JudikaturOLG Linz

113Ds6/17s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
17. August 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat durch Senatspräsident Dr. Karl Bergmayr als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Ewald Greslehner und die Senatspräsidentin Dr. Astrid Henhofer in der Disziplinarsache gegen ***** , Richter des Landesgerichtes *****, wegen Verletzung der Pflichten nach § 57 Abs 1 RStDG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1. Im Umfang der Punkte 1. a) und b) des Einleitungsbeschlusses vom 29. August 2016, Ds 4/15-29, das betrifft

a) die Strafsache 23 Hv 109/13f des Landesgerichtes ***** und

b) die Strafsache 23 Hv 79/13v des Landesgerichtes *****

sowie

2. im Umfang der Strafsache 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes ***** hinsichtlich des Tatzeitraums ab 27. Jänner 2014

wird das Disziplinarverfahren gegen ***** gemäß § 130 Abs 1 erster Fall RStDG eingestellt.

3. ***** hat als Richter des Landesgerichtes ***** die ihn gemäß § 57 Abs 1 RStDG treffende Pflicht, die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen, dadurch verletzt, dass er in der Strafsache 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes ***** über den am 21. September 2010 eingelangten Antrag des rechtskräftig Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 353 StPO bis 26. Jänner 2014 nicht entschied, sondern nur Polizeierhebungen veranlasste, nachdem ihm die Präsidentin des Landesgerichtes ***** die Bearbeitung des Wiederaufnahmeantrags am 7. Oktober 2010 gemäß § 43 Abs 4 StPO übertragen hatte.

Er hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen.

Gemäß § 101 Abs 3 RStDG wird vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen.

Das Disziplinarverfahren wird in diesem Umfang gemäß § 130 Abs 1 zweiter Fall RStDG eingestellt.

Text

Begründung:

Der Disziplinarbeschuldigte gesteht Verfahrensverzögerungen in den Strafsachen 23 Hv 109/13f, 23 Hv 79/13f und 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes ***** als richtig zu und führt diese auf seine Überlastung zurück. Gemäß dem Befundbericht von ao. Univ.-Prof. Dr. Martina Hummer , Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, vom 5. Mai 2016, besteht beim Disziplinarbeschuldigten ein Zustand nach Burnout-Syndrom und nach depressiver Episode.

In der am 29. August 2016 eingeleiteten Disziplinaruntersuchung erstattete Prim. DI Dr.med. Werner Brosch ein neurologisch - psychiatrisches Fachgutachten über die Dispositionsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten.

Nach Vorliegen dieses Gutachtens beantragte der Disziplinaranwalt

1.) die Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung im Umfang des Punktes 1. c) des Einleitungsbeschlusses (betreffend die Strafsache 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes *****) nur für den Zeitraum 11.1.2011 bis 26.1.2014 und

2.) die Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 130 Abs 1 erster Satz RStDG im übrigen Umfang des Einleitungsbeschlusses (betreffend die Strafsachen 23 Hv 109/13f und 23 Hv 79/13v des Landesgerichtes ***** jeweils zur Gänze und die Strafsache 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes ***** für die Zeit ab 27.1.2014).

Der Disziplinaranwalt begründet seine Anträge damit, dass sich aus dem Sachverständigengutachten Dris. Brosch die Dispositionsunfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten ab 27. Jänner 2014 ergebe und dass es dem Disziplinarbeschuldigten auf Grund seiner zwanghaften Persönlichkeitszüge nicht möglich gewesen sei, sich rechtzeitig um adäquate Hilfe umzusehen oder von einer bereits begonnenen Psychotherapie ausreichend zu profitieren. Daher sei hinsichtlich der Pflichtverletzungen ab 27. Jänner 2014 nicht von einem schuldhaften Verhalten des Disziplinarbeschuldigten auszugehen. Das Disziplinarverfahren sei daher in diesem Umfang einzustellen. Auf die in der Strafsache 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes ***** bis zum 26. Jänner 2014 begangenen Pflichtverletzungen treffe dies nicht zu, da der Disziplinarbeschuldigte gemäß dem Sachverständigengutachten bis dahin - wenngleich eingeschränkt - dispositionsfähig gewesen sei. In diesem Umfang sei die Disziplinarsache zur mündlichen Verhandlung zu verweisen.

Der Einstellungsantrag ist aus den vom Disziplinaranwalt vorgetragenen Gründen berechtigt. Mangels Verschuldens des Disziplinarbeschuldigten sind die Verfahrensverzögerungen in den Strafsachen 23 Hv 109/13f und 23 Hv 79/13v des Landesgerichtes ***** zur Gänze und in 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes ***** ab 27. Jänner 2014 nicht disziplinarrechtlich zu ahnden.

Hinsichtlich der dem Disziplinarbeschuldigten bis zum 26. Jänner 2014 zur Last fallenden Verzögerung in der Strafsache 27 Hv 116/07f liegt dieser Einstellungsgrund nicht vor.

Aus dem Akt 27 Hv 116/07f des Landesgerichtes ***** ergibt sich:

Die Präsidentin des Landesgerichtes ***** übertrug die Bearbeitung des Wiederaufnahmeantrags des Verurteilten mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 gemäß § 43 Abs 4 StPO dem Disziplinarbeschuldigten. Dieser beauftragte die Polizeiinspektion ***** mit Erhebungen. Deren Ergebnisse langten am 11. Jänner 2011 bei Gericht ein. In der Folge blieb der Disziplinarbeschuldigte untätig und entschied über den Wiederaufnahmeantrag nicht.

Rechtliche Beurteilung

§ 57 Abs 1 RStDG verpflichtet den Richter, die ihm übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen. Dieser Anforderung wurde der Disziplinarbeschuldigte im genannten Verfahren nicht gerecht.

Indes bedarf es weder einer mündlichen Disziplinarverhandlung noch der Verhängung einer Disziplinarstrafe, weil nach den Umständen des Falles und der Persönlichkeit des Disziplinarbeschuldigten angenommen werden kann, dass ohne Verletzung dienstlicher Interessen ein Schuldspruch ohne Strafausspruch genügen wird, ihn von weiteren Verfehlungen abzuhalten. Bei der auch vom Disziplinaranwalt zugestandenen eingeschränkten Dispositionsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten im Tatzeitraum bis 26. Jänner 2014 ist die subjektive Vorwerfbarkeit nur eingeschränkt gegeben, sodass nach Lage des Einzelfalles mit einem Schuldspruch ohne Strafe das Auslangen gefunden werden kann.

Gemäß § 110 Abs 2 RStDG kann der Disziplinarsenat die Disziplinarstrafe des Verweises ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss verhängen. Daraus folgt per Größenschluss, dass auch ein Schuldspruch ohne Strafe gemäß § 101 Abs 3 RStDG ohne mündliche Verhandlung zulässig ist.

Die Voraussetzungen des § 137 Abs 2 RStDG für eine Kostenersatzpflicht des Disziplinarbeschuldigten liegen nicht vor, weil insbesondere aus der Überschrift dieser Bestimmung („ …. Verkündung des Erkenntnisses“) folgt, dass eine Kostenersatzpflicht nur im Zusammenhang mit einem Schuldspruch nach mündlicher Verhandlung auszusprechen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Nur gegen Punkt 3. dieses Beschlusses können der Disziplinaranwalt und der Beschuldigte gemäß § 110 Abs 3 RStDG Beschwerde erheben. Diese ist binnen zwei Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung beim Oberlandesgericht Linz einzubringen (§ 164 Abs 1 RStDG).

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