113Ds3/17z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat durch den Senatspräsidenten Dr. Bergmayr als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin Dr. Gföllner und den Richter Dr. Koch in der Disziplinarsache gegen ***** , Vorsteher des Bezirksgerichtes *****, wegen Verletzung der allgemeinen Pflichten nach § 57 Abs 1 RStDG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
1. ***** hat als Vorsteher des Bezirksgerichtes ***** die ihn gemäß § 57 Abs 1 RStDG treffende Pflicht, unter anderem die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten und die Pflichten seines Amtes gewissenhaft zu erfüllen, dadurch verletzt, dass er als für das Sachwalterschaftsverfahren ***** des Bezirksgerichtes ***** zuständiger Richter trotz Eingeständnis der für den Betroffenen ***** als Sachwalterin bestellten ***** im Rahmen der Rechnungslegung am 22. Juli 2014 in der Zeit von 2011 bis 2014 vom Konto des Pflegebefohlenen insgesamt EUR 21.092,07 behoben und für eigene Zwecke verwendet zu haben, nicht umgehend eine Sperre des Kontos des Betroffenen für Barbehebungen veranlasste, angesichts dieser zugestandenen Behebungen sowie weiterer unberechtigter Behebungen in der Zeit von 2014 bis 2015 in Höhe von insgesamt EUR 4.630,00 eine Sachwalterumbestellung nicht ernsthaft prüfte und den Sachverhalt erst im Juni 2016 der Staatsanwaltschaft ***** anzeigte.
Er hat hiedurch ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen.
Gemäß § 101 Abs 3 RStDG wird vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen.
Das Disziplinarverfahren wird in diesem Umfang gemäß § 130 Abs 1 zweiter Fall RStDG eingestellt.
2. Im Umfang des Verdachts einer Pflichtverletzung im Sinn des § 57 Abs 1 RStDG durch gerichtliche Genehmigung der Rechnungslegungen der Sachwalterin ***** am 22. Juli 2014 (für den Zeitraum April 2011 bis April 2014) und am 13. Oktober 2015 (für den Zeitraum von Mai 2014 bis Oktober 2015) sowie eines zwischen ***** als Kollisionskurator für ***** und ***** abgeschlossenen Vertrages, der ein dieser zugezähltes, auf unbestimmte Zeit gegebenes, zinsenloses, jedoch wertgesichertes und mit einem Pfandrecht auf die im Eigentum der Sachwalterin stehende Hälfte der gemeinsamen Wohnung gesichertes Darlehen über einen Betrag von EUR 27.000,00 zum Gegenstand hat, wird das Disziplinarverfahren gegen ***** gemäß § 130 Abs 1 erster Fall RStDG eingestellt.
Text
Begründung:
*****, *****, legte ***** die Richteramtsprüfung mit gutem Erfolg ab und wurde ***** auf die Planstelle eines Richters des Bezirksgerichtes ***** ernannt. Seit ***** bekleidet er das Amt des Vorstehers des Bezirksgerichtes ***** und ist Leiter der Gerichtsabteilung *****, zu der ***** unter anderem auch Sachwalterschaftssachen ***** gehörten.
Die Dienstbeschreibung des Personalsenats des Landesgerichtes ***** ***** lautet für den Vorsteher des Bezirksgerichtes ***** auf „ausgezeichnet“. Darin werden ihm unter anderem ausgezeichnete fachliche Kenntnisse, ausgezeichnete Fähigkeiten und überdurchschnittlich rasche Auffassung, ein tadelloses Verhalten im Dienst sowie eine ordentliche Führung des Bezirksgerichtes ***** zugestanden. In der Rubrik Kommunikationsfähigkeit und Eignung für den Parteienverkehr heißt es: „korrekt freundlich, im erforderlichen Maß auch bestimmt, nicht immer diplomatisch“.
