JudikaturOLG Linz

7Bs149/17m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
15. September 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Gföllner als Vorsitzende, Dr. Henhofer und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen S***** R***** über die Beschwerde der N***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 26. Juli 2017, 25 Hv 114/12w-193, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz als Jugendschöffengericht vom 7. Februar 2013, 25 Hv 114/12w-23, wurde von der (von der Staatsanwaltschaft beantragten) Unterbringung des am 7. Juli 1996 geborenen S***** R***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB gemäß § 45 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen. Dazu wurden die Weisungen erteilt, (1.) am 1. März 2013 in der von N***** zur Verfügung gestellten Wohnung einzuziehen und Wohnung zu nehmen und die dortige Betreuung anzunehmen, (2.) regelmäßig fachärztliche Kontrollen in Abständen anfangs von 4 bis 6 Wochen zu konsultieren und (3.) regelmäßig die vom behandelnden Facharzt verordnete Medikation wie derzeit Cypralex und Risperdal einzunehmen.

Seit 1. März 2013 wird S***** R***** in der W*****, betreut. Die in der Folge von der N***** für die Betreuung des S***** R***** dem Landesgericht Linz in Rechnung gestellten Kosten wurden in der Vergangenheit jeweils antragsmäßig – zuletzt auf Basis eines Tagessatzes von EUR 400,41 – gemäß § 179a StVG iVm § 51 Abs 5 StGB bestimmt.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 26. Juli 2017 bestimmte das Erstgericht die Kosten für den mit Rechnung Nr. 17188 geltend gemachten Zeitraum (1. Juni 2017 bis 30. Juni 2017) auf Basis eines Tagessatzes von EUR 240,25 mit insgesamt EUR 6.871,15 und wies das Mehrbegehren ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass gemäß § 46 Abs 1 JGG die Kostentragung durch den Bund mit jenem Betrag, den auch die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter übernehmen würde, limitiert sei. Gemäß § 14 der Satzungen der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter seien nur 60 % des geltend gemachten Tagessatzes vom Bund zu tragen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde der N*****, in welcher – aus ihrer Sicht durchaus nachvollziehbar – darauf verwiesen wird, dass S***** R***** seit mehreren Jahren im Auftrag des Landesgerichtes Linz betreut werde und die verrechneten Kosten bis dato immer bezahlt worden wären. Es sei daher verwunderlich, dass nunmehr ein um 40 % reduzierter Tagessatz zugesprochen werde, zumal es S***** R***** nicht möglich sei, den Differenzbetrag zu ersetzen (ON 197).

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Dem Erstgericht ist beizupflichten, dass die Kostentragungspflicht des Bundes – deren Bestimmung dem Gericht obliegt, das für die Erteilung der Weisung zuständig ist, – gesetzlich geregelt und gedeckelt ist.

Vorauszuschicken ist, dass bei der bedingten Nachsicht einer vorbeugenden Maßnahme nach § 45 StGB mit dem 2. GeSchG (BGBl I 2009/40) im § 51 Abs 5 StGB eine subsidiäre Kostentragung durch den Bund eingeführt wurde, die sich an den Voraussetzungen des § 179a StVG orientiert. Dies im Hinblick darauf, dass einerseits die grundsätzliche Kostentragungspflicht des Abgeurteilten oder Betroffenen bei Weisungen aus Anlass einer bedingten Nachsicht einer Anwendung des § 45 StGB häufig entgegensteht. Andererseits lässt der Umstand, dass es sich bei dem betroffenen Personenkreis um psychisch Kranke handelt, gerechtfertigt erscheinen, hier die Kosten (subsidiär) den Bund tragen zu lassen ( Schroll in WK 2 StGB § 51 Rz 52a). Durch das 2. GeSchG wurde im § 179a StVG – neben den Weisungen, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen, - auch die Weisung, in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen, in den Katalog der anspruchsbegründenden Voraussetzungen aufgenommen und dadurch die Grundlage für eine unentgeltliche Betreuung und eine Übernahme der Aufenthaltskosten geschaffen (vgl Pieber in WK 2 StVG § 179a Rz 1). § 46 Abs 1 JGG sieht erst seit dem JGG-ÄndG 2015 (BGBl I 2015/154) eine (subsidiäre) Kostenersatzpflicht des Bundes für den Aufenthalt in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung, mit welcher der Bundesminister für Justiz Verträge abgeschlossen hat, vor (vgl Schroll in WK 2 JGG § 46 Rz 4/1). Nach § 46 Abs 2 JGG kann der Bundesminister für Justiz mit gemeinnützigen therapeutischen Einrichtungen oder Vereinigungen über die Höhe der nach Abs 1 leg.cit. vom Bund zu übernehmenden Kosten Verträge abschließen. Nach der Regierungsvorlage soll der Verweis auf Einrichtungen, mit denen der Bundesminister für Justiz Verträge geschlossen hat, klarstellen, dass darunter nur diese und nicht etwa Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe zu verstehen sind (852 BlgNR 25. GP 8). So weit überblickbar, hat der Bundesminister für Justiz mit der N***** keine derartigen Verträge abgeschlossen.

