JudikaturOLG Linz

7Bs88/17s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2017

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Gföllner als Vorsitzende, Dr. Henhofer und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A***** M***** wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit und Strafe sowie die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Wels vom 24. Jänner 2017, 15 Hv 127/16v-13, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Winkler, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. R***** durchgeführten Berufungsverhandlung am 29. Juni 2017 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil im Strafausspruch dahin abgeändert, dass nach Ausscheidung des § 43 Abs 1 StGB über den Angeklagten eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je EUR 10,00, im Fall der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wird; gemäß § 43a Abs 1 StGB wird ein Teil der Geldstrafe von 120 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 1946 geborene A***** M***** – abweichend vom wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB erhobenen Strafantrag - des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Demnach hat er am 10. September 2016 in Frankenburg fahrlässig den Tod der L***** R***** herbeigeführt, indem er die auf seiner Liegenschaft aus dem vormaligen Betrieb der Landwirtschaft stammende Öffnung der Jauchegrube in der Größe von 90 x 104 cm lediglich mit einer Eternit-Wellplatte abdeckte und diese Gefahrenquelle auch durch keinerlei sonstige Maßnahmen sicherte, sodass L***** R***** bei Betreten der Platte in die Jauchegrube einbrach und ertrank.

Nach den entscheidungswesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes grenzt das landwirtschaftliche Anwesen des Angeklagten direkt an die L***** Gemeindestraße und ist mangels Grundstückseinfriedung für jedermann ungehindert zugänglich. Im hinteren Teil des Anwesens, etwa 40 m von der Gemeindestraße entfernt, nördlich des Stalls befindet sich eine 3 m tiefe Güllegrube mit einem Durchmesser von 3,5 m, welche in den letzten Jahren nur noch als Sammelbecken für das Regenwasser des Wohnhausdaches und für Fäkalienabwässer genutzt wurde. Rund um die 90 x 104 cm große Grubenöffnung befindet sich ein Vorsprung von ca. 2 cm zur Auflage eines Schachtdeckels. Während früher eine Abdeckung mit Holz erfolgte, wurde die Grube vom Angeklagten seit etwa zehn Jahren mit zumindest einem Eternit-Wellplattenstück in der Größe von etwa 150 x 67 cm abgedeckt, welches zuvor für einen Zeitraum von etwa 24 Jahren als Dachabdeckung gedient hatte. Ob (zur Tatzeit) über dieser Platte ein weiteres Welleternitplattenstück gleichen Alters in der Größe von etwa 150 x 67 cm lag, konnte nicht festgestellt werden. Zusätzliche bauliche Absicherungsmaßnahmen oder Hinweistafeln existierten nicht. L***** R*****, welche bereits zwei Tage zuvor mit Erlaubnis des Angeklagten auf dem Grundstück Holler gepflückt hatte, suchte am 10. September 2016 erneut dessen Liegenschaft auf, stieg auf die Güllegrube und stürzte, da die Welleternitplatte einbrach, in die Güllegrube und ertrank. Direkt hinter dem Grubenschacht befand sich ein am Vorfallstag in voller Rebenreife stehender Holunderstrauch. Welleternitplatten sind grundsätzlich als Dachdeckungsmaterial zu verwenden, zumal durch die Neigung ein permanenter Wasserablauf gegeben ist, wodurch eine Durchnässung, wie bei horizontaler Lage gegeben, auf Dauer verhindert wird. Bei ordnungsgemäßer Verlegung entsprechend den Herstellerrichtlinien kann eine Garantie von 30 Jahren gefordert werden. Die durchschnittliche Lebensdauer von Eternitplatten beträgt 40 Jahre. Begehbar sind solche Dächer auch im Neuzustand nicht für jedermann; neuwertig im verlegten Zustand verhindern sie das Durchbrechen eines 50 kg schweren Sackes. Die gegenständliche Abdeckung war im Unfallszeitpunkt etwa 34 Jahre alt, wovon sie ca. 24 Jahre am Dach und ca. zehn Jahre waagrecht lag. Bei Aufwendung der gebotenen Vorsicht und Aufmerksamkeit hätte der Angeklagte erkennen können, dass die gewählte Abdeckung statisch unzureichend war. Der Tod der L***** R***** hätte vermieden werden können, wenn der Angeklagte die Güllegrube mittels eines Deckels oder zumindest (behelfsmäßig) mit frischem Holz abgedeckt hätte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Angeklagte die gebotene Sorgfalt und Aufmerksamkeit, zu welcher er als Grundbesitzer verpflichtet gewesen sei und deren Einhaltung ihm auch möglich gewesen wäre, außer Acht gelassen habe. Die mangelhafte Absicherung der Güllegrube sei kausal für den Tod der L***** R***** und diese Folgen dem Angeklagten objektiv zurechenbar, weil sowohl innerhalb des Adäquanz- als auch des Risikozusammenhangs liegend und für ihn subjektiv vorhersehbar. Berücksichtigend, dass der Angeklagte auf seinem Bauernhof eher zurückgezogen gelebt habe, sehr selten Besuch bekommen habe und die Güllegrube - wenn auch unzureichend - so doch mit zumindest einer Welleternitplatte abdeckt gewesen sei – könne von einer auffallenden oder ungewöhnlichen Sorgfaltswidrigkeit iSd § 6 Abs 3 StGB nicht gesprochen werden, weshalb der (angeklagte) Tatbestand des § 81 Abs 1 StGB nicht verwirklicht worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich einerseits die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) und Strafe, mit der sie einen Schuldspruch wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Tötung nach § 81 Abs 1 StGB in eventu eine Erhöhung des Strafmaßes anstrebt, sowie andererseits die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO), Schuld und Strafe, mit der er primär einen Freispruch, hilfsweise die Verhängung einer – auch unbedingten - Geldstrafe begehrt.