Die Staatsanwaltschaft ***** brachte mit Note vom 2. August 2016 dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes ***** das gegen ***** zu ***** St ***** anhängige Ermittlungsverfahren wegen § 302 Abs 1 StGB zur Kenntnis. Es bestehe der (Anfangs-)Verdacht, ***** habe im Zeitraum Juli 2014 bis November 2015 als nach der Geschäftsverteilung zuständiger Richter in der Pflegschaftssache für den Betroffenen ***** zu AZ ***** P ***** des Bezirksgerichtes ***** mit dem Vorsatz, dadurch andere an ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er es trotz Kenntnis der (wiederholten) unrechtmäßigen Behebungen durch die Sachwalterin ***** unterließ, umgehend das Konto für Barbehebungen zu sperren, ***** als Sachwalterin abzubestellen und gemäß § 78 Abs 1 StPO anzuzeigen sowie dadurch, dass er die Rechnungslegung der Sachwalterin sachwalterschaftsgerichtlich bestätigte und den Darlehensvertrag sachwalterschaftsgerichtlich genehmigte, wodurch der Betroffene ***** in seinen Vermögens- und Verfahrensrechten sowie der Staat an Verfahrensrechten sowie am Recht auf Strafverfolgung geschädigt wurde.
Vom Disziplinargericht wurde – über Antrag des Disziplinaranwalts – mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 wegen jenes Verdachts gemäß § 123 Abs 1 RStDG die Disziplinaruntersuchung eingeleitet und das Disziplinarverfahren gemäß § 144 Abs 1 RStDG bis zum Abschluss des von der Staatsanwaltschaft ***** geführten Ermittlungsverfahrens unterbrochen (ON 7).
Am 1. Dezember 2016 stellte die Staatsanwaltschaft ***** das Ermittlungsverfahren gegen ***** wegen § 302 Abs 1 StGB gemäß § 190 Z 1 und Z 2 StPO ein.
Daraufhin beantragte der Disziplinaranwalt am 20. März 2017 einerseits die Verweisung der Sache zur mündlichen Verhandlung gemäß § 130 Abs 2 RStDG im Umfang Punkt 1. dieses Beschlusses und andererseits die Einstellung der Disziplinaruntersuchung gemäß § 130 Abs 1 RStDG im Umfang Punkt 2. dieses Beschlusses.
Der Disziplinarbeschuldigte gab zu den wider ihn im Antrag auf Einleitung der Disziplinaruntersuchung erhobenen Vorwürfen am 14. September 2016 eine schriftliche Stellungnahme ab (ON 5) und beantragte in Kenntnis des Antrages des Disziplinaranwaltes vom 20. März 2017 schriftlich die (gänzliche) Einstellung des Verfahrens gemäß § 130 Abs 1 RStDG (ON 16).
Aus dem bezughabenden Pflegschaftsakt werden folgende Feststellungen getroffen:
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***** vom 17. Dezember 1999 wurde ***** gemäß § 273 ABGB als Sachwalterin (für alle Angelegenheiten) ihres Gatten ***** bestellt (ON 12). Der Betroffene leidet infolge eines Unfalls im Mai 1999 an einem apallischen Syndrom und befindet sich seit Juli 1999 bei seinen Eltern in häuslicher Pflege. Bis 2005 erstattete die Sachwalterin ***** jährliche Sachwalterschaftsberichte, wobei die Rechnungslegung jeweils antragsgemäß genehmigt wurde (ON 12a, 14, 15, ON 18, 20 und 25). In der Folge wurde die Rechnungslegung zunächst auf zwei Jahre (ON 26) erstreckt. Nachdem auch der Jahresbericht vom 24. Mai 2007 für den Zeitraum April 2005 bis April 2007 antragsgemäß genehmigt worden war (ON 31), wurde im Rahmen einer Tagsatzung am 1. August 2007 unter anderem erörtert, dass die Sachwalterin aufgrund ihres Eigeneinkommens keinen Ehegatten-Unterhaltsanspruch mehr gegenüber dem Betroffenen hat und für den verbleibenden Teil des Einkommens des Betroffenen nach Abzug seiner Verbindlichkeiten ein mündelsicheres Sparbuch anzulegen ist, welches gerichtlich gesperrt wird (ON 33). Anlässlich des Sachwalterschaftsberichtes vom 4. Mai 2009 berichtete die Sachwalterin, dass der Betroffene neben einer Pension in Höhe von rund EUR 1.000,00 Pflegegeld der Stufe 7 in Höhe von EUR 1.655,80 beziehe. Das Pflegegeld werde an dessen Vater überwiesen, weil der Betroffene nach wie vor im Haushalt seiner Eltern betreut werde; von der Pension würden anteilig die laufenden Zahlungen für die gemeinsame Eigentumswohnung getätigt (ON 39). Diese Rechnungslegung wurde ebenso bestätigt wie jene vom 27. April 2011 (ON 44).
