10Bs166/17h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Henhofer als Vorsitzende, den Richter Dr. Koch sowie die Richterin Mag. Hemetsberger in der Strafsache gegen S***** R***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der N***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 16. Juni 2017, 33 Hv 6/17d-55, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 10. April 2017 wurde gemäß § 173 Abs 1 und 5 StPO die über S***** R***** verhängte Untersuchungshaft, welche durch vorläufige Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 438 StPO vollzogen wurde, unter Anwendung folgender gelinderer Mittel aufgehoben:
1. Anordnung der vorläufigen Bewährungshilfe
2. Wohnsitznahme in einer Einrichtung der N***** und
3. Einhaltung und Nachweis der in der Sozialnetzkonferenz vom 21. März 2017 vereinbarten Regeln, Tagesstruktur und therapeutischen Maßnahmen inklusive Medikamenteneinnahme nach Verordnung (ON 50).
Auf Basis eines Tagessatzes von EUR 400,41 netto zuzüglich 10 % USt stellte die N***** für die Wohnsitznahme des S***** R***** in der Wohneinrichtung ***** mit Intensivbetreuung für den Zeitraum vom 10. bis 30. April 2017 gesamt EUR 9.249,47 in Rechnung (ON 53).
Mit dem angefochtenen Beschluss wurden die Kosten für den Aufenthalt des S***** R***** in der Betreuungseinrichtung N***** für den Zeitraum 10. bis 30. April 2017 auf Basis eines Tagessatzes von EUR 240,25 mit insgesamt EUR 5.549,69 bestimmt (Punkt 1.); die Buchhaltungsagentur des Bundes wurde angewiesen, diesen Betrag der N***** zu überweisen (Punkt 2.); das Mehrbegehren wurde abgewiesen (Punkt 3.).
Gegen die Abweisung des Mehrbegehrens richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der N***** (ON 61).
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Ist einem Rechtsbrecher oder einem Beschuldigten die Weisung erteilt worden, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (§ 51 Abs 3 StGB, § 173 Abs 5 Z 9 StPO) oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung, mit der der Bundesminister für Justiz Verträge abgeschlossen hat, Aufenthalt zu nehmen (§ 51 Abs 2 StGB, § 173 Abs 5 Z 4 StPO), oder hat sich ein Rechtsbrecher oder Beschuldigter ausdrücklich bereit erklärt, während der Probezeit entsprechende Pflichten zu erfüllen (§ 203 Abs 2 StPO) und hat weder er selbst noch ein anderer für ihn Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers, so hat die Kosten der Behandlung oder des Aufenthaltes der Bund zu übernehmen. Der Höhe nach übernimmt der Bund die Kosten jedoch grundsätzlich nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die Kosten aufkäme, wenn der Beschuldigte in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter versichert wäre; einen Behandlungsbeitrag (§ 63 Abs 4 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes) hat er nicht zu erbringen. Die vom Bund zu übernehmenden Kosten hat das Gericht mit Beschluss zu bestimmen und anzuweisen, das die Weisung erteilt hat oder das Verfahren vorläufig eingestellt hat, oder – im Fall eines vorläufigen Rücktritts der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung – das Gericht, das für das Ermittlungsverfahren zuständig gewesen wäre. Eine Kostenübernahme zumindest dem Grunde nach kann bereits bei der Entscheidung über die kostenauslösende Maßnahme getroffen werden (§ 46 Abs 1 JGG).
Die Kostentragungspflicht des Bundes setzt demnach dem Grunde nach voraus, dass im Jugendstrafverfahren bzw Strafverfahren gegen einen jungen Erwachsenen eine Weisung erteilt oder eine diversionelle Verpflichtung übernommen wurde, sich einer (ambulanten oder stationären) Entwöhnungsbehandlung oder einer psychotherapeutischen bzw sonstigen medizinischen Behandlung zu unterziehen oder Aufenthalt in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung zu nehmen. Hat der Beschuldigte oder Verurteilte darüber hinaus keinen Anspruch auf entsprechende, diese Therapien abdeckende Leistungen aus einer Krankenversicherung, so hat der Bund diese Kosten zu übernehmen. Das Gesetz stellt nach seinem insoweit klaren Wortlaut im grundsätzlichen Bereich der Kostenübernahme ohne weitere Determinierung ausschließlich auf die Notwendigkeit der im Einzelfall zu ergreifenden Maßnahme einer Behandlung und auf das Fehlen anderweitiger Kostendeckung ab ( Schroll in WK² JGG, § 46 Rz 9).
Die Entscheidung über die Übernahme der Kosten steht dem für die Erteilung der Weisung zuständigen Gericht zu. Ein Beschluss über die Kostenübernahme zumindest dem Grunde nach kann bereits bei der Entscheidung über die kostenauslösende Maßnahme, also etwa bei einer Aufhebung der Untersuchungshaft gegen gelindere Mittel, getroffen werden ( Schroll , aaO, Rz 12f).
Weder anlässlich der Aufhebung der Untersuchungshaft unter Anwendung mehrerer Weisungen, darunter Wohnsitznahme in einer Einrichtung der N***** (ON 50), noch anlässlich der Kostenbestimmung mit dem angefochtenen Beschluss wurde über die Kostenübernahme dem Grunde nach abgesprochen. Damit blieb ungeprüft, ob S***** R***** oder ein anderer für ihn Anspruch auf entsprechende Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers hat. Diesen Umstand vermag das Beschwerdegericht in Ansehung der unbekämpft gebliebenen Punkte 1. und 2. der angefochtenen Entscheidung nicht von Amts wegen auf zu greifen. Vor allfälligen weiteren Kostenbestimmungen wird das Erstgericht die grundsätzlichen Voraussetzungen zu prüfen haben.
Zutreffend hat das Erstgericht ausgeführt, dass keine der in der Satzung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter angeführten Leistungen, insbesondere auch nicht die Anstaltspflege nach § 11 der Satzung, mit der an S***** R***** durchgeführten Betreuung vergleichbar ist. Im Ergebnis gelangt daher § 14 der genannten Satzung zur Anwendung, wonach im Falle des Fehlens vertraglicher Regelungen bzw in einem Fall, in welchem eine Leistung vertraglich noch nie sichergestellt war, die BVA zu den tatsächlichen Kosten einer notwendigen und zweckmäßigen Pflichtleistung einen Zuschuss in Höhe von 60 % je Behandlung oder Untersuchung ersetzt; dieser Zuschuss ist gedeckelt mit höchstens 7,5 % der Höchstbeitragsgrundlage; diese beträgt ab 1.1.2017 EUR 4.980,00, der Tagessatz daher EUR 373,50 (§ 19 Abs 6 B-KUVG). Diese Deckelung bedeutet jedoch nicht, dass in jedem Fall der höchstmögliche Tagessatz zuzusprechen ist. Abzustellen ist vielmehr auf einen Zuschuss von 60% des verrechneten Tagessatzes, fallkonkret daher EUR 240,25. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass in anderen - nicht konkretisierten - Fällen höhere Beträge geleistet werden, vermag daran nichts zu ändern.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.