Die Berufung des Angeklagten ist teilweise berechtigt.

Mit der Mängelrüge (Z 5) macht der Angeklagte keine bzw. offenbar unzureichende Begründung der subjektiven Erkennbarkeit mangelhafter Grubenabdeckung und Vorhersehbarkeit des Erfolgs geltend.

Keine oder eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0099413).

Einen Begründungsmangel im aufgezeigten Sinn vermag der Angeklagte nicht darzutun. Wenn er moniert, das Erstgericht habe keinesfalls ausgeschlossen, dass auf benachbarten Bauernhöfen in der Umgebung des Angeklagten gleichartige Abdeckungen mit Eternitplatten verwendet würden, und nicht dargelegt, weshalb ein einsichtiger und besonnener Mensch aus dem Verkehrskreis des Angeklagten (der seit Jahrzehnten allein auf dem Hof lebt und nahezu keine Besuche empfängt) sich in der konkreten Situation anders verhalten hätte, negiert er die Ausführungen zur fehlenden Eignung der verwendeten Abdeckung (US 3 f). Im Übrigen ist die Frage der subjektiven Vorhersehbarkeit des eingetretenen Erfolgs Gegenstand der rechtlichen Beurteilung.

Die Schuldberufung ist nicht geeignet, erhebliche Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen hervorzurufen. Das Erstgericht hat die vorliegenden Beweise aktenkonform, lebensnah und nachvollziehbar bewertet. Soweit die vom Angeklagten gewählte Abdeckung der Güllegrube insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen des beigezogenen Sachverständigen DI W***** H***** (S 7 f in ON 9, S 3 f in ON 12) als ungeeignet und statisch unzureichend festgestellt wurde, ist die Beweiswürdigung schlüssig und mängelfrei. Die zur (rechtsrichtigen) Beurteilung der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit vermissten Feststellungen zu den tatsächlichen Lebensverhältnissen des Angeklagten, dass er den landwirtschaftlichen Betrieb vor mehr als einem Jahrzehnt aufgelassen hat, auf seinem Anwesen alleine lebt und nur selten Besuch bekommt, finden sich teilweise disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 2 und 5). Dem Vorbringen, dass es niemals vorgekommen sei, dass sich fremde Personen auch nur annähernd im Bereich des völlig abgelegenen Platzes hinter dem Stallgebäude, wo sich der Grubenschacht befindet, aufgehalten haben, ist damit zu begegnen, dass die Liegenschaft direkt an die Gemeindestraße angrenzt und nicht eingezäunt ist. Insofern ist ein ungehindertes Betreten der Liegenschaft für jedermann möglich. Dass dem Angeklagten – wie jedem Durchschnittsmenschen - die Güllegrube als potenzielle Gefahrenquelle eines vormaligen landwirtschaftlichen Betriebes bewusst war, ist schon aufgrund der Anbringung einer Abdeckung indiziert. Aus der behaupteten Verwendung einer weiteren Welleternitplatte in der Größe von etwa 80 x 70 cm (was vom Erstgericht nicht festgestellt werden konnte) ist letztlich für den Angeklagten nichts zu gewinnen, weil diese kleiner als die Öffnung der Güllegrube war und eher zusätzliches Gewicht als eine Verbesserung gebracht hätte (vgl Ausführungen auf Sachverständigen S 8 in ON 9 und S 3 in ON 12). Anhaltspunkte dafür, dass die geistigen oder körperlichen Befähigungen des Angeklagten in irgendeiner Form eingeschränkt gewesen waren und er die zweckentfremdet verwendeten Welleternitplatten nicht als ungeeignete bzw. unzureichende Abdeckung hätte erkennen können, hat das Beweisverfahren nicht ergeben. Selbst wenn andere Bauern in der Umgebung zur Grubenabdeckung Welleternitplatten verwenden sollten, ändert dies nichts an der Tatsache, dass es sich bei Welleternitplatten – was der Angeklagte wusste - um Dachabdeckungsmaterial handelt, das nicht für dynamische Belastungen ausgelegt ist. Das relevierte selbstgefährdende oder selbstschädigende Verhalten des Opfers, das unerlaubt den Bereich der Grube aufgesucht und mutmaßlich auf der Abdeckung „herumgeturnt“ habe, ist rein spekulativ und lässt zudem außer Acht, dass dem Opfer zwei Tage zuvor die Erlaubnis erteilt worden war, auf dem Grundstück Früchte zu ernten.