Im April/Mai 2014 erfolgten Vorgespräche bezüglich der anstehenden Rechnungslegung und wurde dabei auch ein von der Sachwalterin benötigtes Darlehen vom Betroffenen thematisiert (ON 49 und 50). Am 22. Juli 2014 gab die Sachwalterin - in Anwesenheit des *****, Substitut des öffentlichen Notars ***** – vor ***** bezüglich der Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben auf dem Konto des Betroffenen (Aufstellung bei ON 51) zu Protokoll, dass sie über den gesamten Berichtszeitraum (April 2011 bis April 2014) insgesamt EUR 21.092,07 von ihrem Mann „ausgeliehen“ habe. Sie habe sich in den letzten Jahren in einer Notlage befunden, weil sie selbst nur teilzeitbeschäftigt sei und der Sohn die Lehre abgeschlossen habe, weshalb die Familienbeihilfe als wichtiger Bestandteil der Einnahmen weggefallen sei. Sie habe das Geld zur Finanzierung der Wohnung und ihrer Privatkredite benötigt. Eine Rückzahlung sei ihr derzeit aufgrund ihres geringen Einkommens nicht möglich. Mit der bei der Vorbesprechung im Mai vorgeschlagenen Lösung zur Kreditierung des Saldos sei sie einverstanden. Der bereits informierte und anwesende Notariatssubstitut ***** erklärte sich zur Übernahme des Kollisionskurators bereit. Daraufhin fasste ***** den Beschluss, dass (1.) der Bericht der Sachwalterin zur Kenntnis genommen und die Rechnungslegung für den Zeitraum 28. April 2011 bis 30. April 2014 sachwalterschaftsgerichtlich bestätigt werde und (2.) ***** zum Kollisionskurator für den Abschluss eines Darlehensvertrages zwischen dem Betroffenen als Darlehensgeber und der Sachwalterin als Darlehensnehmerin über einen Betrag von EUR 22.000,00 bis zur Fälligkeit (Tod eines der Vertragsparteien) zinsenlos, jedoch wertgesichert ohne Nebengebührensicherstellung im laufenden Rang samt Pfandbestellungsurkunde bestellt werde. Die nächste Berichterstattung wurde für Mai 2015 vereinbart und eine Überprüfung der Sachwalterschaft gemäß § 278 Abs 3 ABGB angekündigt (ON 56).