Rechtliche Beurteilung

Zur Begrenzung des Ausmaßes der vom Bund zu ersetzenden Kosten verweist § 46 Abs 1 JGG ebenso wie § 179a StVG (und auch § 41 Abs 2 SMG) auf jene Kosten, für welche die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter aufkäme, wenn der Rechtsbrecher in der BVA versichert wäre. Darunter ist freilich nur die ziffernmäßige Höhe der Gebührenansätze der BVA für jene Leistungen der Krankenbehandlung oder Anstaltspflege aus dem Versicherungsfall der Krankheit (§ 52 Z 2 B-KUVG) zu verstehen, welche der als notwendig erkannten Behandlung entsprechen oder mit ihr zumindest vergleichbar sind (vgl Schroll in WK 2 StGB § 51 Rz 54 f; Schroll in WK 2 JGG § 46 Rz 10 f; Pieber in WK 2 StVG § 179a Rz 4 f).

Im Verhältnis zu § 179a StVG ist die auf Jugendliche und junge Erwachsene abstellende speziellere Kostenregelung des JGG maßgeblich ( Schroll in WK 2 JGG § 46 Rz 6/2).

§ 46 Abs 1 JGG sieht nun eine Kostentragungspflicht des Bundes unter anderem - hier relevant - vor, wenn einem Rechtsbrecher die Weisung erteilt worden ist, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung, mit der der Bundesminister für Justiz Verträge abgeschlossen hat, Aufenthalt zu nehmen, und weder er selbst noch ein anderer für ihn Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers hat. Der Höhe nach übernimmt der Bund die Kosten jedoch grundsätzlich nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkäme, wenn der Beschuldigte in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre; einen Behandlungsbeitrag hat er nicht zu erbringen.

Die Kostenübernahme bezieht sich auf die Versicherungssituation im Zeitpunkt der Erteilung der Weisung, weil nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung die Durchführung der abverlangten Behandlung bzw Betreuung sichergestellt werden soll (vgl Schroll aaO § 46 Rz 7). Die Kostenübernahme ist bloß subsidiär und kommt nur dann zum Tragen, wenn weder der Rechtsbrecher selbst noch ein anderer für ihn (Obsorgeberechtigter, bei dem der Rechtsbrecher mitversichert ist) Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers hat ( Schroll , aaO, § 46 Rz 8). Dabei wird ausschließlich auf die Notwendigkeit der im Einzelfall zu ergreifenden Maßnahme einer Behandlung bzw Betreuung und auf das Fehlen anderweitiger Kostendeckung abgestellt. Dass für die vom Gericht als notwendig erachtete Behandlung bzw Betreuung entsprechende Kostenansätze in den Bestimmungen des B-KUVG bestehen, wird nicht vorausgesetzt ( Schroll aaO § 46 Rz 9 wmN). Lediglich zur Begrenzung des Ausmaßes der vom Bund zu ersetzenden Kosten verweist (auch) § 46 Abs 1 JGG auf jene Kosten, für welche die BVA aufkäme, wenn der Jugendliche oder junge Erwachsene in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre (vgl Schroll , aaO, § 46 Rz 10 f).

Zutreffend führt das Erstgericht aus, dass – nachdem eine Vergleichbarkeit des hier durchgeführten voll betreuten Wohnens mit einer Anstaltspflege nach § 11 der Satzung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter wohl nicht gegeben ist – im Ergebnis § 14 der genannten Satzung zur Anwendung gelangt, wonach im Falle des Fehlens vertraglicher Regelungen bzw in einem Fall, in welchem eine Leistung vertraglich noch nie sichergestellt war, die BVA zu den tatsächlichen Kosten einer notwendigen und zweckmäßigen Pflichtleistung einen Zuschuss in Höhe von 60 % je Behandlung oder Untersuchung ersetzt; dieser Zuschuss beträgt jedoch höchstens 7,5 % der Höchstbeitragsgrundlage, die für den Monat der Behandlung oder Untersuchung gilt. Diese Höchstbeitragsgrundlage ist gemäß § 19 Abs 6 B-KUVG mit Verordnung festzusetzen und beträgt im Jahr 2017 EUR 4.980,00 (BGBl II Nr 391/2016). Aufgrund dieser Deckelung, die auf den verrechneten Tagessatz der Beschwerdeführerin bezogen werden kann (vgl dazu 21 Bs 234/15p, 21 Bs 243/15m OLG Wien; 10 Bs 166/17h OLG Linz), ergibt sich der vom Bund zu ersetzende Tagessatz von EUR 240,25 (= 60 % von EUR 400,41).

Abschließend bleibt anzumerken, dass die Frage, ob S***** R***** selbst oder ein anderer, bei dem eine Mitversicherung bestand bzw besteht, für ihn Anspruch aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder eine Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers hat, nach der Aktenlage bislang nicht (erkennbar) geprüft wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.

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