Der im Rahmen der Schuldberufung gestellte Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen J***** H***** einerseits zum Beweis dafür, dass der Angeklagte immer alleine gelebt hat und die seltenen Besucher ausschließlich den vorgesehenen Zugangsweg zum Anwesen benützt haben und zu keinem Zeitpunkt ein Personenverkehr stattgefunden hat, andererseits zum Beweis dafür, dass in angrenzenden Gehöften ebenfalls Welleternitplatten verwendet werden, stellt einen Erkundungsbeweis dar. Es wurde weder dargelegt, weshalb der nicht im Haus des Angeklagten lebende Zeuge eine verlässliche Aussagen darüber machen könnte, wann sich welche Personen auf der Liegenschaft befinden, noch schlüssig begründet, weshalb die allfällige Verwendung von Welleternitplatten zur Grubenabdeckung in anderen (nicht weiter konkretisierten) Bauernhöfen den Angeklagten nachhaltig entlasten könnte.

Insgesamt ist es dem Angeklagte nicht gelungen, an der realitätsbezogenen Beweiswürdigung des Erstrichters Zweifel zu erwecken.

In der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) releviert der Angeklagte einen Feststellungsmangel zur subjektiven Voraussehbarkeit des Taterfolgs, ohne Zweifel an der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit indizierende Verfahrensergebnisse aufzuzeigen. Tatsächlich haben sich im abgeführten Beweisverfahren keine Hinweise dafür ergeben, dass dem Angeklagten die – nicht bestrittene - objektive Sorgfaltswidrigkeit seiner Verhaltens nicht erkennbar gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die subjektive Sorgfaltswidrigkeit hängt von der Befähigung des Täters und der Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens ab ( Fabrizy, StGB 12 § 6 Rz 14). Der Täter muss im Tatzeitpunkt nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt sein, die an ihn gestellten objektiven Sorgfaltsanforderungen zu erkennen und zu erfüllen, sich mithin objektiv sorgfaltsgemäß zu verhalten. Hierbei muss individualisiert werden; es kommt auf den betreffenden Täter an, nicht auf irgendeinen Menschen. Geistige und körperliche Mängel, Verstandeslücken, Wissens- und Erfahrungsmängel und dergleichen können daher die subjektive Sorgfaltswidrigkeit ausschließen. Die geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Täters lassen sich allerdings häufig nur im Rückschluss aus objektiven Gegebenheiten feststellen, wobei grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass das Vorliegen einer objektiven Sorgfaltsverletzung in der Regel das Vorliegen (auch) einer subjektiven Sorgfaltswidrigkeit indiziert. Ergeben sich allerdings aus dem Tatgeschehen und der Person des Täters konkrete Anhaltspunkte dafür, dass gerade dieser Täter den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht nachkommen konnte, dann bedarf es einer genauen Ermittlung und Feststellung der individuellen Fähigkeiten des Betreffenden. Der Maßstab der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit ist ein objektiviert-subjektiver ( Leukauf/Steininger/Huber, StGB 4 (2017) § 6 Rz 15 mwN).