Am 6. August 2015 erstattete die Sachwalterin einen Jahresbericht für den Zeitraum 1. Mai 2014 bis 1. Juli 2015 und gab gegenüber Diplomrechtspflegerin ***** an, dass sie es dieses Jahr leider wieder nicht geschafft habe, finanziell mit ihrem Geld auszukommen, weshalb sie im Berichtszeitraum immer wieder Geld vom Konto ihres Mannes behoben habe, und zwar insgesamt EUR 4.030,00 (ON 61). In der Folge wurde die Sachwalterin von ***** für 13. Oktober 2015 vorgeladen und gab dann zu Protokoll, dass sie auch in den Monaten Juli, August und September wegen einer finanziellen Notlage vom Konto ihres Mannes weitere EUR 600,00 behoben habe. Es sei ihr bewusst, dass sie nicht berechtigt sei, Geld von ihrem Mann ohne Genehmigung „auszuleihen“. Sie sei mit ihrem Geld einfach nicht ausgekommen und ersuche, den Kredit um diesen Betrag aufzustocken. Sie versicherte, nun nichts mehr vom Konto ihres Mannes für sich zu beheben. Weiters nahm sie zur Kenntnis, dass das Gericht das Konto nunmehr für Barbehebungen sperren werde und der Akt an die Staatsanwaltschaft ***** zur allfälligen Überprüfung ihres Verhaltens im strafrechtlichen Sinn weitergeleitet werde. Sodann fasste ***** den Beschluss, dass (1.) der Bericht der Sachwalterin zur Kenntnis genommen und die Rechnungslegung für den Zeitraum 1. Mai 2014 bis 9. Oktober 2015 sachwalterschaftsgerichtlich bestätigt werde und (2.) der Kollisionskurator ***** ersucht und ermächtigt werde, den bereits vorbereiteten, aber noch nicht abgeschlossenen Darlehensvertrag auf einen Betrag von EUR 27.000,00 bei den bisherigen Bedingungen zu erstellen (ON 64). Mit Beschluss vom 29. Oktober 2015 erfolgte die Sperre des Girokontos des Betroffenen bei der Bank ***** im Umfang von Bar- und Bankomatbehebungen (ON 65).
Am 17. November 2015 übermittelte ***** dem Bezirksgericht die „Schuld- und Pfandbestellungsurkunde“ vom 6. November 2015 (abgeschlossen zwischen den Ehegatten *****, vertreten durch den Kollisionskurator *****, als Darlehensgeber einerseits und ***** als Darlehensnehmerin andererseits), welcher Vertrag mit Beschluss vom 18. November 2015 als – „jedenfalls nicht zum Nachteil des Betroffenen“ - sachwalterschaftsgerichtlich genehmigt wurde (ON 66).
Obwohl ***** am 28. Oktober 2015 unter anderem verfügt hatte: „WV für 278/3 (+dann Akt an StA)“, veranlasste er erst am 21. Juni 2016 nach einer Überprüfung der Sachwalterschaft gemäß § 278 Abs 3 ABGB die Übermittlung des Pflegschaftsaktes an die Staatsanwaltschaft (ON 76).
Am 23. September 2016 erhob die Staatsanwaltschaft ***** zu ***** St ***** Strafantrag gegen ***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB. Mit Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichtes ***** vom 24. Oktober 2016 zu AZ ***** Hv ***** wurde das Strafverfahren gegen ***** gemäß §§ 199, 203 Abs 1 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt (ON 4 und 5 im Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft ***** ***** St *****).
Der Disziplinarbeschuldigte ***** rechtfertigte sein Vorgehen im gegenständlichen Sachwalterschaftsverfahren dahingehend, dass er trotz des Eingeständnisses der Sachwalterin am 22. Juli 2014, vom Betroffenen rund EUR 21.000,00 „ausgeliehen“ zu haben, keinen Anlass gesehen habe, den Sachverhalt bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, weil die Ehefrau das Geld vom Konto ihres Ehemannes abgehoben hätte und er dies nicht für strafbar gehalten habe. Er habe erst im Zuge einer Fortbildungsveranstaltung im September/Oktober 2015 nach Schilderung des Sachverhalts bei einer Fallbesprechung erfahren, dass er über die Straflosigkeit aufgrund des Angehörigenverhältnisses im Irrtum gewesen sei. Im Anschluss an das Protokoll vom 13. Oktober 2015 habe er Wiedervorlage des Aktes zur Überprüfung der Sachwalterschaft gemäß § 278 Abs 3 ABGB und den Vermerk „dann Akt an StA“ verfügt. Aufgrund der starken Arbeitsbelastung (er habe seit