sind nicht hervorgekommen.

In rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhalts ist ***** daher ein Dienstvergehen nach § 101 Absender RStDG vorzuwerfen.

Bei der Strafzumessung war mildernd das Geständnis und die teilweise schwierige familiäre Situation zu berücksichtigen, erschwerend hingegen das Zusammentreffen von Verzögerungen sowohl bei der Verfahrensführung als auch bei der Ausfertigung der Entscheidungen, die jeweils für sich allein geeignet sind, ein Dienstvergehen zu verwirklichen (RIS-Justiz RS0072541; RIS-Justiz RS0072703 [T 1]), und die teilweise Tatbegehung bei offenem Disziplinarverfahren.

Berücksichtigt man zudem die Schmälerung des frei verfügbaren Einkommens des Disziplinarbeschuldigten

durch seine Sorgepflichten

ist eine Geldstrafe in der Höhe von 1 ½ Monatsbezügen schuldangemessen.

Die Entscheidung über die Kosten des Disziplinarverfahrens gründet auf § 137 Abs. 2 RStDG und berücksichtigt die Einkommensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten und den Verfahrensumfang.

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