Zum Mindeststandard eines Landwirts gehört das Wissen, dass Güllegruben mittels Abdeckung gegen Hineinstürzen von Personen gesichert sein müssen. Ebenso die Kenntnis darüber, dass Welleternitplatten als Dachdeckungsmaterial verwendet werden und keine geeignete Abdeckung für Güllegruben darstellen. Welche kognitiven Mängel den Angeklagten als pensionierten Landwirt unfähig gemacht hätten, den objektiven Sorgfaltsanforderungen zu genügen und die Güllegrube sachgerecht abzudecken, zeigt auch die Rechtsrüge nicht auf. Sorgfaltsverstöße anderer Landwirte (die angeblich Welleternitplatten zur Grubenabdeckung verwenden) exkulpieren den Angeklagten nicht.

Die Zurechnung des Erfolgs ist ganz allgemein nur zulässig, wenn der Täter diesen Erfolg hätte vorhersehen können. Die subjektive Vorhersehbarkeit ist ebenfalls nach den geistigen und körperlichen Verhältnissen und Fähigkeiten des Täters zu beurteilen ( Fabrizy , StGB 12 § 6 Rz 19 f). Der Täter muss nur allgemein vorhersehen können, dass der Erfolg in einer den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhangs entsprechenden Weise zustande kommt. Im Regelfall indiziert die objektive Zurechnung auch die subjektive ( Leukauf/Steininger/Huber aaO § 6 Rz 19a mwN).

Schon aufgrund des Umstandes, dass das landwirtschaftliche Anwesen des Angeklagten direkt an die Gemeindestraße angrenzt und nicht eingezäunt ist, musste der Angeklagte – auch wenn er zurückgezogen lebt - damit rechnen, dass andere Personen das Grundstück betreten und auch zur (etwa 40 m von der Gemeindestraße entfernt befindlichen) Güllegrube hinter dem Stall gelangen. Dass eine Person, die auf die zur Abdeckung der Güllegrube verwendete Welleternitplatte steigt, einbrechen und zu Tode kommen kann, liegt im Rahmen des Risiko- und Adäquanzzusammenhangs und war auch für den Angeklagten vorhersehbar.

Mit ihrer Subsumtionsrüge (Z 10) begehrt die Anklagebehörde auf Basis der getroffenen Feststellungen das Verhalten des Angeklagten als grob fahrlässig im Sinne der §§ 81 Abs 1, 6 Abs 3 StGB zu qualifizieren, weil die gewählte Vorgangsweise des Angeklagten die Gefährlichkeit der Situation nicht entschärft sondern noch deutlich erhöht habe, sei doch durch die Abdeckung mit einem ungeeigneten Material die Güllegrube für einen Dritten nicht mehr als Gefahrenquelle erkennbar gewesen.

Grob fahrlässig handelt, wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war (§ 6 Abs 3 StGB). Der Gesetzgeber hat sich dabei bewusst der Diktion „ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig“ sowie des Erfordernisses der gesteigerten Vorhersehbarkeit bedient, weil sich diese Kriterien sowohl in der strafrechtlichen und der zivilrechtlichen Literatur sowie in der Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit als auch im strafrechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung zum Begriff des „schweren Verschuldens“ eingebürgert haben ( Hinterhofer/Wirth , Begriff und Bedeutung der groben Fahrlässigkeit nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015, ÖJZ 2016/104). Nach den erläuternden Bemerkungen zum StRÄG 2015 sind nur jene Fälle als grob fahrlässig einzustufen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen (RIS-Justiz RS0030303). Bei der Auslegung des Begriffes kann sowohl die zivil- als auch die strafrechtliche Judikatur herangezogen werden (ErläutRV 689 Beilagen Nr. XXV GP, 6).