Anfang Oktober 2015 keinen Rechtspfleger mehr für Sachwalterschaftsangelegenheiten gehabt) habe er erst im Juni 2016 Zeit gefunden, die Notwendigkeit der Sachwalterschaft zu überprüfen und anlässlich dessen bemerkt, dass die Übermittlung des Aktes an die Staatsanwaltschaft noch nicht erfolgt sei. Da die Sachwalterin am 22. Juli 2014 unter Tränen versichert habe, sich kein Geld vom Pflegebefohlenen mehr „auszuleihen“ und er ihr vertraut habe, habe für ihn auch keine Notwendigkeit bestanden, einen Sachwalterwechsel vorzunehmen oder das Konto des Betroffenen zu sperren. Überdies habe die Sachwalterin vor diesen Vorfällen ihre Aufgabe tadelsfrei erfüllt und habe er sie als Ehegattin des Pflegebefohlenen als beste Wahl für die Funktion der Sachwalterschaft gehalten. Eine Umbestellung hätte vermutlich das Verhältnis der Ehefrau des Betroffenen zu dessen Eltern verschlechtert, was sich auf den gesundheitlichen Zustand bzw das körperliche und psychische Wohlbefinden des Betroffenen negativ hätte auswirken können. Darüber hinaus erachte er die schlussendlich (über seine Initiative) durchgeführte Darlehensgewährung als finanziellen Vorteil für den Betroffenen. Da das Darlehen zinsenfrei – mit Indexanpassung – gewährt wurde und die Sachwalterin auf die ihr zustehende Sachwalterentschädigung verzichtete, verbleibe im Barvermögen des Betroffenen jährlich ein Mehrbetrag, der eine 4 % -ige Verzinsung der Schuld jedenfalls deckt bzw übersteigt. Bei einem Sachwalterwechsel wäre das Darlehen mit gesetzlichen Zinsen zu verzinsen gewesen und hätte der neue Sachwalter Anspruch auf eine Sachwalterentschädigung, um die sich das Barvermögen des Betroffenen jährlich verringern würde.
Rechtliche Beurteilung
Das Vorgehen des Disziplinarbeschuldigten ist weder mit den gesetzlichen Vorgaben noch den Interessen des Betroffenen in Einklang zu bringen.
Gemäß § 133 AußStrG hat das Pflegschaftsgericht die Verwaltung des Vermögens Pflegebefohlener mit dem Ziel zu überwachen, eine Gefährdung des Wohles des Pflegebefohlenen hintanzuhalten (Abs 1), und zur Überwachung der Vermögensverwaltung und Sicherung des Vermögens gegebenenfalls eine Kontosperre anzuordnen (Abs 4). Zum Wohl der betroffenen Person besteht die wesentliche Rolle des Gerichts nach § 133 AußStrG darin, gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung der Vermögenswerte zu setzen und den Sachwalter bei der Verwaltung des Vermögens zu überwachen (RIS-Justiz RS0126331).
In Anbetracht des Zugeständnisses der Sachwalterin, über einen Zeitraum von drei Jahren insgesamt einen Betrag von über EUR 21.000,00 vom Konto des Pflegebefohlenen abgehoben und für eigene Zwecke verwendet zu haben, wäre eine unverzügliche Sperre des Kontos für Barbehebungen geboten gewesen. Schon aufgrund der Schilderungen der Sachwalterin, sich aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung und der (mittlerweile) Selbsterhaltungsfähigkeit ihres Sohnes in einer finanziellen Notlage befunden zu haben, kann allein in der Beteuerung, dies in Hinkunft zu unterlassen, eine ausreichende Sicherheit bzw Sicherung des Vermögens nicht erblickt werden. Vielmehr indizierten die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Sachwalterin bereits zu diesem Zeitpunkt eine Kontosperre, zu der es letztlich im Oktober 2015 – nachdem weitere Geldbehebungen stattgefunden hatten – auch gekommen ist. Dass eine unverzügliche Kontosperre für die Abwicklung der Sachwalterschaft untunlich gewesen wäre, kann weder der Einlassung des Disziplinarbeschuldigten noch der Aktenlage entnommen werden.
Aufgrund der Angaben vom 22. Juli 2014 über die unberechtigten Geldbehebungen der Sachwalterin war zudem eine dem Wohl des Pflegebefohlenen förderliche Ausübung der Sachwalterschaft durch Margret Piffer durchaus anzuzweifeln; dies umso mehr nach dem Eingeständnis weiterer Entnahme von EUR 4.030,00 am 6. August 2015 und EUR 600,00 am 13. Oktober 2015.
Nach § 278 Abs 1 ABGB hat das Gericht die Sachwalterschaft unter anderem dann einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amts nicht zugemutet werden kann oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. Eine Sachwalterumbestellung setzt mithin voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert (RIS-Justiz RS0117813 [T1]). Das „Wohl“ des Betroffenen ist nach der Rechtsprechung nicht allein von einem materiellen Gesichtspunkt aus zu beurteilen, sondern es ist auch auf die Befindlichkeit und den psychischen Zustand des Betroffenen abzustellen. Allgemein ist eine stabile Betreuungssituation wünschenswert, weshalb es nur aus besonderen Gründen zu einer Sachwalterumbestellung kommen soll (RIS-Justiz RS0117813 [T7, T10]).
Nach den Umständen des vorliegenden Falles wäre eine Sachwalterumbestellung zumindest ernsthaft zu prüfen gewesen. Dies vor allem auch aufgrund der Tatsache, dass der Betroffene seit Sommer 1999 von seinen Eltern betreut und gepflegt wird und diese daher auch über das Pflegegeld verfügen. Besondere Gründe, die hier die Ehefrau als am besten geeignet für eine Sachwalterschaft erscheinen lassen, sind nicht zu erkennen (tatsächlich hat sich bereits früher der Vater des Betroffenen zur Übernahme der Sachwalterschaft bereiterklärt). Dem Argument, aufgrund der durchgeführten Darlehensgewährung habe die Sachwalterin auf die Geltendmachung einer Sachwalterentschädigung verzichtet und sei dies zum finanziellen Vorteil des Betroffenen, ist zu erwidern, dass damit künftige Malversationen der Sachwalterin nicht hintangehalten werden können. Im Interesse des Betroffenen hätte daher ein Sachwalterwechsel konkret in Erwägung gezogen werden und dies sowohl mit der Sachwalterin als auch anderen in Frage kommenden Personen (etwa den Eltern des Betroffenen) erörtert werden müssen.
Gemäß § 78 StPO sind Behörden und öffentliche Dienststellen unter bestimmten Voraussetzungen zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet, wenn ihnen der Verdacht einer Straftat bekannt wird. Obwohl § 78 StGB nicht (mehr) nach Offizial- oder Privatanklagedelikten differenziert, unterliegen der Anzeigepflicht (weiterhin) nur Offizialdelikte (vgl Schwaighofer in WK-StPO § 78 Rz 2 und 16). Die in § 166 StGB normierte Privilegierung naher Angehöriger kommt indes einem Vormund, Kurator oder Sachwalter, der zum Nachteil desjenigen handelt, für den er bestellt worden ist, nicht zugute (vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 166 Rz 31, Leukauf-Steininger Komm 3 § 166 RN 7 und 8). Da Gründe für ein Absehen von der Anzeige gemäß § 78 Abs 2 StPO (zumal der abgeschlossene Darlehensvertrag keine schadensbereinigende Maßnahme im Sinn des § 167 Abs 2 Z 2 StGB darstellt) nicht vorliegen, wäre der Disziplinarbeschuldigte (schon) ab Kenntniserlangung von den unberechtigten Geldbehebungen durch die Sachwalterin zur Anzeigeerstattung verpflichtet gewesen. Weshalb - der unwiderlegbaren Einlassung des Disziplinarbeschuldigten zufolge – selbst nach Aufklärung über die Rechtslage (im Herbst 2015) der Pflegschaftsakt nicht umgehend der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde, sondern erst im Juni 2016, ist nicht wirklich nachvollziehbar. Räumt der Disziplinarbeschuldigte doch einerseits ein, für die geplante Überprüfung nach § 278 Abs 3 ABGB bis Weihnachten 2015 wegen starker Arbeitsbelastung kein Zeit gefunden zu haben und anschließend bis Mitte Jänner 2016 auf Urlaub gewesen zu sein. Andererseits hätte bei Übermittlung des Pflegschaftsaktes an die Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Beurteilung auf die anstehende Überprüfung der Sachwalterschaft gemäß § 278 Abs 3 ABGB hingewiesen und um rasche Rückmittlung ersucht werden können.