Das Gesetz stellt auf zwei Aspekte ab: erstens muss der Täter ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handeln; zweitens muss dies auf eine Art erfolgen, die die Erfüllung eines gesetzlichen Tatbildes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar erscheinen lässt. Die Schwere des Sorgfaltsverstoßes wird oftmals nicht allein in der Art und Weise des Verhaltens liegen, sondern sich auch aus der Zusammenschau mit den Begleitumständen ergeben. Insofern sind die Überlegungen zur bei § 81 Abs 1 Z 1 StGB aF entwickelten Mosaiktheorie zur Feststellung eines ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrigen Verhaltens heranzuziehen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung, die etwa zu § 159 StGB ausgesprochen hat, dass zur Bestimmung des Grades der Fahrlässigkeit eine ganzheitliche Abwägung aller unrechtsrelevanten Umstände erforderlich ist; „als Kriterien des gesteigerten Handlungs- und Gesinnungsunrechtes dienen vor allem das Gewicht der verletzten Pflichten, der besondere Gefährlichkeitsgrad des Täterverhaltens, das heißt die erhöhte Wahrscheinlichkeit, mit der hiedurch der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges befürchtet werden muss und der soziale Wert und die soziale Üblichkeit des riskanten Verhaltens.“ Die geradezu wahrscheinlich vorhersehbare Tatbildverwirklichung hebt sich von einer Verwirklichung, die lediglich entfernt für möglich erachtet wird, eklatant und für jeden ersichtlich ab. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad ist aber nicht nur ein weiteres Kriterium, das neben der gesteigerten Sorgfaltswidrigkeit zu prüfen ist; er muss vielmehr in ihr begründet sein. Notwendig ist, dass sich das Risiko für das betroffene Rechtsgut aufgrund der Art der Ausführung (nämlich ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig) geradezu wahrscheinlich verwirklichen wird. Der Schwerpunkt der groben Fahrlässigkeit liegt daher auf der objektiven Sorgfaltswidrigkeit, nicht auf dem (möglicherweise davon unabhängig bestehenden) Risiko. Auf der subjektiven Seite kann daher wie auch sonst bei der gewöhnlichen Fahrlässigkeit danach differenziert werden, ob dem Täter der Sorgfaltsverstoß bewusst war oder wenigstens bewusst sein hätte müssen und können (vgl Leukauf/Steininger/Huber aaO § 6 Rz 22 ff mwN).

Fallkonkret ist bei Beurteilung der Fahrlässigkeit darauf abzustellen, dass sich die – unsachgemäß abgedeckte - Güllegrube nicht unmittelbar neben der Gemeindestraße, sondern hinter dem Haus und den früheren Stallungen befindet. Dazu kommt, dass der Angeklagte sehr zurückgezogen lebt und nur wenig Besuch erhält. Führt man sich diese Umstände vor Augen, so kann von einem massiv gesteigerten Handlungsunwert nicht die Rede sein. Zwar war durchaus damit zu rechnen, dass (auch) unbefugte Personen das Grundstück betreten, das Haus umrunden und so auf die Güllegrube stoßen. Nach den konkreten Lebensumstände des Angeklagten und der Örtlichkeit war nicht mit außergewöhnlich hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass eine Person auf die nur unzureichend abgedeckte Güllegrube treten, einbrechen und ertrinken wird.

Da die von der Anklagebehörde relevierten zusätzlichen Feststellungen zu keiner anderen Beurteilung führen würden, liegt auch ein Rechtsfehler mangels Feststellungen nicht vor.

Ausgehend vom konstatierten Sachverhalt hat der Angeklagte das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 80 Abs 1 StGB zu verantworten.

Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter das Tatsachengeständnis und die bisherige Unbescholtenheit mildernd, erschwerend hingegen keinen Umstand.

Damit wurden die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig festgestellt.

Entgegen den Ausführungen des Angeklagten ist ein strafmilderndes Eigenverschulden der Getöteten nach der Aktenlage nicht indiziert und sind die diesbezüglichen Ausführungen rein spekulativ.

Der von der Anklagebehörde zusätzlich reklamierte Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 6 StGB liegt nicht vor, weil dieser nur gegeben ist, wenn die qualvolle Begehungsweise vom Täter intendiert, also zugleich Beweggrund seines Verhaltens ist ( Ebner in WK² StGB § 33 Rz 19), was bei einem Fahrlässigkeitsdelikt nicht der Fall ist.

Abgesehen davon, dass § 80 Abs 1 StGB idgF mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen bedroht ist (es daher nicht der Anwendung von § 37 StGB bedarf, um an Stelle der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verhängen), stellt die Wertung der fehlenden Schuldeinsicht bzw Reue des Angeklagten als eine für die Strafzumessung (mit-)entscheidende Tatsache eine unrichtige Gesetzesanwendung dar (RIS-Justiz RS0090897).

Ausgehend von den besonderen Strafzumessungsgründen ist fallkonkret eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen tat- und schuldangemessen. Aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten, der eine monatliche Pension von rund EUR 1.000,00 und jährliche Pachteinnahmen in Höhe von EUR 3.000,00 bezieht, entspricht ein Tagessatz von EUR 10,00 seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Mit Blick auf den bisher ordentlichen Lebenswandel des 71-jährigen Angeklagten kann ein Teil der Geldstrafe von 120 Tagessätzen gemäß § 43a Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen werden. Dieser Strafenteilung stehen auch generalpräventiven Überlegungen nicht entgegen.

Rückverweise