Vor diesem Hintergrund ist der Disziplinarbeschuldigte verdächtig, gegen § 133 Abs 1 und 4 AußStrG, § 278 Abs 1 ABGB und § 78 Abs 1 StPO und damit auch gegen § 57 Abs 1 RStDG verstoßen zu haben.
§ 57 Abs 1 RStDG verpflichtet Richter und Staatsanwälte zur unverbrüchlichen Beachtung der österreichischen Rechtsordnung und fordert, sich mit voller Kraft und Eifer dem Dienst zu widmen, sich fortzubilden, ihre Amtspflichten gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen und die ihnen übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen.
Der Disziplinarbeschuldigte hat im gegenständlichen Pflegschaftverfahren auf die von der Sachwalterin zugestandenen Malversationen zum Nachteil des Betroffenen – teils in Unkenntnis der Bestimmung des § 166 StGB - unzureichend reagiert. Art und Mehrzahl der Pflichtverletzungen des Disziplinarbeschuldigten in einem besonders sensiblen Sachwalterschaftsverfahren sind als Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG zu beurteilen. In Anbetracht des bisherigen Verhaltens des Disziplinarbeschuldigten und des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft ***** bedarf es indes nicht der Verhängung einer Disziplinarstrafe. Nach den Umständen des Falls und der Persönlichkeit des Disziplinarbeschuldigten kann angenommen werden, dass - ohne Verletzung dienstlicher Interessen - ein Schuldspruch allein genügen wird, ihn von weiteren Verfehlungen abzuhalten.
Erachtet der Disziplinarsenat, dass nur die Disziplinarstrafe des Verweises zu verhängen ist, so kann dies gemäß § 110 Abs 2 RStDG ohne Verhandlung durch Beschluss erfolgen. Eine solche beschlussmäßige Erledigung kommt im Wege des Größenschlusses bzw weil es sich dabei eben nicht um die Verhängung einer Disziplinarstrafe handelt, auch – wie hier - bei einem „Schuldspruch ohne Strafe“ gemäß § 101 Abs 3 RStDG in Betracht. War zu diesem Zeitpunkt das Disziplinarverfahren bereits eingeleitet, setzt der Ausspruch nach § 110 Abs 2 RStDG die zugleich erfolgende beschlussmäßige Einstellung des eingeleiteten Disziplinarverfahrens voraus (§ 131 Abs 1 RStDG; vgl Fellner/Nogratnig , RStDG-GOG 4 § 110 Anm 1).
Die gerichtliche Genehmigung der beiden Rechnungslegungen am 22. Juli 2014 und 13. Oktober 2015 ist hingegen nicht zu beanstanden, weil Gegenstand der Prüfung lediglich Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnung ist und, wenn sich insofern keine Bedenken ergeben, gemäß § 137 Abs 1 AußStrG die Bestätigung vorzunehmen ist (vgl RIS-Justiz RS0122359). Ebenso wenig ist die Genehmigung des nach Bekanntwerden der von der Sachwalterin vorgenommenen unberechtigten Geldbehebungen vom Konto des Betroffenen abgeschlossenen Darlehensvertrages zu beanstanden. Ein vermögensrechtlicher Nachteil für den Betroffenen ist darin nicht zu erblicken.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Da gemäß § 137 Abs 2 RStDG ein Kostenersatz durch den Disziplinarbeschuldigten nur im Falle der Verhängung einer Disziplinarstrafe durch nach mündlicher Verhandlung gefälltes Erkenntnis in Betracht kommt, entfällt im Anlassfall eine Kostenersatzpflicht des Disziplinarbeschuldigten (vgl zur alten Rechtslage RIS-Justiz RS0072791, OGH Ds 1/79 [T 1]).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen Punkt 1. diesen Beschluss können der Disziplinaranwalt und der Beschuldigte Beschwerde erheben (§ 110 Abs 3 RStDG), die binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Oberlandesgericht einzubringen ist (§ 164 Abs 1 RStDG).